Mit dem Diesel nach Schottland

Nun sind wir also Selbstzünderpiloten. Der altertümliche Motor mit seinem schmuddeligen silbernen Kopf, dem lauten Nageln und heftigem Schütteln im Leerlauf kommt mir nach dem modernen, durchzugsstarken M102 mit seinem schicken schwarzen Zylinderkopf furchtbar primitiv vor.

Die traurige 160-Kilometer-Skala des neuen Tachos (der gar nicht in den Wagen gehört hätte, da ja das alte 3,58er-Differential dringeblieben ist) macht unmissverständlich klar, dass wir nun in einer anderen Liga spielen. Wobei es die Nadel nicht mal auf 140 schafft. Gut, möglicherweise stammt der Tacho von einem 200D mit 3,92er-Übersetzung, was natürlich eine massive Unter-Eilung erzeugt haben dürfte.

Zu allem Überfluss trinkt der neue alte Motor unglaubliche Mengen an Öl, was ich bei der ersten längeren Fahrt nach Berlin eher zufällig bei einem Tankstellenstop entdecke. Alle etwa 550 Kilometer ist ein neuer Liter fällig. Wollten wir nicht Geld sparen mit der neuen Maschine?

Neue Ölstutzen auf dem Ventildeckel und eine neue Dichtung unter demselben bringen ebensowenig Abhilfe wie eine neue Dichtung am Ölfiltergehäuse. K. knöpft mir für eine Motorwäsche, um den Fehler zu finden, 75 Mark ab.

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Trotz seiner Trinksitten geht es mit dem Wagen wieder einmal auf große Fahrt. Am 6. September (214.091 km) breche ich zur zweiten Schottlandreise auf.

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Dunottar Castle. Schottischer und burgiger geht’s kaum, Eilean Donan Castle vielleicht mal ausgenommen. (Aber das ist ja nur eine Filmkulisse.)

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Wilde Büffelherden durchstreiften einst die unendlichen Weiden der Highlands.

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Erst ein Kurzbesuch in Edinburgh (…215.459 km…) bei Petra, danach mit ihr eine größere Rundfahrt durch die Highlands.

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Schottische Schafe am Straßenrand.

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Noch so ein schottisches Schaf…

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…und noch so eine schottische Ruine.

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Strome Ferry, ein Ort, der es sogar zu einer Erwähnung in einem Roman von Iain Banks gebracht hat. Und das ohne Fähre.

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Typische Single Track Road. Für den alten Dieselmotor ist das ständige Auf und Ab natürlich eine Qual.

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Noch ein Fotohalt an der Westküste.

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Die „Road to Applecross“ vom Norden her auf die Isle of Skye zu bietet einen Anblick, der für immer zu den schönsten meines Lebens zählen wird.

Bei der Rückkehr in Osnabrück steht der Zähler auf 218.400 km. Viel Straße in wenig Tagen: rund 3.700 Kilometer.

Die Umdieselung

Ich war jahrelang nicht sicher, ob diese Entscheidung der größte Schwachsinn oder die genialste Idee in der Geschichte des Coupés mit é war. Für volle zehn Jahre, von 1995 bis 2005, hielt ich es für die dümmste. Heute weiß ich, es war die beste. Aber der Reihe nach.

Zwei Monate lang erfreue ich mich am (zugegebenermaßen nicht wirklich erkennbar veränderten) Klang des überholten Motors, dann setzt mir K. den nächsten Floh ins Ohr. Zugegeben, ich habe ihn mir auch nur zu gerne ins Ohr setzen lassen…

D I E   U M D I E S E L U N G

Am 9. Mai, bei Kilometerstand 206.200, wird der Wagen umgedieselt. Den von K. angebotenen angeblich astreinen 300er-Fünfzylinder schlage ich zugunsten eines etwas unscheinbareren OM 616 aus (O-Ton K.: „Der ist auch noch gut“).

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Wozu das Ganze? Seit Herbst 1994 arbeite ich als freier Mitarbeiter der Neuen Osnabrücker Zeitung für die Redaktion „Rund um Osnabrück“. Die ständigen Außentermine lassen den Wagen mächtig Kilometer machen – geschätzte 30.000 im Jahr. Und weil ich in Glasgow in der BWL-Vorlesung gelernt habe, Kosten immer in die Zukunft gerichtet zu beurteilen, entscheide ich mich für die angeblich Geld sparende Umdieselung. Und nehme gleich noch ein Fünfganggetriebe, vermutlich aus einem Strichachter, dazu.

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Dafür gebe ich den vor zwei Monaten überholten M102-Motor, das frisch überholte Getriebe und den G-Katalysator in Zahlung. Und lege noch einmal geschätzte 3.300 DM drauf. Und das für einen grottenschlechten OM616-Diesel, der mir gerade einmal 20 Monate und 43.000 Kilometer später platzen wird (und bis dahin wohl fast 90 Liter Öl gesoffen haben wird) sowie ein Getriebe, das sogar schon nach der Hälfte der Zeit (sieben Monate und 21.000 km) einen fetten Schaden hat.

Zuviel Geld im Portemonnaie

Weil ich dem Wagen etwas Gutes tun will und offenbar viel zu viel Geld habe, lasse ich Anfang März 1995 in meiner neuen Stamm-Werkstatt bei Jens K. in Osnabrück den Motor überholen. Der Zylinderkopf wird zerlegt, plan geschliffen, die Ventile eingeschliffen, die Dichtungen kommen neu, Motorlager werden ersetzt und ein neues Schubabschaltventil eingebaut. Zusammen mit kleineren Servicearbeiten zahle ich rund 1.950 Mark für alles. Angesichts dessen, dass dieser generalüberholte Motor dann nur zwei Monate im Wagen bleiben wird, ist das eine der größten Fehlinvestitionen meines Lebens.

Aber wo wir gerade schon mal beim Geldausgeben sind…

22. April: Blitz! Mit frisch überholtem Motor rast es sich besonders gut.

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Tatort: Bramscher Straße, Tatgeschwindigkeit: 70 Sachen.

Ein Jahr Glasgow, Teil II

Als ich im neuen Jahr 1994 nach Glasgow zurückkomme, habe ich eigens Blechkanister mit Valvoline-Öl dabei, weil ich diese Marke in der benötigten Viskosität trotz tagelangen Herumsuchens nirgendwo in Glasgow auftreiben konnte. Am Flughafen sucht der Zollbeamte auf den Kanistern vergeblich nach Anzeichen von Feuergefährlichkeit – das Zeug darf im Flieger mit ins Handgepäck.

Doch das neue Jahr beginnt schlecht. Am 25. Januar (189.979 km) durchbohrt eine absichtlich druntergeklemmte Schraube den linken Hinterreifen. Beim Radwechseln mache ich einen idiotischen Fehler und verwende wider besseres Wissen die längeren Schrauben der Alufelgen für die Ersatz-Stahlfelge. Beim Anfahren gibt es ein grauenhaftes Kreischen. Diese Sache bleibt für gut ein Jahr das Dümmste, was ich mit dem Auto anstelle (siehe dazu: Motorüberholung & anschließende Umdieselung).

In Folge der bescheuerten Aktion sind hinten neue Bremsscheiben und Beläge fällig, dabei wird noch die Feststellbremse neu eingestellt, ein neuer Öldeckel und ein abschließbarer Tankdeckel werden ebenfalls angeschafft. Insgesamt bin ich 314 Pfund (ca. 713,- DM) los. Hinten läuft jetzt der (uralte) Reservereifen. Immerhin, er hält bis kurz nach der Rückkehr… nicht auszudenken, wenn der auch noch auf der Heimfahrt ausgefallen wäre.

Sechs Wochen später dann die nächste Panne. Am 16. März (190.600 km) notiert das Tagebuch Treibstoffverlust, stotternde Beschleunigung und unrunden Leerlauf. Der Spritfilter mit Schläuchen und Dichtungen und der Verteiler werden gewechselt, für nur 172 Pfund (430,- DM).

Ende März (191.316 km): Schöne Tour durch die mittleren Highlands mit Stirling und Glencoe.

12. April (192.100 km): Ein historischer Tag! Der Stern wird zum ersten Mal abgebrochen. Unmittelbar darauf wird ein Neuer gekauft.

16. und 17. Mai (192.363 km): Zeit für die nächste Panne. Der Wagen geht mitten in Glasgow plötzlich aus, springt später aber wieder an. Vermutlich ist es das Zündsteuergerät. Bei Vardy Continental den Motor testen lassen, alle elektrischen Verbindungen gesäubert, für nur 35,- Pfund (88,- DM).

Ein abnehmbarer Stern wird eingebaut (30,- Pfund = 77,- DM). Das Park-Ritual aus Lenkradkralle-Anschließen und Hauptschalter-Abziehen ist damit noch um einen zusätzlichen Punkt erweitert worden.

19. Mai: Panne! Bleibe erneut mitten in Glasgow liegen und muss mich vom Autoclub zu Vardy Continental abschleppen lassen. Diagnose: „None Switch“ („Steuergerät hinter Zündspule“) muss neu, für nur 187,- Pfund (560,- DM). Jetzt kommt’s ja auch nicht mehr drauf an…

Ende Mai: Noch einmal auf in die Highlands! Diesmal geht es alleine nach Ullapool für meine Radeltour über die Hebriden.

11. Juni (193.924 km): Das Schottland-Jahr (streng genommen nur neuneinhalb Monate) ist vorbei. Zurück nach Hause!

Zwei Tage später kommen wir mit 195.298 km auf der Uhr in Oldenburg an. Alles in allem haben wir stolze 11.866 Fahrtkilometer zurückgelegt. Und trotz Pannen: Der Braune hat mich und meinen Besitz sicher hin- und zurückgebracht.

Nachspiel:

Am 17. Juni (195.629 km) besuche ich meine Schwester Dani in der Waldorfschule in Walsrode, wo sie ein freiwilliges soziales Jahr absolviert. Auf der Fahrt dahin fällt mir ein scheußliches Schütteln von hinten auf. In einer kleinen Kfz-Werkstatt vor Ort bekommen wir vom Altmeister zu hören: „Das ist die Hinterachse, das muss so sein, das haben die alle“. Diese Diagnose bleibt für viele Jahre die dämlichste überhaupt, die mir zum Wagen gestellt wird. Zu Hause stellt sich nämlich heraus: Der alte Reservereifen, den ich in Glasgow nach dem Schrauben-Desaster aufgezogen habe, hatte einen Gewebebruch und folglich eine fette Unwucht entwickelt. Aber es ist nett, dass er damit bis sechs Tage nach meiner Rückkehr gewartet hat.

Bei Famila in Oldenburg werden zwei schön neue Fulda Y 2000 Reifen (das Stück für 180,- DM) aufgezogen und montiert. Sie bleiben dem Wagen verdammt lange Zeit treu, nämlich über elf Jahre. Erst im Zuge der Totalrenovierung im April 2005 werden sie entsorgt…

…und selbst dann sind sie noch nicht am Ende: Einer aus dieser Serie, im Dezember 1995 nachgekauft – wird im Juni 2007 nach zweijährigem Liegen im feuchten Bielefelder Keller sogar noch ein weiteres Mal auf’s Hinterrad gezogen.

Isle of Skye, black and white

Mit meinem Mitbewohner Ralf und zwei seiner Kommilitonen von der Uni Rostock fahre ich zur Isle of Skye. Sei es Absicht, sei es Zufall – der mitgenommene Film ist ein schwarz-weißer, obwohl ich zu der Zeit noch gar nicht für die Neue Osnabrücker Zeitung schreibe.

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Die Landschaft ist wunderschön, das Wetter weniger. Von daher passt Schwarzweiß schon ganz gut. Auf diesem Bild sind übrigens die innen reflektierenden schwarzen Abkleber zu erkennen, mit denen ich für die Zeit in Schottland die Scheinwerfer wegen des Linksverkehres abgeblendet habe. Die übrigens ein Heidengeld gekostet haben.

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Das war der Schreiber dieser Zeilen im Herbst 1993. Hach, was war ich damals schlank.

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Highlanders Burg: Eilean Donan Castle. Die Kunst besteht darin, es so zu fotografieren, dass die Burg einsam und romantisch aussieht. Und weder die gut ausgebaute Landstraße, noch die moderne Betonbrücke, noch die Stadt direkt daneben im Bild zu sehen sind.

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Da es sich hier im ein Autoblog handelt, verschone ich meine Leser mit Serien künstlerisch wertvoller Bilder von schottischen Hügeln mit romantischem Wolkenhintergrund. Ich beschränke mich auf die Bilder, auf denen ein Mercedes vor schottischen Hügeln mit romantischem Wolkenhintergrund zu sehen ist.

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(Mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen.)

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Das ständige Ein- und Aussteigen mit vier Personen ist nicht das Wahre. Zum ersten Mal ahne ich, welche Vorteile eine Limousine hat.

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Man muss eine sehr einsame, sehr lange Landstraße ganz bis zum Ende fahren, um zu einem winzigen Fischernest mit einem Bootsanleger zu kommen. Dort genießt man diese Aussicht: die Cuillin Hills, Großbritanniens Antwort auf die Alpen.

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Die germanische Antwort auf die Cuillin Hills wiederum war ein kräftiges Picknick. Später genossen wir in Portree in einem etwas schmierigen Fish ’n‘ Chips-Shop unsere ersten Gherkins – keiner von uns kannte das Wort für Gürkchen.

Ein Jahr Glasgow, Teil I

Einer der (offiziellen) Gründe, das Coupé mit é anzuschaffen, war mein Auslandsjahr an der University of Strathclyde in Glasgow vom September 1993 bis Juni 1994. Dass man dafür ein komfortables Langstreckenfahrzeug mit großem Kofferraum benötigt, leuchtet natürlich jedem ein. Zumindest jedem, der noch nie versucht hatte, über den umgeklappten Vordersitz eines 123er-Coupés sperrige Gegenstände auf die Rückbank zu quetschen.

Am 19. September 1993 geht es dann von Oldenburg aus los. Im Kassettenschacht des alten Blaupunkt Hildesheim ein eigens aufgenommenes Band von Christine, im Rest des Wagens den gesamten studentischen Hausstand: Blaupunkt-Fernseher, Telefunken-Stereoanlage, B&O-Boxen, zwei bis drei Aldi-Papppaletten mit Büchern, säckeweise Bettwäsche und Klamotten, Töpfe, Besteck, Handtücher.

Auch das Auto ist präpariert: Mit einem eigenen Steckschlüssel gegen Diebstahl gesichert, mit sauteuren schwarzen Form-Klebestreifen auf den Scheinwerfern ist es für den Linksverkehr auf der Insel gerüstet.

Überhaupt, der Linksverkehr! Wider Erwarten zerschelle ich nicht gleich nach der Ankunft an entgegenkommenden Lastwagen. Doch das Fahren auf der Insel hat schon seine Tücken. Vor allem die allgegenwärtigen Kreisverkehre haben es in sich. Es sind teilweise hochkomplexe mehrspurige Gebilde aus mehreren ineinander verschachtelten Kreisen und Ovalen mit bis zu einem Dutzend Ausfahrten und Ampeln.

In Glasgow bestimmt allerdings blanke Furcht ums Blech den Alltag. Bei jeder Gelegenheit wird illegalerweise auf dem Campusgelände geparkt, der Steckschlüssel abgezogen und die Kralle ans Lenkrad geklemmt. Der Wagen fällt allerdings auch arg auf, die britischen Kommilitonen haben kaum Autos, und Mercedesse sind im schottischen Straßenbild ohnehin Mangelware.

Folglich muss der arme Benz manche Missfallenskundgebung über sich ertragen lassen, mal liegt Müll auf ihm, mal malt jemand mit dem Finger „rich cunt“ (etwa: „reiche Sau“) auf das Blech. Auch der Stern muss gegen Ende des Jahres einmal dran glauben, umgehend besorge ich Nachschub.

Zum Trost darf sich der Moorbraune auf den langen, einsamen Single-Track-Roads der westlichen Highlands austoben. Schon Anfang Oktober mache ich mit meinem Mitwohner Ralf und zweien seiner Freunde von der Uni Rostock eine Tour über die Isle of Skye. Anderthalbtausend Kilometer dürften es gewesen sein. Wir übernachten gemütlich in Uig und lassen uns abends im Pub von einigen Eingeborenen vom Billardtisch vertreiben, die das F-Wort mit erstaunlicher Häufigkeit in ihren Sätzen verwenden. Kein Streit mit Schotten, denen fehlen immer schon Zähne. In Portree gibt es Fis, Chips und Gherkins – Gürkchen. Das ständige Rein- und Rausklettern aus dem Wagen beim Fotohalt alle paar Kilometer ist allerdings überaus nervig. Ein Coupé ist halt doch nur ein 2+2-Sitzer.

Auf der Rückfahrt spricht der Motor irgendwie verzögert an. In Glasgow messe ich dann mal Öl: Der Stab ist komplett trocken. Upps! Woher bekomme ich Valvoline 10W40, oder was ich an Weltraumöl drin habe?

Anfang November eine weitere größere Reise. Christine ist zu Besuch. Mit ihr fahre ich nach Irland (in die Republic of), weil es in einer Zeitung billige Fähr-Überfahrten gab. Donegal, Cliffs of Moher, Brian’s Tower, Galway, Clifden, Connemara National Park. Eine erste Verbrauchsauswertung ergibt: 10,05 Liter Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometer. Nicht schlecht für einen 136-PS-Benziner aus den frühen Achtzigern, oder?

Am 17. Dezember, der Wagen hat den schönen Kilometerstand 188.188, geht es erst einmal wieder Richtung Süden. Über Weihnachten fliege ich nach Hause. Da ich den Wagen nicht in Glasgow lassen will, fahre ich zu Andy und Pauline nach Preston Bisset und lasse ihn da stehen.

An einer Raststätte habe ich dann das Vinegar-Experience. Viel zu spät unterwegs, todmüde vom stundenlangen angestrengten Schnellfahren hinter den Gischtwolken der Lastwagen auf der regenübersprühten Autobahn, mache ich eine Pause. Als einzigen Snack gibt es Chips. Als ich das Päckchen Mayonnaise über sie ausquetschen will, vergesse ich, in welchem Land ich bin: In dem Tütchen ist natürlich Essig, den ich mir über Hände und Pullover spritze. Immerhin, so hat man was zu erzählen.

Vor Glasgow

30. Juni 1993: Der neue Wagen wird in Oldenburg unter dem Kennzeichen OL-DS 867 angemeldet.

6. August (180.700 km): Mit dem Benz kommt die Angst. Angst vor schlechten Menschen. Diebstahlschutz rult. Eine „Electronic Nightstick“-Lenkradkralle wird gekauft (248,- DM). Teurer geht’s nicht: Sie ist aus reinem Kryptonit, mit Zigartettenanzünderanschlusskabel, hat Geräusch- und Blinkalarm. Bei jedem Halt wird sie ans Lenkrad geklemmt.

22. August (181.200 km): Bei Mercedes wird ein linkes, asphärisches Spiegelglas gekakuft (60,- DM), dazu ein neuer Reservekanister, der ins Reserverad passt (80,- DM) und eine neue Schalthebelstulpe (8,- DM) – insgesamt 158,- DM.

Bei MB noch Veloursmatten (250,- DM) und Feuerlöscher (110,- DM), insgesamt 378,- DM plus Halter (81,- DM) gekauft und eingebaut. Das Blinkerrelais gewechselt gegen eins ohne Anhängerbetrieb, da dann Leuchte nicht mitblinkt. Kofferraumleuchte neu. Cassettenbox in die Mittelkonsole eingebaut.

4. September: Mit meiner Kommilitonin Anne und der Gaststudentin Katrien aus Belgien beim „Rock over Germany“-Konzert in Hamburg gewesen. Die erste größere Alleinfahrt. Joe Cocker, Tina Turner und Rod Steward gesehen. Dann im Gewühl Anne aus den Augen verloren. Ewig auf dem Parkplatz gewartet. Schließlich mit Katrien alleine zurück, schön mit 160 auf der Autobahn. Macht Spaß – das Fahren mit dem Wagen. (Der Abend mit Katrien wird auch noch ganz nett.)

13. September (183.000 km): Bei MB Spiegelglas rechts (60,- DM), Zierleisten in Kühlermaske (25,- DM), Luftdruckprüfer (20,- DM) gekauft – insgesamt 110,- DM. Bei Drieling in Oldenburg Abdeckkappe auf Batterie-Pluspol neu, 1. Zündkabel neu angeschlossen. Bei MB „Sofitte“ und „Zierstab“ neu (12,- DM).

17. September (ca. 183.400 km): Bei Mercedes Spur eingestellt/Wagen vermessen, dabei eine Spurstange gewechselt (vermutlich Beifahrerseite). Das Ventilspiel eingestellt (454,- DM). Rechts H4- und Standlichtbirne gewechselt.

Vermutlich Anfang Oktober (185.100 km): Hella-Killschalter eingebaut (26,- DM). Für Glasgow.

Die ersten Fotos

Der neue Wagen ist da. Mit meiner kleinen Olympus-Pocketkamera mache ich die ersten Fotos. Mir schweben Bilder nach dem Vorbild aus dem Mercedes-Prospekt vom S-Coupé vor. Da ist der ansonsten hässliche Wagen zu sehen, wie er vor nächtlicher Kulisse mit offenen Scheiben dasteht. Die Lichter im Armaturenbrett leuchten einladend. „Komm, gehen wir auf große Fahrt“, scheint der Wagen zuzurufen.

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Als die Abzüge da sind, ist die Ernüchterung groß. Die Olympus und meine fotografischen Fähigkeiten stoßen an klare Grenzen.

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Mit Blitz ist das Ergebnis noch schlimmer.

Liebe auf den ersten Blick

Frühjahr 1993. Seit längerer Zeit schon träume ich von einem W123er-Coupé. Dafür lege ich monatlich 100 Mark zurück und spare bei jeder Gelegenheit (legendär sind die an die Pinnwand gehefteten Zehnmarkscheine in meinem Studentenzimmer am Petersweg).

Im Herbst dieses Jahres werde ich für ein Jahr nach Glasgow fahren, und in dem kleinen roten 1,0-Liter-Corsa von 1984 mit seinen 45 PS wäre das kein Spaß. So sieht er übrigens aus:

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Also schaue ich mir schon seit Monaten jeden parkenden W123 an und nehme bei Autohändlern die angebotenen Coupés unter die Lupe. Zum Beispiel einen dunkelblauen 230C und einen silbernen 280CE bei Rosier in Oldenburg. Preise, wenn ich mich recht erinnere: 9.800 Mark für den – ziemlich schlechten – Vierzylinder… und 12.800 für den Silbernen. Oder so. Jedenfalls völlig überteuert. Gute, günstige Coupés sind rar, auch damals schon.

Eines Samstags im April oder Mai steht dann in der Neuen Osnabrücker Zeitung eine Anzeige für einen Wagen, an dem eigentlich gar nichts zu stimmen scheint:

– 230CE von 1981 (also nicht die gewünschte Drittserie),
– Farbe braun (urgs!),
– AHK (also wahrscheinlich eine heruntergerittene Zugmaschine),
– 195/70er-Alufelgen (sicher so Porno-Teile),
– kein Schiebedach,
– keine Zentralverriegelung,
– keine weiteren Extras wie elektrische Fensterheber, Colorglas oder Scheinwerfer-Wischwasch.

Ein Auto also, an dem nichts zu stimmen scheint.

Ich fahre trotzdem zum Verkäufer nach Ostercappeln – je mehr Wagen man gesehen hat, desto besser ist es schließlich. Es soll eine der einschneidensten Entscheidungen meines Lebens werden.

Gerhard P., der Besitzer, begrüßt mich freundlich. Die Familie hat sich einen Van gekauft, mit Kindern ist der Zweitürer halt doch nicht ganz das richtige. Nun soll das Coupé einen neuen Eigentümer bekommen.

Als ich den Wagen sehe, ist es sofort um mich geschehen: Er glänzt. Er strahlt. Er sieht aus wie frisch aus dem Schauraum. Diese Farbe! Ein tiefes, glänzendes Schokoladenbraun!

Ich weiß sofort: Den oder keinen. Das ist das Auto meines Lebens.

9. Juni: Der Kaufvertrag wird unterschrieben. Der Wagen ist „unfallfrei, besitzt keine technischen Mängel“. Kilometerstand ca. 179.000. Kaufpreis 8500,- DM. Eine Anzahlung über 5000,- DM wird geleistet – der Rest am 29. Juni nachgezahlt, als der Corsa verkauft ist.

Was vorher geschah

13. Mai 1981: Peter P. aus Bissendorf hat sich einen niegelnagelneuen 230 CE gekauft und lässt ihn nun zu. Es ist ein Beinahe-Nullausstatter, die einzigen Extras sind (laut Datenkarte) rechter Außenspiegel und Becker-Radio „Europa“. Die Farbe: Das sehr selten angebotene Moorbraun Nr. 479, das beim W123 nur in den Jahren 1979 bis 1981 als Sonderfarbe zu haben ist. Herr P. zeigt Geschmack: Für die Innenausstattung wählt er das helle Crémebeige (Farbcode 1404), was dem Wagen die appetitliche Wirkung eines Überraschungseis verleiht.

22. April 1982: Nur elf Monate später wird Siegfried W. aus Wallenhorst der Halter. Auf ihn ist der Wagen fünf Jahre lang angemeldet.

5. Mail 1987: Wieder ein Verkauf. Der Wagen bleibt erneut im Osnabrücker Land. Nun wird Gerhard P. aus Ostercappeln Drittbesitzer. Der Benz steht in einer Garage, die sogar Gummipuffer für die Türen an den Wänden hat.

Innerhalb dieser zwölf Jahre kauft irgendjemand irgendwann Leichtmetall-(Nachbau)Felgen. Irgendwann baut irgendjemand eine Anhängerkupplung nachträglich an. Aus irgendeinem Grund wird irgendwann mal der Tankdeckel neu lackiert. Auch die vordere untere Spitze der Beifahrertür wird irgendwann mal ausgebessert. Und das Becker „Europa“ wird gegen ein Blaupunkt „Hildesheim“ ausgetauscht.

29. März 1993: Der Wagen bekommt offenbar neue Stoßdämpfer – aber welche? Die Rechnung über 172,- DM existiert noch.