Ich gebe zu: Ich fremdele immer noch etwas mit Köln, auch nach über anderthalb Jahren. Wahrscheinlich, weil mir Aachen in den Jahren davor so sehr ans Herz gewachsen ist, dass ich es unbewusst als Verrat empfinden würde, mich in Köln wohl zu fühlen. Dabei gibt es durchaus nette Ecken in der großen Stadt am Rhein. Eine davon ist der Rheinauhafen, Ende des 19. Jahrhunderts als innerstädtische Hafenanlage mit Lagerhäusern und Werften angelegt, seit 2000 aber nach und nach umgestaltet zu einem Büro- und Wohnareal. Einer der wenigen Orte in Köln mit wirklich großstädtischem Flair. Modern, mondän, edel, aber ohne Snobismus – doch, ich mag den Rheinauhafen.
Zwischen dem Schokoladenmuseum an der Nordspitze der einstigen Insel, den drei futuristischen Kranhäusern südlich der Severinsbrücke, den modernen Büroblöcken am Anna-Schneider-Steig und schließlich dem spitzgiebeligen „Siebengebirge“ am Agrippinaufer, einem 170 Meter langen einstigen Lagerhaus und heutigen Wohn- und Geschäftsgebäude, bummeln inzwischen die Spaziergänger, flitzen Inlineskater, fahren Radler und summt gelegentlich eine Gruppe Touristen auf Segway-Rollern umher.
An einem warmen Spätsommerabend kann man hier wunderbar stundenlang auf den Sofas vor dem Limani sitzen, ein Kaltgetränk in der Hand, die Blicke schweifen lassen und Leute gucken.
Auch wenn es manchmal gar nicht die Zweibeiner sind, bei denen das Beobachten am meisten Spaß macht.
Wenn es dann langsam Nacht wird am Rheinauhafen, nimmt man sich die Kamera zur Hand, schlendert eine Runde um den Block und probiert, ob die neue 30-Millimeter-Festbrennweite, die der Briefträger am Morgen gebracht hat, wirklich so viel besser ist als das originale 16-50mm-Kitobjektiv der Nex.
Ja, sie ist. Das Sigma holt selbst aus einem freihändigen Schnappschuss im Dunkeln mehr heraus als das Zoomobjektiv. Whow!
Bummeln macht hungrig. Im Bona’me unten im Luther-Gebäude gibt es feine türkische Küche, sanftes Hintergrundlicht und warmen Feuerschein von den Terrassenfackeln. Der Rotwein ist milde beerig, die Flamme neben dem Tisch angenehm warm und der Biergarten voller gut gelaunter Nachtschwärmer. Ja, man kann es ein Weilchen aushalten, so am Rheinauhafen.
Und kaum dass man sich’s versieht, sind fünf Stunden vergangen – da wird es schließlich doch irgendwann Zeit für den Rückweg, den nächtlichen Rhein entlang. Das Siebengebirge mit seiner Kranbrücke entlang, vorbei am „Bratort“, einer Wurstbude, an der sich die Kölner Tatortkommissare so gerne stärken, dann durch die Uferwiesen. Die Südbrücke zwingt förmlich dazu, vom Rad zu steigen und die Kamera noch einmal auf der gemauerten Uferböschung in Position zu bringen. Das neue Objektiv pult noch einmal jede Niete aus den Stahlbögen heraus.
Kurz dahinter bietet der Heimweg noch ein weiteres Fotomotiv, aber ein deutlich moderneres: das quaderförmigen Hochwasserpumpwerk an der Schönhauser Straße – das dank seiner dezenten Beleuchtung offenbar auch für ein Mitternachtspicknick gut geeignet ist. Der Fotograf auf der dunklen Rheinwiese davor wünscht sich einmal mehr, ein Stativ mitgenommen zu haben.
Am Bayenthalgürtel schließlich, schon kurz vor dem Ziel, wartet in einer Seitenstraße noch ein ganz besonderes Zuckerl unter einer Laterne: ein Jaguar E-Type, offenbar einer der ersten Serie von 1961 bis 68 in einer gecleanten Rennversion ohne Stoßfänger. Auch wenn nicht ganz klar ist, wie original die so erotisch gerundeten Kotflügel mit dem offenen Kühlermaul sind – die gefühlt längste Motorhaube der Autogeschichte ist einfach zu schön, um nicht ein letztes Mal für diesen Abend die Kameratasche zu öffnen.
Dann ist ein Abend zu Ende, der selbst einem eingefleischten Skeptiker gezeigt hat, dass auch Köln nicht ganz ohne Reize ist. Es könnte am Rotwein gelegen haben, dem beerig milden – der stimmt anscheinend auch einen Bären mild.
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