Phantomdebatte

Ich kann diese Phantomdebatte nicht mehr ertragen. Sind Blogger Journalisten? Sind Blogs eine Bedrohung für Qualitätsjournalismus?

Da sitzen sie, in immer neuen Talkrunden und Podiumsdiskussionen: in Ehren ergraute Zeitungsjournalisten und jungdynamische Onliner, immer die gesunkenen Auflagenzahlen des Prints und die miesen Online-Erlöse im Nacken. Und diskutieren über dieses eigenartige Phänomen, von dem jeder spricht, das sie nicht wirklich verstehen und das sich ihnen auch dann nicht erschlossen hat, als sie mal auf einen dieser merkwürdigen „Blogs“ (sie verwenden da gerne die maskuline Form) geklickt haben.

Blogs. Bürgerjournalismus. Citizen Content.

Wie immer man es nennt, dahinter steckt: Leser machen Internet, Menschen schreiben Texte. Texte, die jeder lesen kann. So muss sich ein Pastor fühlen, wenn seine Kirchengemeinde die Kanzel stürmt und anfängt, sich eine eigene Bibel zu schreiben.

Diese Welt dort ist eine Parallelwelt, eine, die sich dem Journalisten alter Denke erstaunlich erfolgreich zu verschließen scheint. Was ist das? Wie geht man damit um? Und vor allem: Wie macht man aus diesen verloren gegangenen Söhnen (und Töchtern) des Netzes wieder ordentliche Zeitungsleser?

Die Antwort auf letzteres ist leicht. Gar nicht. Vergesst es. Warum auch?

Eine der eingängigsten Weisheiten, die ich vom Media Coffee im Kölner Komed gestern mitgenommen habe, war dieser Satz, den Torsten Zarges von kress den Zeitungsverlagen ins Poesiealbum geschrieben hat (sinngemäß zitiert):

Die mächtigen Eisenbahngesellschaften in den USA sind deshalb eingegangen, weil sie dachten, sie wären im Eisenbahngewerbe. Tatsächlich waren sie aber im Transportgewerbe.

Soll heißen, Journalisten stellen eine Ware her: Nachrichten, Texte, Bilder, Meinungen, Inhalte. Je eher es ihnen egal ist, über welche Kanäle sie ihre Kunden erreichen, desto besser.

Und, je eher sie die neuen Spielregeln dieses Geschäfts verstehen. Selbiges lief früher zu 99 Prozent in eine Richtung ab (die paar Leserbriefe, Telefonanrufe und Gegendarstellungen außen vor gelassen). Heute spricht die Masse zurück. Und kritisiert. Meckert gar. Zeigt Fehler auf. Und: Sie findet Gehör. Lauffeuerartig verbreitet sich, was ein Einziger auf den Artikel zu sagen hat.

Das ist neu. Neu ist auch, dass die Leserschaft den Spieß umdreht. Und Fragen stellt – auch dem Journalisten. Dem das nicht immer gut passt, wie ich in Köln an der Reaktion von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz auf die Anfrage von Stefan Niggemeier sehen konnte, ob denn die Walden-Bello-Falschmeldung der WAZ in Print und Online irgendwann korrigiert würde.

Gerade erst diskutierten in Berlin einige Onliner über das Thema. Blogger Felix „ix“ Schwenzel hat’s später süffisant in Bild und Text zerlegt. Sein Fazit:

alles ist gut, wir machen unser ding, aber keine experiente, ihr macht euer ding, aber das hat nix mit uns zu tun. schlimm ist das, bis auf die deutlich mitschwingende arroganz, nicht. aber ein bisschen traurig, wenn man zeitungen mag, ist es schon. starrköpfigkeit und furcht vor neuem führt nicht zwangsläufig ins grab, aber definitiv zu einem starren kopf.

Na gut, es gibt Ansätze. Mercedes Bunz antwortete auf die Frage, warum Blogs so authentisch und beliebt seien: Das habe etwas mit der lokalen Verwurzelung einer Community zu tun, der Vernetzung der Leser untereinander und damit, dass dort die Inhalte von den Lesern gestaltet würden, nicht von Redakteuren. Genau. Genau darum geht es. „Ich fordere meine Redakteure immer wieder auf, geht weg von dem Meldungs-Ticker. Wir werden alle tickerblind. Recherchiert im Netz, aber lest sowohl andere Tageszeitungen und lest auch Blogs.“

Wohl gesprochen. Das war’s eigentlich auch schon.

Aber warum soll man sich auch Gedanken machen, was anders werden muss. Wo doch die Zukunft der Holzzeitung so rosig aussieht, wie Mathias Döpfner und Clemens Bauer jetzt wieder beteuerten.

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