…den 5000. Besucher seit dem 16. Juli auf Moorbraun.de! Fühl dich wie zu Hause, nimm dir einen Keks…
Neues aus Oranje-Land
[Magenta, das: Rotblaue Farbe, helles Purpur. M. war eine der ersten künstlich hergestellten Farben auf Anilinbasis. Benannt ist es nach der Schlacht von (der norditalienischen Stadt) Magenta 1859, da M. kurz nach diesem Ereignis erstmals produziert wurde]
Knapp 150 Jahre später tobt jetzt eine weitere Schlacht um die Befreiung von Magenta.
Magenta: Auch bekannt als RAL 4010, #FF0090 oder RGB 255-0-255. Zweiter Buchstabe im CMYK-Farbmodell, das seit 1890 jeder Drucker für die Produktion von Vierfarbseiten kennt. Cyan (Grünblau), Magenta (Rotviolett), Yellow (Gelb) und Key (Schwarz) sind die Basis für sämtliche bunten Printprodukte dieser Welt, vom Aldi-Werbeposter bis zum Wochenendmagazin unserer Zeitung.
Sämtliche? Halt, nicht ganz. Wenn ein deutsches Unternehmen auf den Gedanken käme, sein Logo oder einen Reklamespruch in Magenta zu drucken, würde es böse Post von der Telekom bekommen. Die hat sich nämlich die Farbe Magenta schützen lassen. Für Werbung. Was seinerzeit für Fassungslosigkeit und Gelächter sorgte, ist längst von deutschen Gerichten bestätigte Wirklichkeit: Eine Farbe gehört einer Firma – zumindest, was Werbung angeht. Es gruselt Sie dabei? Mich auch. Ich rechne es der Post, der Polizei und der Feuerwehr hoch an, dass sie dem fiesen Beispiel bis jetzt nicht gefolgt sind.
Hierzulande hat sich das Volk dem Diktat gebeugt. Es übt allerdings seit Jahren süße Rache dadurch, dass es dem rosa Riesen in Scharen davonläuft. Doch nun versuchen die Fernmelder aus Bonn, ihren Farbanspruch auch in den Niederlanden durchsetzen. Doch so schnell geben die Oranje-Jungs ihre Farbpalette nicht preis: Auf der Seite Freemagenta rufen sie zum Widerstand auf.
Und das mit viel Witz. Da werden schicke CMYK-Shirts (siehe oben) angeboten, da ist eine Photoshop-Palette zu sehen, auf der der Purpurton mit dem Hinweis belegt ist „Diese Farbe gehört Ihnen nicht. Bitte wählen Sie eine andere!“, da zeigt der Rosarote Panther, wie ihm stattdessen Blau stehen würde. Aus dem bekannten Marilyn-Monroe-Motiv des Malers Andy Warhol wird der Magenta-Ton entfernt. Zu sehen ist auch, wie die Schwulenbewegung ohne Rosa aussähe – wenn es nämlich statt „Gay Pride“ demnächst „Grey Pride“ heißen würde.
Die User-Kommentare am rechten Seitenrand sprechen Bände. „Wo kann ich den Buchstaben T sichern?“ fragt Lenny. „Ich beanspruche die (schwarze) Linie“, sagt Dirk Pereres. Und Yke Bartels fordert die Welt auf: „Setzt die rosa Brille ab!“
Recht hat sie. Nicht unterkriegen lassen, Leute! Mein Herz habt Ihr gewonnen. Gibt es die Shirts auch in XXL?
[via Martin Oetting in ConnectedMarketing]
Neues aus Landgraaf
Nein, ich werde der Dame nicht den Gefallen tun, ihren Namen oder ihr Etablissement zu nennen. Das hat die Dame nämlich nicht verdient. Verdient hat sie den ersten Platz auf meiner persönlichen Rangliste der am wenigsten kompetentesten E-Mailer des Jahres.
Die Dame hat ein Rundschreiben verschickt. Für die meisten solcher ziellos mit dem Schrotgewehr ins Netz gehusteten Massenverkündigungen haben die sie empfangenden Journalisten nur ein müdes Löschen übrig. Manchmal aber bieten die mehr oder weniger gekonnt formulierten Mailbomben zumindest Gelegenheit für Hohn und Spott.
So etwa vor einer Woche, als Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer eine Mail erhielt, bei der offenbar die Praktikantin der absendenen Werbeagentur vergessen hatte, den Text noch einmal zu korrigieren, den ihre Chefin ihr zur Weiterverbreitung zugeschickt hatte – so bekam Knüwer Elektropost mit dem Betreff „hi melli bitte einmal durch den Audi verteiler jubeln“. Da lacht der Fachmann, und die Pressestelle schämt sich.
Hohn und Spott allerdings blieben mir im Halse stecken, als meine Kollegin S. mir jetzt eine Einladung anlässlich der Eröffnung einer Gastronomie aus Landgraaf zeigte. Die Mail war nämlich nicht nur an so ziemlich jeden gerichtet, der im deutschen Teil des Dreiländerecks Rang und Namen hat (genauer gesagt, war sie an einen Großteil der gesamten Bevölkerung des Dreiländerecks gerichtet). Nein, die Absenderin hat auch sämtliche Adressen der Empfänger im Adressfeld sichtbar stehen gelassen. Alle. Alle 876. Kein Witz. Leider.
Die Reaktionen der Kollegen reichten vom andächtigen „sowas hab ich ja mein Lebtag noch nicht gesehen“ über fassungsloses „wie **** kann man eigentlich sein?“ bis zum anerkennenden „ich hätt nie gedacht, dass Mailprogramme sowas überhaupt können“. Hinter den 22.598 Buchstaben der Empfängerliste (ohne die etwa 900 Leerzeichen) folgt der eigentliche Nachrichtentext, ganze 22 Worte kurz. Angehängt ist ein Flugblatt zur Betriebseröffnung, aus geheimnisvollen Gründen gestaltet als Powerpoint-Präsentation mit nur einer Seite. Hoffentlich haben alle 876 Empfänger das entsprechende Microsoft-Programm auf ihren Rechnern. Sonst entgeht ihnen noch etwas.
Und was für eine interessante Empfängerliste das ist. Es sind Mitarbeiter der Aachener Bank und Sparkasse ebenso darunter wie der IHK, Caritas und Polizei, der Firmen Lambertz, Lindt und Zentis, Philips und Babor, alleine 39 Angehörige des Hauses Grünenthal, das Forschungszentrum Jülich steht einträchtig neben dem Fraunhofer-Institut, die halbe RWTH ist dabei, eine kleine feine Auswahl des Personals von Uni-Klinik, Stawag und Alemannia und viele, viele Namen mehr, die ich als Zugezogener noch nicht kenne. Aber ich weiß jetzt, welche Mailadresse Erik Meijer hat. Und Accom-Chef Ulrich Hacker. Und, und, und…
Auf der Minusseite steht die Sehnenscheidenentzündung, die man sich beim Scrollen dieses Who-is-Who des Aachener Landes zuzieht. Und wer die Nachricht ausdruckt (eine definitiv wenig kluge Idee), versprüht seine Tinte für mehrere Seiten, die ausschließlich E-Mail-Adressen enthalten. In der Schriftart Arial 12 Punkt sind es sieben eng bedruckte Blätter, siehe das Foto oben. Noch unlustiger wird es, wenn auch nur einer der Empfänger die komplette Adressliste an einen Spam-Versender weiterverkauft. Dann bekommen Erik und ich in Zukunft dieselben Werbemails für nächtliche Durchhaltemittelchen.
Liebe Frau X., machen Sie doch bitte mal eine neue leere E-Mail auf und werfen Sie einen Blick das Formular. Da unten hin, auf das geheimnisvolle Feld mit der Bezeichnung „Blindkopie“ oder „BCC“. Es ist das Feld, das Sie und viele andere noch nie benutzt haben. Es ist ein Zauberfeld. Der liebe Gott hat es für E-Mails mit mehr als einem halben Dutzend Empfänger geschaffen. Es bewirkt, dass die Adressaten nicht sehen, an wen das Schreiben noch alles geht. Wenn man es benutzt, wird niemand verletzt.
Versuchen Sie es ruhig mal. Ich bin sicher, viele Menschen im Dreiländereck werden Ihnen dafür danken. Aber nehmen Sie bitte nicht gleich Ihren kompletten Mailverteiler. Probieren Sie es für den Anfang erst einmal mit vier- oder fünfhundert Adressen.
Bis dahin: Viel Glück mit dem frisch eröffneten Geschäft. Hoffentlich ist die Küche mindestens so gut wie die Öffentlichkeitsarbeit.
Neues aus Australien
Es dringen ja nicht allzu oft Nachrichten vom fünften Kontinent bis zu uns nach Mitteleuropa. Zur Erinnerung: Australien, das ist das Land „da unten“ mit den Känguruhs, der heimlichen (und für Nicht-Australier weitgehend unverständlichen) Nationalhymne Waltzing Matilda sowie jeder Menge Sand. Aber sie machen auch hübsche Videos.
So wie dieses hier. Schlicht, verständlich, eingängig. Kann man sich durchaus mal angucken, auch wenn man keine Kinder hat.
Manchmal lohnt es sich, ans andere Ende der Welt zu gucken. Ich kenne jedenfalls eine Menge Leute, denen ich den Streifen gerne mal vorspielen würde.
[via Olaf in off-the-record]
Wer die URL am Ende nicht entziffern kann: Hinter „Children See, Children Do“ steckt die Initiative Childfriendly. Das ist eine Aktion der NAPCAN, der National Association for Prevention of Child Abuse and Neglect, zu deutsch Nationale Vereinigung zur Verhinderung von Kindesmissbrauch und -vernachlässigung.
Neues aus der Philosophie
Diese verdammte Zeitumstellung jedes Mal. Wie lange müssen wir diesen Schwachsinn eigentlich noch aushalten? Man kommt ja völlig aus dem Rhythmus. Sonntagnachmittag war immer so eine schöne Zeit zum Joggen. Gestern stand ich laufwillig auf dem Parkplatz im Wald und es war schon fast dunkel. Muss das sein? Muss das wirklich sein? Das war nicht die einzige Frage des Tages.
Immerhin bot sich so Gelegenheit, einmal die neue Stirnlampe auszuprobieren. Hätte ich das gute Stück letztes Jahr im Fachgeschäft gekauft, wie zuerst geplant, hätte ich wohl heute noch Pickel vom Ärgern. Damals sollte so ein Hochtech-Teil mit ultraheller und doch Strom sparender LED irgendwas um 70 Euro kosten. Gottseidank war ich zu knausrig, denn neulich gab es die Dinger im Supermarkt für 7,99 Euro. Keine Wegwerfware, sondern Made in Germany und ziemlich hochwertig verarbeitet.
Rätselhaft: Woher kommt so ein Preisunterschied? Wundert sich da jemand, dass wir das Volk der Schnäppchenjäger sind? Bleibt Geiz für alle Zeiten geil?
Allerdings ist nächtliches Joggen mit der Grubenlampe an der Stirn nicht die große sportliche Erfüllung, falls es jemanden interessiert. Auf guten Wegen geht’s noch, aber Schlammlöcher und Matschpfützen sieht man einfach nicht rechtzeitig. Wie kriege ich bloß nachher die Schuhe wieder sauber? Ausklopfen? Ausziehen? Kann man mit Strümpfen Auto fahren? Fragen über Fragen.
Vieles, allzuvieles im Leben bleibt ungeklärt. Warum spielt der MP3-Player im Zufallsmodus immer dieselben Stücke? Chris Reas La Passione ist wirklich schön, schrieb ich ja schon neulich. Aber es kommt jedesmal an der Kreuzung, wo mir mal ein Reh über den Weg gelaufen ist. Warum? Bin ich Bill Murray und es ist der Tag des Murmeltieres? Aber müsste dann nicht das unsägliche I Got You, Babe laufen?
Beim Laufen im Mondlicht kommt der Hobbyphilosoph ins Grübeln. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Natürlich: Vom Parkplatz, zum Parkplatz. Aber kann das schon die Antwort auf die große alte Frage der Menschheit sein? A propos Parkplatz: Was hat wohl das Pärchen im Auto gedacht, das ich dort bei meiner Rückkehr aufgeschreckt habe?
Der Mensch ist das Tier, das zweifelt. Doch so viel er auch fragt, die Götter strafen ihn mit Schweigen. Genug der Fragerei. Ab ins Auto, auch mit schmutzigen Schuhen.
Wie angenehm ist es, nach fast zwei Stunden müde und verfroren heim zu kommen, wo man sicher schon sehnlich erwartet und stürmisch begrüßt wird. Von jemandem, der nichts von Philosophie weiß und der niemals Fragen stellt.
Neues aus der Hölle
Todsünde, die: besonders schwere Sünde in der kath. Glaubenslehre (peccatum mortiferum)
Sieben Todsünden gibt es. Hochmut. Neid. Zorn. Völlerei. Trägheit. Wollust (von der ich als Kind dachte, sie habe etwas mit Pullovern zu tun). Und Geiz. Der ist besonders schlimm. Geiz geht gar nicht. Manchmal bestraft er sich allerdings selbst. So wie am Samstag.
Was man nicht im Kopf hat, muss man bekanntlich mit anderen Mitteln ausgleichen. Wer zum Beispiel auf dem jüngsten Konzert der Womanizers im Irish Pub „Wild Rover“ Fotos machen wollte und zwar an seine neue Pocketkamera gedacht hatte, nicht aber an frische Batterien, dem standen zwei Möglichkeiten offen. Er konnte das Defizit an Denkleistung mit Muskelkraft ausgleichen und sich nochmal nach Hause bewegen. Wo im Ladegerät zwei frische 1,5-Volt-Akkus mit der beeindruckenden Abgabeleistung von 2800 Milliamperestunden vor sich hinblinkten.
Die andere Möglichkeit bestand darin, sich flugs in den deutlich näher gelegenen nächsten Elektronikmarkt zu begeben (nicht der mit der geilen Geizwerbung, sondern der andere) und dort neuen Strom zu kaufen. Natürlich in Form von wiederaufladbaren Akkus, man ist ja kein Umweltschwein.
Doch holla, was sind die Dinger heutzutage teuer. Die Spitzenmodelle kosteten im Viererpack, wenn mich mein Gedächtnis im nachhinein nicht trügt, rund 25 Euro. Einwegbatterien sind zwar Umweltgift, aber, nun ja… ein Zehnerpack lag nur bei sechs Euro paarundfuffzich. Man muss sie ja nicht sinnlos in der Kamera verheizen, beruhigte ich das über meiner linken Schulter schwebende Gewissens-Engelchen. Wir machen nur ein paar Bildchen und lassen sie dann langfristig und nachhaltig von Wanduhren und Fernbedienungen leerzutzeln.
Aber was war das? Es ging sogar noch billiger! Eine Stange No-Name-Energiespender sollte nur läppische anderthalb Euro kosten, wohlgemerkt ebenfalls ein Zehnerpack. „Wenn jede von denen bloß fünf Bilder lang durchhält, reicht’s ja“, dachte ich, und der Knauser-Teufel auf meiner rechten Schulter nickte eifrig. Also auf damit zu Musik und Murphy’s. Das leise Schluchzen des Engelchens überhörte ich.
Fünf Bilder? Schön wär’s gewesen. Oder sehen Sie hier irgendwo Konzertfotos? Ob es an den Batterien lag, an der Kamera, am verdunsteten Stout-Bier in der Luft oder den rockigen Rythmen (die Womanizers sind überaus hörenswert, das sage ich nicht nur, weil da ein guter Freund von mir mitspielt) (und ich hoffe, der Presserat lässt mir diese werbliche Aussage als Meinungsäußerung durchgehen). Die Kraft jeder Batterie genügte gerade nur, das Objektiv auszufahren. Dann ging die Kamera wieder aus. Über meine Reaktion schreibe ich lieber nichts, Zorn ist ja auch eine Todsünde.
Wie schon seit einigen Monaten zu lesen ist, will die Elektromarktkette Saturn ihre „Geiz ist Geil“-Kampagne beenden. Übermorgen ist es soweit: „Wir lieben Lebensmitt Technik! Wir hassen teuer!“ soll es ab dem 24. Oktober heißen. „Heute geht es um Werte statt um Preise“, meinte der Shop-Chef.
Recht hat er, sage ich, reuevoll auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt. Werte, das ist es, was wir brauchen. Am besten welche zum Wiederaufladen. Hat jemand ein Taschentuch für meinen Gewissens-Engel?
Neues aus dem Wald
Im Wald, da sind die Räuber, bekamen Kinder zu Urgroßvaters Zeiten warnend eingetrichtert. Dunkel und gefährlich ist’s unter den Bäumen, kein vernünftiger Mensch wagte sich freiwillig in das Reich der Wölfe und Bären. Früher. Heute tragen die Bären niedliche Namen wie Bruno oder Knut und haben ihr Revier geräumt für andere wilde Geschöpfe. Zum Beispiel den Waldläufer. Es folgt etwas Werbung für eine Betätigung, die man aus tiefstem Herzen liebt oder hasst.
Jogger, das sind diese Irren, die ohne Ziel und ohne Zeitabnahme durch friedliche Grünanlagen hetzen. Deren Japsen die Tauben aufflattern lässt und deren verstöpselte Ohren das Klingeln der Radfahrer nie hören. Sagen die einen. Für die andere Hälfte der Menschheit ist Laufen die wunderbarste Bewegung der Welt, ideale Fettverbrennung und innere Einkehr inbegriffen.
Sie meinen, für Sie ist das nichts? Vor Jahren mal probiert und nach ein paar hundert Metern hustend und mit peinvollem Seitenstechen zusammengeklappt? Das heißt gar nichts. Passiert jedem am Anfang. Es braucht eine Weile, bis sich der Körper an das gesteigerte Bewegungstempo gewöhnt hat. Einfach mal ein paar Runden flott gewalkt, in der zweiten Stufe mal längere Laufpassagen reingeschoben, dann geht es. Dauert nicht lange.
Und was für ein Glück wir haben. Der Aachener Stadtwald ist nämlich die perfekte Trainingsbahn. Wir stellen unseren Wagen am Wanderpilz ab, dehnen noch ein wenig die vom Bürotag verhärtete Beinmuskulatur…
…und dann los. Die ersten Schritte sind noch etwas staksig. Aber schön ist es hier: Das Sonnenlicht bricht sich in den gelben und roten Blättern. Mücken tanzen in der Luft. Abgefallenes Laub raschelt unter den Sohlen. Der anfangs schnurgerade Weg wird schnell abwechslungsreicher.
Stellenweise sogar etwas zu abwechslungsreich. Was jetzt: Mit einem kühnen Sprung über den Matsch setzen oder künstlerisch am Schlamm vorbeitänzeln? Hauptsache, nicht aus dem Rythmus geraten.
Erst recht nicht bei Steigungen wie dieser. So etwas strengt an. Aber ein Hürdenlauf macht ohne Hürden ja auch keinen Spaß.
Wer mag, kann per MP3-Player die Außenwelt auf optische Eindrücke reduzieren. Vogelzwitschern hat zwar seinen Reiz, aber wer im Innenohr Chris Rea La Passione rauchen hört, versinkt schneller in eine Art angenehme Trance. Der Körper hat sein Tempo gefunden, Glückshormone schwappen fröhlich durch die Blutbahn, und die Beine bewegen sich wie von selbst.
Allzu meditatives Dahintraben hat allerdings auch Nachteile. Wir Zweibeiner sind nämlich nicht allein hier.
Also schön die Äuglein aufgelassen und den Blick auf den Weg gerichtet. Der ist manchmal nämlich ganz schön holprig.
Wer hat nur die Idee gehabt, mitten in der Wildnis Pflastersteine zu verlegen? Römer? Räuber?
Wer auch immer sie waren: Ihre Nachfahren waren gründlicher. Über die Monschauer Straße rennt man nicht so einfach, ohne nach links und rechts zu gucken. Jedenfalls nicht um diese Zeit, am frühen Abend.
Noch eine letzte Schleife, dann geht es zurück zum Parkplatz. Die Sonne ist längst weg, die Dämmerung hat eingesetzt. Das ist der Nachteil am Herbst: Es wird inzwischen schon so früh dunkel, dass man ein Problem hat, nach Feierabend noch im Hellen seine Runde zu Ende zu bringen. Aber wir haben’s grade noch geschafft. Falls es hier doch noch einen übriggebliebenen Bären gibt.
Waren wir wirklich eine Stunde unterwegs? Ging ja fast wie von selbst. Sagten Sie nicht, das wäre nichts für Sie?
Morgen wieder?
Neues aus der Apotheke
Da liegt er vor mir, und er ist schön. Eine Frau hat ihn mir geschenkt. Ein Kugelschreiber, mit schicken Chrom-Applikationen und aus transparent-grünem Kunststoff. Die Frau war Apothekerin, und der Stift ist ein Werbegeschenk zur Eröffnung der neuen Filiale, in der ich gerade war. So hübsch er ist, er verunsichert mich.
Journalisten denken nicht oft über Kugelschreiber nach. Die Dinger kommen halt und gehen. Auf jedem zweiten Pressetermin bekommt man einen neuen in die Hand gedrückt, oft zusammen mit einem Schreibblock, der das Firmenlogo des Gesprächpartners trägt. Es sind flüchtige, allzu flüchtige Beziehungen, die wir zu unseren Schreibgeräten haben. Man arbeitet eine Weile zusammen, dann trennen sich die Wege. Im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams gibt es einen Planeten, auf den herrenlose Kugelschreiber verschwinden. Das wäre eine Erklärung, warum es zwischen Mensch und Kuli keine Treue gibt.
Dieser hier ist aber noch da. Er schimmert im Licht der Schreibtischlampe. Was mich ins Grübeln gebracht hat, ist der Werbeaufdruck. „Espumisan“ steht drauf, mit einem ® dahinter. Ich würde ihn ja gerne mit ins Büro nehmen, den grünen Gehilfen. Aber er wirbt offenbar für ein medizinisches Produkt. Was, wenn es etwas ist, das Patienten in der Apotheke nur im Flüsterton zu verlangen wagen? Das man an Stellen aufträgt, die nie das Licht der Sonne sehen? Etwas, das gegen Pilzbefall und Parasiten wirkt?
Was steckt hinter Espumisan®?
Wie gut, dass es Google gibt. (Ich hätte den Stift auch einfach umdrehen können, denn auf der Rückseite steht praktischerweise www.espumisan.de, aber das habe ich erst später investigativ herausgefunden.)
Nun ist die Unsicherheit vorbei. Und meine Liste der schönsten Werbesprüche aller Zeiten (angeführt von dem der Lloyd-Werft Bremerhaven, erinnern Sie sich?), ist am unteren Ende um ein Exemplar länger:
Neues aus Hollywood
„Aaaaaaah“? Nein. Eher eine Art „AaAAAAaauh“ mit nur leicht angedeutetem u im Abgang. Im Englischen wird er mit „Aaauuw“ wiedergegeben. Der Wilhelmsschrei: Jeder kennt ihn, jeder hat ihn schon mal gehört. Sie auch. Wetten?
Der Wilhelmsschrei ist ein Soundeffekt, und zwar der unter Tontechnikern wohl berühmteste. Er klingt so. Die Jungs am Mischpult, vom Rampenlicht ja nicht gerade verwöhnt, machen sich in ihren stillen Kämmerlein einen Spaß draus, ihn in möglichst vielen Filmen unterzubringen.
Zum ersten Mal tauchte er 1951 im Film „Distant Drums“ auf. So sollte ein Mannes kreischen, der von einem Alligator gebissen wird – was ihn allerdings nicht allzusehr mitzunehmen scheint. Wie damals üblich, wurden die Szenen erst nachträglich im Studio vertont. Und wo der schöne Schrei schon mal in der Konserve war, wurde er in den folgenden Jahren immer und immer wieder benutzt, gerne auch mehrmals im selben Film. Seinen Namen bekam er 1953, als im Western „The Charge at Feather River“ eine Nebenfigur namens Wilhelm, vom Indianerpfeil getroffen, unter seiner Verwendung aus dem Sattel plumpste.
Über die Jahrzehnte stieg der Schrei von der klassischen B-Movie-Zutat zum unentbehrlichen Zubehör selbst aufwändig produzierter Kassenschlager auf. Vor allem der Tontechniker Ben Burtt baute ihn als eine Art persönliche Signatur ein, wo er nur konnte. Auf der bis heute 136 Titel umfassenden Wilhelm-Liste stehen Namen wie „Star Wars“, „Star Trek“ und die Parodie „Spaceballs“, diverse Folgen „Indiana Jones“, Bat- und Spider-Man, „Piraten der Karibik“, „Stirb langsam“, „Troja“ und „Das fünfte Element“. Dazu kommt eine hübsche Auswahl an Trickfilmen von den „Simpsons“ über „Toy Story“ und Wallace & Gromit’s „Jagd nach dem Riesenkaninchen“ bis zu „Shrek III“. Quentin Tarantino („Kill Bill“) bestand ebenso ausdrücklich auf dem Schrei wie Peter Jackson („Herr der Ringe“). Besonders hübscher Gag: In „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ stößt ihn jemand aus, der von einem Krokodil gebissen wird. Hollywood liebt Wilhelm, Hollywood schreit Wilhelm. Dass der Schauspieler Leonardo DiCaprio seinen zweiten Vornamen (im Ernst: Wilhelm) bekam, weil er gleich nach seiner Geburt ein entsprechendes Geräusch von sich gab, ist aber nur ein Gerücht.
Trotz des europäischen, ja deutschen Namens, kennt der Wilhelmsschrei keine Landes- oder Rassengrenzen. Schon in „Distant Drums“ dürfen ihn auch Indianer abgeben, wenn sie sich auf den Weg zum Großen Manitou machen. Logisch, dass Reptilien nicht die einzigen Viecher sind, die ihn auslösen: In „Them!“ (1954) entlocken Riesenameisen ihren zweibeinigen Gegenübern das charakteristisch modulierte „aaaáh“. In anderen Filmen dürfen Tiere sogar selbst den Wilhelm geben.
Jetzt wollen Sie ihn bestimmt mal in natura erleben, oder? Gleich mehrere Videos mit entsprechend zusammengeschnittenen Filmszenen kursieren im Netz:
Die Geschichte des Schreis ist unter anderem auf dieser (englischsprachigen) Seite und, sehr ausführlich, in diesem (englischsprachigen) Film erklärt:
Und mindestens eine Rockgruppe hat ihn als Inspiration für ein Stück benutzt:
Ich bin sicher: Wenn Sie sich durch all diese Clips geklickt haben, möchten Sie nur noch schreien. Aaaaaauuuh. Und was Sie heute Abend bis in Ihre Träume verfolgen wird, wissen wir jetzt schon.
(Ach ja: Geschrieen hat ihn 1951 vermutlich der Schauspieler Sheb Wooley.)
Neues aus Birma
Im Web 2.0 weht heute die rote Flagge. Am Donnerstag, 4. Oktober, stellen Blogs in aller Welt rot gefärbte Banner auf ihre Seite: zum Zeichen der Solidarität mit der Demokratiebewegung in Birma.
Hinter der Aktion steht die Bewegung Free Burma*. Wer teilnehmen will, kann sich eines der Banner aus der Grafiksammlung aussuchen oder eines aus der entsprechenden Gruppe beim Bilderdienst flickr. Die große Auswahl beweist die Fantasie der Gestalter.


Anschließend können Interessierte noch eine Petition auf der Free-Burma-Seite unterschreiben. Wer will, kann das Petitionsformular auch selber auf seiner Seite einbauen:
So bekannte deutsche Blogger wie Felix Schwenzel (wirres.net) und Robert Basic (basic thinking) machen mit, im Pottblog leuchtet es rot und Franziska (franziskript) unterbricht ihre Schweigepause. Dagegen hat sich Udo Vetter (lawblog) gegen den Einbau des Banners entschieden.
Die Banner-Aktion ist nicht die erste digitale Solidaritätskundgebung mit den Menschen in dem asiatischen Land. Selbst im Second Life haben sich schon Avatare zu Ketten zusammengefunden:
Was es bringt? Diktator Than Shwe und seine Mit-Machthaber in Rangun werden wohl nicht allzusehr erschüttert sein über die Flut der roten Karos und sonstigen Banner. Aber sie werden sehen, dass die Welt nicht gleichgültig wegschaut, wenn nachts die Todesschwadrone Mönche jagen.
* Burma, Birma oder Myanmar? Die offizielle Bezeichnung des Landes lautet heute Union Myanmar. Der frühere Name Burma – im Deutschen Birma – stammt noch aus der Zeit, als das Land eine englische Kolonie war. Der Name Myanmar wurde 1989 von der Militärregierung ohne Mitwirkung des Volkes eingeführt und schließt nicht alle der vielen Volksgruppen des Landes ein. Er wird deshalb oft abgelehnt, auch von der bekannten Politikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
Mehr zur interessanten Geschichte dieses Landes, dessen Schrift die vielleicht dekorativste der Welt ist und dessen 4.000 Kilometer langes Eisenbahnnetz an keiner Stelle die Grenze berührt, findet sich wie immer in der Wikipedia.


