Im Venn am Ende

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Wolken stehen am Himmel über dem Venn, als ich hinter Andreas über die schmalen Wege und wippenden Holzstege herbalanciere. Auf meinem Rücken der Fotorucksack, im Anschlag die Sony Nex-6, denn dies ist so etwas wie eine Fotosafari. Andreas ist einer der besten Fotografen, die ich kenne, und er hat netterweise angeboten, mit mir auf Motivpirsch in seine heimatliche Eifel zu gehen. Also habe ich an Ausrüstung eingepackt, was ich an Wechselobjektiven (3) und Stativen (1) im Schrank habe und mich auf den Weg nach Imgenbroich gemacht. Das nahegelegene Steinley-Venn bei Konzen soll als Übungsgelände herhalten – und dass das belgische Militär gelegentlich Ähnliches vorhat, kann uns nicht von unseren Plänen abbringen.

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The spirits are high, sagt man auf Englisch so schön, während wir uns immer weiter von der Zivilisation entfernen. Nur die Sonne tut uns leider nicht den Gefallen, die Szenerie in güldene Strahlen zu tauchen. Der Himmel ist durchgängig bewolkendeckt, das Licht schwammig und indifferent. Macht eigentlich nichts – das Venn ist bei jedem Wetter malerisch, je nach Sonne und Jahreszeit sieht die Landschaft an keinen zwei Tagen gleich aus. Hier müssen sich doch Motive ohne Ende bieten!

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Doch je öfter ich aufs Display der Nex gucke, desto mehr wird mir klar, dass ich nichts sehe. Es liegt nicht an der Kamera: Das 30-mm-Objektiv von Sigma produziert bekanntlich knackscharfe Fotos, das 16-50-mm-Kitobjektiv sollte vom Weitwinkel bis zum Porträt brauchbare Bilder hinkriegen und als Geheimwaffe habe ich noch ein altes analoges 50-mm-Rokkor im Köcher, das mit seinem Adapter umgerechnet etwa 75 Millimeter Kleinbildäquivalent produziert. Dass bei alledem nichts Begeisterndes oder auch nur Befriedigendes rauskommt, liegt am Auge des Menschen, der durchguckt.

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Denn mal abgesehen von einigen wenigen offensichtlichen Eyecatchern wie diesem zerfratzten Balken an einem ausgemusterten Holzsteg springt mir nichts Fotografierenswertes ins Auge. Und während sich Andreas über den moosigen Boden an seelenvoll aus dem Sumpf ragende Schachtelhalme heranrobbt, bleibt mein Kameramonitor leer. Ich sehe einfach nicht, was das Fotografenauge sieht. Als ich später Andreas‘ Ausbeute anschaue, wird mein Gefühl nur noch bestätigt. Klar, er hat Ausrüstung für viele tausend Euro dabei, aber das alleine kann es nicht sein.

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Es wird ein schöner Spaziergang durch eine tolle Landschaft. Aber er lässt einen ratlosen Marc mit nassen Schuhen zurück. Wie trainiert man sich ein fotografisches Auge an? Eins ist offensichtlich, das traditionelle Rezept der Digitalfotografie – „hundertmal leicht unterschiedlich draufhalten, ein Schönes wird am Ende dabeisein“ – funktioniert nicht, wenn man wirklich etwas Spezielles produzieren will. Ich habe das Gefühl, bei Null anfangen zu müssen: Bildbeschnitt, Winkel, Licht und natürlich Brennweite, Blende und ISO-Zahl, das alles will beherrscht werden.

Hier im Venn bin ich nicht nur am Ende dessen angekommen, was die so geliebte Programmautomatik der Kamera hergibt, sondern auch am Ende dessen, was ich bis jetzt fotografisch auf die Beine gestellt habe. Es war ein Tag, der mir die Augen öffnete – und sie sahen, dass sie nichts sahen.

Was wir nicht sehen, was wir nicht wissen

Die junge Frau fiel auf. Nicht etwa, weil schwarze Menschen im Kölner Stadtteil Raderthal mit seiner hohen Rentnerdichte generell eine Seltenheit wären. Auch nicht, weil sie etwa eine besonders ungewöhnliche Erscheinung gewesen wäre, wie sie da an der Ampel direkt vor meinem Auto über die Straße ging: schwarze enge Shorts, Jacke, nach hinten getürmte Rastalockenfrisur – nichts davon war etwas Besonderes.

Was sie von allen anderen Menschen unterschied, die an diesem warmen Freitagabend gegen 20.30 Uhr auf der Brühler Straße unterwegs waren, war ihr Gang. Wer um diese Zeit an der Ausfallstraße einer deutschen Großstadt stadtauswärts durch ein Wohngebiet marschiert und keinen Vierbeiner an der Leine dabei hat, der will normalerweise irgendwo hin. Hat es eilig, hat ein Ziel. Zu Hause warten Familie, Freunde, Partner, die Couch oder zumindest ein Kühlschrank. Vielleicht sind noch letzte Einkäufe zu machen, heimzuschaffen oder jemand zu besuchen. Um halb Neun am Freitagabend will man endlich ankommen. Wo auch immer.

Doch die junge Frau ging ganz langsam. Den Blick starr geradeaus gerichtet, setzte sie fast mechanisch einen Fuß vor den anderen. Wäre sie etwa halb so alt gewesen, wie ich sie einschätzte, und wäre es früher Nachmittag gewesen, hätte ich gedacht: oh, heute muss Zeugnistag sein, und da hat es jemand gerade gar nicht eilig, seinen Eltern unter die Augen zu treten.

Doch es war weder Zeugnistag noch eine Schule in der Nähe. Noch ein Geschäft, Restaurant oder sonst etwas, wo man in Raderthal um diese Zeit noch hätte hingehen können. Vor der jungen Frau lagen noch hundert Meter Wohnhäuser auf beiden Seiten, dann die um diese Zeit menschenleere Konrad-Adenauer-Kaserne und dahinter bereits der Militärring mit seinem Grüngürtel, der die Stadtgrenze Kölns markiert.

Ein paar hundert Meter weiter liegt, an einem Parkplatz, der Straßenstrich.

Für jeden Menschen, dessen detektivische Fähigkeiten nicht mit denen konkurrieren können, die Sir Arthur Conan Doyle seinem Sherlock Holmes mitgegeben hat, dürfte es schwer bis unmöglich sein, aus dem Gang eines Menschen auf seinen Broterwerb zu schließen. Ich bin denn auch alles andere als sicher, dass meine Vermutung zutraf. Wenn ich selbst zu Fuß auf derselben Strecke unterwegs bin, ist mein Ziel der Kalscheurer Weiher im Grüngürtel, wo sich zu jeder Tageszeit die Spaziergänger gleich im Dutzend über den Haufen laufen. Wer kann denn schon mit Sicherheit sagen, dass die junge Frau nicht einfach nur einen entspannten Spaziergang im letzten Abendlicht im Sinn hatte? Ein romantisches Treffen mit einem Lover auf der Parkbank? Ornithologische Beobachtungen an der Vogelinsel im See?

Doch meine Ahnung sagte etwas anderes. Hier ging jemand, der zwar ein Ziel hatte, aber mit äußerstem Widerwillen dahin unterwegs war. Ich weiß nicht viel über Prostituierte und ihre Lebensumstände, aber acht Tage zuvor hatte ich tatsächlich so etwas wie eine kurze, traurige Berührung mit dieser Welt gehabt, die sich meist so unsichtbar unter der Oberfläche unserer Gesellschaft abspielt.

Am Donnerstag der Vorwoche war ich gegen halb elf am Abend nach dem üblichen Sport und einem Tankstopp in Eynatten auf der nächtlichen A44 in Richtung Aachener Kreuz unterwegs gewesen, als auf der Gegenrichtung kurz hinter Aachen-Brand ein großer Auflauf an Polizei, Technischem Hilfswerk, Scheinwerfern und Warnlampen in Sicht kam. Ich stoppte am nächsten Rastplatz, rief den Redaktionsspätdienst an und erfuhr: Dort war in einem Gebüsch direkt neben der Fahrbahn eine Leiche gefunden worden, die einer jungen Frau.

Die Tote war Afrikanerin und so mager, dass Spekulationen aufkamen, sie sei von Schleusern zu Fuß über die belgisch-deutsche Grenze geschmuggelt worden und dabei vor Entkräftung und Hunger gestorben. In den Tagen darauf fanden die Behören heraus, dass die Frau 30 Jahre alt gewesen war und ursprünglich aus Uganda stammte. Über ihre letzte Zeit in Aachen wurde nur bekannt, dass sie drogenabhängig geworden war und, wie so viele Menschen mit diesem Schicksal, ihren Körper verkauft hatte. Wie ihre sterblichen Überreste in das Gebäusch gelangt waren; ob sie selbst dahin gegangen war oder jemand ihre Leiche dort abgelegt hatte, wusste niemand. Ebensowenig, ob sie an einer Überdosis, einer Krankheit oder etwas anderem gestorben war.

Doch wie auch immer ihre letzten Stunden ausgesehen haben mochten: Einmal war auch sie ein kleines Mädchen gewesen, das mit Freundinnen spielte, lachte und weinte, Träume und Hoffnungen hatte – und ein ganzes Leben vor sich. Ein Leben, das im Frühjahr 2014 am Rand von Aachen in einem Gebüsch an einer Autobahn enden sollte.

Nachdem ich meinen Wagen vor dem Haus geparkt und die Einkäufe aus dem Kofferraum geholt hatte, sah ich der jungen Frau noch einmal nach, wie sie weiter langsam die Straße hinunterging. Mich erwartete das, was die meisten Mitteleuropäer nach Feierabend erwartet: ein gemütliches Zuhause, ein Abendbrot, ein Bett. Was erwartete sie am Ende ihres Weges? Wenn es das war, was ich vermutete: Tat sie es freiwillig? Unter Zwang? Für sich selbst oder für jemand anderen? Für einen Mann? Ein Kind? Ihre Familie?

Unsere kleine, mehr oder weniger heile mitteleuropäische Welt mit all ihren Annehmlichkeiten und Selbstverständlichkeiten ist nur eine von vielen. Es gibt andere Welten, mit Zwängen und Abhängigkeiten; Welten, die wir nicht sehen, von denen wir keine Ahnung haben. Und die uns manchmal doch so nahe sind, dass wir sie mit ausgestreckter Hand berühren könnten.

Und wenn wir das Glück haben, in einer Welt leben zu dürfen, die von liebe- oder zumindest respektvollen Menschen bevölkert wird und wir einer Arbeit nachgehen dürfen, die uns nicht nur irgendwie gerade am Leben hält, sondern vielleicht sogar gefällt oder gar inspiriert – dann sollten wir von Zeit zu Zeit all denjenigen da draußen einen Gedanken schenken, denen dieses Glück nicht gegeben ist.

Kleiner Rückblick

Habe mich heute spontan entschlossen, das Layout dieses Blogs auf das aktuelle WordPress-Theme Twenty Fourteen zu aktualisieren. Richtig hübsch fand ich das alte Design Twenty Eleven eh nicht mehr. Nach vielstündiger Konfigurier- und Anpassarbeit sieht das Ergebnis so aus:

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Das Headerbild ist von 1000 auf 1260 Pixel Breite gewachsen und geht jetzt über die volle Breite meines Monitors. Die Bildhöhe habe ich vom alten Layout beibehalten, mit 460 Pixel ist das Headerformat bei mir dadurch merklich mächtiger als defaultmäßig vorgeschlagen. Aber beim Beschneiden meiner Headerfotos habe ich wieder gemerkt, dass es den Motiven gut tut, nicht allzu flach gesäbelt zu werden.

Es war zwar reichlich Arbeit, die alten Fotos nochmal aus dem Archiv herauszusuchen und neu zu bearbeiten, aber das Ergebnis gefällt mir ausgezeichnet. Besonders hübsch an Twenty Fourteen finde ich den schlanken, eleganten Überschriften-Font und die netten „Tag“-Schildchen unter den Artikeln.

Hier nochmal die alte Seite zum Vergleich:

2014_05_10_Marc-Heckert Screenshot Twenty Eleven

Ach ja. Es hat sich schon einiges verändert, seit dieses Blog Anfang 2007 unter http://moorbraun.twoday.net erstmals ins Netz ging. Damals spiegelten die Farben noch die des Dieselcoupés wieder: Der Hintergrund moorbraun, der Textkasten cremebeige – oder was Photoshop stattdessen ausgab.

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Und dann war da noch Pilotblog.de, das im November 2007 unter http://pilotblog.blog.de startete. Für mein anderes Hobby Fliegen, und weil ich mehrere Bloghoster testen wollte. Schließlich hatten die Alphablogger jener Tage wie Don Alphonso auch mehrere Blogs…

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Blog.de war deutlich moderner und schicker als das mit der Zeit immer steinzeitlicher anmutende Twoday-Interface. Doch irgendwann wurde mir das Gefummel mit zwei unterschiedlichen Seiten zuviel und die Pausen zwischen meinen Beiträgen immer länger, zumal man bei Twoday für große Bilder immer noch auf Flickr verweisen musste.

So wäre es mit dem Bloggen irgendwann wohl vorbei gewesen, hätte ich nicht im Sommer 2012 den Hintern hochbekommen und bei Alfahosting dieses WordPress-Blog hier unter der neuen Adresse www.marc-heckert.de eingerichtet. In den Monaten danach wuchsen Moorbraun.de und Pilotblog.de hier zusammen. Seitdem macht das Bloggen wieder Spaß, sogar dank iPad- und Android-App sogar von unterwegs aus. Und dank der WordPress-Community ist die Software immer auf dem neuesten Stand.

Einziger Wermutstropfen: In monatelanger Arbeit durfte ich die bis dato 434 Artikel auf Moorbraun, die rund 60 Pilotblog-Beiträge und noch rund 100 Texte des mittlerweile abgeschalteten AZ/AN-Blogs „Moin Oche“ händisch hier herüberkopieren, samt Bildern und Leserkommentaren. Manchmal bestraft das Leben nicht nur den, der zu spät kommt – sondern auch den, der zuviel will.

Kölsches

Ich gebe zu: Ich fremdele immer noch etwas mit Köln, auch nach über anderthalb Jahren. Wahrscheinlich, weil mir Aachen in den Jahren davor so sehr ans Herz gewachsen ist, dass ich es unbewusst als Verrat empfinden würde, mich in Köln wohl zu fühlen. Dabei gibt es durchaus nette Ecken in der großen Stadt am Rhein. Eine davon ist der Rheinauhafen, Ende des 19. Jahrhunderts als innerstädtische Hafenanlage mit Lagerhäusern und Werften angelegt, seit 2000 aber nach und nach umgestaltet zu einem Büro- und Wohnareal. Einer der wenigen Orte in Köln mit wirklich großstädtischem Flair. Modern, mondän, edel, aber ohne Snobismus – doch, ich mag den Rheinauhafen.

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Zwischen dem Schokoladenmuseum an der Nordspitze der einstigen Insel, den drei futuristischen Kranhäusern südlich der Severinsbrücke, den modernen Büroblöcken am Anna-Schneider-Steig und schließlich dem spitzgiebeligen „Siebengebirge“ am Agrippinaufer, einem 170 Meter langen einstigen Lagerhaus und heutigen Wohn- und Geschäftsgebäude, bummeln inzwischen die Spaziergänger, flitzen Inlineskater, fahren Radler und summt gelegentlich eine Gruppe Touristen auf Segway-Rollern umher.

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An einem warmen Spätsommerabend kann man hier wunderbar stundenlang auf den Sofas vor dem Limani sitzen, ein Kaltgetränk in der Hand, die Blicke schweifen lassen und Leute gucken.

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Auch wenn es manchmal gar nicht die Zweibeiner sind, bei denen das Beobachten am meisten Spaß macht.

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Wenn es dann langsam Nacht wird am Rheinauhafen, nimmt man sich die Kamera zur Hand, schlendert eine Runde um den Block und probiert, ob die neue 30-Millimeter-Festbrennweite, die der Briefträger am Morgen gebracht hat, wirklich so viel besser ist als das originale 16-50mm-Kitobjektiv der Nex.

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Ja, sie ist. Das Sigma holt selbst aus einem freihändigen Schnappschuss im Dunkeln mehr heraus als das Zoomobjektiv. Whow!

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Bummeln macht hungrig. Im Bona’me unten im Luther-Gebäude gibt es feine türkische Küche, sanftes Hintergrundlicht und warmen Feuerschein von den Terrassenfackeln. Der Rotwein ist milde beerig, die Flamme neben dem Tisch angenehm warm und der Biergarten voller gut gelaunter Nachtschwärmer. Ja, man kann es ein Weilchen aushalten, so am Rheinauhafen.

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Und kaum dass man sich’s versieht, sind fünf Stunden vergangen – da wird es schließlich doch irgendwann Zeit für den Rückweg, den nächtlichen Rhein entlang. Das Siebengebirge mit seiner Kranbrücke entlang, vorbei am „Bratort“, einer Wurstbude, an der sich die Kölner Tatortkommissare so gerne stärken, dann durch die Uferwiesen. Die Südbrücke zwingt förmlich dazu, vom Rad zu steigen und die Kamera noch einmal auf der gemauerten Uferböschung in Position zu bringen. Das neue Objektiv pult noch einmal jede Niete aus den Stahlbögen heraus.

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Kurz dahinter bietet der Heimweg noch ein weiteres Fotomotiv, aber ein deutlich moderneres: das quaderförmigen Hochwasserpumpwerk an der Schönhauser Straße – das dank seiner dezenten Beleuchtung offenbar auch für ein Mitternachtspicknick gut geeignet ist. Der Fotograf auf der dunklen Rheinwiese davor wünscht sich einmal mehr, ein Stativ mitgenommen zu haben.

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Am Bayenthalgürtel schließlich, schon kurz vor dem Ziel, wartet in einer Seitenstraße noch ein ganz besonderes Zuckerl unter einer Laterne: ein Jaguar E-Type, offenbar einer der ersten Serie von 1961 bis 68 in einer gecleanten Rennversion ohne Stoßfänger. Auch wenn nicht ganz klar ist, wie original die so erotisch gerundeten Kotflügel mit dem offenen Kühlermaul sind – die gefühlt längste Motorhaube der Autogeschichte ist einfach zu schön, um nicht ein letztes Mal für diesen Abend die Kameratasche zu öffnen.

Dann ist ein Abend zu Ende, der selbst einem eingefleischten Skeptiker gezeigt hat, dass auch Köln nicht ganz ohne Reize ist. Es könnte am Rotwein gelegen haben, dem beerig milden – der stimmt anscheinend auch einen Bären mild.

Sommergolf

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Zur Runde Minigolf vor dem Aachener Schnitzeltestessen im Gut Entenpfuhl war ich zu spät. Immerhin: Für einen letzten Schuss im Abendlicht war noch genug Golf da.

Rückgeblendetes

Am letzten Tag meiner Woche als Curator für das Twitterprojekt @wirlebenAC ging es nochmal ganz tief in die Vergangenheit. Hier der Beitrag, mit dem ich mich im Projektblog verabschiedet habe. Seit Montag, 12 Uhr, twittert auf der Seite nun @elfritzos.

Woche 16 – Tag 7

Meine Woche auf wirlebenAC geht zu Ende und ich will Euch zum Schluss noch ein paar Orte vorstellen, die mir in und um Aachen besonders ans Herz gewachsen sind. Verlinkt sind alte Blogbeiträge von mir, meist aus der Zeit um 2007, als ich frisch ins Ostviertel gezogen war und die Stadt und das Umland nach und nach entdeckte.

Engel3Da wäre der Ostfriedhof am Adalbertsteinweg. Eine milde Melancholie liegt über den Gräbern, von denen viele mit sehr schönen Figuren und prächtigen Grabsteinen verziert sind. (23.8.2007)

0034_Doppelcascade_1024Ausflugstipp fürs Wochenende: Der höchste Wasserfall Belgiens liegt bei Coo am Amblève-Fluss. (10.8.2008)

Finnschnitzel104_800Die vielbesungene Finnbahn am Königshügel. Federnd, beleuchtet bis Mitternacht, angenehm mäandernd rund um die Tartanbahn am Hochschulsportzentrum. Von sowas träumen sie in Köln. (3.2.2008)

69_Bunker_1024Eine Begegnung mit dem Tod in einem gesprengten Wehrmachtsbunker an der Bahnlinie nach Vetschau. (16.9.2011)

103_Gesamtbild_800Asien vor der Haustür: der Japanische Garten in Hasselt. Besonders prächtig zur Kirschblütenzeit. Mehr Nippon geht nur noch in Düsseldorf. (19.5.2008)

239_Plattform_800Baesweilers Antwort auf den Sky Walk am Grand Canyon: die Aussichtsplattform im Carl-Alexander-Park. (10.6.2008)

Henri-Bau_077_800Ein kleiner Ausflug nach Ostbelgien endet am amerikanischen Soldatenfriedhof in Henri-Chapelle. Und mich ergreift Ergriffenheit. (14.10.2007)

Schatten_27_800Perfekt zum Joggen: der Öcher Bosch. Perfekter Startpunkt dafür: der Parkplatz an der Monschauer Straße. (19.10.2007)

037_RurseeDer Rursee von oben. (9.3.2013)

1100_K-Bilderrahmen266_800Kennt Ihr eigentlich den Karneval von Maastricht? So nah und doch so anders als der in Aachen – die Kostüme fielen jedenfalls echt aus dem Rahmen. (6.2.2008)

066_PralinenUnd zuletzt: ein Tag in Brüssel – denn Brüssel ist Europa im Großen und Aachen im Dreiländereck ist Europa im Kleinen. Und beide liegen nur eine Autostunde voneinander entfernt. (10.9.2007)

Das war sie, Tipplings Woche auf wirlebenAC. Hoffe, es hat Euch gefallen, Aachen einmal aus der Perspektive des Zugreisten zu sehen. Mir hat’s großen Spaß gemacht mit Euch und ich freue mich auf das große wirlaufenAC am 31. August – und natürlich die nächsten Schnitzeltestessen!

Stadtgebummeltes

Am vierten Tag meines Wochen-Kuratoriums (nennt man das so?) für das Twitterprojekt @wirlebenAC kam ich endlich erstmals mal dazu, etwas originär in Aachen Produziertes zum Thema Aachen zu schreiben. Hier der Beitrag für das Projektblog, den ich mir – faul, wie ich bin – einfach herüberkopiert habe.

Woche 16 – Tag 4

Da bis jetzt anscheinend immer noch niemand meine Tarnung durchschaut hat, kann ich in aller Ruhe weiter meinen teuflischen Plan verfolgen, aus @wirlebenAC ein Blogprojekt zu machen. Wenn die Zahl der Blogpostings hier erst einmal die der Tweets überstiegen hat, wird es kein Zurück mehr geben!

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Dieses Bild wollte ich Euch ja eigentlich gestern zeigen, aber das Wetter war dagegen. Die Fontäne im Wasserbecken des Europaplatzes ist für mich immer der schönste Aachener Willkommensgruß, wenn ich über die Autobahn in die Stadt komme. Seit ich in Köln wohne – also seit Februar 2012 – sehe ich die weiße Gischt lustigerweise noch öfter als vorher. Mein Arbeitsplatz, der Zeitungsverlag Aachen, liegt zwar an der Dresdener Straße und damit an der Abfahrt Rothe Erde. Da ich aber oft Mitfahrer habe, die am Kreisel abgesetzt werden wollen, grüßt mich die fröhliche Fontäne in schöner Regelmäßigkeit. Am schönsten leuchtet sie natürlich nachts.

Entlich endlich hatte ich nach Feierabend noch etwas Zeit, um mal mit der Kamera durch die Stadt zu bummeln und ein paar Ecken abzulichten, die mir an Aachen besonders ans Herz gewachsen sind. Und wie’s so kommt: Wenn man aufmerksam durch die Gassen rund um den Dom schlendert, entdeckt man plötzlich selbst noch etwas Neues.

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Wie diese Plakatwand an der Citykirche. „Bevor ich sterbe, möchte ich…“ ist dort vorgegeben – den Rest darf man ergänzen mit Wünschen wie „reich werden“, „Ronaldo sehen“, „Kinder haben“, „die Welt sehen“, „innere Ruhe gefunden haben“ oder „mein Russland glücklich, gesund und reich sehen“. Anstoß, selbst einmal kurz innezuhalten: Tja, was möchte ich denn eigentlich?

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Das hier ist mein Lieblingsblick in Aachen: vom Markt aus zwischen Rathaus und „Brille am Markt“ die Krämerstraße hinunter auf den Dom. Ich mag die alten Häuser mit ihren französischen Mansardendächern, ich mag das bunte Gewusel der Passanten auf dem Kopfsteinpflaster rund ums Rathaus und die Ehrfurcht gebietenden gotischen Mauern des Kirchenschiffs im Hintergrund. Der Dom überragt alles, aber er erschlägt nichts, weil es keinen größeren leeren Platz um ihn herum gibt. Er ist der natürliche Mittelpunkt der Innenstadt.

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Durch die Rommelsgasse geht es hinunter zum Hof…

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…wo an diesem schönen Abend jede Menge los ist. Im Domkeller gibt es übrigens eine reiche Auswahl belgischer Biere. Am besten trinkt es sich natürlich im Schatten der römischen Arkaden am Kaiserwetter, links im Bild hinter den Bäumen.

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Am nordwestlichen Zipfel des Elisengartens liegt der Brunnen „Der Kreislauf des Geldes“, den hier gerade einige Spanisch sprechende Touristen bewundern – wobei ihr Stadtführer Armbewegungen macht, die sich gut in die Choreografie des Figurentrios einfügen.

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Jetzt aber wieder zurück, die Zeit wird knapp, am Bahnhof warten die Mitfahrer. Über den Münsterplatz geht es rund um den Dom wieder bergauf – die üblichen Touristenfotos schenke ich mir jetzt mal, obwohl Türelüre-Lißje, Aachens Antwort auf Manneken Pis, durchaus einen Abstecher wert wäre.

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Ein paar Meter dahinter buhlen güldene Einhörner und Schwäne um die Gunst und den Hunger der Touristen. Schön, dass es noch so traditionelle Gasthäuser an diesem schönen Ort gibt und sich die allgegenwärtige Invasion der US-Ketten bislang auf ein Starbucks beschränkt.

Das war er, mein kleiner Rundgang durch die Innenstadt. Es gäbe noch viel mehr zu zeigen: die lustige Autofalle Annuntiatenbach zum Beispiel, harmlos versteckt hinter ihrem Bordstein. Das Bahkauvdenkmal am Büchel, nur ein paar Meter von der die Rotlichtmeile Antoniusstraße entfernt. Der Klenkes-Junge an der Frittezang. (Apropos Fritten: In welcher anderen deutschen Stadt gibt es schon so belgische belgische Fritten?) Die in Stein gemeißelten Namen der königlichen und fürstlichen Besucher Bad Aachens am Elisenbrunnen-Pavillon. Das Hohe C Super-C am Templergraben. Das Kneipenviertel hinterm Ponttor. Den Blick vom Lousberg.

Aber wir kommen ja nochmal wieder – davon kann uns nicht mal das unvermeidliche Karnevalslied abhalten, das alljährlich bei der Ordensverleihung wider den tierischen Ernst gesungen wird: „Wer einmal in Aachen waaar…“

Passt schon.

[Hier geht es zu den Tagen 1, 2 und 3.]

Alea iacta est

Ich kann mich nicht erinnern, mich in meinem Leben mit einer Entscheidung – also: Kaufentscheidung – schon einmal so schwer getan zu haben, wie jetzt mit der Wahl der neuen Kamera. Was ich in den langen Nächten der vergangenen Wochen gelernt habe: Die Recherchemöglichkeiten im Netz sind mittlerweile schlicht umwerfend. Klar, ausführliche Tests, Erfahrungsberichte und Youtube-Videos gibt es zu jedem Modell en gros. Was ich dagegen bis dato noch nicht kannte, sind interaktive Vergleiche, etwa bei DPReview, wo man die Leistungen seiner Wunschkamera im Vergleich zu anderen Modellen in übersichtlichen Balkengrafiken präsentiert bekommt.

2013_07_28_DPReview Screenshot

Oder die Snapsort-Datenbank, wo die Vor- und Nachteile fast jeder aktuellen Kamera stichwortartig mit denen jeder anderen verglichen werden kann.

2013_07_28_Snapsort Screenshot

Und wenn es um die Jackentaschentauglichkeit geht, hilft Camerasize, wo alle Modelle aus jeder Perspektive nebeneinander gestellt werden können. Natürlich jeweils mit einer ganzen Palette passender Objektive, man will ja objektiv sein und nicht ein Tele mit einem Pancake vergleichen.

2013_07_28_Camerasize Screenshot

Es gibt also wirklich keine, aber auch gar keine Notwendigkeit mehr, sich vom heimischen Schreibtischstuhl zu erheben, um sich für eine Kamera zu entscheiden. Fehlt eigentlich nur noch ein Fotografiersimulator, mit dem man seine Wunschmotive in einem ausgesuchten Kameramodell künstlich erzeugen kann – dann bräuchte man seine Wohnung nicht mal mehr zum Knipsen zu verlassen.

Okay. Durchatmen. Also. Ich habe mich entschieden.

Earlier this year, I made a pretty drastic change in my camera set up. I left behind my trusty Canon DSLR, and the lenses and accessories that had served me well for six years, and I picked up a Sony NEX-5N mirrorless camera. (Dan Seifert, auf The Verge)

Zuerst mal: Es wird keine Spiegelreflexkamera.

Da ich die Sony NEX-6 zu meiner Hauptdigitalkamera zu adeln gedenke, (…) (Stephan Spiegelberg, in Nach einer Woche mit der Sony NEX-6)

Was mir bei der Entscheidung half, waren die diversen Statements von teils sehr bekannten Fotografen, die ihre Mittelklasse-DSLRS für Systemkameras aufgegeben haben. Gut, die High-End-Modelle mit Vollformatsensor bleiben eine Klasse für sich. Jedenfalls noch für eine Weile.

Is the Sony NEX-7 WAY better than the my previous camera, the Nikon D800? No. Is it better enough to switch? Definitely. (Trey Ratcliff, in Hello Sony. Goodbye Nikon. The story of why I am switching from Nikon to Sony.)

Aber dem Argument „die besten Fotos macht man mit der Kamera, die man mit hat“ können sich auch die besten Fotografen offenbar nicht verschließen.

„(…) the NEX-6 might be my favorite mirrorless camera yet. It’s certainly the first one I’ve tried that feels like it could replace my DSLR (…)“ (David Pierce, auf The Verge)

Vielleicht werde ich mir dann irgendwann auch noch eine Spiegelreflex zulegen. Wenn die NEX einmal meine Ansprüche nicht mehr erfüllt.

Die Nex hat auch mein fotografisches Leben total umgekrempelt. (…) Also 5N im Kit gekauft (…) Kurze Zeit später war alles Nikonequipment im Biete-Bereich zu finden. Das war zwar ein ziemlich harter Cut, aber ich würde es jederzeit wieder so machen. (User cp995 im DSLR-Forum)

Und wenn es dann noch Spiegelreflexkameras gibt. Wer weiß. Vor zehn Jahren haben ja auch die meisten von uns noch mit Rollenfilm fotografiert.

Nazijagd vorm Fußpflegesalon

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Werbung, die wach macht – jedenfalls mich beim morgendlichen Gang zum Bäcker am Südfriedhof. Bis zu 25.000 Euro bietet das Simon-Wiesenthal-Zentrum für Hinweise auf noch lebende Kriegsverbrecher. Nazijagd vor dem Fußpflegesalon im Rentnerviertel Raderthal – dahinter steckt bestimmt eine interessante Zielgruppenanalyse der Mediastrategen.

Nun ja, vielleicht ist ja wirklich für den einen oder anderen der hier auf den Bus Wartenden das Angebot attraktiv, Opa gegen einen Neuwagen einzutauschen.

Adieu

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Es war mein erstes Blog: Moorbraun.de beim Bloghoster Twoday.net. In den ersten Wochen des Jahres 2007 hatte ich es eingerichtet. Twoday war es geworden, weil der Blogger Don Dahlmann diesen Hoster in einem Vergleich für Turi2 als den besten in Deutschland empfohlen hatte.

Und in den ersten Jahren hat mir das Bloggen dort auch wirklich Spaß gemacht. Mit Begeisterung erzählte ich von meinen ersten Wochen und Monaten in Aachen und – rückwirkend – von der Restaurierung meines moorbraunen Dieselcoupés ab 2005. Fast täglich kam ein neuer Artikel dazu, manchmal sogar mehrere an einem Tag. Und ich freute mich über die vielen Kommentare. Auch wenn es zusehends nerviger wurde, dass man für große Bilder immer auf ein separates Foto bei Flickr verweisen musste. Trotzdem kamen in fünfeinhalb Jahren insgesamt 434 Beiträge zusammen, der letzte im August 2012. Aus der Auto-Biographie entwickelte sich mit der Zeit ein Blog über Mobilität und Reisen.

Was sich allerdings nicht weiterentwickelte, war Twoday. Das Interface blieb auf dem Stand von 2007. Noch heute steht auf einer Bezahlseite dieselbe Fehlermeldung wie damals („Dieses Weblog (Produkt: ‚<% param.product %>‚) ist derzeit nicht bezahlt!“). Irgendwann verlor ich immer mehr die Lust am mühseligen Herumgedoktore mit den parallelen Blog- und Bilder-Accounts. Irgendwann erschien auch etwas namens Facebook, war anders und aufregend und definierte das Social Web völlig neu. Die Abstände zwischen den Beiträgen auf Moorbraun wurden länger und länger. Auf große Bilder verzichtete ich schließlich ganz.

Erst nachdem ich in einigen warmen Wochen des Sommerurlaubs 2012 unter www.marc-heckert.de dieses WordPress-Blog hier eingerichtet hatte, kam der Spaß am Bloggen zurück. Und eine Mammutaufgabe auf mich zu: 434 Beiträge samt Bildern und Kommentaren wurden nach und nach von Twoday hier herüberkopiert. Dazu rund 60 Beiträge von Pilotblog.de und knapp 100 vom (inzwischen abgeschalteten) Blog „Moin Oche“ bei Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten sowie einem Testblog namens Printenheim bei Blogger.com, mit dem ich anfangs etwas herumgespielt hatte.

Warum das Ganze? Ich hatte Angst, dass Twoday und die anderen eines Tages die Pforten schließen und meine ersten Schreibversuche im Netz dann weg sind. Das WordPress-Blog hier lässt sich mit ein paar Mausklicks komplett archivieren. Und die Plattform selbst dürfte so als führende Open-Source-Lösung so zukunftssicher sein, wie es nur geht.

An diesem sonnenheißen Julisamstagnachmittag heute, fast ein Jahr später, ist endlich der letzte Beitrag von Twoday.net nach hier umgezogen („Was vorher geschah„, die Geschichte des moorbraunen Coupés, ehe ich es 1993 kaufte). Alles, was ich bis heute im Netz gebloggt habe, steht jetzt hier. Inzwischen sind es mehr als 600 Beiträge.

Zeit, meinem ersten Blog Adieu zu sagen. Alle Beiträge dort sind jetzt offline geschaltet. Beim Umtopfen der alten Texte kam etwas Melancholie auf. Wie anders das Netz 2007 noch aussah. Wieviel sich in der Zwischenzeit verändert hat – und wieviel Unschuld das alte, idealistische und nerdige Internet auf dem Weg zum Milliardenmedium inzwischen verloren hat.

Egal, der Umzug ist geschafft – und ich hoffe, dass es für alle Zeiten der letzte ist. Obwohl man natürlich – also, eigentlich – auch all die Facebook-Einträge der letzten Jahre mal irgendwann irgendwie irgendwo archivieren müsste…