Und nicht irgendein beliebiges Freitagabendbüdingen, neinein, gleich das ganz große, das Samstags-, das Weihnachtsbüdingen soll es sein!
Das fängt ja schlecht an. Nach gerade mal 400 Kilometern mit gut getretenem Gaspedal beginnt die Reserveleuchte in der Gasanzeige zu blinken. Das Navi lotst mich problemlos zu einer Aral(!)-Tankstelle in Butzbach mit LPG. Dort wird blinkender Verdacht zu böser Gewissheit: Klein Golfi mutiert auf Gas zum Säufer (Schnüffler? Sauger?) und genehmigt sich bei Tempo 140 plus deutlich über 10 Liter.
Das Treffen selber wird dann aber sehr nett. Es ist doch immer wieder lustig, altbekannte Forumsnamen plötzlich mit neuen Gesichtern verbinden zu können. Geradezu Seelenmassage ist es, anhand des Paketfotos (siehe Beitrag vorher) von wildfremden Menschen als der Moorblogger identifiziert zu werden.
Natürlich gehört auch eine Runde Haubentauchen auf dem Altstadtparkplatz dazu. Ich muss zugeben, dass der M123 soundtechnisch tatsächlich eine Offenbarung ist. Ist ja wohl auch das Mindeste, was man bei seinem Verbrauch erwarten kann. Es gibt auch Leute, die träumen sehnsüchtig von Verbräuchen wie zehn Liter auf hundert Kilometer…
Alkoholgeschwängert geht es schließlich gegen zwei Uhr nachts heim, was in diesem Fall das Gasthaus B. ist. Am nächsten Morgen Mittag bietet sich bei strahlendem Sonnenschein Gelegenheit, die Örtlichkeit und den Ort genauer in Augenschein zu nehmen. Beginnen wir mit unserem Zimmer.
Schon die Tür wartet auf der Innenseite nicht nur mit einem geradezu historisch anmutenden Türschloss auf, sondern auch mit Angeln, die handwerkliche Perfektion mit künstlerischer Kreativität sowie drei Unterlegscheiben und ebensovielen Nägeln zu einem praktischen Gesamtkunstwerk vereinigen. Rechts daneben dann dies:
Äh. Dass es dem Hotelpersonal offenbar bei Strafandrohung verboten ist, Gäste zu begrüßen oder gar anzulächeln, sie mit überflüssigen Floskeln („angenehmen Aufenthalt“) oder nervenden Informationen („Frühstück nur bis 10 Uhr“) zu belästigen, wurde mir schon beim Einchecken sehr deutlich gemacht. Aber dieses Schild jetzt – also, versteht Ihr das auch so wie ich? „Gehet fort und macht die Tür von außen zu“?
Wenn auch der Gast tendenziell eher erduldet als erwünscht zu sein scheint, erwartet ihn doch modernster Komfort, etwa hier neben dem Etagen-Klo. Die ebenso knapp wie präzis formulierte Anleitung auf dem Gerät lässt Unklarheiten keine Chance.
„Zur Bedienung!“ – „Jawoll, Herr Kaleun!“ – „Maschine einschalten!“ – „Maschine läuft, Herr Kaleun!“ – „Feindsandale auf zwei Uhr, Entfernung zwanzig Zentimer, schnell näherkommend!“ – „Bürste eins klar!“ – „Scheuer frei!“
Ebenso maritim geht es in der Diele zu, aber wesentlich friedlicher, nämlich sprudelnd-spritzig. Büdinger Blubberwasser brodelt in einem ansonsten völlig leeren Aquarium munter vor sich hin. Ich bin sicher, es gibt einen Grund dafür.
Nils und ich lassen das heimelige Etablissement hinter uns und begeben uns auf einen Stadtrundgang.
Über eine malerische Brücke gelangt der Tourist in den Kern des bigotten Fachwerkdörfchens…
…das mit schiefen Häuschen ebenso zu bezirzen weiß wie mit schiefen Türmchen…
…dessen Altstadtparkplatz weit über die Mercedes-Szene hinaus als Treffpunkt automobilen Kulturgutes bekannt ist…
…und in dem man ansonsten, von sporadischen Stammtischtreffen abgesehen, natürlich nicht mal tot überm Zaun hängen möchte.
Kommen wir nun zum bizarren Teil unserer kleinen Reise. Büdingen wird mir für zwei Dinge im Gedächtnis bleiben: furchterregend große Kröten und seltsame Schilder.
Es ist schon außergewöhnlicher Zufall, dass ich den Ort ausgerechnet zum Zeitpunkt einer Invasion brasilianischer Riesen-Pfeilgiftkröten kennengelernt habe.
Von den Amphibien führt der Weg zum Amüsanten. Was seltsame Schilder angeht, hat Büdingen eindeutig Ambitionen auf das Guinness-Buch der Rekorde. Ich wage zu sagen, dass ich noch nie in einer so seltsam beschrifteten Stadt zu Gast sei durfte. Auf das „Gäste-macht-die-Tür-von-außen-zu“ im Hotelzimmer und das „Zur Bedienung!“ auf der Schuhputzgerätschaft wies ich ja bereits hin.
Wo Paderborn mit dem weltberühmten Drei-Hasen-Fenster protzt, hält Büdingen mit dem nicht minder sehenswerten Drei-Orthopäden-Haus gegen. Jede Bußfeld-Generation verewigt sich mit einem eigenen Reklameschild an der Außenfassade. Experten schätzen, dass spätestens im Jahre 2180 der Stadtkern fast vollständig mit Bußfeld-Schildern behängt- und -klebt sein wird. Die Stadt wird dann Orthopädingen heißen.
A propos Zukunft. Das Büdinger Sience-Fiction-Museum zeigt derzeit die Schau „Spielwelt der Buben in den 50ern“. Was es da nicht alles zu bestaunen gibt! Elektrische Eisenbahnen! Aufziehautos! Dampfmaschinen! Die örtliche Jugend drückt sich an den Vitrinen die Nasen platt und träumt vom Morgen. Und wo wir schon über die Zukunft sprechen…
Achtung, Baustelle! Falls Sie sich immer schon gefragt haben, wo eigentlich der Planet Zukunft entsteht: voilá. Noch gibt es allerdings nicht viel zu sehen. Das Ergebnis der Bemühungen muss man sich etwa so vorstellen wie den Todesstern.
„Entschuldigung, wo geht es bitte ins Gemüseviertel?“ – „Sie gehen die Rue de Rucola runter bis zum Platz des Himmlischen Rettichs, biegen links ab in die Great Pumpkin Road und wenn Sie dann auf der Via Minestrone stehen, ist es gleich rechts.“ Ach, Büdingen…
Und was mag uns dieses Plakat hier sagen wollen?
Bitteschön. Aber: wofür? Dass ich kein Plakat mit mir herumtrage? Oder ist es eine Bitte an die Kunden, beim Betreten dieses Cafés ihre Plakate draußen anzubinden? Wie dem auch sei – man ist zumindest höflich.
Doch was ist das jetzt wieder…?
Was für ein Blödsinn! Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Büdingen. Andererseits lässt das Schild mehr Rückschlüsse über das Freizeitverhalten der männlichen Einwohner zu, als den hiesigen Frauen lieb sein kann.
Kommen wir vom Schild zum Schwert. Das etwa postkartengroße Echtheits-Zertifikat lässt keinen Zweifel: Richard Löwenherz war ein Däumling von gerade mal 30 Zentimetern.
„Jetzt könnte ich eine ordentliche Gewandung vertragen“, stöhnte er wie ein Verdurstender. „Wo willst du denn in diesem Kaff eine Gewandung herkriegen?“, fragte sie höhnisch. Ein glücklicher Zufall jedoch wollte es, dass beide just in diesem Moment am Büdinger Mittelalterladen vorbeigingen.
Das also ist Büdingen. In jeder Hinsicht eine Reise wert.
eisenhart – so ein büdingenbesuch muß ja eine strapaze sein.
nervlich kaum zu machen – das können nur die härtesten.
123-fahrer. fädd!