Die Verpuppung

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Kaum ein Passant, der im Vorbeigehen nicht zögert, noch einmal genauer hinguckt, stehenbleibt und staunt. „Was ist das denn?“ – „Das ist aber neu, oder?“ – „Ach nee, guck mal, wie süß!“ – „Da hat sich aber einer Mühe gegeben!“

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Der altbekannte Puppenbrunnen: neu eingekleidet! Pferd und Reiter, Prälat und Professor, Modepüppchen und Marktfrau, Harlekin und Hahn tragen auf ihrer Bronzehaut plötzlich bunten Stoff. Liebevoll gehäkelte Mützen, Handschühchen, Schals und Troddeln zieren die Gliederarme und beweglichen Köpfe, passgenau und mit ebensoviel Humor wie Geschick angefertigt und angepasst. Die Farben leuchten regelrecht im Abendlicht – und die Figuren tragen sie sichtlich gerne, es ist ja auch schon etwas kühl geworden hier zwischen den hohen Altstadthäusern der Krämergasse, im Schatten des Doms.

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Und wie Bonifatius‘ Stirnbergs vielleicht bekanntestes Aachener Werk nach guten 40 Jahren plötzlich noch einmal wahrgenommen wird. „Nee, dieses Mützchen! Richtig in den Öcher Farben, schwarz-gelb!“ – „Ich werd nicht mehr!“ – „Sowas Schönes! Und mal was Positives, nicht was mit Zerstörung.“ Smartphones, Tablets und Spiegelreflexkameras werden gezückt, eine asiatische Touristin legt ihren Arm um das Modepüppchen (das an Aachens Textilindustrie erinnern soll) und lässt sich von ihrem Freund ablichten.

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Chapeau. Man darf wohl sagen, dass die Damen des Aachener Stricktreffs mit diesem Yarnbombing einen Volltreffer gelandet haben. Einen vielleicht nur kurzlebigen, aber um so einprägsameren.

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Denn was ist schon Dauer? Ich erinnere mich noch an die Nacht- und Nebel-Aktion an der sogenannten Oldenburger Friedenssäule. Diese schmucklose, ziemlich langweilige Marmorsäule aus der Kaiserzeit trug ursprünglich eine goldene Viktoria-Siegesgöttin, ähnlich der bekannten der „Gold-Else“ in Berlin – bis die Nazis sie 1943 für ihre eigenen, bekanntlich fruchtlosen Bemühungen um einen Sieg einschmolzen. Seitdem heißt der übriggebliebene Stumpf politisch korrekt Friedenssäule. 1986 aber stellten drei Lokalpolitiker eine aus Styropor und Goldfarbe selbstgebaute Nachbildung der Originalfigur heimlich auf die Säule. Zwar wurde sie schon nach kurzer Zeit wieder abmontiert, doch über die Aktion spricht die Stadt noch heute, nach 30 Jahren. Immer wieder wird seitdem die Wiederbelebung der inzwischen „Friedensengel“ genannten Figur diskutiert. Auch wenn daraus bislang noch nichts geworden ist: Das Bild des Goldengels von damals ist im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hängen geblieben.

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Und nun stehen wir hier vor dem bestrickten Puppenbrunnen.

Tja, Stricken. Im Zeitalter von Facebook, 3D-Druckern und Paketdrohnen fällt mir höchstens noch Briefmarkensammeln als Hobby mit weniger Sexappeal ein. Aber – panta rhei, alles fließt – irgendwie hat diese klipp-klappernde großmütterliche Freizeitbeschäftigung es geschafft, im Guerrillamodus als Streetart auf der coolen Seite der Gesellschaft wieder ans Licht zu kommen. Ein Kompliment an Rebekka B., Kata G. und die anderen flinkfingrigen Nadelkünstlerinnen, die Aachen seinen wohl hübschesten Brunnen neu geschenkt haben. Und sei es nur für ein paar Tage. Klenkes hoch, Mädels!

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Abendlektüre

Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca. F8, 1/25s, ISO 400
Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca. F8, 1/25s, ISO 400

Es geht doch nichts über ein gutes Buch zu später Stunde. 1200 Jahre alter bibliophiler Heiliger mit 1000-jährigem Hildesheimer Rosenstock am Aachener Dom.

Zeitpolster

Was für ein gutes Gefühl es ist, morgens mit einem soliden Zeitpolster zur Arbeit aufzubrechen! Nur zu oft war es zuletzt dem Verfasser dieser Zeilen passiert, dass die Abwägung zwischen den Übeln, entweder zu spät ins Büro zu kommen, oder aber rechtzeitig, dafür jedoch mit ungeputzten Zähnen, in erstgenannter Folge gemündet war.

Heute jedoch soll beides nicht der Fall sein. Und so schreitet der Held unserer Geschichte, ein früher Vogel mit frischem Pfefferminzgeschmack im Schnabel, schwingenden Wintermantels und ebensolchen Schrittes in Richtung Friedensstraße, wo sein Wagen steht.

Oder besser: stehen sollte. Hatte er doch weiter hinten geparkt? Nein, da beginnt schon die verbotene Parkausweis-Zone. Oder am entgegengesetzten Ende, am Steffensplatz? Von Selbstzweifeln angenagt, hastet unser Autor in die Gegenrichtung. Doch auch dort: kein Wagen. Wo zum Teufel hatte er zuletzt geparkt, vor ein paar Tagen?

In der Friedensstraße jedenfalls nicht. Etwa in der Parallelstraße? Weiterhasten. Doch auch dort glänzt das vertraute Blech durch Abwesenheit. Es wird doch wohl nicht wieder abgeschleppt worden sein? Längst hätte unser Held im Wintermantel die Schwelle der Bürotür überschreiten müssen. Von üblen Alzheimergedanken zermürbt, irrt er weiter durchs Viertel, bis ihm endlich die erlösende Erinnerung kommt – oben an der Kongressstraße war’s! Nur wenige Minuten später findet ein Autoschlüssel leicht zitternd den Weg in sein passendes Schloss.

Nun gut, mit dem pünktlichen Arbeitsbeginn ist es auch heute mal wieder nichts geworden. Bleibt nur ein schwacher Trost: Auch heute sind zumindest die Zähne geputzt.

(Geschrieben für die App AmAbend von Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten)

Aachenspaziergang

Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/50s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/50s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/60s, ISO 320
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/60s, ISO 320
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/80s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/80s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 28 2.8, 1/60s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 28 2.8, 1/60s, ISO 100
Sony A7 II mit Minolta MD 100 2.5, 1/25s, ISO 125
Sony A7 II mit Minolta MD 100 2.5, 1/25s, ISO 125
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/50s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/50s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/60s, ISO 400
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/60s, ISO 400
Sony A7II mit Canon FD 50 1.4, 1/20s, ISO 125
Sony A7II mit Canon FD 50 1.4, 1/20s, ISO 125
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/20s, ISO 640
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/20s, ISO 640
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/20s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 100 2.5, 1/20s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/6s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 20 2.8, 1/6s, ISO 100

Erste Gehversuche am 22. Januar mit der A7 II, dem Minolta MD 100 2.5 und dem Canon FD 20 2.8. Und natürlich: einem Stativ. Wetter war ja nicht ganz so.

Flic Flac

1284-Roller

0997-Kletterfrau

1227-Nummerngirl

1446-Ringfrau

0918-Schottenspass

1792-Trapezduo

1731-Misterdiavolo

0970-Bettfrau

1160-Huckepack

1193-Flammenwerfer

0857-Ballfrau

1322-Roller

1753-Dessousfrau

1479-Wasserschlacht

1751-Misterdiavolo

0794-Gitarrenfeuer

1775-Poledance

1776-Zaubertier

1817-Kugelbrummer

1835-Kugelsprung_hell

Alle Bilder: Sony A7 II mit Canon FD 35-105mm f3.5.
Alle Bilder: Sony A7 II mit Canon FD 35-105mm f3.5.

In einem schwarzen Zirkuszelt ohne Blitz zu fotografieren – schwierig. Rasante Artisten mit einem Objektiv ohne Autofokus manuell scharfzustellen irgend etwas Vorzeigbares zu produzieren – sportlich. Aber es geht. Dank des fantastischen Sensors der A7 II, des eingebauten Bildstabilisators und der astreinen Schärfe des 30 Jahre alten Canons war der Abend fotografisch doch nicht völlig für die Tonne. Belichtungszeiten von 1/1000 Sekunde? Kein Problem, die Sony reißt die ISO-Zahl auf 12.800 hoch, und das Ergebnis ist trotzdem ansehnlich.

Showtechnisch ist das aktuelle Programm „Höchststrafe“ sowieso allererste Sahne: Die Artisten spielen in einem Gefängnisszenario aus Käfigen und Gittern, es geht um Flucht, Ausbruch, Schlägereien und Liebe hinter Gittern. Da schießen Feuerlohen hoch, da sprühen Fontänen aus Wasserbecken, da rotiert ein Rollschuhläuferpaar auf einem winzigen Podium. Zum Schluss donnert ein halbes Dutzend Motorradfahrer kreuz und quer durch eine Gitterkugel – und fliegt schließlich mit atemberaubenden Sprung-Stunts bis hoch unter die Zeltkuppel. Dem Zuschauer bleibt der Mund offen. Fast könnte man das Fotografieren vergessen. Oder zumindest das Scharfstellen am Objektiv.

Centre Charlemagne

429-Kaiserblick

Auch wenn man wie ich die 30 überschritten hat, hält das Leben noch so viele Premieren bereit. Im neuen Aachener Stadtmuseum Centre Charlemagne die Ausstellung „Moca Türc und Marihuana – Schmuggel an der Aachener Grenze“ zu besuchen zum Beispiel. Oder erstmals mit der neuen Vollformatkamera (es gab vor einigen Tagen die Sony A7 II in einem nahegelegenen Elektronikfachmarkt zu einem noch nie, nie dagegewesenen Preis) durch eben jenes Museum zu streifen. Und sich daran zu erfreuen, dass nicht nur die Kamera, sondern auch das prächtige alte Objektiv Minolta MD 3.5 35-70 Zoom zu Höchstform aufläuft – kein Wunder, hat es ja auch schon die 30 überschritten. Zufälle sehen anders aus, meine Damen und Herren.

451-Charle-Cola

436-Kaiserbild

425-Pferdefenster

448-Telefonkasten

432-Goldvoegel

461-Wandmalerei

454-Goldbuch

494-Brunnenschale

474-Kleiderkammer

472-Religionskriege_hell

475-Grenzfilm

Der im oben zu sehenden Display gezeigte Film „Sündige Grenze“ leitet uns elegant über in die aktuelle Sonderausstellung „Mokka Türc“ über den Schmuggel an der Grenze in den Nachkriegsjahren. Unerlaubte Mengen an Kaffee aus Belgien einzuführen – was sich heute eher nach einem Sonntagsnachmittagsdelikt anhört, war vor 70 Jahren ein tödliches Business. Hungrige Jugendliche, die sich damit über Wasser hielten, waren ebenso beteiligt wie hochgradig professionell organisierte Banden, die in eigenen Werkstätten starke Limousinen aus den USA, große Lastwagen und sogar gestohlene Radpanzerwagen der US-Armee eigens für Schmuggeleinsätze umbauen und präparieren ließen. James-Bond-mäßige Nagelsterne zum Abschütteln der Verfolger inklusive.

517-Pistole

499-Besenporsche

509-Genickschuss

520-Zoohandlung-Wilderer

526-Mokatuerc

500-Panzerwagen

523-Hundemedaillen

512-Todesfalle

Es war ein schöner Nachmittag. Und während man sich in Karls Café mit Blick auf den vernieselten Katschhof an einem Latte Macchiato samt New York Cheese Cake labt, kommt schon die Freude auf die nächsten Premieren auf, die einem das Leben noch anbieten mag.

Alle Fotos: Sony A7 II mit Minolta MD 3.5 35-70 Zoom, freihändig.
Alle Fotos: Sony A7 II mit Minolta MD 3.5 35-70 Zoom, freihändig.

Redebedarf

Die Übergriffe von Köln waren heute Thema einer Diskussionsrunde, zu der Flüchtlinge und Helfer in die Martin-Luther-Kirche in Aachen-Brand eingeladen waren. Mein Bericht auf www.aachenschafftdas.de.

Burtscheid

Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F8, 1/100s, ISO 100
Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F8, 1/100s, ISO 100
Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F4, 1/50s, ISO 200
Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F4, 1/50s, ISO 200
Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F8, 1/200s, ISO 200
Sony Nex-6 mit Canon FD 28mm 2.8, ca. F8, 1/200s, ISO 200

Gut 20 Euro habe ich für das Canon FD 28mm F2.8 bei Ebay bezahlt. Gut, Gegenlicht ist nicht seine Stärke – aber die Schärfe von Ecke zu Ecke überzeugt absolut. Die drei Bilder oben sind freihändig geschossen.