Neues vom Karneval (3)

Geschafft! Jetzt bin ich doch noch zu meinem Karneval gekommen. Zwar verhinderte am Rosenmontag der Dienstplan den ersten Live-Kontakt mit dem rheinischen Fastelovend. Dafür bot der folgende freie Dienstag die Gelegenheit, sich doch noch ins bunte Getümmel zu tauchen – und zwar in Maastricht. Es war anders. Ganz anders.

Der Karneval in der niederländischen Metropole scheint hierzulande noch ein echter Insider-Tipp zu sein. „Können die Holländer denn überhaupt feiern?“, fragten heute am Aschermittwoch ungläubige Kollegen. Oh ja, sie können. Aber eben nicht so wie wir. Den typischen Karnevalszug gab es nicht, auch Kamelle habe ich nirgendwo fliegen sehen.

0580_K-Bandrunde163_800Dafür marschierten überall in der Innenstadt bunt kostümierte Musikgruppen und Tanzbands auf. An jeder Ecke wurde getrommelt und getanzt, oft gesellten sich auch spontan weitere Musikanten dazu. Alles wirkte ganz offen und improvisiert – hast du Trommel, hast du Freunde.

1100_K-Bilderrahmen266_800Und erst die Kostüme. Der Oberhammer war die Parade der schwarzen Fantasy-Wesen, siehe Bild ganz oben. Als Freestyle-Mischung aus Orks, Vampiren und Gothic-Freaks marschierten sie trommelnd durch die Stadt.

1000_K-Hoelle217_800Auf den Köpfen halbe Tierschädel und Objekte, die aussahen, als wären sie beim Krieg der Sterne in der Schlacht um den Todesstern mitgeflogen, und zwar auf Seiten des Imperiums. Doch es ging auch friedlicher.

0880_K-Torte214_800Gumminase im Gesicht und Luftschlange um die Schulter reichen jedenfalls nicht aus, um hier mitzuspielen. Da musste schon mehr kommen…

K-Tragefrau184_800…so wie etwa diese Dame hier. Auch wenn der Schnappschuss unscharf ist, sie ist ein Hingucker: Ihre Beine waren ebenso unecht wie der Oberkörper des Mannes, der sie zu tragen schein.

0800_K-DNA-Test244_800Dieser verrückte Professor bot in seinem Bauchladen Instant-DNA-Tests mit Wattestäbchen und Reagenzgläsern an. Auf so eine Geschäftsidee muss man erstmal kommen.

0643_K-Fellleute172_800Einen abgehärteten Eindruck machten diese Fellwesen…

0640_K-Fellbeine212_800…deren Pelz an einigen Stellen arg dünn war.

0810_K-Naerrin251_800Viele Narren präsentierten aufwändiges Make-Up…

0622_K-Napoleonoben189_800…und eine Ausstaffierung mit Liebe zum Detail, wie dieser etwa zwei Meter große (!) Napoleon.

0621_K-Napoleonwumme190_800Beeindruckend auch die Vorsorge, mit der sich die Stadt auf den Ansturm der feiernden Massen vorbereitet hatte.

K-Bierhalter182_800Auf der Partymeile waren die Geschäfte mit witzig bemalten Holzplatten verbarrikadiert. Haltebretter warteten auf Gläser.

K-Toiletten177_800Diese Konstruktionen standen am Ende der Nahrungskette. Ebenso schlicht wie funktionell. Besser als die ewig besetzten und schmuddeligen Dixie-Klos.

Gut, Ballermann-Musik (gelegentlich sogar in deutscher Sprache) gab es auch. Jede Kneipe hatte ihre eigene Außenbeschallung. Aber insgesamt spielte Alkohol zumindest tagsüber eine deutlich kleinere Rolle als bei vergleichbaren Veranstaltungen auf der östlichen Seite der Grenze. Na gut, wir wollen ja nicht unhöflich sein…

0300_K-Biertablett193_800…vor allem nicht, wenn es uns so charmant angeboten wird. Hartelijk bedankt!

0730_K-Pinguin210_8000720_K-Schwein240_8000700_K-Strauss220_8000680_K-Weltraumkringel261_800
0530_Hammer145_800
0600_K-Piraten173_8000520_K-Baby209_8000500_K-Trommler256_8000200_K-Rosakids230_8000076_Gemuesefrau159_8000060_Elvispaar157_8000530_Hammer145_8000080_Rotband151_8000100_K-Losmarsch166_8000900_K-Maeuse208_8000750_K-Harpyienkopf249_8000850_K-Kuschelleute247_800Fazit: Ende gut, alles gut. Nun sind wir – nach AKV-TV-Selbstversuch und Fettdonnerstag in der Redaktion – endgültig Freunde geworden, der Karneval und das zugewanderte Nordlicht. Hat auch gar nicht weh getan.

Gut. Jetzt habe ich ein Jahr lang Zeit, mir ein Kostüm für 2009 zu überlegen. Hat jemand eine Idee? Was trägt eigentlich ein Blogger?

Neues aus Finnland

Finnschnitzel104_800Der Finne hat es im Moment nicht leicht. Seit überall feierlich Nokia-Handys zertreten werden, hat der Ruf des Landes oben rechts auf der Europakarte etwas gelitten. Zeit, eine Lanze für dieses sympathische Völkchen zu brechen, dem wir so wunderbare Dinge verdanken wie Deutschlands viertbeliebtesten Vornamen des Jahres 2007 („Finn“). Sowie die Finnbahn, und um die geht es hier.

Dem Rat unseres Expertenbloggers Rainer Sieven folgend, habe ich heute Nachmittag einmal der neuen Finnbahn auf dem RWTH-Gelände einen – haha – Antrittsbesuch abgestattet. Die im November eingeweihte Hackschnitzelstrecke rund um die Außenanlagen der sportwissenschaftlichen Fakultät hat nämlich nicht nur den Vorteil einer angenehm federnden Oberfläche. Sie ist außerdem nachts beleuchtet, nämlich von der Abenddämmerung bis Mitternacht und dann wieder ab 6 Uhr früh bis zum Sonnenaufgang. Was jeder zu schätzen weiß, der schon mal abends mit der Stirnlampe durch den dunklen Wald getappert ist und dabei irgendwelche Liebes(?)-Pärchen aufgeschreckt hat.

Finnkurve069_800Wer sich auf dem RWTH-Gelände nicht so gut auskennt *ahem*, der muss unter Umständen beim ersten Mal ein wenig suchen. Das Gelände ist nämlich von der Straße aus nicht sichtbar. Hier die Auflösung: Ein Stichweg zweigt von der Mies-van-der-Rohe-Straße ab und führt bis kurz vor das Stadion. Dort gibt es auch Parkplätze. Ein Blick auf die Webseite der Finnbahn (www.finnbahn-aachen.de – Respekt, meine Waldstrecke hat keine eigene Homepage) hilft weiter. Sogar ein Kartenabschnitt aus Google Maps ist eingebaut.

Es gibt drei mögliche Runden: Die Stadionrunde, die Bergrunde und die Chemierunde. Die Stadionrunde verläuft außen an der Tartanbahn entlang. Die Ostkurve – im Bild oben zu sehen – war heute Nachmittag noch ein wenig vereist.

Wer möchte, kann nach diesem flachen Stück nun rechts den Hang hinaufkeuchen. Oben belohnt eine schöne Aussicht die Mühe. Auf dem Lousberg gegenüber glänzt das Drehrestaurant im Abendlicht. Das Schild an der Theo-Lieven-Kurve lässt allerdings stutzen.

Finnehrung073_800Sportlerehrung? Also, das wäre doch nicht nötig gewesen…

Ein paar Meter hinter dem Gipfel wird dem Jogger dann allerdings unbarmherzig klargemacht, dass er in Deutschland ist. Wo alles seine Ordnung hat, auch und gerade die Benutzung von Sportstätten.

Finngenehmigung081_800Verdammt – Sonntagnachmittag und ich hab die Handynummer vom Rektor nicht. Was jetzt? Tun wir einfach so, als hätten wir das Schild nicht gesehen…

Der reizvollste Teil der Runde kommt zum Schluss. Am Fußballplatz vorbei geht es hinunter zur Professer-Pirlet-Straße. In ein paar hübschen Schleifen windet sich die Strecke unter Bäumen hindurch.

Finnsparkasse091_800Von der Sparkassenkurve am östlichen Ende aus kann man sogar einen Ausblick auf die Dächer der Stadt erhaschen. Dann geht es in Schlaufen wieder hoch zum Stadion.

Finnsonne113_800Letzte Sonnenstrahlen blitzen durch die Baumkronen auf dem Königshügel. Gleich werden die Laternen angehen. Was für eine tolle Einrichtung: 1.150 Meter beleuchteter Waldboden mitten in der Stadt. Auf der einen Seite empfindet man Dankbarkeit gegenüber den vielen Sponsoren, die dieses weiche Wunder möglich gemacht haben.

Auf der anderen Seite wird einem klar: Jetzt gibt es leider keine Ausrede mehr, in der dunklen Jahreszeit noch Winterspeck zu tragen.

Dumm gelaufen, liebe Finnen. Wo man doch gerade anfing, euch wieder ein klein wenig zu mögen.

Neues aus der Hightech-Welt

Rasierer26_800„Boys and their toys“, seufzt die Frau, wenn der Mann elektrisch wird. Das wird er oft, und ich bin da keine Ausnahme. Hat es ein kleines Display? Hat es ein Ladegerät? Kann man Fotos drauf abspeichern oder wenigstens Musik? Ist es sinnlos und teuer? Ich will es! Manchmal jedoch birgt die Welt der Verbraucherelektronik wundersame Überraschungen.

Es gibt nämlich Geräte, die kennt kein Mensch Mann. Trotzdem taugen sie was. Nehmen wir nur meinen neuen Freund hier. Seine Anschaffung wurde mir von nahen Angehörigen ans Herz gelegt (danke, Mama). Obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass man so etwas braucht.

Man nennt es einen Fusselrasierer. Es ist ja so, dass mit der Zeit vor allem an den Kragen von Hemden, Sweatshirts und Jacken auf der Innenseite diese kleinen Flusen entstehen. Die dem Aussehen des jeweiligen Kleidungsstücks diesen gewissen Altkleidercontainerlook verleihen. Doch was tun? Einzeln abpflücken ist zu mühsam. Und diese altmodischen Bürsten oder seltsamen Kleberollen funktionieren auch nicht.

Entsprechend groß war meine Skepsis gegenüber dem nur zehn Euro billigen Gerätchen. Um mehr überzeugt das Ergebnis: Mit der vollen Power einer 1,5-Volt-Monozelle rasieren die drei Scherblätter konturgenau jeden Fussel schon an der Wurzel ab. Auch in den Problemzonen wie Reißverschluss und Revers. Im Nu fühlt sich der olle Pulli wieder unwiderstehlich glatt an. Am Ende der Sitzung fällt das Mähgut in großen Flocken aus dem Auffangbehälter. Whow! Was es nicht alles gibt!

Was lehrt uns der weißgraue Flocken-Terminator? Mann sollte ruhig offen sein für Neues im Leben. Auch und besonders im Bereich Haushaltsgeräte. Die Welt der Technik ist größer und bunter als wir glauben. Und sicher dauert es nicht mehr lange, bis Braun & Co den High-Sensity Reflex FusselShave GTi herausbringen. Mit Dreifach-Schwingkopf, radiumveredeltem Klingenblock, Ladegerät und natürlich einem kleinen Display.

Neues aus dem Waschsalon

Kamera03_800Na schön. Zwar ist am Sonntag der Versuch, sich bei der AKV-Ordensverleihung in die rheinische Seele einzufühlen, nicht restlos geglückt. Sei’s drum. Schon tags drauf, am Montagabend, bietet sich Gelegenheit für das nächste soziokulturelle Experiment. Wir sitzen bei „Nightwash„, der seit acht Jahren durchs Land tourenden Comedy-Veranstaltung. Wir sitzen in einem Waschsalon.

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Im Aachener Eurogress ließen sich über 1.300 Menschen mehr oder weniger ausgeprägter Prominenz in aufwändiger Kulisse von einer ebenso aufwändig inszenierten Mammutveranstaltung bespaßen. Das Fernsehen war vor Ort und der Eintritt nicht wirklich billig.

Bei der Nachtwäsche quetschen sich etwa 50 Menschen in eine winzige Münzwäscherei am Hönniger Weg in Köln. Die Kulisse ist karg: Das Publikum hat sich locker um und auf den massiven Waschmaschinenblock mitten im Raum platziert. Unmittelbar davor, direkt auf der Fensterbank, treten die Akteure auf. Für die Bildtechnik ist eine einfache Videokamera zuständig, das Stativ mit Klebeband auf einem der Waschautomaten befestigt. Der Eintritt ist frei.

Nightwash, das ist reinster und feinster Eventminimalismus. Die Stimmung im Licht der Neondeckenlampen ist eine Mischung aus überfülltem Soziologieseminar und Flughafenwartehalle. Die Stimmung ist gut.

Knacki50_800Was momentan Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser zu verdanken ist, dem Moderator und Erfinder von Nightwash. „Wer ist Student?“ fragt er in die Runde. Einen sich outenden Sonderpädagogiker tröstet er: „Irgendeiner muss ja die ganzen Lehrer ausbilden.“

Wer das Glück hatte, bis etwa zwei Stunden vor Programmbeginn noch einen der Stühle vor den Maschinen zu ergattern, hat jetzt ein Problem. Denn Deuser ist ein überzeugter Verfechter von Publikumsnähe. Gnadenlos zieht er über den „modischen Pulli“ eines mutmaßlichen Chemie-Studenten vor ihm her, wohl „beim letzten Experiment selbst gefärbt“, man könne bestimmt den pH-Wert drauf ablesen. Überhaupt, all die Studenten hier. „So viele junge Leute, das hat man doch zum letzten Mal in der JVA Siegburg gesehen.“

Das Besondere an Nightwash ist die Authentizität. Vor den zunehmend beschlagenden Scheiben werden schemenhaft die Umrisse eines haltenden Straßenbahnzuges sichtbar. Eine müde aussehende Hausfrau holt ihre Wäsche aus dem Trockner, auf dessen Gehäuse bereits Bierflaschen stehen.

Trockner42_800Derweil lamentiert der erste Gast des Abends, Johannes Flöck, über die Strapazen des Älterwerdens. Selbst sein alter TBC (Tabak, Bier, Currywurst)-Freund Klaus sei mittlerweile zu gesunder Bionade konvertiert – weil keine Konservierungsstoffe drin seien. Flöck kann’s nicht glauben: „Wir sind jetzt in dem Alter, in dem wir jeden Konservierungsstoff brauchen!“

Immer noch drängen Besucher in den überfüllten Raum. Hinter der Glasfront herrscht jetzt – haha – eine Atmosphäre wie in der Waschküche. Puh, stöhnt der Gast. Wohin nur mit der Jacke? Gut, dass es so viele leere Waschtrommeln gibt, die sich zur Instant-Garderobe umfunktionieren lassen. Die Jungs da vorne leben schließlich auch vom Improvisieren.

Salon68_800Nach Flöck ist Markus Barth an der Reihe, der heimatvertriebene Bamberger: „Ich konnte das R nicht rollen.“ Ohnehin hatte er sich in der kleinen Metzgersfamilie seiner Kindheit nie allzu heimisch gefühlt. Als sein Bruder den Eltern gestand, Vegetarier zu sein, nutzte Barth die Gelegenheit, seiner Familie die eigene Homosexualität zu beichten. „Egal“, brüllte der Vater verzweifelt zurück, während er an seinem anderen Sohn mit zwei Weißwürsten einen Exorzismus durchführte, „dein Bruder ißt kein Fleisch mehr!“

Dann ist endgültig Schluss mit Political Correctness. Die Bühne betritt Motombo Umbokko alias Dave Davis. Der lautstarke Applaus zu seiner Begrüßung zeigt, dass er am Rhein längst eine feste Fangemeinde hat.

Als Toilettenmann bei McDonalds ausstaffiert, spielt der nach eigener Darstellung „Maximalpigmentierte“ geschickt mit Vorurteilen und schlechtem Gewissen seines deutschen Publikums. „Isch mag weiße Leute, ne.“ Sein gekonnt tumbes Dauergrinsen und holprig-hintergründiges Asylbewerbersprech würden einen Saal auch dann im Nu zum Brodeln bringen, wenn die Luftfeuchtigkeit nicht so hoch wäre wie hier.

Motombo79_800Toilettendienst sei immer noch besser als Hartz IV, sinniert Motombo, wobei sich der Begriff bei ihm eher wie „Hass vier“ anhört. Erst vergangene Woche sei in seiner Toilette ein Deutscher depressiv geworden, „wege Hass vier“, und habe sich die Pulsadern aufgeschnitten. „Jetze hat er offene Stelle!“ Das Publikum quietscht vor Vergnügen; erst recht, als der Mann auf der Bühne beim Schildern einer Szene in einem bayerischen Einwohnermeldeamt unvermittelt in perfektem Beamten-Bairisch lospoltert. Nur um wieder nahtlos auf seinen Afro-Singsang umzuschalten: „Wer musse hier Deutschkurs mache?“

Mit dem Lied „Kiliman Joe“ (Download als MP3 hier) verabschiedet sich der Höhepunkt des Abends. „Das war die Rache des schwarzen Mannes“, bilanziert Knacki Deuser und ruft noch eine Warnung hinterher: „Pass auf, dass De Höhner das Lied nicht hören!“

Munter geht das Programm voran, eine den Sportunterricht ihrer Jugend parodierende Ramona Schukraft und zum Schluss noch einmal Johannes Flöck – eingesprungen für einen erkrankten Kollegen – lassen den komödiantischen Schleudergang locker ausklingen. Ein letztes Mal darf Flöck über den 40. Geburtstag weinen, „wenn Happy und Birthday getrennte Wege gehen“. Und in der U-Bahn plötzlich Kinder artig aufstehen: „Möchten Sie sich setzen?“ – „Nein! Ich möchte dir wehtun!“

Buegelschild14_800Nach anderthalb abwechslungsreichen Stunden ist Schicht im Salon. Die Besucher drängen auf den Bürgersteig. Zurück bleiben nur die Bierflaschen auf den Waschmaschinen – „so finanzieren wir uns“, behauptet Knacki Deusler noch allen Unernstes.

So viel Spaß, live und ohne Eintrittsgeld – dass es das noch gibt. Wie gesagt, der Kontrast zum Abend davor war groß. Um so weniger Probleme hatte der neu in die Region gezogene Blogger mit dem Verstehen und Amüsieren. Es ist halt doch oft sinnvoll, erstmal klein anzufangen.

Das Schönste zum Schluss: Für eine Nachtwäsche muss man nicht mal nach Köln fahren. Volle drei Tage lang, vom 26. bis 28. Februar, gastiert die Show ohne Schonwaschgang im Aachener Jakobshof. Sauber.

Neues vom Karneval (1)

Sonntag, 20.14 Uhr: Mit dem Laptop auf den Knien und dem Ersten Programm im Fernsehen sitzt der Neu-Aachener gespannt auf dem Sofa. Auf dem Schirm: die AKV-Ordensverleihung. „Einmal musst du das gesehen haben“, hieß es aus dem Freundeskreis. „Sonst wirst du nie richtig ankommen hier.“ Die Frage des Tages lautet also: Springt der karnevalistische Funke auch auf Nicht-Öcher über? Protokoll eines Selbstversuchs.

20.15 Uhr. Anpfiff, äh, Anfang. Vor der Bühnenkulisse, offenbar eine Mischung aus Ponttor und Quellenhof, hüpfen diverse Damen zu launiger Musik. Allerdings scheinen die Handwerker mit der Deko nicht rechtzeitigfertig geworden zu sein. Während die Funkenmariechen ihre Beine werfen, wuselt diverses Volk mit Leitern und Kabeltrommeln zwischen ihnen herum. Ist das gewollt? Jetzt fallen sie hin, alle. Muss gewollt gewesen sein. Bestimmt.

20.18 Uhr. Das erste Tätää des Abends. Vor einer Kulisse aus Tänzerinnen mit etwas starrem Grinsen begrüßt der Moderator – das wird AKV-Chef Horst Wollgarten sein – die Menge und kündigt ihre Durchlaucht an. Pickelbehaubte Uniformträger strömen auf die Bühne. Man muss ja nicht alles verstehen, ich werde einfach mal das Geschehen auf mich wirken lassen.

20.21 Uhr. Böses Foul in der 6. Minute: Jemand schwenkt einen Schal von Bayern München. Schiri Wollgarten lässt weiterspielen. „Die Bayern waren dreimal hier, wir haben sie dreimal geschlagen. Kein Problem.“ Es kann jetzt nur noch wenige Minuten dauern, bis der karnevalistische Funke auch auf mich überspringt.

20.24 Uhr. Der erste Höhepunkt des Abends: Wollgarten bittet „Exzellenzen und Hofberichterstatter“ (endlich behandelt jemand uns Blogger mal so, wie es uns gebührt), sich zu erheben: Die Sänfte der Fürstin schwebt ein. Ein dreifaches Oche Alaaf begrüßt sie. Schade, früher war ihre Frisur interessanter. Dennoch ist sie ganz natürlich geblieben. Nichts Durchlaucht – „ich bin die Gloria“. Zum Dank für soviel Volksnähe wird die Öcher Version von „Glory Halleluja“ intoniert. Nach neun in Bielefeld verlebten Jahren kann ich nicht umhin, einen gewissen Unterschied im Selbstbewusstsein von Westfalen und Rheinländern festzustellen.

Und erst die Prominenz im Saal. Der Saaldiener – Jürgen Beckers, verrät mir mein Script – begrüßt sie einzeln: Constantin Freiherr von Heeremann, Hans-Dietrich Genscher (oh, ist der dünn geworden), der ehemalige „Leiter der FDP-Krabbelgruppe“ Guido Westerwelle. Friedrich Merz, Heide Simonis. Fehlen eigentlich nur noch Andrea Ypsilanti und Roland Koch, aber die müssen ja gar nicht mehr ins Fernsehen, die waren heute schon drin.

20.32 Uhr. Eine Art getanztes Rokkoko-Menuett endet in Puncto Bekleidung als etwas, das Mozart sicher gerne auf einer Beachparty gehabt hätte.

20.34 Uhr. Prominenz, Prominenz. Das Begrüßen geht weiter. Nach welcher Reihenfolge die Gäste wohl geordnet sind? Diesmal sind dran: Doktor Jürgen Rüttgers mit der Frau, mit der er verheiratet ist: seiner eigenen (wieder so eine Anspielung, die ich nicht verstehe). Armin Laschet. Jürgen Linden. Hübscher Hut.

20.40 Uhr.
Wo sind die Videotext-Untertitel auf Tafel 352, wenn man sie braucht? Rotbeschürzte Gestalten singen Öcher Platt, was für einen Oldenburger etwa so verständlich ist wie Baschkirisch. Erst beim Refrain bin ich wieder an Bord: „Lalaaaa, lalalalala lala…“ Das gefällt mir an Aachen – man ist ja doch schnell sozialisiert.

Immerhin eins verrät der Videotext: Die Sendung geht bis 23 Uhr. Also noch genug Zeit für den karnevalistischen Funken.

20.45 Uhr. Huch, was will der denn da? Guido Westerwelle steht auf der Bühne, mit Rosenstrauß (natürlich gelb) (die Rosen). „Ich bin heute Abend verabredet. Mit einer Frau.“ Großes Hallo im Saal. „Es ist nicht so, wie Ihr denkt.“ Es folgt ein Hausfreund-Bonmot, das ich schon mal irgendwo gehört habe, ist aber schon lange her. Kommen am Ende noch Turnwitze und Taxi-Scherze? Nein, es geht gegen Angela und die Große Koalition, die ja eher eine „schlagende Verbindung“ sei. Tätä, tätä. Es gibt Gründe, warum man die Politik den Politikern und das Kabarett den Kabarettisten überlassen sollte. Was Westerwelle nicht davon abhält, sich als Fan von Radio Eriwan zu outen. Gregor Gysi habe auf die Frage, ob man den Sozialismus in der Schweiz einführen könnte, geantwortet: „Im Prinzip ja, aber es wäre doch schade um das schöne Land.“ Warten wir einfach, bis der Kalte Krieg vorbei ist, dann springt der Karnevalsfunke sicher umso besser über. Guido ist mittlerweile in der Gegenwart angekommen: „Kennen Sie den Unterschied zwischen Wolfgang Schäuble und einem Arzt? – Beim Arzt merken Sie, wenn sie abgehört werden.“ Tätä. Was sagt er jetzt? Er will was mit Heidi Klum anfangen? Ich kann nicht mehr folgen.

20.59 Uhr. Ich verstehe wieder etwas. Gitta Haller erklärt den Klenkes-Gruß. Unterbrochen wird sie von einem herbeispazierenden Brunnen mit Frosch, den sie umgehend wieder von der Bühne scheucht. Schade, gerade habe ich gedacht, ich komme einigermaßen mit.

21.20 Uhr. Nach diversem karnevalistischen Ritual ist wieder der Saaldiener dran. „We are frecking for Happiness“, begrüßt er den US-Botschafter John Kornblum. Noch mehr Gäste, noch mehr Öcher Platt. Thomas Bohrer. Wendelin Wiedeking. Joachim Hunold. Prinz Charles und Camilla. Nein, halt, die gehören zum Programm. Sie singen einen „Song against Earnest“. Zur Melodie von „Yellow Submarine“ heißt es „Ick bin die Blüte von Englands Monarkie“. Mir ist neu, dass man auch tief im Binnenland seekrank werden kann.

21.37 Uhr. Auftritt der Prinzengarde. Das Tanzpaar demonstriert Spagat. Sieht schmerzhaft aus.

21.52 Uhr. Endlich, die Erlösung. Jürgen Beckers macht ihn, den Turn-und-Taxi-Witz: „Ich turn für die Taxis, weil es hier Praxis / ist…“. Gut, jetzt haben wir’s hinter uns.

21.55 Uhr. Auftritt Josef, Jupp und Jüppchen. Jüppchen berichtet, wie er im Ägyptenurlaub mit seiner neuen, Zitat, Genitalkamera Fotos gemacht hat. Es wird wohl doch noch eine Weile dauern, bis ich in Aachen angekommen bin.

22.10 Uhr. Uh, die kulturelle Kluft vergrößert sich noch weiter. Auf der Bühne platteln die Vorderhüttn- Holzhackerbuam. Ein Geschenk für Gloria, so heißt es.

22.16 Uhr. Die Laudatio. Gesprochen von Postillon Joachim Hunold. Nun ja, was bleibt ihm übrig.

22.27 Uhr. Ah, Musik aus meiner Jugend. Das Lied „Gloria“.

22.32 Uhr. Da ist sie, die Ordensritterin: Gloria von Thurn und Taxis. Überraschenderweise ist sie eine Überraschung. Sie spricht frei, locker, witzig. Sie röhrt, sie rockt, sie imitiert Stoiber: „Ganz Bayern eine riesige Wirtschaftskraft. Das hat der durch Aktenfressen geschafft.“ Und hat sichtlich Spaß bei der Sache. „Was Bayern fehlt, ich verkünde es klar: Edmund? Nein, Glanz und Gloria!“ Auch Merkel kriegt ihr Fett weg: „Wirtschaftsboom und Aufschwung nun – und alles, ohne irgendwas zu tun.“ Schließlich erklärt sie noch, wie das damals gemeint war, ihre Äußerung mit dem Schnackseln. In Wahrheit habe sie gemeint: „Der Schwarze kraxelt halt gern! Kraxeln heißt klettern, jetzt habt ihr Ruh‘. Und ein Schwarzer – ist von der CSU“. Einmal richtig in Fahrt, singt sie auch noch. „Karneval, endlich ist Karneval! Jeder sagt und macht heut, was er will.“ Die Fürstin ist ein Show-Talent. Respekt.

Zur Belohnung bekommt sie nach ihrer Rede eine Art Bild aus printenähnlichem Material sowie die Öcher Karnevalskappe, die erst runterfällt, dann wieder aufgesetzt wird, gleich danach nochmal runterfällt, wieder aufgesetzt wird, aber offenbar verkehrt herum, deshalb noch einmal abgenommen und erneut aufgesetzt wird. Muss gewollt gewesen sein. Bestimmt.

22.57 Uhr. Die Veranstaltung neigt sich dem Ende zu. Auf der Bühne schneit es Konfetti. Menschen tanzen Samba. Samba? Samba.

23.00 Uhr. Tom Buhrow läutet die Tagesthemen ein. Irgendwo zwischen Jülicher Straße und Adalbertsteinweg sitzt ein Neu-Aachener auf seinem Sofa, ein Laptop auf den Knien. Eins ist ihm klar: Er hat noch einen weiten Weg vor sich.

Neues vom Abend davor

Das Thema der heutigen Predigt lautet: Wenn Öcher zu sehr feiern. Vorweg sei gesagt, dass es nicht mein erster Jahreswechsel in Aachen war. Als Besucher bin ich schon mehrfach in der Kaiserstadt in neue Jahre gerutscht. Aber diesmal war’s das erste Mal als Einwohner, also in eigener Wohnung. Und mannomann, in der bin ich dann auch besser geblieben.

In der groben Unwissenheit eines neu in die Stadt Gezogenen hatte ich den geladenen Gästen vorgeschlagen, kurz vor Mitternacht gemeinsam die Trierer Straße hinunter zur Josefskirche zu gehen. In besinnlicher Stimmung könne man dort mit einem Gläschen Sekt auf das neue Jahr anstoßen und den prächtigen Blick den Adalbertsteinweg hinab auf Dom und Stadt genießen. Was von den Ortskundigen entsetzt abgeschmettert wurde. „Bist du irre? Da böllern sie wie im Ersten Weltkrieg!“

Was in der Wikipedia über die Schlacht von Verdun zu lesen steht, ließ diese Reaktion ein wenig überzogen erscheinen. Urgroßvater hat da doch ganz andere Sachen erlebt als ein bisschen Silvesterfeuerwerk. Dass diese Rheinländer auch immer so übertreiben müssen.

Doch sei es, wie es sei. Der Abend begann gemütlich, in geselliger Runde wurden Cocktails und Brettspiele ihrer jeweiligen Bestimmung gemäß verwendet. Je näher es allerdings auf Mitternacht zuging, desto wahrer ward die Prophezeiung. Es begann mit den Kids. Schon ab etwa 20 Uhr fing eine kleine Horde an, auf der Straße Knaller zu zünden. Knaller? Ach was. Kracher. Ka-Wummer. Einmal blitzte es gut hundert Meter weit, und als wir entsetzt auf den Balkon stürmten, wallten dichte schwarze Nebelschwaden über den malträtierten Asphalt. Eins ist mal sicher: Aus dem Lidl hatten sie die Dinger nicht.

Knaller72_800Und dann die fröhliche Truppe vor der Eckkneipe. Etwa vierzig Personen, aber laut wie vierhundert. Remmidemmi hoch zehn. Special Gag: Den vor dem Haus geparkten Wagen anstupsen, dass die Alarmanlage losging. Jedesmal fünf Minuten Heulboje in wechselnden Melodeien, und das Stunde um Stunde. Akustisch unterfüttert natürlich von Partymucke und Pyrotechnik, weil ja ohne Bässe gar nichts geht. Nur gelegentlich drang das Heulen eines Rettungswagens auf der Trierer Straße durch den Lärmteppich. Manchmal tasteten sich auch zaghaft die Scheinwerfer eines verirrten Pkws durch den Rauch. Er wurde sofort unter Feuer genommen.

Rinnstein84_800Oder der Besoffene in der Wohnung gegenüber. Um Mitternacht setzte er sich auf die Fensterbank und feuerte aus einer Sektflasche Feuerwerksraketen nicht in den Himmel, sondern in die Menschenmenge an der Kreuzung. Als ihm die Luft-Boden-Munition ausging, ließ er Knaller auf die Kids auf dem Bürgersteig fallen. Und zuletzt seine Bierflasche. Pardauz.

Scherben80_800Und natürlich der lustige Vogel aus dem Nachbarhaus. Mit mehreren Großpackungen Raketen, Standgranaten und sonstigen Knallschoten kam er auf die Straße marschiert. Knappe anderthalb Meter vom nächsten Auto entfernt (meinem) jagte er mit der Verbissenheit eines Flakhelfers kurz vor dem Endsieg Ladung um Ladung in den geschändeten Aachener Himmel. Das war zwar der falsche Weltkrieg, aber wer achtet schon auf Details. Seitdem ziert fettig-schwarzer Fallout die Wagendächer der Nachbarschaft. Dass diese Rheinländer auch immer so übertreiben müssen.

Genug gegrummelt, sonst hält man mich am Ende noch für einen Westfalen. Sagen wir einfach, es war ein… abwechslungsreicher Abend. Eins ist aber sicher: Die Runde Trivial Pursuit bei entspanntem Caipirinha-Schlürfen lag mir doch mehr als das Häuserkampf-Erlebnis auf der Straße. Fühlt es sich so an, wenn man alt wird? Man müsste Urgroßvater fragen.

Vorsatz fürs neue Jahr: Neue Wohnung suchen. Im Grünen.

Jetzt also Büdingen

Und nicht irgendein beliebiges Freitagabendbüdingen, neinein, gleich das ganz große, das Samstags-, das Weihnachtsbüdingen soll es sein!

743_LPG-Golf

Das fängt ja schlecht an. Nach gerade mal 400 Kilometern mit gut getretenem Gaspedal beginnt die Reserveleuchte in der Gasanzeige zu blinken. Das Navi lotst mich problemlos zu einer Aral(!)-Tankstelle in Butzbach mit LPG. Dort wird blinkender Verdacht zu böser Gewissheit: Klein Golfi mutiert auf Gas zum Säufer (Schnüffler? Sauger?) und genehmigt sich bei Tempo 140 plus deutlich über 10 Liter.

764_Kneipe2

Das Treffen selber wird dann aber sehr nett. Es ist doch immer wieder lustig, altbekannte Forumsnamen plötzlich mit neuen Gesichtern verbinden zu können. Geradezu Seelenmassage ist es, anhand des Paketfotos (siehe Beitrag vorher) von wildfremden Menschen als der Moorblogger identifiziert zu werden.

749_Haubentauchen

Natürlich gehört auch eine Runde Haubentauchen auf dem Altstadtparkplatz dazu. Ich muss zugeben, dass der M123 soundtechnisch tatsächlich eine Offenbarung ist. Ist ja wohl auch das Mindeste, was man bei seinem Verbrauch erwarten kann. Es gibt auch Leute, die träumen sehnsüchtig von Verbräuchen wie zehn Liter auf hundert Kilometer…

Alkoholgeschwängert geht es schließlich gegen zwei Uhr nachts heim, was in diesem Fall das Gasthaus B. ist. Am nächsten Morgen Mittag bietet sich bei strahlendem Sonnenschein Gelegenheit, die Örtlichkeit und den Ort genauer in Augenschein zu nehmen. Beginnen wir mit unserem Zimmer.

768_Tuerangel

Schon die Tür wartet auf der Innenseite nicht nur mit einem geradezu historisch anmutenden Türschloss auf, sondern auch mit Angeln, die handwerkliche Perfektion mit künstlerischer Kreativität sowie drei Unterlegscheiben und ebensovielen Nägeln zu einem praktischen Gesamtkunstwerk vereinigen. Rechts daneben dann dies:

769_Haustuerschild

Äh. Dass es dem Hotelpersonal offenbar bei Strafandrohung verboten ist, Gäste zu begrüßen oder gar anzulächeln, sie mit überflüssigen Floskeln („angenehmen Aufenthalt“) oder nervenden Informationen („Frühstück nur bis 10 Uhr“) zu belästigen, wurde mir schon beim Einchecken sehr deutlich gemacht. Aber dieses Schild jetzt – also, versteht Ihr das auch so wie ich? „Gehet fort und macht die Tür von außen zu“?

771_Schuhputzmaschine

Wenn auch der Gast tendenziell eher erduldet als erwünscht zu sein scheint, erwartet ihn doch modernster Komfort, etwa hier neben dem Etagen-Klo. Die ebenso knapp wie präzis formulierte Anleitung auf dem Gerät lässt Unklarheiten keine Chance.
„Zur Bedienung!“ – „Jawoll, Herr Kaleun!“ – „Maschine einschalten!“ – „Maschine läuft, Herr Kaleun!“ – „Feindsandale auf zwei Uhr, Entfernung zwanzig Zentimer, schnell näherkommend!“ – „Bürste eins klar!“ – „Scheuer frei!“

773_Aquarium

Ebenso maritim geht es in der Diele zu, aber wesentlich friedlicher, nämlich sprudelnd-spritzig. Büdinger Blubberwasser brodelt in einem ansonsten völlig leeren Aquarium munter vor sich hin. Ich bin sicher, es gibt einen Grund dafür.

Nils und ich lassen das heimelige Etablissement hinter uns und begeben uns auf einen Stadtrundgang.

792_Buedingenbruecke

Über eine malerische Brücke gelangt der Tourist in den Kern des bigotten Fachwerkdörfchens…

797_Markt

…das mit schiefen Häuschen ebenso zu bezirzen weiß wie mit schiefen Türmchen…

790_Stadtmauer

…dessen Altstadtparkplatz weit über die Mercedes-Szene hinaus als Treffpunkt automobilen Kulturgutes bekannt ist…

796_Santana

…und in dem man ansonsten, von sporadischen Stammtischtreffen abgesehen, natürlich nicht mal tot überm Zaun hängen möchte.

Kommen wir nun zum bizarren Teil unserer kleinen Reise. Büdingen wird mir für zwei Dinge im Gedächtnis bleiben: furchterregend große Kröten und seltsame Schilder.

800_Touristenkroete

798_Edekakroete

782_Wandkroete

Es ist schon außergewöhnlicher Zufall, dass ich den Ort ausgerechnet zum Zeitpunkt einer Invasion brasilianischer Riesen-Pfeilgiftkröten kennengelernt habe.

Von den Amphibien führt der Weg zum Amüsanten. Was seltsame Schilder angeht, hat Büdingen eindeutig Ambitionen auf das Guinness-Buch der Rekorde. Ich wage zu sagen, dass ich noch nie in einer so seltsam beschrifteten Stadt zu Gast sei durfte. Auf das „Gäste-macht-die-Tür-von-außen-zu“ im Hotelzimmer und das „Zur Bedienung!“ auf der Schuhputzgerätschaft wies ich ja bereits hin.

803_Orthopaedie

Wo Paderborn mit dem weltberühmten Drei-Hasen-Fenster protzt, hält Büdingen mit dem nicht minder sehenswerten Drei-Orthopäden-Haus gegen. Jede Bußfeld-Generation verewigt sich mit einem eigenen Reklameschild an der Außenfassade. Experten schätzen, dass spätestens im Jahre 2180 der Stadtkern fast vollständig mit Bußfeld-Schildern behängt- und -klebt sein wird. Die Stadt wird dann Orthopädingen heißen.

801_50er-Museum

A propos Zukunft. Das Büdinger Sience-Fiction-Museum zeigt derzeit die Schau „Spielwelt der Buben in den 50ern“. Was es da nicht alles zu bestaunen gibt! Elektrische Eisenbahnen! Aufziehautos! Dampfmaschinen! Die örtliche Jugend drückt sich an den Vitrinen die Nasen platt und träumt vom Morgen. Und wo wir schon über die Zukunft sprechen…

785_Planetderzukunt

Achtung, Baustelle! Falls Sie sich immer schon gefragt haben, wo eigentlich der Planet Zukunft entsteht: voilá. Noch gibt es allerdings nicht viel zu sehen. Das Ergebnis der Bemühungen muss man sich etwa so vorstellen wie den Todesstern.

780_Erbsengasse

„Entschuldigung, wo geht es bitte ins Gemüseviertel?“ – „Sie gehen die Rue de Rucola runter bis zum Platz des Himmlischen Rettichs, biegen links ab in die Great Pumpkin Road und wenn Sie dann auf der Via Minestrone stehen, ist es gleich rechts.“ Ach, Büdingen…

Und was mag uns dieses Plakat hier sagen wollen?

788_Plakateverboten

Bitteschön. Aber: wofür? Dass ich kein Plakat mit mir herumtrage? Oder ist es eine Bitte an die Kunden, beim Betreten dieses Cafés ihre Plakate draußen anzubinden? Wie dem auch sei – man ist zumindest höflich.

Doch was ist das jetzt wieder…?

789_Kinderschild

Was für ein Blödsinn! Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Büdingen. Andererseits lässt das Schild mehr Rückschlüsse über das Freizeitverhalten der männlichen Einwohner zu, als den hiesigen Frauen lieb sein kann.

809_Schwerter

Kommen wir vom Schild zum Schwert. Das etwa postkartengroße Echtheits-Zertifikat lässt keinen Zweifel: Richard Löwenherz war ein Däumling von gerade mal 30 Zentimetern.

810_Gewandungen

„Jetzt könnte ich eine ordentliche Gewandung vertragen“, stöhnte er wie ein Verdurstender. „Wo willst du denn in diesem Kaff eine Gewandung herkriegen?“, fragte sie höhnisch. Ein glücklicher Zufall jedoch wollte es, dass beide just in diesem Moment am Büdinger Mittelalterladen vorbeigingen.

Das also ist Büdingen. In jeder Hinsicht eine Reise wert.

Endlich im Bild: der Gyro-Effekt

Mit 65 Euro kann man schöne Dinge tun. Man kann den Tank seines Autos vollmachen und irgendwohin Kaffeetrinken fahren. Oder man kauft sich die komplette Staffel „Desperate Housewifes“ auf DVD. Oder ein besonders edles Duftwässerchen.

Gyrocopter am Boden

Oder man trifft nach der Landung auf Edwin Dodd, der vor der Löhner Halle gerade sein Fliewatüt klarmacht. Und kommt ins Gespräch.

Gyrocopter von hinten

Was für ein feines kleines Maschinchen das ist…

Gyrocockpit

…mit einem richtig schnuckeligen Cockpit.

Gyrorotor

Es hat sogar einen Rotor, genau wie ein Großer.

Gyrowurst (oder Gyros?)

Das ist übrigens Willi, der Freund von Biene Maja. Wie man sieht, hatte ich Zeit, Lust und 65 Euro. Außerdem: Wer hätte schon so einem smarten blauen Overall widerstehen können?

Gyrorollen

Schon auf dem Rollweg wird mir klar, dass Tragschrauberfliegen eine verdammt coole Angelegenheit ist. Geradezu ice-cool.

Gyrogrinsen

Doch haben nicht stets Piloten mutig dem Unbekannten ins Auge geblickt, Stürmen und Gefahren getrotzt?

Porta Westfalica

Nach unfassbar kurzer Startstrecke zieht Edwin das Gerät hoch. Olla, was für eine Steigleistung!

Klinikum Minden

Eine halbe Stunde lang kurven wir über Minden. Leider machen die Batterien meiner Kamera schnell schlapp. Es reicht noch für einen Schuss des neuen Klinikums (Grüße an Kerstin, deren neuer Arbeitsplatz da unten liegen wird)…

Gyrodaumen

…und eine Aufnahme des berühmten Gyro-Effektes. Das ist er: Daumen rauf!

Neues aus dem Amt

Kfz-Stelle_75b_800Mit Behörden ist es ja wie mit lebenswichtigen Organen. Ohne sie geht es nicht. Schon klar. Aber am glücklichsten ist man doch, wenn man von ihrem Funktionieren möglichst wenig mitbekommt. Muss man sich doch einmal intensiver mit ihnen beschäftigen, ist die Frage nur: Wie unangenehm wird’s diesmal?

„Mein Verhältnis zu Behörden war nicht immer ungetrübt…“ begann vor vielen Jahren Reinhard Meys Lied vom Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars. Zu Recht konnte damals praktisch jeder Radiohörer im Lande mitträllern. Bürger und Behörde, das ist wie Frikadelle und Fahrrad, wie Wanderdüne und Webcam, das kann nicht miteinander, das passt nicht.

Wo war ich? Ach ja, auf der Kfz-Zulassungsstelle der Stadt Aachen. Ich muss vorwegschieben, dass einige der unangenehmeren Erinnerungen an meine letzte Heimat Bielefeld um die dortige Zulassungsstelle kreisen. Drei Stunden Wartezeit waren Regel, nicht Ausnahme. Meist radelte ich auf dem Weg zur Arbeit kurz dort vorbei, zog einen Wartebon, fuhr weiter ins Büro und rief alle halbe Stunde an, wieviele Dutzend Nummern noch vor mir dran waren. Ungelogen.

Wer nämlich nicht nur brav jahrein, jahraus denselben Wagen fährt, sondern sich mit einem Sommer- und einem Winterauto plus Motorrad durch’s Jahr hangelt, der kennt bei solchen Wartezeiten für jede einzelne An- und Abmeldung irgendwann jede Fliese auf dem Boden. Jedes Bild an der Wand, besonders dieses dämliche mit dem unfallzerknautschen Mercedes 300SL.

Mit entsprechend überschaubarer Vorfreude hatte ich mich im Frühjahr zum ersten Mal aufgemacht, das erste meiner Vehikel nach Aachen umzumelden. „Ich komm morgen später“, warnte ich am Tag vorher die Kollegen in der Redaktion. Am nächsten Tag piepte der Wecker denn auch extra früh. Das große Erlebnis begann damit, dass die Zulassungsstelle nicht bequem in der Stadt liegt, sondern draußen auf der grünen Wiese, was sag ich: dem grünen Hügel, am Rande des Gewerbegebiets Würselen. Was, Sie haben kein Auto, um Ihr Auto anzumelden? Dann sehen Sie mal zu, wie Sie zu uns hochkommen.

Erst einmal vor Ort allerdings: hui! Riesenparkplatz hinterm Haus, Nummer ziehen, hinsetzen und sofort dran sein. Oder auch: Gar nicht warten, Ummeldung gleich am Schnellschalter erledigen. Fünfmal war ich schon da, zuletzt am vergangenen Freitag, und nie hat es länger als zehn, fünfzehn Minuten gedauert. Beim ersten Mal hatte das zur Folge, dass ich danach nochmal nach Hause fahren und den unterbrochenen Morgenschlaf fortsetzen konnte. Ein geradezu unfassbar schneller und angenehmer Vorgang.

Hätte Reinhard Mey das geahnt. Manchmal ist es mit Behörden auch wie mit einem dieser Extra-Big-Burger im XXXL-Menü mit dreimal Fleisch und viermal Käse. Erst glaubt man, mit diesem Monster wird man nie fertig. Und eine Stunde später könnte man glatt schon wieder.

Neues aus dem Wald

Schuhe_311Im Wald, da sind die Räuber, bekamen Kinder zu Urgroßvaters Zeiten warnend eingetrichtert. Dunkel und gefährlich ist’s unter den Bäumen, kein vernünftiger Mensch wagte sich freiwillig in das Reich der Wölfe und Bären. Früher. Heute tragen die Bären niedliche Namen wie Bruno oder Knut und haben ihr Revier geräumt für andere wilde Geschöpfe. Zum Beispiel den Waldläufer. Es folgt etwas Werbung für eine Betätigung, die man aus tiefstem Herzen liebt oder hasst.

Jogger, das sind diese Irren, die ohne Ziel und ohne Zeitabnahme durch friedliche Grünanlagen hetzen. Deren Japsen die Tauben aufflattern lässt und deren verstöpselte Ohren das Klingeln der Radfahrer nie hören. Sagen die einen. Für die andere Hälfte der Menschheit ist Laufen die wunderbarste Bewegung der Welt, ideale Fettverbrennung und innere Einkehr inbegriffen.

Sie meinen, für Sie ist das nichts? Vor Jahren mal probiert und nach ein paar hundert Metern hustend und mit peinvollem Seitenstechen zusammengeklappt? Das heißt gar nichts. Passiert jedem am Anfang. Es braucht eine Weile, bis sich der Körper an das gesteigerte Bewegungstempo gewöhnt hat. Einfach mal ein paar Runden flott gewalkt, in der zweiten Stufe mal längere Laufpassagen reingeschoben, dann geht es. Dauert nicht lange.

Parkplatz_01_800Und was für ein Glück wir haben. Der Aachener Stadtwald ist nämlich die perfekte Trainingsbahn. Wir stellen unseren Wagen am Wanderpilz ab, dehnen noch ein wenig die vom Bürotag verhärtete Beinmuskulatur…

Weg_08_800…und dann los. Die ersten Schritte sind noch etwas staksig. Aber schön ist es hier: Das Sonnenlicht bricht sich in den gelben und roten Blättern. Mücken tanzen in der Luft. Abgefallenes Laub raschelt unter den Sohlen. Der anfangs schnurgerade Weg wird schnell abwechslungsreicher.

Matsch_13_800Stellenweise sogar etwas zu abwechslungsreich. Was jetzt: Mit einem kühnen Sprung über den Matsch setzen oder künstlerisch am Schlamm vorbeitänzeln? Hauptsache, nicht aus dem Rythmus geraten.

Steigung_23_800Erst recht nicht bei Steigungen wie dieser. So etwas strengt an. Aber ein Hürdenlauf macht ohne Hürden ja auch keinen Spaß.

Schatten_27_800Wer mag, kann per MP3-Player die Außenwelt auf optische Eindrücke reduzieren. Vogelzwitschern hat zwar seinen Reiz, aber wer im Innenohr Chris Rea La Passione rauchen hört, versinkt schneller in eine Art angenehme Trance. Der Körper hat sein Tempo gefunden, Glückshormone schwappen fröhlich durch die Blutbahn, und die Beine bewegen sich wie von selbst.

Fuss_28_800Allzu meditatives Dahintraben hat allerdings auch Nachteile. Wir Zweibeiner sind nämlich nicht allein hier.

Haufen_34_800Also schön die Äuglein aufgelassen und den Blick auf den Weg gerichtet. Der ist manchmal nämlich ganz schön holprig.

Steine_40_800Wer hat nur die Idee gehabt, mitten in der Wildnis Pflastersteine zu verlegen? Römer? Räuber?

Strasse_41_800Wer auch immer sie waren: Ihre Nachfahren waren gründlicher. Über die Monschauer Straße rennt man nicht so einfach, ohne nach links und rechts zu gucken. Jedenfalls nicht um diese Zeit, am frühen Abend.

Dunkel_53_800Noch eine letzte Schleife, dann geht es zurück zum Parkplatz. Die Sonne ist längst weg, die Dämmerung hat eingesetzt. Das ist der Nachteil am Herbst: Es wird inzwischen schon so früh dunkel, dass man ein Problem hat, nach Feierabend noch im Hellen seine Runde zu Ende zu bringen. Aber wir haben’s grade noch geschafft. Falls es hier doch noch einen übriggebliebenen Bären gibt.

Waren wir wirklich eine Stunde unterwegs? Ging ja fast wie von selbst. Sagten Sie nicht, das wäre nichts für Sie?

Morgen wieder?