Im Wald, da sind die Räuber, bekamen Kinder zu Urgroßvaters Zeiten warnend eingetrichtert. Dunkel und gefährlich ist’s unter den Bäumen, kein vernünftiger Mensch wagte sich freiwillig in das Reich der Wölfe und Bären. Früher. Heute tragen die Bären niedliche Namen wie Bruno oder Knut und haben ihr Revier geräumt für andere wilde Geschöpfe. Zum Beispiel den Waldläufer. Es folgt etwas Werbung für eine Betätigung, die man aus tiefstem Herzen liebt oder hasst.
Jogger, das sind diese Irren, die ohne Ziel und ohne Zeitabnahme durch friedliche Grünanlagen hetzen. Deren Japsen die Tauben aufflattern lässt und deren verstöpselte Ohren das Klingeln der Radfahrer nie hören. Sagen die einen. Für die andere Hälfte der Menschheit ist Laufen die wunderbarste Bewegung der Welt, ideale Fettverbrennung und innere Einkehr inbegriffen.
Sie meinen, für Sie ist das nichts? Vor Jahren mal probiert und nach ein paar hundert Metern hustend und mit peinvollem Seitenstechen zusammengeklappt? Das heißt gar nichts. Passiert jedem am Anfang. Es braucht eine Weile, bis sich der Körper an das gesteigerte Bewegungstempo gewöhnt hat. Einfach mal ein paar Runden flott gewalkt, in der zweiten Stufe mal längere Laufpassagen reingeschoben, dann geht es. Dauert nicht lange.
Und was für ein Glück wir haben. Der Aachener Stadtwald ist nämlich die perfekte Trainingsbahn. Wir stellen unseren Wagen am Wanderpilz ab, dehnen noch ein wenig die vom Bürotag verhärtete Beinmuskulatur…
…und dann los. Die ersten Schritte sind noch etwas staksig. Aber schön ist es hier: Das Sonnenlicht bricht sich in den gelben und roten Blättern. Mücken tanzen in der Luft. Abgefallenes Laub raschelt unter den Sohlen. Der anfangs schnurgerade Weg wird schnell abwechslungsreicher.
Stellenweise sogar etwas zu abwechslungsreich. Was jetzt: Mit einem kühnen Sprung über den Matsch setzen oder künstlerisch am Schlamm vorbeitänzeln? Hauptsache, nicht aus dem Rythmus geraten.
Erst recht nicht bei Steigungen wie dieser. So etwas strengt an. Aber ein Hürdenlauf macht ohne Hürden ja auch keinen Spaß.
Wer mag, kann per MP3-Player die Außenwelt auf optische Eindrücke reduzieren. Vogelzwitschern hat zwar seinen Reiz, aber wer im Innenohr Chris Rea La Passione rauchen hört, versinkt schneller in eine Art angenehme Trance. Der Körper hat sein Tempo gefunden, Glückshormone schwappen fröhlich durch die Blutbahn, und die Beine bewegen sich wie von selbst.
Allzu meditatives Dahintraben hat allerdings auch Nachteile. Wir Zweibeiner sind nämlich nicht allein hier.
Also schön die Äuglein aufgelassen und den Blick auf den Weg gerichtet. Der ist manchmal nämlich ganz schön holprig.
Wer hat nur die Idee gehabt, mitten in der Wildnis Pflastersteine zu verlegen? Römer? Räuber?
Wer auch immer sie waren: Ihre Nachfahren waren gründlicher. Über die Monschauer Straße rennt man nicht so einfach, ohne nach links und rechts zu gucken. Jedenfalls nicht um diese Zeit, am frühen Abend.
Noch eine letzte Schleife, dann geht es zurück zum Parkplatz. Die Sonne ist längst weg, die Dämmerung hat eingesetzt. Das ist der Nachteil am Herbst: Es wird inzwischen schon so früh dunkel, dass man ein Problem hat, nach Feierabend noch im Hellen seine Runde zu Ende zu bringen. Aber wir haben’s grade noch geschafft. Falls es hier doch noch einen übriggebliebenen Bären gibt.
Waren wir wirklich eine Stunde unterwegs? Ging ja fast wie von selbst. Sagten Sie nicht, das wäre nichts für Sie?
Morgen wieder?
2 Antworten auf „Neues aus dem Wald“