Osterbesuch
Kurzer Osterurlaub in den französischen Ardennen. Die Fotos und Namen auf den emaillierten Plaketten, die am Ehrenmal vor der Dorfkirche in Warnécourt an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnern, sind längst verblasst. Aber immer noch rufen sie ins Gedächtnis, was für ein Wunder das vereinte Europa ist – nach den Millionen Toten der beiden Weltkriege und Jahrhunderten von vererbter Feindschaft.
Wenn man heute als deutscher Tourist an den Sandsteinfassaden in der Fußgängerzone der hübschen Kleinstadt Charleville-Mézières an der Maas entlangbummelt, darf man sich gerne noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass so etwas noch für die eigenen Großeltern undenkbar gewesen wäre. Dass ein freies und freundliches Europa alles andere als selbstverständlich ist. Dass wir nicht aufhören dürfen, dafür einzustehen, es zu leben und weiterzuentwickeln. Weil es im Moment von denselben Kräften bedroht wird, die es vor ein paar Jahrzehnten fast einmal vernichtet hätten.
Das war es auch schon mit der Osterpredigt. Danke für euer Verständnis.
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Wenn man oft genug auf Reload drückt, kommt’s irgendwann. Super Dimona und ASK 16 über dem Pierre-sur-Haute, beim Segelfluglager der FVA in Feurs-Chambéon, 17. April 2014.
Feurs 2013
Leise rostet die Fouga. Kaum ein Bild gibt so passend die triste Stimmung wieder, die das FVA-Fluglager in Feurs im April 2013 über weite Teile in ihren nasskalten Krallen hatte. Denn zum ersten Mal seit ich jedes Frühjahr nach Südfrankreich fahre (also seit 2009), ist das Wetter über längere Zeit durch die (Wolken-)Bank schlecht. Es ist bewölkt, es ist kalt, es regnet. Das Flugfeld ist vollgesogen wie ein Schwamm, an Fliegen ist nicht zu denken. Tag um Tag hockt unser müdes Trüppchen frierend in der ungeheizten Halle oder kauert sich draußen vor dem Clubheim unter das Vordach, wo ein Hauch von WLAN eine brüchige Verbindung zur Außenwelt bietet.
Schon zur Begrüßung ist mir verkündet worden, dass unter den Anwesenden ein durchschlagendes Noro-Virus oder ein ähnlicher Verdauungsbeschleuniger grassiert, der nach und nach jeden erwischt habe. Und als das wäre dieses Schwert des Montezuma nicht Stimmungstöter genug, lädt sich am zweiten Tag mein iFon die gefürchtete „Spider-App“, als es mir aus den Fingern flutscht und mit dem Display voran auf den Schotter vor der Hallentür fällt.
Um den Frust vollzumachen, ist auch noch mein Auto flügellahm: Auf der Hinfahrt am 2. April von Köln über Trier und Lyon hat schon in der Eifel das vordere linke Radlager angefangen zu heulen. Das berühmte dumpfe Wuwuwu-Geräusch von Anakin Skywalkers Podracer in der spektakulären Rennszene in Star Wars – Episode I ist nichts weiteres als eine 1994er C-Klasse. Bis das bestellte Ersatzteil an die Werkstatt neben dem Carrefour geliefert ist, schleppen sich die Tage hin. Währenddessen bin ich in der eiskalten Unterkunft festgenagelt, auf deren Blechdach ununterbrochen die Tropfen prasseln. Ein Feurs zum Abgewöhnen.
Auch eine Runde „Axis and Allies“ kann mich da nicht reizen – das ist ein bei einigen FVAlern beliebtes Strategiespiel, das sich erstaunlicherweise noch länger hinzieht als der Zweite Weltkrieg selbst.
Hüttenkoller nennt man es wohl, wenn man irgendwann die Wände seiner Behausung auf ihre Begehbarkeit abschätzt. Damit es nicht soweit kommt, mache ich mich in einer Regenpause mit Spargel auf eine kleine Wanderung hinunter an die Loire.
Ungezählte Male sind wir in der Platzrunde schon über das Überschwemmungsgebiet im Süden des Platzes eingekurvt. Jetzt wollen wir beide uns einmal anschauen, wie die Gegend aus der – haha – Froschperspektive aussieht. Ein Stück hinter dem Platz geht es über den Deich an der Loire flußabwärts.
„Achtung, Gefahr! Staudämme und Kraftwerke: Rasch ansteigendes Hochwasser möglich sogar bei schönem Wetter“ steht – auf Deutsch! – auf dem Warnschild am Loire-Deich. Da soll mal einer sagen, Piloten leben gefährlich.
Ein Mast mit Pegelanzeigern verrät, wie hoch die Fluten beim letzten Hochwasser 2008 standen: mehr als zwei Meter überm (Ufer-)Boden waren es auf alle Fälle. An die aufgequollenen Holztüren und sonstigen Wasserschäden in der Halle auf dem Flugplatz kann ich mich noch gut erinnern.
Doch das morastige und sich selbst überlassene Naturschutzgebiet ist nicht ohne Reiz. Im Sommer wimmelt es hier vor Vögeln, auch wenn im Moment außer einigen Bleßhühnern und Enten nicht viel zu sehen ist. Ein Rundkurs führt über das Gelände, das zum sogenannten Ecopôle du Forez gehört. Von mehreren versteckten Ständen aus kann man die Tiere durch Sehschlitze beobachten, ohne dass man selbst von ihnen gesehen wird.
Das muschelförmige Besucherzentrum – unsere beliebte Orientierungsmarke beim Eindrehen in den Queranflug – ist leider geschlossen. Dafür verwöhnt guter französischer Landregen Spargel und mich auf dem Rückmarsch zum Flugplatz, den wir ziemlich klatschnass erreichen. Wir lernen, dass man sich auch über eine sehr kalte Behausung sehr freuen kann.
Für etwas Abwechslung sorgen eines Tages unverhoffterweise die Jungs vom örtlichen Aeroclub mit einer großangelegten Baumfällaktion. Einen ganzen Tag lang wird gehackt, gesägt und weggeschleppt wie am Band. Selbst die malerische alte Trauerweide neben dem Clubheim muss dran glauben. Angeblich beschädigten ihre Wurzeln das Mauerwerk.
Vor allem aber werden der Außenwaschplatz von seiner Sichtschutzhecke befreit und sämtliche Bäume rund um die Halle in die Horizontale befördert.
Das Ergebnis spricht für sich selbst: hell, frei und freundlich – wer würde sich hier nicht gerne zur Körperpflege frei machen? Na?
Doch auch die längste Schlechtwetterperiode ist irgendwann zu Ende. Irgendwann kommen die Maschinen der FVA doch noch in die Luft. Freilich auch genauso schnell wieder runter: Am „Tag der Außenlandungen“ regnet es rund um Feurs weiße Vögel. Da mein Auto mittlerweile wieder geräuschlos fährt, darf es sich nützlich machen und Miguel II aus dem Acker holen.
Der Vogel ist schnell zerlegt und in den Hänger geschoben. Kein Vergleich mit der Außenlandung von 2010, als wir Flächen und den Rumpf des schweren Doppelsitzers quer (bzw. längs) über einen sandigen Acker schleppen mussten.
Auf der Rückfahrt zum Flugplatz wird der Beweis erbracht, dass auch sechs Erwachsene locker in eine C-Klasse passen.
Und irgendwann komme dann auch ich in die Luft. Mit diesem Leih-Falken, aus doppeltem Grund „die Kuh“ genannt…
…wie ein Blick ins Cockpit erklärt.
Mit diesem Prachtflieger drehen Martin und ich eine erweiterte Pracht-, äh, Platzrunde in Richtung Schneeberg, um die Wetterlage zu erkunden.
Blick nach Norden in Richtung Roanne – unten eine malerische Burg auf einem Hügel. Jepp, das Wetter ist eindeutig fliegbar.
Schließlich kommt der Tag, an dem die ganz große Hektik ausbricht: Überm Gebirge hat sich eine Welle gebildet, ein seltenes und für Segelflieger traumhaftes Wetterphänomen, bei dem man in starken Aufwinden praktisch unbegrenzt oben bleiben kann. Die Piloten stürzen zu ihren Maschinen, ein Vogel nach dem anderen hebt ab.
Da die Flugschüler und Aktiven auf den Segelflugzeugen Vorrang haben, wollen Fips und ich im Motorsegler hinterher. Wie geschickt wird sich unsere Kuh wohl beim Wellenreiten anstellen? Wir sollen es nicht erfahren. Auf dem Rollweg zum Start reagiert die Maschine nicht mehr auf meine Lenkbewegungen mit den Seitenruderpedalen. Als dann das Eindrehen auf den Taxiway Grünstreifen neben der Bahn komplett daneben geht, wird uns klar, dass wir ein Problem haben. Anhalten, Parkbremse, Triebwerk aus, Haube auf, aussteigen und langes Gesicht machen: Am Spornrad hat sich der Mantel von der Felge gelöst.
Die Erkenntnis dämmert herauf: Heute wird es nichts mehr mit Welle machen. Kräftige Hände tragen den schweren Vogel Schwanz voran zurück zur Halle. Ein neuer Spornradmantel wird zwar irgendwo aufgetrieben, doch die Reparatur dauert stundenlang bis in den Abend. Der Frust sitzt tief – es wäre meine erste Welle gewesen.
Dann, am 13. April, geht mein fünftes Feurs nach gut zehn Tagen zu Ende. Fliegerisch war’s ein ziemlicher Schlag ins Wasser: ein paar größere und kleinere Platzrunden im MoSe, ein paar größere und kleinere Platzrunden im Segel-Doppelsitzer. Wenn es mehr nicht gewesen wäre, wär die ganze Fahrt ein Reinfall gewesen. Doch zum Glück gab es da doch noch etwas: nämlich die köstlichen Törtchen, die Fips in den Patisserien im Ortskern entdeckt hatte.
So wundern sich die lokalen Konditoren über die täglich im Laden stehenden radebrechenden Touristen in den leicht schmuddeligen Klamotten, die immer neue Kartons mit Zuckerwerk aus dem Laden tragen.
In Ausbaustufe 2 werden diese Beutezüge ausgedehnt auf örtliche Käsesorten, französisches Landbier und natürlich Wein (etwa den „Château de Sau“ und den Beaujolais „Pisse-Dru“ – beide heißen wirklich so). Unsere Halle wird allabendlich zum Schlemmerparadies. Kulinarische Lichtblicke unter wolkenverhangenem Himmel.
Apropos kulinatisch: Dann war da natürlich auch noch das Blümchenessen. Der jährliche Höhepunkt jedes Feurs-Lagers: unser Dank für die französischen Gastgeber (und natürlich auch für uns). Blümchenessen heißt das Buffet, weil es durch die „Blümchen“ finanziert wird, die unzähligen 5-Euro-Strafen, die man im Lauf des Lagers für große und kleine Fehltritte kassiert.
Erinnerungen an das legendäre Blümchenessen von 2009 kommen auf, als sich in den frühen Morgenstunden eine Gruppe schwerst angeheiterter FVAler zu Fuß auf in Richtung Feurs machte. Und tatsächlich etwa dreißig Meter weit kam, bis der Blutalkohol seinen Tribut forderte.
Ganz so innig wird es dieses Jahr nicht, aber trotzdem wieder ein schöner Abend. Nicht nur dank der Crème-Brûlée-Schüsselchen, deren Inhalt von Bio per Gasbrenner karamellisiert wird.
Es gibt also doch noch mehr hier unten als nur das Fliegen. Also doch kein Feurs zum Abgewöhnen? Schauen wir mal. Immerhin hat die Kamera meines iFons den Sturz überlebt, ebenso – wie oben zu sehen – sämtliche Bilder. Sogar das Noro-Virus hat mich als einen der wenigen verschont – vielleicht, weil ich die zehn Tage hindurch konsequent einen Bogen um die beiden Toiletten in der Halle gemacht habe und trotz abgeholzten Sichtschutzes auf die zugige Außentoilette ausgewichen bin. Es hätte also alles auch noch viel unangenehmer kommen können.
Und vielleicht ist 2014 ja auch das Wetter 2014 wieder besser…
Feurs 2012
Oh Jubel, oh Freude! Voreilig war meine Betrübins. Die Fotos vom Feurs 2013 sind gerettet – dank des kleinen Tools iDevice Manager (früher iPhone Explorer), das dafür nicht mal Geld haben wollte. Alle Bilder waren noch im Speicher zu finden und ließen sich problemlos auf die Festplatte ziehen. Hier gibt’s die Software zum Download.
Und hier gibt’s das Bildmaterial vom FVA-Segelfluglager in Feurs-Chambèon 2012:
In Aufbruchstimmung: Erstmals kam als Zugfahrzeug die neue (ahem) C-Klasse zum Einsatz. Arm klein Wintergolfi braucht in seinem neuen Leben hoffentlich keine Segelfluganhänger mehr über die Ardennen zu ziehen. Dem Benz gab’s zur Belohnung den schönsten Anhänger des Vereins hinten dran – mit dem leistungsfähigsten Flugzeug drin (der Hornet). Naja, immer noch besser als der Hänger rechts im Bild…
Am Start. Der Leih-Doppelsitzer.
In voller Montur. Mister Wurstpelle im schicken Sprung-Ornat.
Im Abendlicht. (Am Ende durfte ich sie sogar wieder solo fliegen, unsere ASW 28.)
Im Umland. Kleine Spritztour mit Feiphi zum Pierre-sur-Haute.
In eisigem Wind. Oben angekommen, versagten just nach diesem Foto die Batterien meiner Kamera.
In der Halle. Die liebevoll gezüchtete Patina unserer neuen Wunderpfanne kam voll zur Geltung.
Im Carrefour. Unser Abendessen für alle: Bratlinge aus Grünkernersatz, vulgo Burger.
In der Nachbarstadt – kleiner Ausflug nach St. Galmier.
Im Gedenken: Heldengedenkstein. Man beachte die jubelnden Massen neben den ins Feld ziehenden Söhnen das Vaterlands.
Im Angesicht des Knickes. Diese Brücke gilt unter Autofahrern als Mutprobe: Sie ist nur gut zwei Handbreit breiter als ein deutsches Oberklassefahrzeug und knickt auf dem Scheitelpunkt ab. Phips hat diesen Stunt im Passat mit Todesverachtung erfolgreich absolviert.
Unter johlendem Gelächter: Weil Möffi eine Art Wette verloren hatte (habe vergessen, was), bekam er zur Strafe die maximale Dröhnung an Demütigung: von Hasi auf der Gitarre intensiv beklampft zu werden. Ach ja, und die Haare rasierte Ecki ihm auch noch ab.
Feurs 2011
Wie’s ausschaut, haben meine Fotos vom FVA-Segelfluglager in Feurs 2013 den Sturz meines iFons in den Schotter vor der Halle gleich am ersten Abend – oder besser: die anschließende Display-Reparatur in Köln – nicht überlebt.
Und während ich hier gerade meinen Frust in einem mitgebrachten Glas Cidre Doux aus dem Carrefour ertränke, ersatzweise hier ein paar Bilder von Feurs 2011. Von Donnerstag, 31. März, bis Freitag, 9. April, war ich vor zwei Jahren unten, macht sechs Tage netto. Wenn ich den strahlend blauen Himmel auf den Fotos sehe, steigt der Frustpegel über das weitgehend ins (kalte) Wasser gefallene Feurs 2013 noch mehr…
Vor dem Start. Die Maschine ist eine geliehene Grob G 103 Twin Astir II. Feiphi kommt schon mit dem Startseil…
…und schon geht’s über die Quinze raus. Vorne links die Autobahn-Péage, beliebt als zuverlässiger Lieferant für qualitativ hochwertige Thermik.
Apropos Thermik: Hier hatte ich endlich mal einen 1A-Bart gefunden. Ein Einsitzer sah mich kreisen und hängte sich drunter.
Apropos Kreisen. Nein, meinem T-Shirt ist nicht schlecht – das guckt auch am Boden so.
Apropos Boden: Irgendwann ist natürlich auch der schönste Bart ab. Und es geht zurück zum Platz.
Apropos Platz. So sah’s am Start aus. Wie immer also, nichts wirklich Neues.
Apropos Neues. Die Hutmode der Studis passt sich dem Wandel der Zeiten an. Schiebermützen zum Beispiel waren in den Zwanziger Jahren total angesagt. Gutes kommt eben immer wieder…
Apropos immer wieder. Warum sieht man nach zwei Tagen Feurs eigentlich immer so aus? Weil man sich nur die Hände eingecremt und irgendwann die Ärmel hochgekrempelt hatte, darum.
Apropos Aussehen. Endlich mal eine Situation, in der ich nicht in die Luft gehen würde.
Apropos in die Luft gehen: Hier fliegen Fergie und ich mal eben mit der Remo zum Tanken nach St. Etienne-Buthéon, auch liebevoll Beton genannt.
Apropos Beton: Auf dem Vorfeld können wir diese Feuerwehrparade bewundern. Ein schmucker kleiner Airport ist das.
Apropops schmuck: Ist sie nicht prachtvoll, unsere Remo? Jetzt aber schnell getankt und zurück zum Einsatz.
Apropos Einsatz: Den zeigte die FVA auch, als dieser nette Pilot aus den Niederlanden mit seiner Cessna einen Platten hatte. Wir konnten dem guten Mann tatsächlich wieder in die Luft helfen.
Apropos gut: Das gute Wetter sorgte für ein paar prächtige Sonnenuntergänge überm Schneeberg.
Apropos Sonne: Das morgendliche Brötchenholen in Feurs noch vor Sonnenaufgang gehörte für mich immer zu den schönsten Momenten des Fluglagers (gehörte, denn seit 2012 liefert der Boulanger unseres Vertrauens das Backwerk frei Halle).
Apropos schöner Moment: Dieser Blick in die aufgehende Sonne über der Loire-Brücke war ein ziemlich schöner Moment. Wie man am Himmel sieht, war ein Kollege sogar noch früher wach…
Apropos Himmel: Der vielleicht schönste Flug der vergangenen Jahre war eine Ehrenrunde mit einer Leih-Dimona zusammen mit Phips zum Schneeberg, will sagen: Pierre-sur-Haute. Im Abendlicht umkreisten wir die Wetterstation…
Apropos Abendlicht: Gibt es etwas Großartigeres als einen Sonnenuntergang über den Wolken? Erinnerte mich an die Abendlandung in Moline-Quad City auf dem Kanada-Flug 2001.
Feurs 2011, die Ausbeute: Neun Segelflugstarts, rund dreieinhalb Stunden in der Luft. Paar Motorsegler-Platzrunden und der Flug in den Sonnenuntergang. War mehr als okay alles.
Feurs 2010
Und dann war da noch das FVA-Segelfluglager in Feurs 2010. Die vollen drei Wochen, so wie 2009, konnte ich nicht dableiben. Aber immerhin vom 28. März bis zum 5. April. Auch, weil die Kollegen in der Redaktion so nett waren, spontan für mich zwei Arbeitstage zu übernehmen, für die ich eigentlich eingeplant war.
Natürlich war der Hunderteurogolf wieder für F-Schlepp vorgesehen. Schon bevor wir auch nur den ersten Meter gefahren waren, war das arme Auto – dank der Wendekünste eines gewissen Herrn W. – über und über dreckig. Schmutziger Wagen, schmutziger Himmel – es konnte nur besser werden.
Und es wurde besser. 760 Kilometer weiter südlich war das Problem denn auch eher, nicht zuviel vom guten Wetter abzukriegen. (Im Bild: Veronika, Army, Abdul, André und Rapante.)
Viel versäumt hatte ich eh nicht. Unsere Schleppmaschine kam nämlich erst am Morgen nach meiner Ankunft aus Merzbrück nach Feurs hinterhergeflogen – in einem jona-mäßigen Low-Pass.
Von da an gab es keine Pause: Der Golf schleppte umgehend weiter, hier den riesigen „Alf“.
Andenken an eine Anreise mit Hindernissen. Auf der ganzen Fahrt litt der Golf unter immer ärger werdendem Schluckauf und Leistungsabfall bei höheren Drehzahlen. Hustend und sprotzelnd stotterte unser Gespann schließlich warnblinkend mit Tempo 30 über die nächtliche Lyoner Stadtautobahn, bis es einfach nicht mehr weiter ging und wir die nächste Abfahrt nehmen mussten. Die hilfesuchend angesteuerte Tankstelle entpuppte sich als vollgestellt mit einem Großaufgebot an Polizeiwagen. Also gleich wieder heruntergekurvt – beim Zapfsäulenslalom perforierte dann der Handgriff der Stützradverstellung die rückgolfige Knautschzone. In einer ruhigen Ecke konnte ich endlich der Ursache des Gehumpels auf den Grund gehen: Motoröl war es, das in die Zündverteilerkappe eingedrungen war. Ein Schuss Bremsenreiniger, und der Golf schnurrte wieder wie eine Nähmaschine. Über St. Etienne erreichten wir schließlich problemlos Feurs.
Dort setzte nach Ankunft der Schleppmaschine denn auch sofortiger Schulbetrieb as usual ein.
Auch die frisch renovierte Remo tat ihren Dienst wie erhofft.
Leihweise hatten wir diese ASK-21 dabei.
Ein in Ehren ergrautes Schlachtschiff, an dem so mancher harte Kampf eines Flugschülers mit dem Schiebefenster seine Spuren hinterlassen hatte.
Für mich ein Wiedersehen mit einer alten Bekannten: In einer 21 hatte ich meine ersten Segelflüge überhaupt gemacht – damals in Porta Westfalica, im Jahr 2002. Trotz des berühmten Hangwinds über der Porta blieb es bei ein paar Flügen, der Zeitaufwand – morgens Hangartore aufschieben, abends als letzter vom Platz, sonst wurde gemeckert – war einfach zu groß.
Blick ins Cockpit – nichts Ungewohntes drin.
Irgendwann kam ich dann auch endlich selbst wieder in die Luft – herrlich!
Blick auf Feurs an der Loire. Links die Straßenbrücke und das Stauwehr, in der Stadtmitte die Trabrennbahn.
Blick auf einen Flieger, der das Fliegen an der falschen Stelle aufgehört hatte. Upps. Außenlandung.
Zusammen mit André fuhr ich raus, um den Verirrten wieder in den Heimathafen zu lotsen.
Immerhin hatte der Pilot, als die Luft unter den Flächen ausging, den Bock mustergültig in den Acker gepflanzt. Nichts kaputt, genau in Furchenrichtung aufgesetzt – wie aus dem Lehrbuch. Zuerst montierten wir Flächen und Leitwerk ab und schleppten den Kram zum Hänger. Als letztes kam der Rumpf an die Reihe. Zum Dank schüttelte die Maschine auf der Rückfahrt noch ein paar Kilo Erde aus dem Fahrwerksschacht auf den Hängerboden.
A propos Hänger: So sah es am Start aus, wenn der gesamte Flugpark in der Luft war.
Und so sah es am Boden aus, wenn der Flugpark nach und nach wieder aus der Luft herunterfiel.
Überflieger: Die GZ war öfter in der Luft als auf dem Rasen.
Umständliche Prozedur: Vor der Landung musste der GZ-Pilot jedesmal das Schleppseil abwerfen. Damals hatte die Maschine noch nicht die von der FVA selbst entwickelte „WiMi“-Seilwinde („nur echt mit der gelben Tröte unterm Leitwerk!“).
Das war Feurs 2010. Auch wenn’s für mich nur eine gute Woche dauerte, auch wenn ich nicht beim Blümchenessen dabei sein konnte, auch wenn unterm Strich nur eine Handvoll Flugstunden dabei rauskam: Es war wieder ein echter Glanzpunkt.
Baskenblog: Beaune
Kleiner Rückblick: Im September 2008 tourte ich mit Marit, meiner Suzuki Freewind, für anderthalb Wochen durch Südeuropa. Das Ziel: San Sebastián an der spanischen Nordküste – ich hatte noch Resturlaub und der Name der Stadt gefiel mir einfach. Über Orleáns ging es die Loire entlang nach La Rochelle, die Küste hinunter zur Dune du Pyla und weiter nach San Sebastián. Dann über Bilbao – mit einem Abstecher ins Guggenheim-Museum – und Vitoria zurück über die Pyrenäen (mit einem Stop am Geisterbahnhof Canfranc) zurück nach Frankreich. Dort fanden sich noch Carcassonne und Lyon auf der Besuchsliste, bevor die letzte Etappe anstand – heim nach Aachen.
Wenn ich jetzt zurückschaue, markierte das Baskenblog – unter diesem Namen entstanden die 18 Beiträge – einen Wendepunkt in meiner Bloggerei. Anfangs hatte ich noch versucht, wie auf der Norwegenfahrt im Frühjahr 2008, möglichst alles „live“ von unterwegs zu bloggen. Facebook und Twitter waren ja damals noch in weiter Ferne. Doch das Bloggen unterwegs machte immer weniger Spaß. Was zum einen an der schon 2008 krätzigen Bedienoberfläche meines Bloghosters Twoday.net lag (an der sich bis heute, 2013, anscheinend nicht das geringste geändert hat). Zum anderen daran, dass sich keine Gelegenheiten mehr fanden, unterwegs Bilder zu bearbeiten oder längere Passagen zu schreiben. Auch iPhone, Netbook oder iPad hatte ich damals noch nicht.
Von der Zeit ganz zu schweigen: Bis dahin hatte ich immer versucht, die Reise möglichst genau zu dokumentieren – dieser Aufwand wurde mir mit der damaligen Blogsoftware einfach zu groß. Die letzten Baskenblog-Beiträge entstanden denn auch nach der Rückkehr in Aachen. Danach nahm die Zahl der Blogbeiträge auf Moorbraun.twoday.net und Pilotblog.blog.de tendenziell immer weiter ab. Dass man bei Twoday keine Bilder größer als 400 Pixel Breite einstellen konnte und jedesmal eine Großversion bei Flickr verlinken musste, verdarb mir den Spaß am Bloggen immer mehr.
Seit August 2012 läuft jetzt www.marc-heckert.de als Hauptblog auf WordPress, die Artikel von Moorbraun.twoday.net und Pilotblog.blog.de (sowie dem Experimentierblog Printenheim.blogspot.de) sind zum großen Teil schon hierher herüberkopiert. Was zwar bei den vielen hundert seit 2007 geschriebenen Artikeln, die meisten davon reichlich bebildert, eine ziemliche Sisyphosaufgabe darstellt – aber man muss zugeben, mit WordPress macht selbst diese Arbeit geradezu Spaß. Ich bin wirklich glücklich, umgestiegen zu sein. Die Software (aktuell läuft hier Version 3.5) bietet alles, was das Bloggerherz begehrt und ist wunderbar benutzerfreundlich.
So benutzerfreundlich sogar, dass ich nach dem Herüberholen der 18 Baskenblogeinträge von 2008 noch eine letzte Episode nachschieben will. Auf dem Weg von Lyon zurück nach Aachen gab es nämlich noch etwas, das ich mir unbedingt angucken wollte: das Hôtel-Dieu in Beaune. Das um 1450 entstandene Armenhospital ist ein absolutes Highlight und eine eigene Reise wert. Folgt mir also zurück ins Jahr 2008 und in ein schnuckeliges 22.000-Einwohner-Städtchen im schönen Burgund!
Samstag, 4. Oktober 2008. Nach dem Frühstück in der Jugendherberge Lyon gönne ich mir einen teils belustigten, teils neidischen Blick auf die Gruppen von Gästen, die hinter ihren Note- und Netbooks sitzen. Wäre ja schon schick gewesen, unterwegs mobil vernetzt zu sein. Doch mein Laptop, ein Fujitsu-Siemens Amilo, war einfach zu unhandlich und empfindlich, um zu Regenkombiwurst und Reservekanister in Seitenkoffer oder Topcase gequetscht zu werden. Und mein Handy, ein HTC XDA Orbit 2, kann zwar Navigation, Radio, UMTS und WLAN. Ansonsten ist es aber mit seinem Betriebssystem Windows Mobile – zu bedienen mit Hilfe von einer erklecklichen Zahl von Ausklappmenüs und einem Stylus – viel zu fisselig, als dass man damit irgendwie kreativ tätig werden könnte.
Nun denn, gebloggt wird also zu Hause. Nach gerade 160 Kilometern knattert Marit durch die Straßen von Beaune. Das Hôtel-Dieu als Hauptattraktion ist leicht zu finden, wenn man die Stadt zunächst zweimal umrundet.
Im Jahr 1443 hatten der burgundische Herzog Nicolas Rolin und seine Frau Guigone de Salins die Idee, der notleidenden Bevölkerung ein Krankenhaus und Armenhospiz zu stiften.
Es sollte allerdings nicht nur irgendein Krankenhaus werden, sondern bitteschön eines der schönsten Hospitäler Europas. Nach flandrischem Vorbild entstand ein einzigartig reich ausgestattetes Gebäude, das bis heute weitgehend unverändert erhalten geblieben ist. Auffälligstes Merkmal von außen ist das bunt verzierte Dach aus glasierten Terrakottaziegeln.
Im großen Armensaal herrscht Dämmerlicht – die Ärzte glaubten im 15. Jahrhundert, Krankheitserreger verbreiteten sich mit der Luft. Also wurden die Fenster so klein wie möglich gehalten. Die Luft im Inneren wurde „gereinigt“, indem man Heilkräuter verbrannte. Die Kranken lagen zu zweit in den Betten, um sich gegenseitig zu wärmen, denn eine Heizung gab es nicht.
Im Inneren wandert der Besucher durch Schlaf- und Pflegesäle für Kranke und Sterbende, eine Apotheke, eine große Küche und ein Labor für die Herstellung von Arzneien. Hinter den Glastüren der Apothekenschränke warten unzählige Flakons und Tiegel mit den verschiedensten Mitteln auf die Leidenden.
Mit Puppen wird das Innere des Museums zum Leben erweckt, etwa hier die Küche – wohl der Traum jeder Hausfrau der Renaissance mit ihren gänsehalsförmigen Wasserhähnen…
…und dem vollautomatischen Bratenroboter, der das Fleisch am Spieß genau nach Vorgabe rotieren lässt.
Auch an Kunstwerken ist das Hôtel reich ausgestattet. Berühmtestes Werk ist der neunteilige Flügelaltar „Das jüngste Gericht“ von Rogier van der Weyden in der Kapelle.
Kein Zweifel, das Ehepaar Rolin war nicht nur spendabel, es hat sein Geld auch langfristig gut angelegt. Das Hôtel ist wirklich ein fünfeinhalb Jahrhunderte altes Juwel.
Beim Herausgehen fällt mir noch diese Marmorbüste dieses Herren auf: Marschall Gaspard de Clermont-Tonnerre (1688-1781). Er war Nachfahre des Stifters Nicolas Rolin und Patron des Krankenhauses.
Laut einer Hinweistafel hatte er eine erfolgreiche Militärkarriere unter Ludwig XV. und wurde zum Marschall Frankreichs ernannt. Was für ein Charakter er war, weiß ich nicht – aber er wird mir in Erinnerung bleiben als der Marmorkopf (gerade im Vergleich mit Admiral Duperré in La Rochelle und Admiral de Olquendo in San Sebastián), der auf der ganzen Reise am nettesten lächelte.
Der Rest der Reise ist schnell erzählt. Auf dem Weg nach Norden wird es schnell dunkel und regnerisch. Ich bin müde und geschlaucht. Bis nach Aachen sind es noch 570 Kilometer, die sich auf einer Motorradbank sehr, sehr lange dehnen können. Und im Dunkeln fahre ich eh nicht gerne, seit mir mal auf der nächtlichen A1 ein abgerissener Lkw-Frontstoßfänger auf der Nebenspur den Schreck des Monats eingejagt hat.
Ich rufe Wolfi in Landau an – und lade mich quasi ein. Gottseidank hat Wolfi erstens tatsächlich Platz für einen Schlafsack frei und zweitens nichts besseres zu tun. Der Tag endet gemütlich bei Pizza, Tannenzäpfle-Bier und Dieselsprech in Wolfis Bastelstube. Sehr viel weiter hätte ich es an diesem Abend auch kaum noch geschafft.
Sonntag, 5. Oktober 2008. Landau – Aachen. Endgültig letzter Abschnitt der Reise von fast 4000 Kilometern. Mit müden Knochen und halbleerem Tank schleiche ich im Dauerregen durch die Eifel. Mitteleuropa hat uns wieder. Oh, hätte Marit doch ein paar PS mehr! Immerhin: Zu Hause warten heißer Milchkaffee und Aachener Streuselbrötchen. Bei allen Pintxos des Baskenlandes: Es ist ja auch nicht alles schlecht zu Hause.
Baskenblog: Abgeledert in Lyon
Donnerstag, 2. Oktober 2008. Da sich in der näheren und weiteren Umgebung des Pont du Gard keine Herberge anbietet, ich außerdem so langsam den Drang in die Heimat verspüre (am Montagmorgen muss ich schließlich wieder in der Redaktion schwitzen), entscheide ich mich für Lyon. In der Riesenstadt gibt es gleich zwei Jugendherbergen, da wird schon irgendetwas frei sein. Allerdings sind es stolze 200 Kilometer bis nach da oben. Egal – adieu, Mittelmeer. Jetzt geht es nach Norden, das Rhônetal hoch.
Viel bekomme ich von der schönen Landschaft allerdings nicht mehr zu sehen. Als ich ein paar Stunden später nach ziemlich scharfem Ritt (die Freewind dankt es mit zügellosem Verbrauch) in der Stadt ankomme, ist es längst dunkel. Die erste Jugendherberge ist geschlossen, wie mir die Mitarbeiter der zweiten erklären. Die wiederum ist bei meiner Ankunft schon voll. Man verweist mich an ein Hotel in der Rue Vaubecourt – 45 Euro soll das Zimmer kosten. Was hilft’s.
Aber wo steckt die Bleibe? Das Navi bekommt in den engen Straßen keine Verbindung. Die Rue Vaubecourt kennt auch niemand (man spricht es „Wubkurt“ aus, erklärt mir schließlich ein englisch radebrechender Einheimischer). In mittlerweile strömendem Regen quartiere ich mich ein. Während die nassen Klamotten trocknen, gucke ich etwas fern, zum zweiten Mal in diesem Jahr: Deutsches Unterschicht-TV, in dem eine Art männliche Sozial-Nanny die von Mann und Kindern permanent gedemütigte Frau und Mutter einer Problemfamilie auf unfassbare Weise, nun ja, demütigt. Oh, wär ich doch am Mittelmeer geblieben, wo es sonnig, warm und nett war und nirgendwo Super-RTL lief.
(Das mehrminütige Gruselerlebnis ist übrigens Schuld daran, dass sich mein TV-Konsum 2008 auf diese Sendung, die Übertragung der Ordensverleihung wider den tierischen Ernst im Januar sowie eine Doku über die „Lustiania“-Versenkung im Dezember beschränken werden. Was definitiv zwei Sendungen zuviel waren.)
Freitag, 3. Oktober 2008. Am nächsten Morgen sieht die Welt schon viel freundlicher aus. Ich mache dem Portier zum Abschied noch eine kleine Szene, weil laut Zettel an meiner Zimmertür das Kämmerchen nur 35 Euro hätte kosten dürfen. Klugerweise warte ich mit der Szene bis nach dem Frühstück, dessen Bezahlung ich dankend ablehne. Dann stürze ich mich ins Stadtleben.
Ein prima Startpunkt für eine Lyon-Erkundung ist die Basilika Notre-Dame de Fourvière auf dem Fourvière-Hügel. Ein absolut bombastisches, neo-byzantinisches Monster von 1896. Wir Aachener gucken ja etwas säuerlich, wenn eine gerade mal über hundert Jahre alte Kirche genauso zum Weltkulturerbe gehören soll wie unser tausend Jahre älterer Dom. Klickt die Bilder ruhig an – wozu hab ich mir schließlich die Mühe gemacht, sie mit den Großversionen auf Flickr (Pro-Account!) zu verknüpfen?
„Ist uns egal, was es kostet“, haben die Stadtväter dem Architekten eingeimpft. „Nur teuer muss es aussehen. Richtig teuer.“
Wir überlassen das prestigeträchtige Glaubenssymbol sich selbst und gehen ein Stück weiter den Hügel hinunter…
…wo andere Architekten vor etwas längerer Zeit ein doppeltes Amphitheater in den Hang gebaut haben. Eine Art römisches Multiplexkino. Für mich deutlich spannendender. Hier haben die Lyoner (die damals noch Lugdunumer hießen) vor zweitausend Jahren gesessen und Stars zugejubelt, deren Namen längst vergessen sind. Nur die Sitzreihen von damals sind noch da. Und werden heute immerhin für Open-Air-Konzerte genutzt.
Direkt daran schließt sich das Gallo-römische Museum an, das in den Berg hinein gebuddelt worden ist und einige ziemlich beeindruckende Mosaike und Statuen hat. Wer auf Römergedöns steht, ist in Lyon genau richtig. Mit dem zweifachen Cineplexx ist es übrigens nicht getan – etwas weiter liegt noch ein drittes Amphitheater. Man hatte es ja. Damals genau so wie 1896.
Mitten durch die Stadt fließen die Rhône – hier im Bild – und wenige Meter daneben die Saône. Soviel zur berühmten französischen Inkreativität in Sachen geografischer Namensgebung (ich sage nur: Zentralmassiv. Max Goldt meinte, einst müsse wohl die DDR für die Benennung französischer Gebirge zuständig gewesen sein).
Doch die Stadt selber ist wirklich schön. Einen Tag lang bummele ich durch die Gassen der Altstadt (ein weiteres Weltkulturerbe, man hat’s ja) und klettere zum Arbeiterviertel Croix-Rousse hoch. Rechts im Blick Sacre-Coer und Eiffelturm Basilika und Funkturm.
Mein Versuch, das kulinarische Zentrum Frankreichs – Lyon nennt sich selbst die „Gaumenstadt“ – zu erobern, scheitert an den immensen Preisvorstellungen der hiesigen Gastronomie. Wir erinnern uns: Oktober 2008 war noch vor der Krise. Frustriert bestelle ich in einem Bistro das einzig zumindest ansatzweise frankophile Bier im Sortiment – ein belgisches Duvel. Für den frugalen 0,3-Liter-Trunk berappt man dem tumben Touri aus den sumpfigen Nordlanden 7,80 Euro, schade, dass es die Preußen 1871 nicht doch noch ein paar Kilometer weiter geschafft haben. Vielleicht hätten sie ja wie einige Jahre später in Tsingtao eine ordentliche Brauerei dagelassen. Der kurzfristige Aufenthalt der Türken vor Wien hat sich auf die europäische Frühstückskultur ja auch ganz segensreich ausgewirkt.
So wie dieser zur Abwechslung mal ganz schön fußläufige Tag mit einer kleinen Abzocke begonnen hat, geht er also auch zu Ende. Die Freewind erholt sich derweil vor der Jugendherberge, wo ich zumindest für die zweite Nacht noch ein Zimmer ergattert habe.
Gleichheit unter Rollern – klickt das Bild an und lest die Beschriftung: Egalité! Frankreich, Frankreich.
Morgen, Samstag, geht’s weiter nach Norden. Mal sehen, wie weit ich komme.
Baskenblog: Ans Wasser! Ans Wasser!
Ach ja, das Baskenblog. Februar war’s, als ich zuletzt von meiner Motorradreise durch Frankreich und Spanien im Herbst 2008 berichtet hatte. Dann habe ich durch Umzug, Fliegerlager und Arbeitsstress nicht nur den Draht zum Motorradfahren, sondern auch gleich zum Bloggen verloren. Dabei warten noch ein paar wirklich hübsche Bildmotive darauf, gemoorbloggt zu werden. Also los, sonst bin ich schon aus Schottland zurück, bevor ich von Frankreich fertig erzählt habe.
Donnerstag, 2. Oktober 2008. Von Carcassonne geht es über Narbonne und Béziers weiter in Richtung Mittelmeerküste. Die Autobahn 61 schenke ich mir und fahre lieber gemütlich über die Landstraße.
Was für eine herrliche Landschaft. Was für ein herrliches Wetter. In Aachen ist es bestimmt schon wieder kühl und regnerisch, so Anfang Oktober.
Hier dagegen ist allenfalls schon Spätsommer. Gerade wird der Wein geerntet. Bizarre Erntemaschinen und Traktoren mit Hängern voller Weintrauben sind überall unterwegs. Es riecht betäubend nach Wein. Etwas anderes scheint hier im Languedoc-Roussillon auch gar nicht angebaut zu werden. Weinfelder reihen sich an Weinfelder, an jeder Ecke wird er flaschenweise verkauft und Degustation angeboten. Schade, dass ein Motorrad so wenig Kofferraum hat. Oder ist es ein Glück?
Von Béziers aus fahre ich nicht über die A9 („La Languedocienne“) durchs Hinterland, sondern mitten über die langgestreckte Sandbank „Le Toc“, die wie ein Damm den See Étang de Thau vom Meer trennt.
Rechts von der Straße erstreckt sich ein kilometerlanger Sandstrand. Das Mittelmeer!
Aaaah, ist das herrlich, in den Wellen zu plantschen… naja. Könnte es jedenfalls sein, wenn man Zeit hätte. Und eine Badehose. Immerhin, ich habe im Mittelmeer gestanden. So.
Jetzt aber schnell weiter, wir haben ja noch etwas vor. Das Navi verrät mir, dass das berühmte römische Aquäduct Pont du Gard nicht allzuweit weg ist. Mit meiner bekannten Schwäche für sogenanntes Römergedöns steht das Unesco-Weltkulturerbe ganz weit oben auf der Liste der Dinge, die ich im Leben noch einmal sehen möchte.
Südlich geht es an Montpellier vorbei (hier habe ich vor ein paar Jahren mal eine sehr angenehme Urlaubswoche verbracht, von der ich als Reiseandenken eine Vorliebe für Kaffee mit heißer Milch mitbrachte), dann hinter Nîmes links abgebogen. Da sind wir.
Man parkt am Besucherzentrum, bummelt ein paar hundert Meter einen Weg hinunter und steht dann am Fuß eines der beeindruckendsten Bauwerke – tja, wohl des ganzen Planeten.
Ahem. Ich bitte um Aufmerksamkeit. Also: Die 49 Meter hohe, 275 Meter lange und am Fuß 6 Meter breite Aquäduktbrücke aus dem 1. Jahrhundert nach Christus überquert das Tal des Flusses Gardon. Sie war Teil einer rund 50 Kilometer langen Wasserleitung, die die römische Stadt Nîmes mit 20.000 Kubikmetern Wasser pro Tag versorgte. Bis heute weiß niemand, wie die Römer die Leitung durch das schwierige Gelände mit zahlreichen Bergdurchführungen exakt mit einem Gefälle von durchschnittlich 24 Zentimetern pro Kilometer anlegen konnten. Rund 800 Jahre lang war die Wasserleitung in Betrieb, bevor sie im 9. Jahrhundert verfiel. Der Pont du Gard diente aber weiter Straßenbrücke, bis er im 18. Jahrhundert erstmals restauriert wurde. Seit 1985 steht er auf der Liste des Welterbes.
Da können wir nur staunen und ein paar hübsche Erinnerungsfotos schießen.
Zweitausend Jahre alter Muschelkalk. Was bleibt wohl in zweitausend Jahren von unserer Zivilisation? (Als Aachener hofft man, dass es vielleicht nicht ausgerechnet das Uniklinikum ist.)