Das Geschenk

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5, 1/60s, ISO 200, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5, 1/60s, ISO 200, 20 mm

Doch lieber etwas näher an die Säule ran? Oder lieber an die Bahnsteigkante? Soll noch ein Stück des weißen Empfangsgebäudes links hinten zu sehen sein?

Es ist gegen halb neun Uhr am Montagabend, ich stehe auf Bahnsteig 1 des Eschweiler Hauptbahnhofs und bin zufrieden. Der Tag liegt hinter mir, die C-Klasse habe ich gerade in der Indestadt beim Schrauber abgegeben, jetzt warte ich nur noch auf eine Regionalbahn, die mich zurück nach Aachen-Rothe Erde schaukeln wird. Ob sie in einer Minute kommt oder erst in fünfzehn, was macht das schon. Endlich habe ich Ruhe, der Rest des Abends gehört allein mir. Die Wartezeit am Bahnsteig ist geschenkte Lebenszeit. Und so ein Geschenk darf man denn auch einfach mal annehmen, darum habe ich auch gar nicht groß auf den Abfahrtsplan geschaut. Es kommt eh alle halbe Stunde etwas Passendes vorbei.

Blende ganz aufreißen bis 2.8 und cremiger Hintergrund? Oder lieber ganz schließen bis auf 16 und dafür durchgängig Schärfe im Bild?

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f16, 1/60s, ISO 3200, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f16, 1/60s, ISO 3200, 20 mm

So ein menschenleerer Bahnhof schreit ja geradezu nach einem Stimmungsfoto. Etwas trist, ja – aber auch wunderbar kontemplativ. Diese Stille, dieser Dornröschenschlaf, nur alle halbe Stunde unterbrochen für die wenigen Minuten, in denen hier Betrieb herrscht. Dann der Abfahrtpfiff – und wieder Ruhe.

Das kleine Zeitgeschenk lässt sich wunderbar nutzen, um ein bisschen mit der Kamera – diesmal ist das flache 20-Millimeter-Pancake drauf – herumzuspielen. Belichtungskorrektur, Weißabgleich und Verschlusszeit schon so einzustellen, dass ich mich gleich ganz auf den einfahrenden Zug konzentrieren kann. Den Standort und den Winkel wählen. Ich denke, ich mache eine Serienaufnahme und entscheide mich dann später zu Hause beim Sortieren der Bilder für das, auf dem die Lok an der richtige Stelle steht.

So langsam könnte allerdings mal etwas kommen. Seit 20.28 Uhr eigentlich, um genau zu sein. Das ist jetzt schon vier Minuten her. Verspätungsanzeigen gibt es hier ebensowenig wie den guten alten Bahnhofsvorsteher mit Kelle und Trillerpfeife. Es gibt nur mich.

Und eine böse Ahnung. Die sich beim Studieren der Aushänge im Fahrplanschaukasten bestätigt: Von Juni bis August verkehren in Eschweiler-Hauptbahnhof keine Züge. Gleisbauarbeiten. Dunkel steigt die Erinnerung an die Berichterstattung in der eigenen Zeitung hoch. Ach ja, da war was…

Zum Glück ist es nicht ganz so weit bis zum Haltepunkt Eschweiler-West der Euregiobahn. Eine knappe halbe Stunde und einen strammen Fußmarsch später – es hat inzwischen angefangen zu nieseln – kommt denn tatsächlich endlich ein Triebwagen angerollt. So ersehnt sein Anblick denn auch sein mag: Fotografisch ist er bar jeden Reizes.

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Ich bitte um Nachsicht, Ihr Lieben, dass ich euch das perfekte Foto einer in abendlicher Stimmung in den Eschweiler Hauptbahnhof einfahrenden Regionalbahn wohl noch etwas schuldig bleiben werde. Das Zeitgeschenk war mir denn doch ein bisschen zu groß.

Profiliga

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/8s, ISO 3200, 40 mm
Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/8s, ISO 3200, 40 mm

Ist das nicht ein tolles Foto? Knackscharf, lebendige Farben, präzise abgebildet bis ins feinste Detail. Jeder Stein des Ponttors ist bis in die Poren zu erkennen. Und das bei freihändigem Fotografieren in tiefster Nacht. Trotz ISO 3200 rauscht da nichts. Toll, was Digitalkameras heute alles können, gell?

Aus meiner Sicht hat das schöne Foto nur einen Fehler: Es ist nicht von mir. Beziehungsweise nicht von meiner Kamera. Es stammt von James, meinem Couchsurfing-Gast übers Wochenende. Der Mann aus San Francisco entpuppte sich nicht nur als überaus freundlicher, gebildeter und angenehmer Zeitgenosse. Er hatte auch so ziemlich das Beste an Kamera dabei, was man heute als ambitionierter Amateurfotograf aus der Tasche (in seinem Fall ein Rucksack) ziehen kann: eine Canon EOS 5D Mark III mit 24-105-Millimeter-Zoomobjektiv. (Bilder und ein Video dieser Kombination gibt es hier bei CNet.)

Bei unserem obligatorischen kleinen Stadtrundgang am Freitagabend bot sich die spannende Möglichkeit, diese Spiegelreflex aus der Profiliga einmal mit meiner kompakten Sony Nex-6 zu vergleichen. Und plötzlich sah meine geliebte kleine Systemkamera, bei all ihren hier immer wieder lang und breit besungenen Vorteilen, zum ersten Mal ziemlich alt aus. So bildete sie dasselbe Motiv ab:

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f1.8, 1/60s, ISO 3200, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f1.8, 1/60s, ISO 3200, 32 mm

Zugegeben: Meine Kleine schlug sich eigentlich ganz wacker. Auf den ersten Blick – und im kleinen Vorschaubild oben – fallen beim Ponttor-Motiv die Unterschiede in der Bildqualität gar nicht einmal so sehr ins Gewicht. (Den Weißabgleich der Nex hatte ich auf „schattig“ gestellt, daher der Farbunterschied.) Auch war mit dem 32-Millimeter-Zeiss das beste Objektiv meiner Mini-Sammlung drangeschraubt, das zumindest auf dem Papier in puncto Lichtstärke mit seiner Blende 1.8 sogar Vorteile gegenüber dem riesigen Kit-Zoom der Canon mit seiner durchgängigen f4 hat. Hätte ich etwas abgeblendet, wären die Bildränder wohl auch etwas schärfer geworden.

Beim Heranzoomen ans Motiv – hier muss meine Festbrennweite natürlich passen – spielt die Profikamera dann aber natürlich die Stärken ihres Vollformat-Chips aus – ganz zu schweigen von der automatischen Bildstabilisierung:

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/10s, ISO 3200, 105 mm
Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/10s, ISO 3200, 105 mm

Nun gut, irgendwo muss ja auch ein Unterschied zwischen einer Kamera-Objektiv-Kombi für 3500 bis 4000 Euro und einer für 1100 bis 1600 Euro sein. Hier dasselbe Motiv, wie es Letzere interpretierte:

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f1.8, 1/60s, ISO 3200, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f1.8, 1/60s, ISO 3200, 32 mm

Ich muss zugeben: Ich war ernüchtert. Wenn James und ich nach dem Fotografieren auf die Zoomtasten unserer Kameras drückten, lagen Welten zwischen dem, was die Displays zeigten. Da blieb mir meist nur ein „whow“.

Andererseits: Bei den besseren Bedingungen ein paar Stunden vorher im helleren Abendlicht lagen wir gar nicht einmal so weit auseinander. So sah die Canon den Blick auf den Hof…

 Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/30s, ISO 100, 50 mm

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/30s, ISO 100, 50 mm

…und so die Sony:

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f8, 1/15s, ISO 125, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f8, 1/15s, ISO 125, 32 mm

Hier gefällt mir das Ergebnis der Nex sogar besser. Bei meiner Aachener Lieblingsperspektive sah die Sache dann wieder umgekehrt aus…

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4.5, 1/40s, ISO 100, 35 mm
Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4.5, 1/40s, ISO 100, 35 mm

…denn das ist bei der Sony etwas dunkel geraten:

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f4, 1/60s, ISO 100, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f4, 1/60s, ISO 100, 32 mm

Keine Frage, you get what you pay for. Gerade bei schwierigen Lichtverhältnissen spielt die 5D in einer anderen Liga – und ihre Gegner an die Wand, dank Riesenchip und Bildstabi. Allerdings hat das Spitzengerät – abgesehen von seinem spitzenmäßigen Preis, für den man auch einen Gebrauchtwagen bekäme – noch einen gewichtigen Nachteil: Wuchtige 1,7 Kilogramm wiegt das wasserdichte Magnesiumgehäuse samt Objektiv, von den schieren Ausmaßen ganz zu schweigen. Dagegen tragen sich die 540 Gramm der Sony samt Touit-Objektiv geradezu von selbst. Wie lange ich eine 5D bei den Kölner Lichtern über Kopfhöhe hätte stemmen können, wage ich nicht zu ahnen – was im übrigen auch witzlos gewesen wäre, denn ein Klapp- oder Schwenkdisplay hat die Canon nicht.

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/15s, ISO 100, 47 mm
Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/15s, ISO 100, 47 mm

Nimmt man so ein Trumm von Kamera überhaupt öfter als zwei- bis dreimal pro Jahr aus dem Schrank? Das muss jeder selbst wissen.

Wer seine Bilder in Postergröße an die Wand hängen möchte, ist mit dem 22-Megapixel-Sensor der EOS natürlich besser bedient als mit den 16-Megapixeln der Sony. Wem es dagegen genügt, seine Bilder in digitaler Form anzuschauen, wird selten mehr als rund 2000 Pixel Breite brauchen – und dürfte bei der überwiegenden Mehrzeit der Standardmotive mit dem kleineren APSC-Sensor gar nicht so schlecht fahren.

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f6.3, 1/25s, ISO 250, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f6.3, 1/25s, ISO 250, 32 mm

Auch bei etwas schwummerigeren Beleuchtungsverhältnissen, in denen es eher auf Stimmung und Farben ankommt, sind sowohl Canon…

Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/10s, ISO 100, 32 mm
Canon EOS 5D Mark III mit 24-105mm, f4, 1/10s, ISO 100, 32 mm

…als auch Sony in der Lage, reizvolle Bilder zu erzeugen:

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f2.8, 1/60s, ISO 640, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f2.8, 1/60s, ISO 640, 32 mm

(Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, euch den exzellenten Flammkuchen des La Jeunesse in der Pontstraße wärmstens ans Herz zu legen.)

Was bleibt nach diesem Spaziergang unterm Strich stehen? Die Unterschiede zwischen der Spiegelreflex-Profiliga und einer Edelsystemkamera können selbst bei Alltagsmotiven erheblich sein. Müssen es aber nicht, vor allem nicht bei Schnappschüssen unter normalen Bedingungen. Bei ernsthaft künstlerischem oder professionellem Anspruch, ob Landschafts- oder Sportfotografie, dürfte die Vollformatkamera natürlich ruckzuck in unerreichbare Sphären abheben.

Sollte es also einmal ein paar Tausender auf mein Konto regnen…

….ach nein, dann buche ich lieber einen Flug nach Asien. Nepal vielleicht nochmal, Kambodscha oder Vietnam. Und die Nex stecke ich in den Rucksack. Tolle Fotos bestehen ja doch nur zum Teil aus dem, was Technik und Fotograf hinter der Linse zustandebringen. Der Rest ist immer noch das, was sich davor abspielt.

Kölner Lichter

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(Note to self: Nächstes Mal schon zwischen 19 und 20 Uhr antanzen. Campingstühle und Picknickkorb mitbringen. Paar Wunderkerzen. Platz an Uferpromenade sichern. Und vor allem: hohes Stativ. Auch eine kleine Nex-6 lässt sich mit Teleobjektiv nur untoll eine halbe Stunde lang über den Kopf halten.)

Schnuckelvergleich

Kollege Amien schaut in der Onlineredaktion vorbei, seine Olympus OM-D in der Hand, Modell E-M10. Ein hochinteressanter und bildschöner Vertreter der Micro-Four-Thirds-Klasse – mit der älteren Schwester E-M5 hatte ich im Verlauf meines nicht enden wollenden Kamerakaufmarathons im Sommer 2013 auch geliebäugelt. Am Ende wurde es, ich erwähnte es vielleicht schon einmal, ja Sonys Nex-6. Da werden die beiden Schnuckel doch gleich mal zum Vergleich nebeneinandergelegt.

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Dafür, dass sie Konkurrenten in derselben Publikums- und Preisklasse sind (die Olympus OM-D E-M5 war vor zwei Jahren allerdings nochmal runde 200 Euro teurer, wenn ich mich recht erinnere), könnten diese beiden Systemkameras unterschiedlicher kaum sein. Die Olympus glänzt im klassischen Retro-Design der OM-Serie aus den 70er-Jahren – noch klarer kommt das bei der silber-schwarzen Variante zum Tragen – mit Sucheraufbau in Pentaprisma-Optik.

Sie setzt auf ein deutlich anderes Bedienkonzept: Ihr Gehäuse ist dicht besetzt mit Rändelrädchen und Mini-Tasten für diverse Funktionen. Die Sony-Designer verfolgten dagegen eine nüchtern-kantige, reduzierte Designlinie. Bei ihr muss man deshalb öfter mal ins – leider nicht allzu übersichtliche – Menü. Wer gerne „von Hand“ fotografiert, wird an den vielen manuellen Einstellmöglichkeiten der E-M10 jedenfalls seine helle Freude haben.

Bei der Olympus sitzt zudem der Stabilisator in der Kamera, ist also grundsätzlich verfügbar. Bei der Sony muss ihn das Objektiv mitbringen – was zur Folge hat, dass ich etwa mit dem abgebildeten Zeiss Touit gar keine Bildstabilisierung habe, weil der Objektivhersteller keine eingebaut hat. Dafür ist das kompakte Gehäuse der Nex, vor allem mit aufgesetztem Pancake-Objektiv, deutlich jackentaschenfreundlicher.

Was mir an der E-M10 sofort gefällt, ist der große Touchscreen. Einen Fokuspunkt per Fingertipp zu setzen, ist so viel einfacher, als ihn bei der Sony über die Flexible-Spot-Funktion mit dem Steuerrad in die richtige Bildschirmecke zu flippern. Es bleibt mir ein Rätsel, warum Sony seinem Oberklassenmodell – wie auch dem aktuellen Nex-6-Nachfolger Alpha 6000 – dieses in jedem Billig-Smartphone verbaute Ausstattungsmerkmal vorenthält, während die Einsteigerklasse von Nex-5 und Alpha 5000 es seit Jahren an Bord hat. Ein Touchscreen würde auch die Bedienung des Menüs enorm vereinfachen, ganz zu schweigen vom Eintippen der Bildbeschriftungen bei der Direkt-Upload-Funktion von Bildern zu Facebook oder Flickr. Die ich im übrigen aus genau diesem Grund auch nur zweimal genutzt habe: zum ersten und zum letzten Mal.

Gemeinsam ist beiden Kameras die Auflösung des Sensors mit rund 16 Megapixeln. Der MFT-Chip der Olympus ist dabei allerdings 17,3 x 13 Millimeter groß, der APS-C-Sensor der Sony hat 23,5 x 15,6 Millimeter, so wie die meisten Spiegelreflexkameras. Für mich war das damals eines der ausschlaggebenden Kriterien, denn die Sensorgröße hat direkten Einfluss auf Lichtstärke und Bildqualität. Nicht, dass bei Vergleichsfotos im Netz die Olympus einen schlechteren Eindruck gemacht hätte.

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Auch WLAN haben beide an Bord, sowie eine ganze Palette an Extrafunktionen für Spezialeffekte und Bildbearbeitung. Einen ganz großen Unterschied macht die Handhabung: Der schlanke Olympus-Body mit seiner schmalen Griffkante an der Vorderseite lässt sich zwar beim Fotografieren grundsätzlich gut halten. Bei längerem In-der-Hand-durch-die-Gegend-Tragen wäre das filigranere, knöpfchenübersäte Gehäuse für meine großen Hände aber zu fisselig. Vor allem mein Daumen findet kaum Ablagefläche (was natürlich auch eine Frage der Gewöhnung sein kann).

Der glatte Sony-Korpus mit seinem weit hervorstehenden Griff hält sich dagegen fast wie von allein und ist, auch mit etwas größeren und schwereren Objektiven, sehr angenehm ausbalanciert. Die Kamera hängt sich geradezu selbst an die Fingerspitzen meiner rechten Hand. Bei längeren Wanderungen habe ich das immer als überaus angenehm empfunden und darum auch bis heute nur eine Handschlaufe zur Sicherung angebracht.

Ein interessanter Vergleich also, auch wenn der Eindruck bei der Handvoll Minuten, die wir Zeit haben, natürlich ein arg oberflächlicher bleiben muss. Der Wunsch, meine Sony morgen bei Ebay einzustellen, kommt mir jedenfalls nicht – was auch gut ist, denn wer sich einmal für eine Kameramarke oder Klasse entschieden und Geld für Objektive ausgegeben hat, ist erst einmal festgenagelt.

Aber der kurze Blick auf die Konkurrenz zeigt mir doch, wie reizvoll die Alternativen zu meiner Wunschkamera sind. Und wie dicht die Spitzenmodelle einerseits beieinander liegen und doch so unterschiedlich sind. Sowie, zuguterletzt: Dass das nächtelange Grübeln vor zwei Jahren über ungezählten Kamerablogs, Fotomagazinen und Vergleichstabellen im Netz doch nicht in einer krassen Fehlentscheidung gemündet hat.

Nächtliches Theater

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f22, 25s, ISO 100
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f22, 25s, ISO 100

Oben: Ein erster Versuch mit Langzeitbelichtung.

Unten: der Versuchsaufbau. Die „Touchless Shutter“-App der Sony ist schon nett: Man wedelt mit der Hand vor dem Annäherungssensor am Sucher (der von Display auf Sucher umschaltet, sobald man die Kamera ans Auge hält) und betätigt so den Auslöser. Keine Erschütterung, kein Warten auf den Selbstauslöser, kein Gefummel mit irgendwelchen Kabeln oder Fernsteuerungen. Danke, Sony.

Nachttheater230917

Tierisches Glück

Hundi war nicht glücklich. Schon als ich mein Fahrrad neben dem Eingang des Hirsch-Centers in den Ständer parkte, neben dem man ihn angebunden hatte, warf der kaum vierzig Zentimeterchen hohe Miniaturwuschel abwechselnd erbarmungswürdige Blicke um sich und den Kopf in den Nacken, um ein „auuuuuuuuh“ in den Aachener Abendhimmel zu heulen, wie es Loriots Wum seligen Angedenkens nicht trauriger hinbekommen hätte.

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Als ich eine Viertelstunde später, bestückt mit Brot, Badeschwamm und Putensalami, wieder aus dem Einkaufszentrum gestiefelt kam, war ich etwas überrascht, das so lauthals einsame Tierchen immer noch dort sitzen zu sehen.

Eigentlich geht einen sowas ja gar nichts an.

Andererseits ist es aber auch kein schlechtes Motto, das eine oder andere Wesen, dem man auf seinem Weg durchs Leben begegnet, glücklicher zurückzulassen als zuvor. Und wie oft hat man schon einen Satz Putensalamischeiben in der Fahrradtasche dabei?

Doch das Leben kann sehr hart sein zu Taschenhunden. Da hatte arm klein Wauzi so lange gelitten – und just als der fremde Mann die Wurstpackung aufgenestelt hatte, kam Frauchen samt Freundin zurück. Ausgerechnet!

Doch auch wenn sich das Hundi jetzt ebenso lauthals wie wedelschwänzelnd freute, seine Leinenträger wieder zurückzuhaben – sollte man für so viel Wartezeit und Einsamkeit nicht auch wenigstens eine winzige materielle Entschädigung bekommen dürfen?

Frauchen nickte lachend. Und Hundi schaffte es, gleichzeitig am Bein seiner Zweibeinerin auf- und abzuspringen, zu bellen und mit einem Schnauzenhapps die sich von oben nähernde Salamischeibe aus meinen Fingern zu schnappen.

Während ich dem geräuschvoll von dannen ziehenden Trio nachschaute, bildete ich mir ein, Hundis Schwänzchen hätte glatt nochmal an Drehzahl zugelegt. Auch in einem Hundeleben gibt es halt Tage, da darf man einfach mal tierisches Glück haben.

Lichtspieltheater

Eine Sache muss einem von vornherein egal sein, wenn man mit einem fürs Gewicht untergroßen Körper ausgestattet ist und an diesem Umstand etwas ändern möchte: Wie man beim Trainieren aussieht. Sport macht man halt nicht, um dabei eine gute Figur abzugeben, sondern davon um eine zu bekommen. Ob da etwas schwabbelt, hängt oder hüpft, hat einem gleichgültig zu sein, sonst bleibt man auf ewig in den Klauen von Schwerkraft und Statik gefangen.

Dies selbstbewusst in den Raum gestellt habend, muss ich einräumen, bei körperlicher Betätigung schon einige Male ein reichlich komisches Bild abgegeben zu haben. An jenem späten Winterabend auf der Finnbahn Königshügel etwa, als es so dermaßen kalt zu schneeregnen anfing, dass ich nach Runde zwei kurz am Auto stoppen und mir den Taschenschirm aus der Beifahrertür holen musste. An diesem Abend habe ich die Sportart Schirmlauf erfunden. Gesehen haben es gottseidank nur wenige und von mir erfährt es keiner.

Auch damals, beim Hermannslauf 2006, als ich wohl als einziger Teilnehmer ein Handy dabei hatte und so bei Kilometer 30 der Bodencrew das nahende Ende der überlangen Wartezeit ankündigen konnte, haben die neben mir Keuchenden etwas zu Grinsen gehabt.

Zur Zeit ist es die Kamera, die mich aus der anonymen Menge der Waldläufer abhebt. Sonys Nex-6 spielt ihren Vorteil, so viel kleiner und leichter als eine Spiegelreflexkamera zu sein, nämlich erst dann voll aus, wenn man sie mit zum Joggen nimmt. Das geht tatsächlich.

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Es hilft also nichts, Ihr Lieben. Wir müssen nochmal in den Wald.

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Das Abendlicht ist nämlich heute einfach zu schön.

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Das glitzert im Laub, das spielt im Moos, das leuchtet im Farn.

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Fast könnte man querende Wildtiere von rechts übersehen…

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…oder andere Waldbewohner mit eingebauter Vorfahrt.

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Getreu dem Motto, dass die beste Kamera die ist, die man dabei hat, habe ich mir am vergangenen Wochenende noch ein weiteres Objektiv zugelegt: das Sony SEL 20f28, ein Weitwinkelobjektiv mit 20 Millimeter Brennweite. In puncto Bildqualität kann es zwar bei weitem nicht mit dem kristallklaren Zeiss Touit f1.8/32 mithalten – aber als sogenanntes Pancake hat es den Vorteil, das kleinste Objektiv für Sonys E-Mount-Bajonett überhaupt zu sein. Sehr schön illustriert hier beim Phoblographer.

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Es trägt also nicht nur in der Jackentasche kaum auf, es lässt sich auch ohne Jacke sehr gut tragen. So stapft man doch gerne über matschige Reitwege und den sandigen Boden des Waldes, in dem sich die letzten Strahlen der Abendsonne brechen.

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Dann ist sie vorbei, die goldene Stunde. Und es stimmt, was man sagt: Du kannst jedes Foto nur ein einziges Mal in deinem Leben machen. Das Joggingschuh-Motiv bei der letzten Runde neulich (bei dem ich mich im nachhinein über zu wenig Tiefenschärfe geärgert habe) konnte ich diesmal bereits nicht mehr nachstellen – als ich die schöne Wegbiegung erreicht hatte, war das Abendlicht schon weg.

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Dafür bietet sich reihenweise Anderes zum Ablichten. Nachdem ich vor einem Jahr im Venn so fotografisch frustriert war, habe ich jetzt endlich das Gefühl, es geht voran. Plötzlich ist die Welt voller Motive.

Und wie man dabei aussieht, in kurzen Jogginghosen auf einem Waldweg vor einer Nacktschnecke zu knien? Na, das ist einem dann auch egal.

Aachen mit anderen Augen

Die Führung begann um 10 Uhr am Dom und das war in zehn Minuten. Entsprechend flotten Schrittes marschierten Eva und ich die Adalbertstraße hoch. Schließlich mussten wir auch noch die Karten kaufen.

Wir waren nur noch ein paar Schritte vom Eingang des Drogeriemarktes entfernt, als der junge Mann im Kapuzenpulli aus der Tür kam, die Hände voll mit kleinen Artikeln an den Bauch gepresst. Nein, er kam nicht. Er rannte, er spurtete, kaum dass er auf der Straße war, und im selben Moment schrillte auch schon der Alarm los.

Alles Mögliche schießt dem Zufallszeugen in solchen Momenten durch den Kopf. Was passiert da? Der klaut da gerade was! Du musst ihn aufhalten! Noch bevor mein Hirn zu komplizierteren Situationsanalysen vordringen konnte, etwa, ob es mit irgendwelchen Nachteilen verbunden sein könne, sich einem flüchtenden Straftäter in den Weg zu stellen, stürmte ich auf den hageren Jüngling zu, laut etwas von „bleib stehen“ brüllend. Erschreckt wich er aus, ich griff nach ihm, verfehlte ihn, rannte ihm nach, er stürzte aufs Pflaster, Rasierklingenpackungen flogen in alle Richtungen, er rappelte sich auf und raste mit Höchstgeschwindigkeit die Straße hinunter in Richtung Kaiserplatz.

Zurück blieben vier Viererpacks Gillette Fusion Pro Glide zu immerhin je 18,99 Euro. Vor den Augen mehrerer stehengebliebener Passanten sammelte ich die Packungen auf, trug sie in den Laden zurück und drückte sie, noch reichlich außer Atem, einer etwas verdutzten Kassendame in die Hände. „Sind Sie geschädigt worden?“, fragte eine ältere Kundin. „Nein, ich bin ihm nur nachgelaufen“, erklärte der Retter der Gilettes mit bescheidenem Stolz und leichtem Keuchen.

Wir haben es dann nicht mehr rechtzeitig zum Dom geschafft. Aber das schöne Gefühl, einmal im Leben nicht wie ein Depp mit offenem Mund von den Ereignissen überrollt worden zu sein, war die Stunde Wartezeit bis zur nächsten Führung schon wert.

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Der Blumenladen am Fischmarkt heißt Blütezeit, und hätten wir nicht unsererseits die unverhoffte Zeit genießen können, wären er und seine üppig blühenden Auslagen mir wohl gar nicht aufgefallen. Man sieht auch Altvertrautes mit anderen Augen, wenn man plötzlich gezwungen ist, es wahrzunehmen.

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Wie auch diese possierlichen Bommelblumen im Elisengarten. Überhaupt, der Elisengarten: An so einem sonnigen Tag ist er voller gut gelaunter Leute, die es sich auf den Stufen gemütlich gemacht haben, mit ihren Kindern auf dem Rasen Ball spielen oder im archäologischen Pavillon neugierige Blicke auf die freigelegten Mauerreste aus zig Jahrhunderten werfen.

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Aachen ist voller Seele an solchen Tagen. Ich empfinde es als ganz großes, intensives Glück, an genau dem Ort der Welt leben und arbeiten zu dürfen, an dem ich es möchte. Und ich möchte nirgendwo anders sein als genau hier, in dieser uralten Stadt, die irgendwie das Wunder vollbracht hat, sich ihr kleines großes Herz bis heute zu bewahren, allen Stadtbränden, Bombennächten, Endsiegkämpfen und Modernisierungwellen zum Trotz.

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Und dabei bis heute immer wieder das Öcher Augenzwinkern durchblitzen zu lassen. Ob im Doppeladler über dem Grashaus, dem neu eröffneten „europäischen Klassenzimmer„, in dem Schüler an Europa-Workshops teilnehmen…

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…dem Hinweisschild auf die Warteschlange an der Wursttheke eines Imbisses…

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…oder in der – doch garantiert studentischen! – Reaktion auf ein eigentlich gar nicht lustiges Statement.

Doch dann beginnt unsere Führung – das heißt, eigentlich sind es zwei: eine Stadt- und eine Domführung. Die ebenso fundierten wie gelegentlich verschmitzten Erklärungen unseres Ortssachkundigen – er heißt Ortwin Vahle und sei hiermit allen Wissbegierigen ans führerlose Herz gelegt – bieten selbst für Nicht-mehr-ganz-Neu-Öcher noch reichlich Neues. So hatte ich zum Beispiel bis zu diesem Tag geschafft, nicht mitzubekommen, dass der schöne Katschhof so heißt, weil dort die Menschen gekatscht, sprich: geköpft, wurden.

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Ja, man sieht seine eigene Stadt mit anderen Augen, wenn man mal veranlasst wird, etwas genauer hinzuschauen. Und den Dom? Wie erlebt man den Dom, wenn man professionell geführt und begleitet wird?

Man sieht andere Details. Man bekommt ein anderes Auge für die Mosaiken, die Muster, die Gewölbe und Gepränge. (Einzelheiten und Hintergründe möge der interessierte Leser doch bitte an geeigneterem Orte nachschlagen, vielen Dank für Ihr Interesse.)

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Und am Ende gruselt man sich doch leicht vor dem menschlichen Schädel im Epitaph von Johann und Jakob Brecht in der Seitenwand der Nikolauskapelle.

Ein paar Schritte vom Dom entfernt, kauert sich in eine Nische am Granusturm des mächtigen Rathauses der uralte hölzerne Postwagen, eine skurrile Gaststätte mit winzigen Räumchen, Treppchen und Bänkchen. Wo könnte man den Rundgang durch Aachen besser ausklingen lassen als hier, die Köpfe voller Bilder und die Füße müde vom Gang durch die winkligen Gassen – und dem morgendlichen Sprint hinter dem Langfinger her?

Und siehe da, noch einmal haben wir Glück und können Vertrautes mit neuem Blick genießen. Auf dem Markt findet eine Oldtimerrallye statt. Wo sonst Gebackenes, Geerntetes und Geschlachtetes über die Theke geht, rangiert, manövriert und paradiert jetzt Poliertes und Verchromtes direkt vor unseren Augen.

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Ach, Aachen. So alt und immer wieder neu. Fortsetzung folgt. Schon morgen.