Scheunenfund

Es als Gewinn an Lebensqualität zu empfinden, vor jedem Anlassen des Autos zehn Gedenksekunden für Rudolf Diesel einzulegen, dürfte vielen Menschen schwer zu vermitteln sein. Der Verfasser dieser Zeilen gehört zur kleinen Gruppe der Verrückten, denen das gelingt.

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Wir sind wieder da-haaa. Nach sechs Monaten Winterpause in Bauers Scheune. Und genau danach sah das moorbraunste Dieselcoupé aller Zeiten auch aus, als es gestern Abend ans Tageslicht rollte. Verstaubt, verdreckt, versifft – innen wie außen.

Aber angesprungen auf den ersten Schlüsselwink. Wie jedes Jahr. Wird schon wieder, auch 2009.

Gründe gibt es genug

So, nochmal zum Thema „Warum ich einen W123 fahre“. Kurze Zeit nach dem Foto im letzten Beitrag ist die Reserveleuchte denn doch noch angegangen – bei etwa 920 Kilometern.

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Sie ist angeblieben, auch als der Tageskilometerzähler nach 999 Kilometern wieder auf 0 sprang. Sie ist angeblieben bis heute Nachmittag. Da haben wir beide gerade noch die 1100-Kilometer-Marke geknackt. Mit einer Tankfüllung. Manchmal will man’s halt wissen.

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Falls man mir nicht glaubt: In das 80-Liter-Fass hinter der Rückbank gehen mindestens 80,46 Liter rein. Ich glaube, es war ganz okay, nicht noch zu versuchen, mit den letzten Tropfen nach Hause zu kommen.

Ein weiterer Grund, weshalb ich W123 (Diesel) fahre, ist der Durchschnittsverbrauch: 7,30 Liter auf 100 Kilometer. Und da war Stadtverkehr ebenso enthalten wie die Jagd auf der A31 am Samstag vor einer Woche, als das GPS auf ebener Strecke echte 160 km/h anzeigte (der Tacho natürlich knapp 180).

Nischt schlescht für eine Disel.

Selbst erklärend

Im Forum aller Foren wurde neulich gefragt, warum wir W123 fahren. Sonderlich originelle Antworten sind mir dazu nicht eingefallen („Wohnzimmergefühl und überhaupt“), aber im nachhinein hätte ich da noch eine anzubieten.

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907 Kilometer mit einer Tankfüllung. Und die Reserveleuchte ist noch nicht mal an. Danke, Axel, für den 80-Liter-Tank.

Abschied

Ein letzter Besuch. Das war’s. 1,29 Euro die Flasche.

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Über drei Jahre lang bin ich alternativ gefahren. Und habe ein gutes Gewissen gehabt. Mir kann keiner erzählen, dass es für diesen Planeten schädlicher ist, ein Holsteinischer Rapsbauer beackert mit seinem Trecker ein Feld, als dass andernorts riesige Bohrinseln gebaut und im Ozean versenkt werden, um Rohöl aus der Erde zu pumpen, das mittels riesiger Pipelines zu riesigen Raffinerien gebracht wird um dort in einem chemischen Verfahren unter anderem in Benzin umgewandelt zu werden (der Rest wird abgefackelt), das wiederum mit riesigen Pipelines, riesigen Tankern und einer riesigen Flotte von Tanklastern zum Endverbraucher gefahren wird –

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– also, dass der Rapsbauer der Böse in diesem Spiel ist.

Wie dem auch sei. Es ist vorbei. Diesel 1,309, für zwei Cent weniger habe ich’s inzwischen auch schon gesehen. Das da auf dem Bild ist der erste Dieselrüssel, der seit Mai 2005 den Tankstutzen des Moorbraunen penetrieren darf. Sie wird mir fehlen, die duftende Fahne.

Und der Motor lief auch besser mit dem Zeug.

Ein Benz fliegt durch die Nacht –

Ein rechtes Bein ist durchgedrückt.
Ein Gaspedal berührt den Boden.
Die gelbe Nadel steht auf 160.

Das Scheinwerferlicht
frisst in rasender Jagd die linke Spur.
Vorbei am Güterzug rechts.
Laster an Laster,
doch die Bahn ist frei.

Ein Benz fliegt durch die Nacht –

Die Gedanken eilen dem Licht voraus:
vier Stunden nach Norden.
Die Nachrichten schlecht.
Die Ärzte besorgt.

Was scheppert im Auspuff?
Anhalten, nachschauen?
Nein, brummt der Diesel.
Ich bringe dich hin.

Weit wird das Land,
das Ziel rückt näher.
Kilometer um Kilometer.

Nebel über dem Asphalt.
Die Hand greift zum Schalter.
Verdoppelt der Lichtstrahl;
nur weiter, nur weiter.
Gleich da!

Tags drauf –

Ein Benz fährt durch die Nacht.
Das Radio spielt leise Musik.
Die Gedanken des Fahrers schweifen zurück.
Alles sieht gut aus.
Der Patient scherzt wieder.
Die Sorgen verflogen.

Bergiger schon das Land.
Das Zuhause kommt näher.
Kilometer um Kilometer.

Es scheppert im Auspuff.
Egal, brummt der Diesel.
Ich bring dich zurück.

Groß rausgebracht

iPunkt_Marc-HeckertAch ja, so sah der Bericht in unserem Mitarbeitermagazin (Ihr wisst schon, das Fotoshooting) aus. Hat sie sehr hübsch geschrieben, die Sarah. Und Stephan hat es geschafft, dass ich auf dem Aufmacherbild auch fast halb lächele.

Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass ich mir den Satz „irgendwann hat man keine Freunde mehr, die nicht auch einen W123 fahren“ zu eigen gemacht habe. Den hat Jürgen ihn in ähnlicher Form schon auf Surfblau geschrieben. Auch die konfuzianische Weisheit* von der Entschleunigung des Reisens habe ich irgendwo aufgeschnappt, vielleicht hier beim Spiegel.

* Der Meister hätte natürlich zweifellos dem OM615 den Vorzug gegeben

Olle Kamellen

Seit ich das Blog angefangen habe, nehme ich mir vor, den großen Stapel Fotos einzuscannen, die noch aus der Zeit vor der richtigen Fotografie stammen. Es sind zwei Kartons voll.

Seltsam: Es ist inzwischen, als ob Abzüge auf Papier gar nicht mehr existierten. Wann nimmt man sich noch die Zeit, sich die Dutzenden von Umschlägen anzugucken, in denen jeweils ein Stapel Fotos mit fettigen Fingerabdrücken liegt, dessen Reihenfolge inzwischen längst durcheinandergeraten ist?

Heute bin ich die ersten der ganz, ganz alten Bilder durchgegangen und habe einige eingescannt:

– Fotos vom roten Corsaren, meinem 1991 gekauften ersten Auto (sofern man diesen Begriff denn auf das bisschen Blech und Plastik mit seiner lieblosen Verarbeitung und dem noch liebloseren Design anwenden möchte),

– die ersten Bilder vom Moorbraunen überhaupt, im Juni 1993 bei Dämmerlicht mit der Pocketknipse fürchterlich vergeigt, und

– eine erste Bildserie vom Schottlandjahr: Eine mehrtägige Fahrt auf die Isle of Skye vom Oktober 1993. Mit Burg und Highlandhügeln. Probe gefällig? Da:

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Link des Tages:
Wer sich nach den fiesen Fotos noch weiter gruseln möchte, lese diesen Artikel auf Spiegel Online. Kurz zusammengefasst: Die Ölpreise werden schon sehr bald weiter drastisch steigen, denn die Vorräte gehen viel schneller als erwartet zur Neige.

Aber das ist ja eigentlich auch eine olle Kamelle.

Neues von der Autobahn (3)

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie die Grundausstattung an menschlichen Instinkten auch heute noch funktioniert, einige Millionen Jahre, nachdem wir von den Bäumen runter sind. Erst heute Morgen habe ich es wieder erleben dürfen. Auf der Autobahn.

Auf der A 544 nämlich – das ist das kurze Stück zwischen Europaplatz und Aachener Kreuz – flatterten drei dicke schwarze Vögel aus den Bäumen und überquerten ziemlich tief die Fahrbahn. Dummmerweise just in dem Moment, da der Schreiber dieser Zeilen unter voller Ausnutzung der erlaubten 100 Stundenkilometer den Würselener Berg hochdieselte. Für beide Seiten war es ein schlecht gewählter Zeitpunkt. Ganz besonders für Vogel Nummer drei.

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Es hat ganz schön geknallt. Sogar der Innenspiegel war danach verstellt.

Frage: Wie reagiert ein Homo Sapiens des Jahres 2008, wenn rund 10.000 Jahre nach dem Tod des letzten Säbelzahntigers ein potenziell schädliches Tier mit hoher Geschwindigkeit näherkommt?

Antwort: Auch nicht schlauer als sein Urahn. Der hätte vielleicht noch zum Speer gegriffen, dem mit der Klinge aus Feuerstein. Da diese Art der Verteidigung heute nicht mehr verfügbar ist, zieht Homo Sapiens ’08 mit einem „Hiiiirrrch“-ähnlichen Geräusch die Luft ein und reißt sich die rechte Hand schützend vor’s Gesicht.

Ein ausgesprochen dämliches Verhalten im Zeitalter der Windschutzscheibe aus Doppelverbundglas. Kann doch gar nichts passieren. Im Gegenteil, die Instinkte hätten frohlocken müssen: Hey, eine leckere Zwischenmahlzeit! Rechts ranfahren und mit Stöckchen auf dem Standstreifen ein Feuer gemacht!

Das wäre ein Beweis für Evolution gewesen. Schade. Offenbar wird es noch mindestens weitere 10.000 Jahre dauern, bis Autofahrer in der Viertelsekunde vor dem Vogelschlag mit der linken Hand das Lenkrad etwas fester halten und mit der rechten das Radio lauter drehen.

Aber eigentlich sollte ich ja froh sein. Froh, dass gerade kein Speer im Auto lag. Sonst hätte ich jetzt nicht nur Federreste an der Dachkante, sondern auch noch Feuersteinsplitter im Armaturenbrett.

Leopardenlook

Fränkischer Blütenstaub ist zäher als Aachener Regen. Das muss man völlig wertfrei feststellen. Beim gestrigen Platzregen hatte ich noch gedacht „na, wenigstens hab ich jetzt ein sauberes Auto“. Doch die Pollen haben sich nur zu hübschen Tüpfeln zusammengerottet. Eine Art negativer Leopardenlook.

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Hätte mir ja egal sein können, wenn nicht gerade heute Nachmittag eine Fotosession angesetzt gewesen wäre. Das Coupé und ich, wir werden nämlich berühmt. In der nächsten Ausgabe der Verlags-Mitarbeiterzeitung „iPunkt“ wird uns eine Seite gewidmet sein – in der Rubrik „Bizarre Hobbys unserer lieben Kollegen“. Und da die Schlagzeile „Marc Heckert fährt ein gepunktetes Auto“ noch dämlicher klingen würde als „Marc Heckert fährt ein braunes Auto“, musste ich heute Mittag zum zweiten Mal innerhalb von einer Woche in die Waschanlage. Nennt mich eitel, aber hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott(lieb Daimler) helfe mir.

Immerhin hatte ich einen netten Wortwechsel mit dem Waschwart (oder wie man diese Leute nennt, die für das Vorspiel mit dem Kärcher zuständig sind). „Schöne Mercedes hast du“, sprach er lächelnd ins Fenster. „Willst du verkaufen?“ – „Niemals“, sprach ich ebenso lächelnd zurück. Was ihn nicht zu wundern schien. „Das ist echter Mercedes.“ „Der letzte Echte“, stimmte ich zu. Dann öffneten sich die Schleusen vor mir.