Abendrunde

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Darf ich euch mitnehmen? An einen meiner Lieblingsplätze in unserer kaiserlichen Stadt? Seit ich vor acht Jahren hergezogen bin, gehört eine Joggingrunde im Öcher Busch Öcher Bösch zu meinen Alltime Summer Evening Favorites, wenn nicht gar Weekend Afternoon Specials. Im Oktober 2007, noch kein halbes Jahr in der Stadt, habe ich darüber auch schon mal gebloggt.

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Lang ist’st her – die Joggingschlappen, die den Artikel von damals zierten, sind längst im Laufschuhhimmel und aktuell durch die oben zu sehenden schrillen blauen Hightechtreter ersetzt. Die Canon-Pocketknipse, mit der ich seinerzeit die Bilder machte, verdient heute ihr Gnadenbrot als Unterwasserkamera im Tauchbeutel, wenn ich im Urlaub mal Schnorcheln gehe. Unverändert geblieben sind nur der Öcher Busch und die Paarkilozuviel, die mich regelmäßig aus dem Haus treiben.

Und als Kamera vorhin eher spontan mitgenommen – das über der Schulter hängende Täschchen hüpft beim Joggen denn auch entsprechend albern herum – ist meine 2013 gekaufte Sony NEX-6 dabei (von der wochenlangen zermürbenden Entscheidungsfindung vor dem Kauf hatte ich ja seinerzeit lang und breit berichtet). Vorne dran ist heute das 30-Millimeter-Objektiv von Sigma. Diese Festbrennweite, die mich beim ersten Einsatz so begeistert hatte, lag anschließend doch meist in ihrem Köcher. Das zur Kamera mitgelieferte 16-50-mm-Zoom schien doch allzu oft die praktischere Wahl zu sein – allein schon wegen des Weitwinkels. In punkto Bildqualität läuft das Sigma allerdings Kreise um das Kitobjektiv, um mal beim Thema dieses Blogbeitrags zu bleiben.

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Wir parken unseren Wagen auf dem Parkplatz an der Monschauer Straße – auf der Karte mit der Zahl 71 markiert -, dehnen die verharzten Stelzen noch ein wenig und traben los. In Richtung Spielplatz (Nr. 69), von da aus über den gestrichelten Reitweg bis zum Hirschweg, anschließend die Steilrampe rauf zum 309 Meter hohen Tatarenkopf (nach welcher versprengten Ein-Mann-Horde der wohl so genannt wurde?), weiter in Richtung Forsthaus Grüne Eiche, kurz vorher links abgebogen und schließlich über den Wanderweg Nr. 5 zurück zum Parkplatz. Dauer: etwa eine halbe Stunde, je nachdem, wie schlimm man aus dem Training… äh, ich meine natürlich, je nachdem, wie lange der Autofokus braucht, um scharfzustellen.

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Es ist ein verschlungener und abwechslungsreicher Weg, der sich da durch den Wald windet. Mal stampft man über schweren Sandboden, den man sich mit Reitern teilt, mal läuft es sich locker über festen Waldboden, zwischendurch geht es ein paar Meter über den Asphalt des Hirschwegs.

Und immer gibt es irgendwas zu gucken.

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Die lagen beim letzten Mal zum Beispiel noch nicht da. Ob Förster Grüne Eiche sich da etwas für den Winterkamin zurechtgehackt hat?

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Aber da ist schon die Erklärung: Die Frühjahrsstürme diesen Jahres haben einige Spuren hinterlassen. Nach dem Sturm „Kyrill“ 2007 lagen seinerzeit auch noch viele Monate lang viele Riesen zersplittert auf dem Waldboden.

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Was für eine angenehme, abwechslungsreiche Strecke. Helle Wegstücke wechseln sich mit verschatteten Abschnitten ab. Die Sonne ist inzwischen hinter den Baumkronen abgetaucht – das Licht wird zusehends schwächer. Eine schöne Gelegenheit, mal die Lowlightqualitäten des Objektivs zu testen.

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Keine Frage, die Sigma-Festbrennweite ist Spitze. Wenn ich jetzt noch richtig fotografieren könnte, hätte ich sicher noch ein paar Stufen abgeblendet und etwas mehr Tiefenschärfe in die Bilder zaubern können.

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Immerhin: Der Fotokurs, den ich seit einigen Wochen besuche, hat dazu geführt, dass ich nach langer Zeit mal wieder den Blendenmodus benutze. Sogar einige dunkle Geheimfunktionen der NEX habe ich kennengelernt und daddele jetzt fröhlich an den Knöpfen für Belichtungskorrektur, ISO-Wert und Flexible-Spot-Fokussierung herum. Oh verdammt, schon wieder die Histogrammwerte aufgerufen, wie kommt man aus dem verdammten Menü nochmal raus?

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Was das Niedriglicht angeht: Ja, keine Frage, das haben wir heute reichlich im Angebot. Gelegentlich sorgt es für besonders stimmungsvolle Momente, wenn sich so wie hier letztes Tageslicht durch dichtes grünes Blätterdach gekämpft hat. Wahnsinn, wie scharf Kamera und Objektiv noch abbilden. Trotz des Schummerlichts und der zitternden Joggerhände, von denen sie gehalten werden.

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Endspurt. Für die letzten Meter hat der Weg noch einige unverhoffte Steigungen und Gefälle parat…

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…aber die Ausschilderung macht klar: Gleich sind wir am Ziel.

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Die letzte Kurve zieht uns wie ein Strudel die letzten Meter bergab. Noch ein paar Schritte über federnden Boden – und da sind wir wieder. Mit müden Muskeln (oh, dieser Autofokus… es hat doch länger gedauert als gedacht…), ein paar Mückenstichen auf Armen und Beinen und ein paar Motiven auf dem Chip, die zu Hause gleich mal genauer untersucht werden wollen.

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Während der Moorbraune mich nach Hause dieselt, schweifen die Gedanken ab. Ob ich heute irgendwelche Gramm Körpergewicht verloren habe, weiß ich nicht. Aber das Fotografieren hat richtig Spaß gemacht – hätte ich mich vor zwei Jahren für eine dicke Spiegelreflex statt der handlichen NEX entschieden, wären diese Bilder heute jedenfalls nicht entstanden, das ist mal sicher.

Und was ein gutes Objektiv kann, insbesondere bei wenig Licht, ist auch nochmal klargeworden. Dann war es also wohl doch gerechtfertigt, sich die halbe letzte Nacht um die Ohren zu schlagen, weil über ein gewisses Ebay-Sonderangebot entschieden (und gegoogelt) werden musste. Ein Festbrennweitenobjektiv. 32 Millimeter, also fast dieselbe Konstruktion wie das ohnehin schon brillante Sigma. Mit auf den ersten Blick auch nur marginal unterschiedlichen Werten: die größte Blende ist 1,8 statt 2,8 wie beim Sigma.

Allerdings ist die Optik von Carl Zeiss. Und sollte nur etwa die Hälfte dessen, was für dieses Objektiv mal zur Markteinführung aufgerufen wurde. Es waren dann die euphorische Rezension beim Phoblographer und die Beispielfotos bei Brian Smith, die mich überzeugt haben.

Ich habe nicht widerstehen können. Und seit heute Abend weiß ich auch, dass es die richtige Entscheidung war. Bleibt nur noch der Praxistest: Wie joggt es sich mit einem Zeiss-Objektiv?

Stil oder Knacks

Was einem lieb ist, das schützt man vor einem Knacks. Und was einem auch noch teuer ist, das darf ruhig mit etwas mehr Aufwand und Stil geschützt werden. Zu dieser Erkenntnis gelangt, klickte sich der Schreiber dieser Zeilen – seit kurzem stolzer Besitzer eines Edel-Notebooks mit Früchtelogo auf dem Deckel – auf der Suche nach einer angemessen funktionalen wie stilvollen Schutzhülle nächtelang durch die Angebote diverser Verkaufsplattformen im Netz.

Die 8,99-Euro-Hüllen aus Fernost waren schnell verworfen. Auf den Kunsthandwerks- und Handarbeits-Plattformen Etsy und Dawanda fanden sich viel schmuckere und individuellere Futterale. Doch der richtige Funke sprang erst über, als ein Bekannter von den Notebookhüllen einer kleinen Manufaktur aus Mülheim schwärmte: liebevoll aus wiederverwerteten Turnmatten aus dem Schulunterricht gefertigt, im markant-blauen Knieaufschürfer-Rubbelkunststoff, mit abgegriffenen Lederecken versehen. Mehr Stil ist kaum denkbar. Der Autor dieser Zeilen, in seiner Abscheu für den Schulsport unübertroffen, war begeistert: Das digitale Schätzchen in die Haut des alten Feindes wickeln, was für ein nachträglicher Triumph!

zirkeltraining

Da die upgecycleten Hüllen auch seiner Heimatstadt erhältlich sind, schwang er sich am folgenden Abend aufs Rad. Und damit wäre diese Geschichte um ein Haar auch schon zu Ende gewesen: Gedankenverloren zog er an einer Kreuzung vom rechten Straßenrand quer über die Spuren nach links, auf den Zielladen zu. Dass just in dieser Sekunde ein flott gefahrener Kleinwagen zum Überholen angesetzt hatte, merkte er erst, als dieser gefühlte Millimeter an seinem linken Lenkerende vorbeischoss.

Der Schreiber dieser Zeilen schätzt Fahrradhelme sehr. Ginge es nach ihm, würde kein Radler ohne die lebensrettende Styroporhalbschale auf dem Sattel sitzen. Er selbst wird diesem hehren Anspruch allerdings nicht immer gerecht – auch an diesem Abend nicht. Manchmal hat das ebenfalls etwas mit fehlendem Stil zu tun, manchmal mit schlichter Bequemlichkeit.

Sein Gesicht wird so weiß wie der Rahmen seines Rades gewesen sein, als er es mit zitternden Fingern vor dem Computerladen anschloss. Sein Notebook steckt seit jenem Tag in einer ebenso sportlichen wie stilvollen Hülle. Seinen Schädel, das hat er sich geschworen, verhüllt er von nun an ebenfalls, wenn er auf zwei Rädern unterwegs ist – denn noch stilloser als ein Notebook mit Kratzern ist nur noch ein Kopf mit Knacks.

[Geschrieben als “Gedanke des Tages” für AmAbend.com, 19 März.]

Rudeltatort

Lang, lang ist’s her, dass ich zuletzt live gebloggt habe. Heute soll es mal wieder soweit sein, und dazu noch in Form einer Premiere – nämlich von der wöchentlichen Tatort-Übertragung aus dem Café und Bar Zuhause. Der plüschig-gemütliche Laden mit seiner imposanten, mehrseitigen Whisky-Karte hat sich in den letzten Wochen zu meiner aktuellen Lieblingslocation gemausert. Außerdem glänzt er mit prima WLAN und netter Bedienung.

Der Tatort wiederum ist, das muss ich mal vorwegschicken, ein ausgesprochen hellgrauer Fleck auf meiner sozialen Google Map. Als jahrelanger Fernsehverächter habe ich die Kultserie eigentlich nur in Form von kritisch-amüsierten Kommentaren auf Twitter oder den Filmkritiken auf Spiegel Online wahrgenommen. Selbst die legendären Köln-Tatorte konnten mich nicht aus meiner antipathischen Lethargie reißen, obwohl ich diverse Male an der berühmten Bratwurstbude („Bratort“) am Rheinauhafen vorbeigeradelt bin. Heute nun soll der lethargischen Antipathie ein Ende gesetzt und die TV-Terra-Incognita erobert werden. Tatortrudelgucken mit paralleler Twitterverfolgung – das Beste aus sämtlichen Welten!

Da ich und mein Notebook eine betastbare Unterlage brauchen, radele ich schon eine gute Dreiviertelstunde vor der magischen 20.15-Uhr-Marke auf dem Rad die Sandkaulstraße hinauf. Sagte ich „schon“? Überraschung: Der Laden ist bereits weitgehend voll. Immerhin findet sich im Hinterzimmer, wo schon der ARD-Weltspiegel auf eine Großleinwand gebeamert wird, noch ein Plätzchen, gar mit Tisch. Die Saaltür schließt der nette Kellner sofort hinter mir – „wegen des Tonversatzes“. Ich erschließe mir selbsttätig, dass man so die Zeitdifferenz zwischen den Übertragungen auf der Leinwand und den beiden Fernsehern vorne im Lokal nennt. Hat sich das Bergaufstrampeln schon mal gelohnt: Wieder ein neues Wort gelernt.

zuhause

Der Saal füllt sich. Kurz scheint das Glück zu lächeln, als sich eine junge Schönheit nach dem Besatzungsstatus des Stuhls neben mir erkundigt und auf selbigem platziert. Dann ist das Glück schon wieder anderweitig beschäftigt: Ihr Freund schwenkt einen dritten Stuhl über meinen Kopf herbei und quetscht sich damit in die Mitte. Was soll’s, ich bin ja auch nicht aus Spaß hier.

Ein paar Minuten später steht ein Eifeler Landbier neben der Tastatur und wärmt eine Pizza Speciale (vom Italiener nebenan geliefert) im Karton meinen Schoß – kann losgehen. Bremer Tatort, prima. Vielleicht erkenne ich Ex-Nordlicht ja auch dabei etwas wieder? Schließlich die Startfanfare, die Augen, das Fadenkreuz, schon sind wir drin. Im trüben Schein meines runtergedimmten Notebookdisplays fingere ich Pizzaachtel aus dem Karton und in den Mund. Großes Hallo im Saal, als sich gleich zu Anfang ein bulimiekranker Nebendarsteller unverbrämt in ein Klo übergibt. Ich bin hörbar nicht der einzige im Raum, der plötzlich ebenfalls mit Appetitlosigkeit kämpfen hat.

Während das bizarre Wiederaufgetauchte-Vielleichtauchnicht-Tochter-Familiendrama seinen Lauf nimmt, stoße ich auf weitere Probleme. Teile des Pizzabelags weichen im Dunklen von der vorgegebenen Route ab. Zugleich versuche ich in erfolgloser Verkrampfung, das Restlicht des Displays aus dem Blickfeld meiner Sitznachbarn zu halten und trotzdem originelle Sätze zustandezubringen. Was schlechter gelingt, ist schwer zu sagen. Nein, aus Spaß sind wir nicht hier.

Ratlos starren Lürsen und Stedefreund (warum heißt der Mann eigentlich wie ein Herforder Stadtteil?) in die Leere, in der sich ihre Ermittlungen verlaufen. Ist Fiona nun die Tochter ihrer Mutter oder nicht? Schwer zu sagen, noch schwerer zu erklären, Tatort halt, ihr kennt das. Ein Block Notizkarten wandert durchs Publikum. „Täterraten“, erklärt mir der Nachbar auf meinen fragenden Blick hin. Ich tippe auf das Muttertier, weil das noch als einziges unverdächtig erscheint. Als Krimi-Profi weiß man ja, dass – sofern kein Gärtner im Spiel ist – am Ende grundsätzlich die unwahrscheinlichste Randfigur abgeführt wird.

Und was passiert? Genauso kommt es auch. Der Mörder war der bulimiekranke Nebendarsteller vom Anfang – tatsächlich der einzige Charakter, der noch unverdächtiger ist als die Mutter. Es wird noch einige Liter Eifeler Landbier brauchen, bis ich mich halbwegs erfolgversprechend in die Hirnwindungen der ARDrehbuchschreiber werde einfühlen können.

Abspann. Kaltes Licht geht an. Ernüchterung macht sich breit. Einziger Trost: Ganze zwei Gäste haben richtig geraten. Sicher Stammkunden. Verdammte Streber.

Auf Twitter und bei Facebook sind sich die meisten Kommentatoren einig: Ausnahmetatort, tolle Darsteller. „Mehr Stedefreund bitte!“ Auf der Leinwand betalkt derweil Günther Jauch den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis. Der Zauber der TV-Unterhaltung: restlos vorbei. Es ist eh das Leben, in dem die größten Krimis ablaufen. Die Rechnung bitte.

Nächste Woche kommt der Tatort aus Berlin. „Das Muli“ heißt die Folge.

Mal schaun.

Autsch

Der Schmerz setzte mitten auf dem Bürgersteig ein. So muss es sich anfühlen, wenn man eine Rückenmarksspritze in die Lendenwirbel gesetzt bekommt und der Anästhesist just in dieser Bewegung an seinen Vermieter denken muss.

Der Verfasser dieser Zeilen zuckte erst, stockte dann und blieb Millisekunden später in einer komischen Bewegung eingefroren auf dem Gehweg stehen. Wie eine dieser bronzenen Sinnfiguren, mit denen weniger einfallsreiche Stadtväter ländlicher Kommunen ihre Dorfplätze zu verschönern gedenken – „Tauben fütternder Tattergreis“ etwa oder „Marktfrau mit Kiepe und Adipositas“. Aber bitte, lieber Künstler, nicht zu abstrakt. Man soll ja noch erkennen können, was es darstellt.

Ein halbwegs aufgeweckter Zuschauer hätte denn auch keinen Publikumsjoker bemühen müssen, um zu raten, dass der Amateurpantomime da in der morgendlichen Seitenstraße des Adalbertsteinwegs „Hexenschuss“ mimte.

Als das Aachener Ostviertel aufgehört hatte, sich um ihn zu drehen, nahm die menschliche Salzsäule all ihren Mut zusammen und setzte sich kirschend und ruckend wieder in Bewegung. Den Rest dieses und des folgenden Tages blieb ein höchst spezieller Gesichtsausdruck – von einem Kaubonbon die Plombe gezogen zu bekommen, um im Reich der Metaphern zu verweilen – der treue Begleiter unseres Autors.

Eine Blisterpackung Schmerztabletten aus der Apotheke in Kombination mit selbstbewusst bepreisten Wärmekissen zum Umschnallen versetzte ihn nach und nach wieder in die Lage, seiner Tätigkeit nachzukommen – und einen mehr oder weniger ambitionierten Text über das Erlebte zu verfassen.

Offen blieb die Frage: Was wollte ihm sein Körper damit sagen? „Bedenke, dass auch du sterblich bist“? Diese klassisch-römische Weisheit hatten ihm bereits Asterix & Obelix nahegebracht. Vielleicht war es einfach nur ein Wink, öfter mal innezuhalten. An den Blumen am Wegesrand zu schnuppern, wie es so schön heißt.

Wenn das die Absicht war, so ist sie gescheitert: Das letzte, was der Verfasser dieser Zeilen auf absehbare Zeit tun wird, ist, sich nach irgendwelchem Grünzeug auf dem Boden zu bücken.

[Geschrieben als „Gedanke des Tages“ für AmAbend.com, 4. Februar.]

In diesen Tagen

[Edit: Dieser Beitrag wurde am 2.9.15 aus rechtlichen Gründen gekürzt.]

Es ist in diesen Tagen viel geschrieben worden über die Attentate von Paris. Über ihre Folgen für die Gesellschaft in Europa, über ihre Auswirkungen auf das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen überall in der Welt. Nach der Freude über die starken Demonstrationen gegen Pegida in Köln und anderswo war das Blutbad in der Charlie-Hebdo-Redaktion ein Tiefschlag. Viele Fragen gehen einem durch den Kopf in diesen Tagen: Werden nächste Woche 50.000 Wutmenschen in Dresden gegen den Islam marschieren? Heißt die nächste Präsidentin von Frankreich Marine LePen? Wird es weitere wahnsinnige Attentate geben? Ich hatte beruflich das zweifelhafte Vergnügen, mich intensiver mit den Geschehnissen beschäftigen zu können, als mir das manchmal lieb war.

Unter dem vielen, was geschrieben wurde, hat mich heute Abend ein Beitrag auf Facebook besonders berührt.

[Edit: Hier folgte ein Dialog zwischen einem Mann aus Köln und seinem muslimischen Freund, den ich aus rechtlichen Gründen leider nicht mehr veröffentlichen kann. Es ging darin um Freundschaft und Unterstützung über die Religionen hinweg.]

Der Artikel hatte am Freitagabend mehr als 17.000 Likes und ist über 5000 Mal geteilt worden. Normalerweise schreibe ich keine Fremden auf Facebook an, diesmal machte ich eine Ausnahme. Und da die Botschaft ihre Kraft daraus gewann, dass sie öffentlich war, habe ich meine Dankesmail an den Autor kurzerhand auch auf meine Pinnwand gestellt:

[Edit: Entfernt.]

So wie es aussieht, sind wir wirklich nicht alleine in diesen Tagen.

Überhaupt, die Kölner

Des Aacheners Beziehung zu Köln ist zwiegespalten: Einerseits entlockt ihm der doppelspitzige Dom (gerade mal hundert Jahre alt ist er!) nur ein nachsichtiges Lächeln. Andererseits gibt er zähneknirschend zu, dass es so etwas wie pulsierendes Nachtleben durchaus auch 70 Kilometer weiter westlich gibt. Und dann sind da noch die Kölner. Denen ja selten vorgeworfen wird, an Selbstunterschätzung zu leiden.

Zweieinhalb Jahre lang ertrug der Schreiber dieser Zeilen mannhaft das selbstgewählte Schicksal, täglich von der einen in die andere Domstadt zu pendeln. „Kölle wird dir gefallen“, hatten ihm Kollegen versichert. Läden, Restaurants, Clubs: Köln habe alles, was das Herz begehrt. Und dann wären da noch die Kölner – herzlich, weltoffen, kontaktfreudig.

Was soll er sagen? Der Funke ist nicht so ganz übergesprungen. So reizvoll es auch war, stets eine reiche Auswahl an äthiopischen Restaurants an der Hand zu haben, sich auch zu nächtlicher Stunde von der Straßenbahn heimschaukeln zu lassen (oh, was haben sich die Aachener nur mit ihrem „Nein“ zur Campusbahn angetan!) – lodernde Liebe ist nicht entflammt zur Stadt am Rhein.

Als ihn das Schicksal dann wieder in die wahre, echte und einzige Domstadt zurückwehte, war es für den Schreiber dieser Zeilen das reinste Nachhausekommen. Was Oche an Nähe und Heimeligkeit hat, kann Köln nicht bieten: Mit dem Fahrrad zur Pontstraße, zu Fuß durch die Innenstadt, auf Joggingschuhen durch den Öcher Bosch, mit dem Auto mal eben nach Maastricht. Herrlich.

Die niederländische Nachbarstadt war es auch, in der der Schreiber dieser Zeilen die Silvesternacht verbrachte. In Gegenwart einer internationalen Truppe, allesamt Mitglieder des weltweiten Beherbergungs-Netzwerks CouchSurfing. So wohltuend es war, mit pakistanischen Robotik-Ingenieurstudenten, brasilianischen Opernsängerinnen, mit Belgiern, Polen und Niederländern zu feiern – so peinlich war es auch, auf die Pegida-Bewegung angesprochen zu werden.

Die Welt habe doch bei der WM 2006 über das offene, fröhliche Deutschland gestaunt, erklärte mir ein Belgier. Ist das jetzt schon wieder vorbei? Die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, Moslems und Ausländer in Dresden und anderswo ist auf dem besten Weg, unseren neuen, positiven Ruf im Handumdrehen zu zerstören. Für den Schreiber dieser Zeilen legte sich ein Schatten über den Jahresbeginn.

Und dann waren da noch die Kölner. Als am Montagabend bundesweit wieder Pegida und ihre Gegner aufmarschierten, da konnten am Rhein die paarhundert anti-muslimischen Kögidisten nicht einmal einen Sprechchor starten, so laut war der Gegenwind der vielen Tausend Gegendemonstranten. Dom, Rheinbrücken und diverse Gebäude blieben zappenduster. Es war ein bunter, fröhlicher, lauter Widerstand gegen Ausgrenzung und Angstmache.

Dem Neu-Aachener Ex-Kölner ward es innerlich ganz warm. Ihre Innenstadt mag nicht so hübsch sein wie unsere, die Wohnungsmieten unverschämt hoch, die Straßen chronisch verstopft – aber das Herz haben sie am rechten Fleck, die Kölner. Gute Menschen bleiben gute Menschen, egal wo sie wohnen, egal wo sie herkommen. Und so ruft er rüber an den Rhein, versöhnt mit der abgewählten Wahlheimat: Habta jut jemacht, wa!

[Geschrieben als „Gedanke des Tages“ für AmAbend.com, 6. Januar]

Mein Date mit einem Eimer Eiswasser

Jetzt hat sie mich also auch erwischt, die Ice Bucket Challenge. Von der eigenen Schwester ins eiskalte Wasser geworfen, sozusagen.

(Sorry für den schlechten Ton.)

Weil die ALS-Forschung im Moment gerade nicht unter Unterfinanzierung leidet, geht meine Spende an den Verein Solwodi Deutschland e.V. / Solidarity with Women in Distress, der Frauen unterstützt, die von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Beziehungs- und sonstiger Gewalt bedroht sind.

Einbürgerungstest

Ich: „Verzeihung, wo bekomme ich denn hier eine Wartemarke?“
Behördenmann: „Nirgendwo!“
Ich: Verständnisarmer Blick. (Das Einwohnermeldeamt hat doch durchaus noch geöffnet?)
Behördenmann: „Nirgendwo! Sind heute aus!“

Schild an der Wand: „Die Ausgabe von Wartemarken kann bei hohem Besucheraufkommen vorzeitig eingestellt werden.“

Och Oche. Na gut, bleib ich halt noch ein paar Tage Kölner. Bis dahin hab ich mich auch wieder über die Öcher Kodderschnauze abgeregt.