Baskenblog: La Rue. Nachts.

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Freitag, 26. September (4). Irgendwann wird es dunkel, und plötzlich macht die gemütliche Reise auf der Landstraße keinen großen Spaß mehr. Als in Biarritz plötzlich unmittelbar vor mir ein kleiner Motorroller mit zwei Jugendlichen drauf von links aus dem Mittelstreifengrün quer vor mein Bike rast, habe ich genug. Wäre ich ein bisschen schneller gewesen, hätten mich diese Kamikazedeppen direkt seitlich erwischt.

Maut hin oder her, die Autobahn ist einfach sicherer. Von den schönen Pyrenäen kriege ich im Dunkeln eh nichts mit.

Gegen 22 Uhr erreiche ich das Ziel meiner Reise, San Sebastián. Das erste, was mir beim Abbiegen von der Autobahn – man fährt von dort in die große Bucht hinunter, in der die Stadt liegt – auffällt, ist der extreme Seegeruch. „Riecht wie eine Fischfabrik“, schießt es mir durch den Kopf.

Knubbel, das Navi, führt mich problemlos in die richtige Straße am Ostrand der Innenstadt. Da mein Couchsurfing-Gastgeber ohnehin noch anderswo zum Essen eingeladen ist, warte ich in der kleinen Tapas-Bar gegenüber seiner Wohnung auf ihn. Ein kaltes Bier und ein leckeres Hühnchen-Käse-Tapa – was auf Baskisch Pintxo heißen – helfen über die Wartezeit hinweg.

Als er gegen 23 Uhr kommt, lerne ich gleich, wie vertrauensvoll das System dieser Bars funktioniert. Müde wie ich bin, marschiere ich nämlich schnurstracks mit ihm in die Wohnung. Erst dort fällt mir auf, dass ich glatt vergessen habe, beim Barkeeper die Rechnung zu bezahlen. Was ich beim zweiten Gang zwecks Hochschleppen der Motorradkoffer dann natürlich noch erledige.

Endlich: in San Sebastián!

[Geschrieben in Aachen, 8. Oktober. Alle folgenden Beiträge wurden nicht mehr unterwegs verfasst, sondern zu Hause.]

Baskenblog: Auf den Spuren der Jungfrau

Donnerstag, 25. September. Am naechsten Morgen nimmt sich Max noch die Zeit, mich durch die Stadt zu fuehren.

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Die Pont Royale ueber die Loire. Im Hintergrund sind schon die Tuerme der Kathedrale zu erkennen.

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Jeanne d’Arc beherrscht praktisch die gesamte Stadt. Dieses Reiter(innen)standbild zum Beispiel zeigt die Jungfrau von Orleáns. Irgendwann muss ich mal nachgoogeln, warum sie ihr Schwert so komisch mit der Klinge nach unten haelt.

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Das Hotel de Ville, das alte Rathaus.

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An der Kathedrale fallen vor allem die ungewoehnlichen Turmspitzen auf.

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Pure, beeindruckende Gotik im Inneren…

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…und natuerlich, erneut: Jeanne d’Arc (rechts, gefluegelt)…

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…deren Wohnhaus man auch besichtigen kann. Wenn man die Zeit hat. Ich habe nicht. Au revoir, Orleáns. Hast mir gut gefallen. Aber ich muss weiter, weil ich uebermorgen in San Sebastián sein will – ein CouchSurfer dort hat mir geantwortet, ich kann bei ihm uebernachten.

Unterwegs muss ich meine Plaene allerdings etwas aendern. In Bordeaux, das ich als zweite Zwischenstation angepeilt hatte, gibt es weder antwortende CouchSurfer, noch eine Jugendherberge. Die naechste liegt in La Rochelle, ein gutes Stueck weiter noerdlich an der Atlantikkueste. Aber was soll’s? Auf die paar Kilometer kommt es nicht an. An der Loire entlang fahre ich gen Suedwesten.

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Ein Moment des Innehaltens. Gelegentlich stehen am Strassenrand diese schwarzen Silhouetten. Sie bedeuten etwas genau so Duesteres, wie ihr Anblick andeutet: Hier ist ein Mensch gestorben. Ein Grund mehr, es beim Fahren vorsichtig angehen zu lassen und nicht zu rasen.

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Aber es gibt auch freundlichere Anblicke, etwa diese eigenartigen bewohnten Felshoehlen an einem kilometerlangen Felshang direkt am Flussufer.

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Zwei Dinge praegen das Loiretal. Schloesser – beziehungsweise das, was von ihnen uebrig ist – und Wein.

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Ueberall am Weg wird Direktverkauf angeboten, ueberall gibt es „Degustation“, Probierstuben. Manchmal aergert man sich als Motorradfahrer ja doch, dass man keinen groesseren Kofferraum hat.

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Aber es ist ein schoener Tag, eine schoene Landschaft und endlich kommt so etwas wie Urlaubsstimmung auf. Schliesslich bin ich zum ersten Mal nicht mehr in Eile.

Nu das Navi spielt mir einen Streich. Irgendwann muss ich an einer Departementsstrasse eine falsche Abzweigung erwischt haben, worauf das Navi sofort eine Alternativroute ausarbeitet. Die fuehrt jedoch ueber winzige Strassen uebers Land – durch menschenleere Gegend. Kommt mal eine menschliche Siedlung, sind saemtliche Tueren geschlossen und saemtliche Fenster verrammelt. Ein etwas mulmiges Gefuehl: Wenn mir hier irgendwas zustoesst, finde ich niemanden und niemand mich. Die Strassen sind so klein, dass sie auf meiner Frankreichkarte nicht mal verzeichnet sind.

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Die Tatsache, dass hier schon andere Leute gescheitert sind, macht die Sache nicht angenehmer. Und jetzt geht auch noch allmaehlich das Benzin aus… irgendwann muss doch einfach mal wieder eine groessere Stadt kommen!

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Dieses Nest ist es jedenfalls nicht. Sonnenschutzanlagen werden hier wohl nicht gebaut, aber der Name passt trotzdem – hier wird buchstaeblich das Licht ausgemacht.

Doch der Sprit reicht. Irgendwann kommt doch wieder eine zweispurige Strasse. Dazu eine offene Tankstelle, sogar mit Service. „Merci pour ouvrir“, radebreche ich die Tankwartin an, sie laechelt zurueck. Gegen 21 Uhr erreiche ich die Jugendherberge von La Rochelle.

Mein Plan, dort abends noch am Internetrechner die ersten Eindruecke zu verbloggen, scheitert an den franzoesischen Tastaturen: Alles, aber auch alles sitzt an der falschen Stelle. Das A anstelle des Q, der Punkt ist mit Shift zu erreichen, ebenso die Zahlen. Muede klicke ich mich passiv durch ein paar Webseiten und Mails, futtere dabei fades Automatensuesszeug – einen offenen Imbiss gab es nicht mehr in Gehreichweite.

Das war ein anstrengender Tag. Morgen wird noch einmal viel gefahren. Doch dann bin ich endlich da, wo ich hinwollte – in San Sebastián.

[Gebloggt von unterwegs.]

Baskenblog: Nach Orleáns

Mittwoch, 24. September. Die Fahrt beginnt eher ereignislos. Etwas gewoehnungsbeduerftig sind die Mautstellen auf den Autobahnen in Frankreich. Die Abschnitte kosten fuer mich einmal rund 7,50 und einmal 5,50 Euro.

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Gewoehnungsbeduerftig ist auch der Verkehr in Paris. Auf der Stadtautobahn staut sich alles. Zwischen den stehenden Autos (und dem anfangs ebenfalls darin stehenden Verfasser dieser Zeilen) knallen Motorrad- und Rollerfahrer hindurch, als gaebe es eine freie Spur. Meist mit eingeschaltetem Warnblinker. Selbst riesige Cruiser rasen nur wenige Zentimeter vom stehenden Blech entfernt entlang. Interessant: Jeder, der so an mir vorbeirauscht, gruesst mich – entweder mit der linken Hand oder mit einem ausgestreckten rechten Bein.

Nachdem mir klar wird, dass ich hier noch Stunden herumstehen kann (von denen ich nicht mehr viele habe), nehme ich allen Mut zusammen. Trotz Seitenkoffer – die Franzosen schwoeren verstaendlicherweise auf Topcases – tuckere ich mit zusammengebissenen Zaehnen zwischen den Kolonnen hindurch. Und siehe, es geschieht ein Wunder: Die Autos vor mir weichen aus, machen Platz, lassen mich durch. So fuehlt es sich also an, wenn man ein Rettungswagen ist. Sobald von hinten ein rasender Roller oder ein selbstmoerderisch schnelles Motorrad angezischt kommt, mache ich aber schnell Platz. Und werde stets zum Dank gegruesst.

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Ziemlich kaputt komme ich gegen 20.30 Uhr in der Stadt der Heiligen Johanna an. Zu Gast bin ich bei zwei CouchSurfern. Der Empfang ist geradezu ueberwaeltigend herzlich. Man fuettert mich mit koestlichen Muscheln, es gibt ein karibisches Getraenk mit Rum und diversen Umdrehungen, dazu eine sehr angenehme Unterhaltung und am Ende das beste Bett im Haus. Das Internet ist schon etwas Wunderbares – man kommt zu wildfremden Leuten und wird empfangen wie ein alter Freund.

[Gebloggt von unterwegs]

Baskenblog: San Sebastián!

Mittwoch, 24. September. Vor knapp zwei Wochen, am Montag, sass ich beim Bier und gruebelte. Wohin mit dem Resturlaub, vielmehr: Wohin im Resturlaub? Nochmal Norwegen haette schon gereizt, aber Ende September, Anfang Oktober ist es da bestimmt schon arg kalt. Italien, Suedfrankreich? Ich weiss nicht, ob das die Gegenden sind, in denen man alleine mit dem Motorrad unterwegs sein sollte. Die Erinnerung an den aufgebrochenen Kadett 1996 in Genua ist immer noch da.

Beim Spielen mit Google Maps kam ich dann auf San Sebastian an der nordspanischen Atlantikkueste. Nicht, weil ich mit dem Namen irgendwas verbunden haette – einfach nur, weil ich den Klang mochte. San Sebastian. San Sebastián, mit Akzent.

Die folgenden Tage bestanden dann zum Grossteil aus Reisevorbereitung. Der Freewind ein neues Kettenrad verpasst, 41 statt 43 Zaehne fuer drehzahlschonendes Fahren, die Givi-Seitentraeger durch solche von Hepco-Becker ersetzt, einen Enduro-Seitenkoffersatz ersteigert, ein Topcase abgeholt, neue Bremsbelaege an das Hinterrad geschraubt. Am letzten Abend kam dann endlich auch noch die neue Digitalkamera, eine Canon A2000IS.

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Es hat sich einiges veraendert im Vergleich zu meinem Aufbruch im Juni nach Skandinavien. Marit ist jetzt silbern statt rot und traegt einen maechtigen Sturzbuegel, anstelle der fisseligen Packtaschen werden nun stabile Seitenkoffer eingeclipst, der Tankrucksack laesst sich inzwischen einfach durch Befestigungsschlaufen ziehen und meine Klamotten sind mittlerweile auch eine Spur weniger trist. Geblieben ist das Navi in seiner Tasche auf der Lenkerstrebe, das hat naemlich bestens funktioniert.

Aufbruch am Mittwochnachmittag, erstes Ziel: Orleáns, die Stadt mit der Jungfrau. Entfernung: etwa 480 Kilometer.

[Gebloggt von unterwegs]

Bilstain

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Mit „ai“. Nicht Bilstein, wie die Stoßdämpfer. Obwohl es passen würde. In Bilstain, einem kleinen Nest zwei Autobahnabfahrten hinter der belgischen Grenze, liegt dieses Endurogelände. Freunde von mir tollen dort jedes Wochenende im Wald herum. Auch wenn sich Marit, meine Freewind, bei derlei Kindereien nicht die Tauchrohre dreckig machen mag – neugierig war ich schon. Und bin am vergangenen Wochenende einfach mal hingefahren. (Sorry für die schlechte Bildqualität, ich hatte nur die Handykamera dabei.)

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Das Fahrerlager. Hier wird gezeltet, gegrillt, an den Moppeds geschraubt und abends der eine oder andere Kamillentee getrunken.

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Dahinter: der Wald. Das Licht des späten Sommers bricht sich in den Baumkronen. Ach, ist das ruhig zwischen den steilen Hängen wie diesem…

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…und trockenen Bachbetten wie diesen.

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Huch – was war das?

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Plötzlich ist es gar nicht mehr ruhig. Es knattert, öttelt und sprotzt, dass es nur so seine Bewandnis hat. In der Waldesluft liegt Zweitaktduft.

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Wer fürchtet sich vorm steilen Hang? Niemand! Geronimoooo!

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Nach dem Einsatz: Fahrerpalaver. Also, das mit Baumwurzeln funktioniert so…

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Am Ende des Tages ist von den schmucken Sportgeräte dann ein wenig der Glanz ab. Aber wie heißt es so schön? Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass Motorräder sauber sind, wäre Spülmittel im Regen.

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Egal, wofür hat er den Kärcher geschaffen?

Hm. Das ist alles ziemlich witzig. Die Leute waren auch supernett (ich durfte sogar mal als Sozius mit über Stock und Stein hoppeln).

Aber ich weiß nicht, ob ich noch ein weiteres Hobby brauche. Ganz billig ist der Spaß ja auch nicht – was allein an dem Wochenende in der Gruppe an neuen Auspuffen, Bremsscheiben und sonstigen Teilen fällig war, ist kein Pappenstiel. Aber Spaß macht’s sicher.

Man kann ja mal ein Probetraining machen… ganz unverbindlich selbstverständlich… nur so. Zum Spaß.

Gründe gibt es genug

So, nochmal zum Thema „Warum ich einen W123 fahre“. Kurze Zeit nach dem Foto im letzten Beitrag ist die Reserveleuchte denn doch noch angegangen – bei etwa 920 Kilometern.

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Sie ist angeblieben, auch als der Tageskilometerzähler nach 999 Kilometern wieder auf 0 sprang. Sie ist angeblieben bis heute Nachmittag. Da haben wir beide gerade noch die 1100-Kilometer-Marke geknackt. Mit einer Tankfüllung. Manchmal will man’s halt wissen.

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Falls man mir nicht glaubt: In das 80-Liter-Fass hinter der Rückbank gehen mindestens 80,46 Liter rein. Ich glaube, es war ganz okay, nicht noch zu versuchen, mit den letzten Tropfen nach Hause zu kommen.

Ein weiterer Grund, weshalb ich W123 (Diesel) fahre, ist der Durchschnittsverbrauch: 7,30 Liter auf 100 Kilometer. Und da war Stadtverkehr ebenso enthalten wie die Jagd auf der A31 am Samstag vor einer Woche, als das GPS auf ebener Strecke echte 160 km/h anzeigte (der Tacho natürlich knapp 180).

Nischt schlescht für eine Disel.

Selbst erklärend

Im Forum aller Foren wurde neulich gefragt, warum wir W123 fahren. Sonderlich originelle Antworten sind mir dazu nicht eingefallen („Wohnzimmergefühl und überhaupt“), aber im nachhinein hätte ich da noch eine anzubieten.

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907 Kilometer mit einer Tankfüllung. Und die Reserveleuchte ist noch nicht mal an. Danke, Axel, für den 80-Liter-Tank.

Kindheitsrätsel

Weil schon Kritik kam, das Zweirädrige würde in jüngster Zeit etwas *ahem* zu stark gewichtet werden, heute endlich wieder ein rein moorbrauner Beitrag.

Am Wochenende habe ich mir nämlich so etwas wie einen Kindheitstraum erfüllt. Kennt jeder das Brückenrestaurant „Dammer Berge“ an/auf/über der A1 zwischen Holdorf und Neuenkirchen Vörden, nördlich von Osnabrück?

Seit frühester Kindheit fahre ich in schöner Regelmäßigkeit drunter her. Als Kind aus Richtung Oldenburg, um die Großeltern in Remscheid zu besuchen. Ab 1991 als Student aus Richtung Osnabrück, um am Wochenende die schmutzigen Klamotten zur elterlichen Waschmaschine zu transportieren. Ab 1998 als Berufsanfänger von Bielefeld her, um die liebe Familie zu besuchen. Seit 2007 aus Richtung Aachen.

Jedesmal war das 100 Meter lange kantige Trumm ein wichtiger Wegpunkt. Von Osnabrück aus dafür, dass man gerade erst losgefahren war – heute von Aachen aus einer, dass man praktisch angekommen ist. Und jedesmal habe ich mich gefragt, wie es wohl drinnen aussehen mag: Muffig-abwaschbarer Eichenholzdekor-Charme einer deutschen Autobahnraststätte aus den Siebziger Jahren?

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Auf dem Rückweg von der Hochzeit meines Cousins am Wochenende habe ich endlich mal Halt gemacht. Wenn nicht jetzt, dann nie. Also, Doktor Watson, lösen wir das uralte Geheimnis: Wie sieht es drinnen aus in den Dammer Bergen?

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Überraschend modern. Es gibt eine Gastro-Passage mit Burger King, Nordsee und anderen Anbietern, in der Mitte der Halle sitzt man. Gar nicht mal schlecht übrigens. Auch wenn der Latte Macchiato mit Caramel Flavour 3,25 Euro gekostet hat. Heut is‘ egal, heut gönnen wir uns das mal.

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Einmal auf der anderen Seite. Das da unten, das war ich. Ungefähr 1000 Mal.

Abendglück

Im Moment bin ich einfach nur zufrieden mit der Maschine.

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Das hat natürlich seine Gründe.
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Einer davon kam gestern mit der Post. Kleiner Tipp: Am Samstag sah die Sache noch ganz anders aus…

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…als bei unserer Essenspause ohne Essen im Bergischen drei der Freewinds in unserer Gruppe etwas ins Licht der Nachmittagssonne streckten, was mit Sicherheit nicht als der schönste Kettenschutz aller Zeiten in die Motorradgeschichte eingehen wird.

Zwischen Hoffnung und Sülze

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Das Bergische Land ist eine schöne Gegend. Das kann ich sagen, weil meine Mutter von daher kommt – mein Vater hat sie gegen Ende der Sechziger in einem unbeobachteten Moment auf den Gepäckträger seines Heinkel-Rollers gebunden und ist mit ihr über den Teutoburger Wald nach Norden geflüchtet (so ähnlich erzählt man es im Familienkreis jedenfalls).

In meinen ach wie glücklichen Jugendjahren habe ich den Landstrich zwischen Wuppertal und Remscheid jedenfalls zwecks Großelternbesuch oft in Augenschein nehmen dürfen – so schöne Ortsnamen wie Schwelm und Radevormwald sind aus der Zeit hängengeblieben.

Jetzt gab es Gelegenheit, nochmal zurückzukommen. Aber nicht auf der Rückbank eines weißen Strichachters. Sondern selbst am Steuer. Beziehungsweise am Lenker: Ein paar Freewindler aus Aachen und Köln luden zu einem kleinen Ausritt.

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Wenn das Bergische Land nicht so heißt, weil es dort bergig ist, dann heißt die Burg auf diesem Bild Schloss. Schloss Burg nämlich.

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So romantisch wie sie ausschaut, kann man glatt vergessen, dass sie nicht echt ist. Sondern erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus einer Ruine rekonstruiert.

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Einige Kilometer weiter, hinter Dörfern mit so schönen Ortsnamen wie Sonne, Stumpf, Habenichts, Dreibäumen, Hinterhufe, Sülze und Enkeln, liegt ein Stück weit von der Landstraße entfernt auf einer – so nennt man das wohl – Anhöhe eine Art Mahnmal.

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Zu was es an dieser abgelegenen Stelle mahnen soll, weiß ich nicht. Außer dem Spruch „Gott der Herr segne uns und schütze uns“ stand nichts auf dem schlichten Waschbetonbau, auf dem drei weiße Kreuze hoch in den wolkenlosen Himmel ragten.

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Dort wurde ich Zeuge eines bizarren Zwischenfalls. Während wir Zweiradmenschen uns die Beine vertraten, näherte sich noch ein Mercedes-Kombi der Hügelkuppe. Der Fahrer parkte hinter unseren Krädern. Ein wenig schräg zur Straße, die als breiter Teerweg vor dem Mahnmal über die frisch gemähte Wiese führte.

Nach einiger Zeit kam ein roter VW Golf mit einem Rentnerehepaar des Weges. Statt mit einem kleinen Schlenker um das Heck des Mercedes‘ herumzufahren, wie es kurz zuvor noch ein Traktor mit Anhänger getan hatte, wurde der Golf langsamer und hielt schließlich an.

Zuwenig Platz? Und selbst wenn: Das Gelände links und rechts des Teerwegs war flach und frisch gemäht. Trotzdem trat der Mercedesfahrer einen Schritt heran, warf einen Blick auf die Szene und signalisierte dem Golffahrer freundlich: Noch soooo viel Platz, da kommen Sie locker dran vorbei.

Worauf der Rentner die Scheibe herunterfuhr und im Brustton der Rechtschaffenheit aus dem Fenster rief: „Es geht nicht darum, dass ich hier nicht durchfahren kann! Sondern dass das verkehrswidrig ist, was Sie hier machen!“

Verkehrswidriges Halten auf einem Feldweg in der Mitte von Nirgendwo. Der Satz war so absurd, dass es volle ein, zwei Sekunden dauerte, bis das halbe Dutzend Umherstehender in schallendes Gelächter ausbrach. Worauf der empörte Senior nun doch den Schlenker um das Kombiheck machte, Vollgas gab und mit laut quietschenden Reifen von dannen brauste.

Die Laune der Zurückgebliebenen hatte der gute Mann spürbar gehoben. „Dein Motorrad steht da übrigens auch verkehrswidrig“, informierte mich ein Mitfahrer. Der Spruch sollte von da an auf dem Rest der Fahrt bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt werden.

Wir bestiegen unsere Rösser. Zum Abschied winkte ich dem Mercedesfahrer drohend mit meiner Kamera zu. „Ich zeig Sie an! Ich hab alles auf Film!“ Er konterte grinsend: „Wir sprechen uns vor Gericht!“

Nicht lange danach folgte der krönende Abschluss der Tour: die Essenspause. Endlich. Ich war schließlich schon um halb Sieben aufgestanden, jetzt meldete sich der Magen.

Ausgeguckt hatten sich die Tourplaner eine der unzähligen Mühlen (Jörgensmühle, Preyersmühle, Mebusmühle, Markusmühle und so weiter). Zu Essen gab es allerdings nichts, wie uns die liebe Bedienung gleich wissen ließ, „da ist gerade ein Riesenreisegruppe gekommen, die Küche ist total überlastet“, aber wenigstens etwas zu gucken:

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Den Hückelhovener Altmetallsammelverein zum Beispiel.

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Oder dieses Verspielzeug hier, wer’s mag.

Wenn Motorräder Frauen wären, meine kleine Marit wäre trotz ihres norwegischen Namens eine Französin. Schlank, chic, selbstbewusst, mit elegantem bordeauxroten Spaghettiträger-Top, Bubikopf und langen Beinen, etwa 1,75 Meter groß.

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Wenn Motorräder Frauen wären, wäre das hier etwas, das von weniger einfühlsamen Menschen als Kampflesbe bezeichnet wird.

So also war’s im Bergischen: Berge, Burgen, Verkehrsüberwacher in zivil und Motorräder im Kostüm. Ich hatte es aus meiner Kinderzeit zwar ein bisschen anders in Erinnerung – aber es war die Reise wert.