Neues aus der Welt der Justiz (Update) (oder Rückblende)

Zu früh gefreut. Noch vor gut zwei Wochen lobpreiste ich an dieser Stelle ein Urteil des Landgerichtes Berlin. Danach müssen die Betreiber von Internetforen nur eingeschränkt für das geradestehen, was ihnen andere Leute auf die Seiten schreiben. Aber Berlin ist nun einmal nur eines von mehreren Ländern der Republik und sein Landgericht nur eines von vielen. Hamburg hat ein anderes, und die dortigen Halbgötter in Schwarz haben in derselben Sache eine ganz anderere Rechtsauffassung.

So las ich gestern mit mittelschwerem Schaudern bei den Kollegen vom Spiegel vom einen Monat älteren Urteil des Landgerichtes Hamburg über die Haftung von Forenbetreibern im Internet. Es ging um den SupernatureFall (wer’s nachlesen will: Der Urteilstext findet sich hier.)

Das Urteil besagt: Wir alle, die wir ein Forum (wie bei AZ-Web und an-online.de) oder ein Blog (wie dieses hier) betreiben, können durchaus voll für das verantwortlich sein, was irgendwelche Menschen dort hineinschreiben. Auch bei Unkenntnis der Inhalte.

Die Auswirkungen für die deutsche Internetlandschaft wären dramatisch; und nicht umsonst macht mich gerade ein Leser in den Kommentaren darauf aufmerksam (und hat der Kollege von gegenüber mir den SpOn-Text auch noch einmal auf den Tisch gelegt). Wie nämlich zum Beispiel ein Verlag wie Heise, der schon 2005 zum Zeitpunkt des gleich gelagerten Heise-Urteils über 200.000 Forenbeiträgen im Monat verzeichnete, diese Riesenmenge vorab auf mögliche juristische Problematiken kontrollieren soll, war und ist bis heute niemandem klar.

Und ich juristischer Naivling hatte nun angenommen, das aktuelle Berliner Urteil sei der letzte Stand der Dinge in Sachen Forenhaftung. Falsch gedacht. Fakt ist: Wer künftig zu diesem Thema vor dem Kadi steht, kann nur hoffen, dass sich die zuständigen Richter an der für ihn günstigeren Berliner Rechtsprechung orientieren.

Und jetzt? Abwarten, Tee (oder andere beruhigende Getränke) zu sich nehmen und auf eine günstigere Entscheidung des nächsten Gerichtes hoffen. Für uns im Westzipfel ist ja das Landgericht Aachen zuständig. Bis dahin gilt der Satz, mit dem sich schon die alten Römer trösteten: „Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand.“

Und die Römer wussten Bescheid. Bei denen ging es ja auch schon mal hoch her, wenn jemand etwas Falsches auf dem Forum sagte.

Neues aus Marl

Es ist immer traurig zu sehen, wenn sich eine angesehene Institution selbst demontiert. So wie es gerade der Grimme Online Award geschafft hat. Selbstverschuldet und ohne Not.

Aber der Reihe nach. Für die, die ihn nicht kennen: Der vom Grimme-Institut in Marl vergebene GOA ist war die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Internetangebote. Auf der Liste der Preisträger der vergangenen Jahre stehen so bekannte Seiten wie jetzt.de, das Bildblog, Riesenmaschine, Spreeblick, Ehrensenf, aber auch die Wikipedia oder Spiegel Online.

Das war früher. Das Jahr 2007 wird wohl als annus horribilis in die Geschichte des Awards eingehen, und es wird schon spekuliert, ob es ihn 2008 überhaupt noch in dieser Form geben wird.

Die Chronik:

1.
Zuerst fiel auf, dass eines der für die Kategorie Publikumspreis nominierten Angebote, die Seite hausgemacht.tv, buchstäblich in letzter Sekunde vor Ablauf der Nominierungsfrist am 31. März aufgestellt wurde. Dabei war das Angebot, ein Videoportal der Pro-Sieben-Sat.1-Tochter Seven One Intermedia, zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal offiziell gestartet. Es wurde erst am 10. April eröffnet, also volle zehn Tage später. Man darf allerdings durchaus der Meinung sein, dass eine für den GOA nominierte Webseite erst einmal über einen längeren Zeitraum beweisen sollte, dass sie die vor dem Start gemachten Versprechen auch einhält.

(Mit Hinweis auf die Laptop-Verlosung promotete Sat.1 die GOA-Abstimmung dann kräftig, und das nicht ohne Folgen.)

2.
Für erheblich größeren Wirbel sorgte anschließend die nachträgliche Nominierung der Seite Elektrischer Reporter von Mario Sixtus. Denn Sixtus saß selbst in der Jury (aus der er dann nach seiner Nominierung umgehend austrat). So erhaben über jeden Zweifel die inhaltliche Qualität seiner Arbeit ist, so sehr störten sich doch diverse Blogger an dem Eindruck, die Jurymitglieder schanzten sich selbst den Preis zu. Unter den Wortführern der Kritik stand das Blog F!xmbr.

Schließlich sah sich auch das Grimme-Institut zu einer Stellungnahme genötigt. Der salomonische Vorschlag Don Alphonsos, Sixtus möge von seiner Nominierung zurück- und sein Amt in der Jury wieder antreten, wurde aber nicht aufgegriffen.

3.
Eher kontraproduktiv war dann ein Interview des GOA-Projektleiter Friedrich Hagedorn, der im Medienmagazin DWDL auf die Mauschelei-Vorwürfe antworten durfte – denn der Interviewer Jochen Voß, der ihm die Fragen stellte, war Hagedorns eigener jahrelanger Pressereferent, wie es dann – mal wieder – bei F!xmbr zu lesen stand. So begegnet man keinen Mauschelei-Vorwürfen.

Immerhin: Dass Alexander Svensson, Autor beim ebenfalls nachnominierten blog.tagesschau.de, in der Nominierungskommission saß, stellte sich im nachhinein als „unbedenklich“ heraus. Das Blog wurde ja nicht von der Kommission, sondern erst später von der Jury nominiert, in der Svensson nicht sitzt. Und noch später erst ist Svensson im Blog als Autor tätig geworden. Der entsprechende Beitrag dazu in seinem Blog Wortfeld trägt denn auch die Überschrift: Uff!

4.
Nun die Krönung: Eigentlich sollten die Gewinner erst am 20. Juni veröffentlicht werden. Die Liste stand aber bereits gestern (am 18.) gegen 23 Uhr auf der Grimme-Seite. Offiziell konnte man an diesem Tag noch für den Sieger des Publikumspreises abstimmen (was übrigens über die Seiten des Partners TV Spielfilm ging, aber das ist eine andere Geschichte).

Gewonnen haben, große Überraschung, unter anderem die drei nachnominierten Seiten hausgemacht.tv, blog.tagesschau.de und Elektrischer Reporter.

Dass nun eine Woge aus Kritik, Spott und Verachtung über den Veranstaltern zusammenbricht, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Gleich mehrere Blogs verwenden die Formulierung Ejaculatio Praecox („die Gewinner kamen zwei Tage zu früh“).

„Kann bitte jemand den Grimme-Online-Award aus den Händen dieser Organisatoren befreien?“, stöhnt auch Preisträger Stefan Niggemeier. Er muss sich in den Rücken gestochen fühlen, hatte er er doch noch am 3. Juni dafür geworben, die Kirche im Dorf zu lassen und die Kritik an den Nominierungen als teilweise „hysterisch“ bezeichnet.

Jetzt stehen alle Beteiligten vor einem Scherbenhaufen. Der Preis, das Institut, die Mitglieder der Jury und einige der Preisträger haben Schaden genommen. Wer könnte nun noch fröhlich feiern?

Wenn man in dieser ganzen, unerfreulichen Geschichte irgendwo Die Gute Nachricht Des Tages™ entdecken will, dann vielleicht die: Im Web 2.0 wird verdammt genau hingeguckt. Ungereimtheiten lassen sich nicht mehr unter den Teppich kehren oder aussitzen. Aber das ist verdammt wenig Positives.

(Trotz allem: Einen herzlichen Glückwunsch an die Freiburger Kollegen von fudder.de. Ihre Seite steht nämlich völlig zu Recht auf der Siegerliste.)

Phantomdebatte

Ich kann diese Phantomdebatte nicht mehr ertragen. Sind Blogger Journalisten? Sind Blogs eine Bedrohung für Qualitätsjournalismus?

Da sitzen sie, in immer neuen Talkrunden und Podiumsdiskussionen: in Ehren ergraute Zeitungsjournalisten und jungdynamische Onliner, immer die gesunkenen Auflagenzahlen des Prints und die miesen Online-Erlöse im Nacken. Und diskutieren über dieses eigenartige Phänomen, von dem jeder spricht, das sie nicht wirklich verstehen und das sich ihnen auch dann nicht erschlossen hat, als sie mal auf einen dieser merkwürdigen „Blogs“ (sie verwenden da gerne die maskuline Form) geklickt haben.

Blogs. Bürgerjournalismus. Citizen Content.

Wie immer man es nennt, dahinter steckt: Leser machen Internet, Menschen schreiben Texte. Texte, die jeder lesen kann. So muss sich ein Pastor fühlen, wenn seine Kirchengemeinde die Kanzel stürmt und anfängt, sich eine eigene Bibel zu schreiben.

Diese Welt dort ist eine Parallelwelt, eine, die sich dem Journalisten alter Denke erstaunlich erfolgreich zu verschließen scheint. Was ist das? Wie geht man damit um? Und vor allem: Wie macht man aus diesen verloren gegangenen Söhnen (und Töchtern) des Netzes wieder ordentliche Zeitungsleser?

Die Antwort auf letzteres ist leicht. Gar nicht. Vergesst es. Warum auch?

Eine der eingängigsten Weisheiten, die ich vom Media Coffee im Kölner Komed gestern mitgenommen habe, war dieser Satz, den Torsten Zarges von kress den Zeitungsverlagen ins Poesiealbum geschrieben hat (sinngemäß zitiert):

Die mächtigen Eisenbahngesellschaften in den USA sind deshalb eingegangen, weil sie dachten, sie wären im Eisenbahngewerbe. Tatsächlich waren sie aber im Transportgewerbe.

Soll heißen, Journalisten stellen eine Ware her: Nachrichten, Texte, Bilder, Meinungen, Inhalte. Je eher es ihnen egal ist, über welche Kanäle sie ihre Kunden erreichen, desto besser.

Und, je eher sie die neuen Spielregeln dieses Geschäfts verstehen. Selbiges lief früher zu 99 Prozent in eine Richtung ab (die paar Leserbriefe, Telefonanrufe und Gegendarstellungen außen vor gelassen). Heute spricht die Masse zurück. Und kritisiert. Meckert gar. Zeigt Fehler auf. Und: Sie findet Gehör. Lauffeuerartig verbreitet sich, was ein Einziger auf den Artikel zu sagen hat.

Das ist neu. Neu ist auch, dass die Leserschaft den Spieß umdreht. Und Fragen stellt – auch dem Journalisten. Dem das nicht immer gut passt, wie ich in Köln an der Reaktion von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz auf die Anfrage von Stefan Niggemeier sehen konnte, ob denn die Walden-Bello-Falschmeldung der WAZ in Print und Online irgendwann korrigiert würde.

Gerade erst diskutierten in Berlin einige Onliner über das Thema. Blogger Felix „ix“ Schwenzel hat’s später süffisant in Bild und Text zerlegt. Sein Fazit:

alles ist gut, wir machen unser ding, aber keine experiente, ihr macht euer ding, aber das hat nix mit uns zu tun. schlimm ist das, bis auf die deutlich mitschwingende arroganz, nicht. aber ein bisschen traurig, wenn man zeitungen mag, ist es schon. starrköpfigkeit und furcht vor neuem führt nicht zwangsläufig ins grab, aber definitiv zu einem starren kopf.

Na gut, es gibt Ansätze. Mercedes Bunz antwortete auf die Frage, warum Blogs so authentisch und beliebt seien: Das habe etwas mit der lokalen Verwurzelung einer Community zu tun, der Vernetzung der Leser untereinander und damit, dass dort die Inhalte von den Lesern gestaltet würden, nicht von Redakteuren. Genau. Genau darum geht es. „Ich fordere meine Redakteure immer wieder auf, geht weg von dem Meldungs-Ticker. Wir werden alle tickerblind. Recherchiert im Netz, aber lest sowohl andere Tageszeitungen und lest auch Blogs.“

Wohl gesprochen. Das war’s eigentlich auch schon.

Aber warum soll man sich auch Gedanken machen, was anders werden muss. Wo doch die Zukunft der Holzzeitung so rosig aussieht, wie Mathias Döpfner und Clemens Bauer jetzt wieder beteuerten.

Neues aus China

Besser spät als nie. Wie das Journalistenportal Newsroom heute meldet, hat Yahoo! nun im nachhinein bedauert, in die Verhaftung chinesischer Dissidenten verwickelt gewesen zu sein. Fast möchte man sich freuen über diese Einsicht.

Hintergrund: Kritiker werfen der Suchmaschine vor, der chinesischen Polizei die Namen von Regimekritikern verraten zu haben. Shi Tao, Wang Xiaong, Li Zhi, Jiang Lijun und andere wanderten deshalb hinter Gitter und werden erst in vielen, vielen Jahren freikommen. Unter anderem mit der Aktion „Boo Yahoo“ (siehe Button) und einer Online-Petition versuchen sie seit Jahren, die Öffentlichkeit für die Freilassung der Gefangenen zu mobilisieren. Auf diversen Blogs und Webseiten ist der Button auch bereits verlinkt.

Jetzt hat Yahoo! China offenbar ein kurzes Statement veröffentlicht, wonach dem Unternehmen seine Mitwirkung an der Affäre offenbar doch etwas peinlich geworden ist. „Yahoo! ist besorgt darüber, dass chinesische Bürger eingesperrt werden, weil sie ihre politische Meinung im Internet verbreitet haben“, heißt es darin. Die Organisation Reporter ohne Grenzen forderte umgehend, nun solle sich Yahoo! doch auch bitteschön für die Freilassung der Inhaftierten einsetzen.

[Die Meldung war am Dienstagabend noch etwas schwer nachzuvollziehen, denn weder auf den Presseseiten von Reporter ohne Grenzen, noch auf denen der US-Zentrale von Yahoo! stand dazu etwas. Und die chinesische Version von Yahoo… nun, mein Kantonesisch ist ein bisschen eingerostet, vielleicht kann mir ein Leser da weiterhelfen?]

Wie dem auch sei: Einsicht ist eine schöne Sache. Fast könnte man von Der Guten Nachricht Des Tages™ sprechen und sich ein bisschen freuen, dass der Druck der Öffentlichkeit offenbar doch ein klitzekleines bisschen gewirkt hat.

Wäre da nur nicht der Gedanke an den Journalisten Shi Tao, der, hier ist es nachzulesen, noch genau 2720 vermutlich sehr, sehr unerfreuliche Tage vor sich hat. Weil Yahoos Einsicht halt doch ein wenig spät kam.

Guantanamo 2.0

Was kann der Einzelne für die Innere Sicherheit tun? Wie lässt sich Terrorismus am Arbeitsplatz, im Schlafzimmer, in Schule und Uni bekämpfen? Tipps und Anregungen gibt es auf dieser schönen Seite: www.informiert-wolfgang.de!

Und was die Käfighaltung angeht: So schön wie Lanu hat das noch keiner auf den Punkt gebracht.

Neues aus Rostock

Die Gute Nachricht Des Tages™ beginnt mit einer schlechten Nachricht.

Einer falschen Nachricht nämlich, die leider volle drei Tage lang in zahlreichen deutschen und internationalen Medien verbreitet wurde. Vor den Krawallen von Rostock am vergangenen Samstag habe ein Redner die militante Menge zu Gewalttätigkeiten aufgeputscht: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

So meldete es die Nachrichtenagentur dpa am Samstag, 2. Juni, um 18.41 Uhr. Spiegel Online übernahm es, Bild.T-Online übernahm es, die B.Z. übernahm es, Stuttgarter Nachrichten, Schweizer Zeitungen, WAZ, Kölnische Rundschau – alle berichteten in den folgenden drei Tagen, überall stand der Satz. Am Sonntag bezog sich auch der Sprecher der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern auf den Satz, als er in einer Presseerklärung die „etablierten Parteien“ für den „entfesselten linken Mob“ verantwortlich machte.

Dumm nur: Die Meldung war falsch.

Der Redner war Walden Bello, philippinischer Soziologieprofessor und Träger des alternativen Nobelpreises. Ihm lag es fern, Demonstranten zu Gewalttätigkeiten anzustacheln. In Wahrheit hatte er dazu aufgerufen, den Irak-Krieg nicht als Thema der Globalisierungsproteste auszuklammern.

„Two years ago they said: Do not bring the war into the discussions. Just focus on poverty reduction. Well, we say: We have to bring the war right into this meeting. Because without peace there can be no justice.“

Frei übersetzt: „Vor zwei Jahren sagten sie: Bringt den Krieg nicht in die Diskussionen hinein. Konzentriert euch auf Armutsbekämpfung. Nun, wir sagen: Wir müssen den Krieg genau in dieses Treffen hineinbringen. Denn ohne Frieden kann es keine Gerechtigkeit geben.“

Fehler passieren. Jedem. Erst recht Journalisten. Anlässlich der Bello-Meldung beschreibt die Journalistin Christiane Link in ihrem lesenswerten Blog „Behindertenparkplatz“ den enormen Zeitdruck eines Korrespondenten. Sie selbst hatte, als sie für die dpa tätig war, die Agenturgläubigkeit von Medien nur allzu oft erlebt. Etwa wenn sie auf einer völlig unverständlichen Pressekonferenz Kollegen fragte, ob sie den Redner verstanden hätten? Nein, da würde man einfach auf die dpa-Meldung warten. Link: „dpa war in dem Fall aber ich“.

Doch die Geschichte der Bello-Falschmeldung hat noch einen zweiten Teil: Schon kurz nach Erscheinen der Nachricht am Samstag berichtete der Blogger Spiegelfechter von dem Fehler. Während die Medien noch die falsche Fassung verbreiteten, begann im Web bereits die Wahrheit zu kursieren.

Und während die dpa dann zunächst den deutschen Übersetzer der Rede für den Fehler verantwortlich machte, verbreitete sich der Link auf einen Video-Mitschnitt des Senders Phoenix bei MyVideo immer weiter.

Schließlich kippt die Berichterstattung. Am Dienstag, volle drei Tage nach dem Ereignis, korrigierte sich auch die dpa, stellte die Fakten richtig und entschuldigte sich bei Walden Bello. Mehr noch: Mehrere Medien taten es nach, korrigierten ihre Artikel im Internet und erläuterten die Hintergründe.

Ob das ohne den Gegendruck aus der Bloggerszene passiert wäre?

Bleibt festzuhalten: Noch nie haben Medien so schnell Widerspruch erlebt wie in Zeiten des Web 2.0. Heute kann praktisch jeder Mensch (dank der benutzerfreundlichen Blog-Technologie auch ohne große technische Vorkenntnisse) seine Sicht der Dinge einem weltweiten Publikum zugänglich machen. Auch wenn wir Journalisten uns künftig darauf einstellen müssen, dass unsere Fehler nicht mehr unbekannt, unkommentiert und und unwidersprochen bleiben, ist das eine gute Nachricht.

Die Geschichte der Bello-Meldung hat übrigens in bewundernswerter Detailarbeit (wieder mal) Medienjournalist Stefan Niggemeier aufgearbeitet.

Neues aus der Welt der Justiz

Und so schnell zaubert Die Gute Nachricht Des Tages™ ein Lächeln auf die Lippen der Klein-Bloggersdorfer. Sie betrifft Forenbetreiber im Internet, also auch all jene mit eigenem Blog. Es geht mal wieder um die Haftung für das, was andere User auf unseren Seiten schreiben.

Dass wir nicht rund um die Uhr selber nach Beleidigungen und sonstwie rechtswidrigen Kommentaren suchen müssen, sondern den Mist erst dann löschen müssen, wenn uns jemand auf ihn aufmerksam macht, ist bekannt.

Nun gibt es eine weitere Einschränkung der Forenhaftpflicht. Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass ein Forenbetreiber auch nicht verpflichtet werden kann, strafbewehrte Unterlassungserklärungen über zukünftige Kommentare abzugeben.

Klingt kompliziert? Es ging in dem Fall darum, dass ein Professor auf der Plattform www.meinprof.de (dort können Studenten ihre Professoren beurteilen) übel beleidigt wurde. Die Betreiber der Webseite entfernten die entsprechenden Kommentare zwar umgehend, doch der Professor wollte noch mehr: Er verlangte eine Unterlassungserklärung von den Betreibern. Sollten weitere Beleidigungen auf der Seite veröffentlicht werden, hätte MeinProf jeweils 3000 Euro zahlen müssen.

Das lehnten die Betreiber ab; der Professor zog vor Gericht. In der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten bekam er auch Recht [by the way: Das schreibt man doch wieder groß, oder, Tom?]. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht am 31. Mai entschieden die Richter allerdings gegen den Hochschullehrer.

Das Internet ist bekanntlich kein rechtsfreier Raum. Fast jeder, der eine Möglichkeit zum Kommentieren und Diskutieren anbietet, hat schon üble Erfahrungen mit Pöblern und Gestörten gemacht. Dass deren Textabfall von uns entsorgt werden muss, ist für nervig genug, aber insgesamt fair und zumutbar.

Alles weitere wäre aber zu viel gewesen: Eine Verhinderungspflicht für rechtswidrige Inhalte wäre nur möglich gewesen, wenn alle Forenbetreiber eine totalen Vorabkontrolle aller Beiträge in allen Foren eingerichtet hätten. Inklusive juristischer Prüfung, ob grenzwertige Beiträge irgendwelche rechtlichen Konsequenzen gehabt haben könnten.

Das wäre praktisch der Tod der Diskussionskultur im Internet gewesen. Deshalb ein dickes, erleichtertes Dankeschön in die Hauptstadt (den bekannten Spruch „es gibt noch Richter in Berlin“ sparen wir uns).

Neues aus der Schattenwelt

Also, das hier ist wirklich etwas für Feinschmecker. Haben Sie ein paar Minuten Zeit? Lust auf ein morbides Prickeln? Dann schauen Sie auf domainregistry.de Internetadressen beim Sterben zu. Im Minutentakt erscheinen dort die wieder frei werdenden Webdomains. Es ist die Zombie-Parade einst hoffnungsvoller Jung-Unternehmungen, privater Internet-Träume und seriöser Webprojekte. Jetzt sind sie Geschichte.

Was mag sich hinter www.firmenliste24.de (aus naheliegenden Gründen spare ich mir das Verlinken) verborgen haben, die heute um 4:30 Uhr und 41 Sekunden in die Leichenhalle gerollt wurde? Eine weitere findige Idee optimistischer Uni-Abgänger, deren mühsam finanzierter Business Plan dann durch Google obsolet wurde? Was wurde aus dem fremdenverkehrsverein-naunhof.de (5:59 Uhr), was aus dem restaurant-volksgarten.de (5:17 Uhr)? Und war das aixnetz.de (14:03) ein echtes Öcher Projekt?

Nachdenklich stimmt auch die menschliche Seite. Was mag dem Inhaber von www.markus-glowka.de widerfahren sein, dass die Adresse um 14:08 wieder zu haben war? Wünschen wir ihm, dass er es gut getroffen hat, sich vielleicht mit den Eigentümern von www.notare-daniels-starke.de zu einer neuen Kanzlei zusammengefunden hat. Auch dass es die singles-bielefeld.de (9. Mai, 15:09) nicht mehr gibt, hat ja vielleicht einen freudigen Grund.

Bei einigen Namen allerdings… nun, sagen wir, ihr Auftauchen in der Hall of the Fameless überrascht nicht allzusehr: Der Anlass von millennium-abi.de (27. Mai, 16:15 Uhr) dürfte sich mittlerweile erledigt haben, www.nagelzubehoer-nagelreinigung-nagellack.de war nicht wirklich griffig, und was war wohl ein altenschoepfer.de (25. Mai, 14:40)? Was ein meeresfunken.de (13:57)?

Eins ist mal sicher: Die Leichenschau am laufenden Band macht süchtig. Und geradezu folgerichtig erscheint, dass in dieser Totentabelle auch der zombieguide.de auftaucht (24. Mai, 23:45 Uhr). Hat der olle Sensenmann also doch Humor, denkt man beim Schreiben. Und hofft, dass wenigstens www.az-web.de/blogs/serendipity/ noch ein Weilchen lebendig bleibt. Sagt mir jemand Bescheid, wenn’s soweit ist?

[via Ulf Schönerts Blog beim Stern]

Neues aus Italien

Egal, ob man Don Alphonso mag oder nicht: Wer einmal die ganz, ganz hohe Schule des Bloggens bewundern möchte, nehme sich ein Weilchen Zeit und besuche sein GT Blog.

Die italienische Oldtimer-Rallye Mille Miglia, die der Don für einen Autozubehörhersteller journalistisch begleitete und nebenher bebloggte, ist nun vorbei. Schön, dass die Flut der Bilder von automobilen und steinernen Kostbarkeiten wohl noch etwas länger im Netz stehen wird.

Ja, so ästhetisch kann Bloggen sein.

Eine Seite, die man all jenen zeigen sollte, die gerne in TV-Debatten das Wort von der Belanglosigkeit der Blogs im Mund führen. In Blogdorf wird nicht nur gehäkelt, sehr geehrte Damen und Herren.

Neues aus der Galaxis

Okay, das ist jetzt für Insider, ich geb’s zu. Und es ist auch nicht ganz die Gute Nachricht Des Tages™. Heute ist nämlich weltweiter Towel Day.

Zum Gedenken an den Mann, wegen dessen Buch ich 1987 während der London-Klassenfahrt mit der Tube (damals dachte man dabei noch nicht an eine Video-Webseite) nach Rickmansworth rausgefahren bin, im „Café Swiss“ ein Käsesandwich gegessen und eine Tasse Tee getrunken habe. Eine Idee zur Weltrettung ist mir damals übrigens, wie man unschwer erkennen kann, im Gegensatz zu Fenchurch aus dem Buch nicht gekommen.

Danke, Douglas, nicht nur für den Fisch.

PS: Doch noch was Gutes gefällig? In der (englischen) Wikipedia steht natürlich auch alles zum Thema The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy.

[via Stefan Niggemeier.]