Im Elisengarten

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100

Ein weiterer meiner Lieblingsplätze in Aachen ist der Elisengarten. Sobald es Frühling wird, gibt es hier eigentlich immer etwas Neues zu sehen für den, der sich ein paar Augenblicke lang darauf einlässt. Vom emsigen Bienchen bis zum tranigen Studenten, von der vorwitzigen Turdus merula (Amsel) bis zum aufdringlichen Hamsemaneuro (Zausel). Manchmal glitzert noch das Nass des gesunden Öcher Landregens auf dem frisch gepflanzten Frühsommergrün, manchmal rettet der Autor dieser Zeilen seine Kamera vor eben jenem Landregen ins müffelnde Trocken des Elisenbrunnenpavillons.

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250

Alleine ist man jedenfalls nie im Elisengarten. Oben posieren Touristen am Brunnen des Geldes für ein Erinnerungsfoto, auf den Stufen in der Wiese lungert hängt die perspektivlose Jugend herum, links und rechts schleppen shoppende Besucher ihre Einkaufstüten von der Adalbertstraße in die Altstadt und zurück, während auf der Terrasse des Cafés die Besucher dem Gewusel zuschauen.

Der Elisengarten ist, da ich meist von Osten her in die Innenstadt komme, für mich so eine Art Vorgarten zum Herzen der Stadt. Dahinter liegen Dom und Katschhof, die Kneipen am Hof, der Rathausmarkt und das Pontviertel. Man muss jedesmal dran vorbei oder durch und kann ein bisschen Grün in sich aufsagen.

Ein schöner Vorgarten – ich freue mich schon auf den nächsten Besuch. Rasenmähen muss ich ja nicht.

Wasserspeier

Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200, ca. F11, 1/80s, ISO 125
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200, ca. F11, 1/80s, ISO 125

Kann man den Aachener Dom eigentlich zu oft fotografieren, fragte ich mich selbst, als ich das ofenrohrgroße und wagenheberschwere Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200 (Gewicht: 1,2 Kilogramm, Filterdurchmesser 77 Millimeter!) zu seinem ersten Außeneinsatz auf das Stativ wuchtete. Schließlich war es nicht ganz das erste Mal, dass ich Aachens Wahrzeichen in den Sucher nahm.

Und die Antwort, während die letzten Strahlen der Abendsonne eben noch über die Dächer lugten und die Wasserspeier am Dach des gotischen Chores in ein warmes Licht tauchten, lautet natürlich: Nein, auf keinen Fall. Weil jeder Tag anders ist, weil kein Moment wiederholbar ist, weil man kein Foto zweimal schießen kann. Nicht einmal an etwas 1200 Jahre Alten wie dem Aachener Dom.

Die Verpuppung

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Kaum ein Passant, der im Vorbeigehen nicht zögert, noch einmal genauer hinguckt, stehenbleibt und staunt. „Was ist das denn?“ – „Das ist aber neu, oder?“ – „Ach nee, guck mal, wie süß!“ – „Da hat sich aber einer Mühe gegeben!“

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Der altbekannte Puppenbrunnen: neu eingekleidet! Pferd und Reiter, Prälat und Professor, Modepüppchen und Marktfrau, Harlekin und Hahn tragen auf ihrer Bronzehaut plötzlich bunten Stoff. Liebevoll gehäkelte Mützen, Handschühchen, Schals und Troddeln zieren die Gliederarme und beweglichen Köpfe, passgenau und mit ebensoviel Humor wie Geschick angefertigt und angepasst. Die Farben leuchten regelrecht im Abendlicht – und die Figuren tragen sie sichtlich gerne, es ist ja auch schon etwas kühl geworden hier zwischen den hohen Altstadthäusern der Krämergasse, im Schatten des Doms.

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Und wie Bonifatius‘ Stirnbergs vielleicht bekanntestes Aachener Werk nach guten 40 Jahren plötzlich noch einmal wahrgenommen wird. „Nee, dieses Mützchen! Richtig in den Öcher Farben, schwarz-gelb!“ – „Ich werd nicht mehr!“ – „Sowas Schönes! Und mal was Positives, nicht was mit Zerstörung.“ Smartphones, Tablets und Spiegelreflexkameras werden gezückt, eine asiatische Touristin legt ihren Arm um das Modepüppchen (das an Aachens Textilindustrie erinnern soll) und lässt sich von ihrem Freund ablichten.

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Chapeau. Man darf wohl sagen, dass die Damen des Aachener Stricktreffs mit diesem Yarnbombing einen Volltreffer gelandet haben. Einen vielleicht nur kurzlebigen, aber um so einprägsameren.

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Denn was ist schon Dauer? Ich erinnere mich noch an die Nacht- und Nebel-Aktion an der sogenannten Oldenburger Friedenssäule. Diese schmucklose, ziemlich langweilige Marmorsäule aus der Kaiserzeit trug ursprünglich eine goldene Viktoria-Siegesgöttin, ähnlich der bekannten der „Gold-Else“ in Berlin – bis die Nazis sie 1943 für ihre eigenen, bekanntlich fruchtlosen Bemühungen um einen Sieg einschmolzen. Seitdem heißt der übriggebliebene Stumpf politisch korrekt Friedenssäule. 1986 aber stellten drei Lokalpolitiker eine aus Styropor und Goldfarbe selbstgebaute Nachbildung der Originalfigur heimlich auf die Säule. Zwar wurde sie schon nach kurzer Zeit wieder abmontiert, doch über die Aktion spricht die Stadt noch heute, nach 30 Jahren. Immer wieder wird seitdem die Wiederbelebung der inzwischen „Friedensengel“ genannten Figur diskutiert. Auch wenn daraus bislang noch nichts geworden ist: Das Bild des Goldengels von damals ist im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hängen geblieben.

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Und nun stehen wir hier vor dem bestrickten Puppenbrunnen.

Tja, Stricken. Im Zeitalter von Facebook, 3D-Druckern und Paketdrohnen fällt mir höchstens noch Briefmarkensammeln als Hobby mit weniger Sexappeal ein. Aber – panta rhei, alles fließt – irgendwie hat diese klipp-klappernde großmütterliche Freizeitbeschäftigung es geschafft, im Guerrillamodus als Streetart auf der coolen Seite der Gesellschaft wieder ans Licht zu kommen. Ein Kompliment an Rebekka B., Kata G. und die anderen flinkfingrigen Nadelkünstlerinnen, die Aachen seinen wohl hübschesten Brunnen neu geschenkt haben. Und sei es nur für ein paar Tage. Klenkes hoch, Mädels!

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Abendgang

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig

Einfach nach dem Parken noch mal eine Runde um den Block gehen, statt direkt nach Hause. Und schon sieht man Farben.

Goldjunge

Sony A7II mit Minolta MD 2.8 135, 1/640s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MD 2.8 135, 1/640s, ISO 100

„Eine Besonderheit des Hauses Löwenstein ist die Figur des heiligen Nepomuk in der Nische unterhalb des Ecktürmchens; sie stammt aus dem Jahr 1747 und erinnert an den böhmischen Kleriker Johann von Nepomuk.“ (Wikipedia)

Abendlektüre

Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca. F8, 1/25s, ISO 400
Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca. F8, 1/25s, ISO 400

Es geht doch nichts über ein gutes Buch zu später Stunde. 1200 Jahre alter bibliophiler Heiliger mit 1000-jährigem Hildesheimer Rosenstock am Aachener Dom.

Kuckuck

Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca F8, 10s, ISO 50
Sony A7II mit Minolta MD 4 75-150, ca F8, 10s, ISO 50

Der Wahnsinn hat ja bekanntlich viele Gesichter, aber nachts um 0.45 Uhr die Figuren am Aachener Puppenbrunnen zurechtzudrehen, um sie anschließend mit der Handykameraleuchte anzuleuchten, ist schon ein ganz spezielles davon.

Weißes Rad

Sony A7II mit Canon FD 50 F1.4, F2.8, 1/15s, ISO 2000
Sony A7II mit Canon FD 50 F1.4, F2.8, 1/15s, ISO 2000

Es war ein wirklich netter Abend beim Kreativen Stammtisch von Social Media Aachen in der WG, aber nach fast drei Stunden und dem dritten Bier zog es mich schließlich nach Hause. Doch als ich mein Fahrrad aufschloss, fiel mein Blick auf das.

Gute Fotos müssen weh tun, sagt mein Freund Andreas. Und manche Fotos kann man nur einmal im Leben schießen, sagt sein Freund Marc. Also krebste der Schreiber dieser Zeilen, obwohl sein linkes Knie nach einer Bänderzerrung fies schmerzt, noch gut eine Viertelstunde lang im verdämmernden Licht des Mittwochabends vor dem Justus K. über den Bürgersteig, um ein halbwegs brauchbares Bild dieses wunderschönen Mika Amaro Single Speed mit Riemenantrieb in Pearly White auf den Sensor zu bannen. Ein modern-klassisches Gegenstück zum altmodisch-klassischen roten Rad von Leipzig, das vielleicht mein heimliches Lieblingsfoto überhaupt ist.