Seitenblick nach NRW

Doppelschlag. Nein, das sind definitiv keine guten Nachrichten für die Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen. Nachdem gestern bekannt gewordenen Aus für die NRW-Ausgabe der Tageszeitung taz wird heute das einstweilige Aus für die Online-Zeitung OnRuhr verbreitet. Allerdings: Vergleichbar sind beide Projekte kaum.

Gleichgültig, wo immer man politisch stehen mag, ist das Ende der linksalternativen taz-Landesausgabe ein herber Verlust für die Pressevielfalt. Zumal wohl ein weiteres Mal die harte Wahrheit des Print-Sektors gelten wird: Für eine eingestellte Zeitung wird keine neue mehr gegründet. Nach dem Ende des nur 14 Monate lang erscheinenden NRW-Teils der Süddeutschen vor vier Jahren ist damit eine weitere überregionale Tageszeitung in unserem Land gescheitert. Ehrliches Mitgefühl habe ich mit den 20 taz-Mitarbeitern, auch wenn ich – im Gegensatz zur NRW-Süddeutschen, wo zwei frühere Redakteurskollegen von mir betroffen waren – niemanden persönlich kenne.

Für das Redaktionsteam ist die Nachricht um so bitterer, als sie – wie alle taz’ler – aufgrund der chronischen Finanznot des Blattes ohnehin stets unter Tarif bezahlt wurden, aber in den vergangenen Wochen eine fulminante Werbe- und Sympathiekampagne für ihr Blatt organisiert hatten. Um die bis Ende Juni angepeilten zusätzlichen 1.000 Neu-Abonnements zu erreichen, wurde etwa von einem „Kommando Horst Schleußer“ (ein früherer SPD-Landesminister) die Domain www.kraft-2010.deentführt„. Kämen nicht von der SPD (deren Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2010 Hannelore Kraft ist) 100 neue Abos, werde die Adresse an die CDU verschachert, drohten die Maskierten.

Wann hat je eine Zeitung so fantasievoll um Leser gekämpft? Selbst eine gemeinsame Probe-Abo-Vermarktung mit der Konkurrentin WAZ gab es. Und noch vor wenigen Tagen hatte – ausgerechnet – die Süddeutsche noch eine Gegendarstellung drucken müssen, in der die angeblich beschlossene Einstellung der taz-NRW-Ausgabe dementiert wurde.

Bitter, dass alles umsonst war. Bitter, dass es zuerst – ausgerechnet – im Springer-Blatt Welt stand (die höhnischen Leserkommentare dort sind noch einmal ein Fall für sich: „wenn die Türken verstehen würden, was die Taz und die Linken schreiben, würden sie auch rechts wählen“).

In der Medienlandschaft fallen die Antworten auf die Einstellung denn auch wenig begeistert aus, etwa bei Jens im Pottblog, der das Drama in den vergangenen Wochen ausführlich begleitet und kommentiert hatte. Eine Sammlung der Nachrufe findet sich im taz-NRW-Blog. Die Sicht der Geschäftsführung ebenfalls.

Onruhr-schliessen_388„OnRuhr Schließen“ – ein Button mit Symbolkraft

Anders sieht die Situation bei OnRuhr aus. Das im November 2006 vom früheren WAZ-Chefredakteur Uwe Knüpfer gestartete Lokalnachrichten-Portal hatte den Anspruch, ein völlig neues Medium für das Ruhrgebiet zu sein. Die Verfügbarkeit eines kostenlosen Onlinedienstes sollte mit der Lesequalität einer professionellen Printzeitung verbunden werden. Ein flächendeckendes Netz von Lokalredaktionen über ein Franchise-System war geplant. „OnRuhr versteht sich als Stimme der Ruhrstadt“, verkündete Knüpfer. Und hatte dabei sicher auch den Ehrgeiz, dem mit ähnlichen Zielen angekündigten WestEins-Projekt seines Ex-Arbeitgebers WAZ eins vorzusetzen.

Was dabei in der Realität herauskam, sah sich heftiger Kritik ausgesetzt: Eine Zeitung im PDF-Format zum Herunterladen. Viel zu wenig lokale Themen, stellenweise dürftige journalistische Qualität, überkomplizierte Anmeldeverfahren, mangelhafte Druckmöglichkeiten und unzureichende Aktualisierung (einmal am Tag) wurden dem Produkt vorgeworfen. Von „Totgeburt“ bis zu „OnRuhr schwer offruhr“ reichten die Reaktionen. „Onruhr ist so grausam schlecht angelegt, dass es eigentlich nur als Vintage-Internet-Seite für 90er-Jahre-Nostalgiker durchgeht“, ätzte Thomas Knüwer vom Handelsblatt.

Schon im April sah sich Chefredakteur Knüpfer gezwungen, Honorarzahlungen an freie Mitarbeiter einzustellen. Grund: Geldmangel durch zu geringes Anzeigenaufkommen. Ab etwa dem 17. Juni wurden auch die meisten Lokalausgaben nicht mehr aktualisiert. Jetzt folgt das offizielle Aus: OnRuhr werde „eingefroren„, erklärte Knüpfer im Wirtschaftsmagazin Ruhr. Zwar will er im Herbst mit einem neuen, ähnlichen Dienst wieder antreten, dann aber von Herne aus. Die Redaktionsräume in Essen würden aufgegeben.

Zweifellos hatte OnRuhr seine Mängel. Traurig ist es trotzdem, wenn ein innovatives Start-Up nach gerade einem halben Jahr schon wieder vor dem Ende steht. Ein Erfolg hätte auch ein Überlebensbeweis für ambitionierten Journalismus in den Zeiten des Web 2.0 sein können. Freilich: Nicht mit dem aktuellen Konzept.

Fazit. Die Medienlandschaft in NRW ist um zwei interessante, wenn auch höchst unterschiedliche Farbtupfer ärmer. Nun ruhen wieder alle Augen auf dem WAZ-Projekt WestEins. Dessen für Frühjahr 2007 angekündigter Start ist mittlerweile auf Sommer verlegt, was allerdings für ein Vorhaben dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich ist. Die Erwartungen sind hoch. Das Gesetz der Serie ist jedenfalls auf der Seite von Online-Chefin Katharina Borchert und ihrer Truppe: Nach zwei gescheiterten Projekten wäre es nun wieder Zeit für einen Erfolg.

Das Geheimnis

Sojapoel-34_600Wenn alles funktioniert, habe ich das Paradies entdeckt. Es ist der C1000-Supermarkt in Vaals, gleich hinter der Grenze links. 52 Cent, sage ich nur. 52 Cent.

TÜV-Nachspiel

30. Juni, Samstag. TÜV in Osnabrück um 11.30 Uhr. Einzige Mängel: Die Bremsen hinten rubbeln (was ich weiß). Das „Tragbild“ ist schlecht – Schreiben und Klötze sind anscheinend noch von 2000 / 277.000 km. Offenbar ein Standschaden. Und vorne ist der innere Kopf der äußeren Spurstange ausgeschlagen.

Immerhin: Mehr ist nicht. Erstaunlich. Mein Versuch, vor 13 Uhr bei PV in Bielefeld zu sein, um Ersatzteile zu kaufen, scheitert an lächerlichen fünf Minuten. Sehr ärgerlich – jetzt werde ich unverrichteter Dinge nach Aachen zurückmüssen und noch ein zweites Mal zu Siggi hochfahren müssen.

Bei Holger H. bekomme ich dann aber immerhin eine neue, originale W123-Fünfgang-Schaltkulisse sowie neue Wasserablaufschläuche für die Motorraum-Stehwand und eine Wasserablauftülle für den Schweller.

Zurück zu Siggi. Der baut die Kulisse ein und – oh Wunder – die Gänge lassen sich allesamt schalten wie Butter. Erstklassig. Getriebe- und Differenzial-Öle werden gecheckt und aufgefüllt. Das vom Getriebe (ungewechselt) ist noch himbeerfarben sauber, das vom Diff ist neu gekommen (Liqui Moly). Es wird der Tacho vom 250 wieder eingebaut und auf den richtigen Kilometerstand gebracht.

Leider heult der Antriebsstrang etwas. Holger tippt auf das Diff.

Sonst läuft der Wagen wieder super. Rund und stark. So geht es mit Vollgas hoch nach Oldenburg. Das Garmin-Navi misst echte 150-151 km/h Höchstgeschwindigkeit auf der Hinfahrt, angezeigt werden etwa 163. Das hatten wir letztes Jahr schon einmal – allerdings auch schon mal 173.

Auf der Rückfahrt sieht es mit rundum auf 2,4 bar erhöhtem Reifendruck noch etwas besser aus. Das sind allerdings immer noch nicht die echten 160 oder so, die ich erhofft habe.

Und weil es keine Rose ohne Dornen gibt, schlägt die Tachonadel, der Tageskilometerzähler hakt bei jeder 9 und die Tachobeleuchtung funktioniert nicht. Immer ist was.

TÜV-Vorspiel

29. Juni, Freitag – und ein freier Tag. Mit Petra fahre ich im Golf erst nach Bad Salzuflen, wo ich bei Bernd R. (einem Bekannten von Holger H.) für 10 Euro einen Rückwärtsgang-Schalter kaufe, dann zu Holger, wo ich meine alte schwarze Lenkradkralle aus dem Schrott wieder rausfische (hatte sie ihm zusammen mit anderem unverwertbarem Plunder im Zuge des Umzugs geschenkt). Das Ding habe ich im August 1993 gekauft – es war eines der ersten Zurüssteile, die ich dem Wagen gekauft habe.

Dann zu Siggi. Der stellt das Getriebe ein – allerdings lassen sich Rückwärts- und fünfter Gang trotz aller Mühe nicht vernünftig schalten. Ich übernachte bei Martin P.. Morgen will ich gleich zum TÜV.

Neues aus der Apfelwelt

Hier kommt sie, die Gute Nachricht Des Tages™ für alle Stets-die-neuesten-Gimmicks-Habenmüsser, Apple-Freaks und Mackies (und solche soll es ja in den besten Redaktionen geben): Das iPhone ist nicht nur im Anmarsch und im Begriff, unser aller Leben umzukrempeln. Es taugt auch was. Das hat ER gesagt, Walt Mossberg, oberster Techie-Reporter der USA und damit vielleicht der ganzen Welt.

Mossberg gehörte zu den ersten Menschen überhaupt, die das sagenumwobene Manteltaschenminimonster nicht nur in der Hand halten (schon das ist sonst nicht einmal Hollywood-Stars erlaubt), sondern sogar intensiv testen durften. Jenes Telefon, das Steve Jobbs auf einer Pressekonferenz wie ein Popstar der jubelnden Menge vorführte. Das schon vor seiner Markteinführung einen Hype auslöste, dass der deutsche Zulieferer Balda die Produktionskapazitäten hochfahren musste. Das jede Konkurrenz schon vorab sang- und klanglos untergehen lässt. DAS iPhone eben. Das iPHONE.

Und Mossbergs Urteil, gesprochen in seiner Kolumne All Things Digital, lautet: A Breakthrough Handheld Computer, was schlecht übersetzt heißt: ein bahnbrechender, äh, tragbarer Computer. Also ein Handheld. Nach der Veröffentlichung des Textes beim Wall Street Journal dürften bei den Apple-Marketingfuzzis die sprichwörtlichen Sektkorken geknallt haben.

So, das war’s auch schon mit den guten Nachrichten. Jetzt die Schlechten. Beginnen wir in den USA.

1. Wer ein iPhone haben will, muss sich hinten anstellen. Und die Schlange für den Verkaufsstart am Freitag, 29. Juni, 18 Uhr, ist lang – sie begann bereits am Montagmorgen vor zwei Tagen, als der erste Camper sein Zelt vor dem Apple Flagship Store an der Fifth Avenue in New York aufschlug. Eine schlechte Nachricht für alle Leute mit unbequemen Schuhen.

2. Der Mann, der ganz vorne in der Schlange steht, der erwähnte Camper, ist der hier. Greg Packer, Berufsschlangesteher und Meinungsager. Eine schlechte Nachricht für die erwähnten Apple-Marketingfuzzis. Denn der ehemalige Autobahn-Bauarbeiter ist vielleicht, wie soll man’s nett sagen, nicht ganz der von ihnen angepeilte iPhone-Nutzer des Typs jung, gutaussehend und vermögend. Aber wie formulierten es die Jungs von Gizmodo so schön: Er ist der lebende, atmende, schwitzende Beweis, dass das iPhone tatsächlich bei den Massen ankommt.

3. Und wer eines der 500 bis 600 Dollar teuren Dinger erbeutet hat, für den beginnen die schlechten Nachrichten erst richtig. Dass Apple einen Exklusivvertrag mit dem Telefonanbieter AT & T abgeschlossen hat, dessen Netzqualität nicht gerade einen makellosen Ruf hat, ist bereits moniert worden. Schlimmer noch, für den günstigsten der angebotenen Zweijahresverträge ist eine Grundgebühr von monatlich knapp 60 Dollar zu berappen. Ergibt, die Süddeutsche hat’s ausgerechnet, an Grundgebühren mindestens weitere rund 1440 Dollar.

In Deutschland sieht es nicht besser aus. Hier ist noch nicht einmal heraus, welcher der vier Telefonriesen T-Mobile, Vodafone, ePlus und O2 das Rennen um die Exklusivverträge machen wird. Wie ich die Brüder einschätze, wird unsereiner ähnlich geschröp zur Kasse gebeten wie die Nutzer in den USA.

Und das Schlimmste: Vor Herbst passiert gar nichts bei uns. Solange heißt es: Durchhalten, sich mit Satire-Videos die Zeit totschlagen…

…und weiterhin die unzumutbaren Steinzeithandys benutzen, mit denen wir bis heute gequält werden.

Während der Wartezeit können Sie sich ja schon mal überlegen, wo Sie Ihr Zelt aufstellen werden.

Aachener Einbürgerung

27. Juni, Mittwoch: Der Wagen hat noch drei Tage TÜV und AU. Ich besorge beim Aachener Straßenverkehrsamt neue Nummernschilder – den neuen EU-Brief gibt’s gleich mit dazu, für nur 46 Euro. Die Schilder kosten nochmal 27 Euro. AC-CD 240 war schon weg, W 123 auch. Jetzt bekennt sich der Wagen zu seinem Dieselmotor: AC-OM 616.

Neues aus der Y-Welt

Wer sich beruflich oder privat für ein bestimmtes Thema dauerhaft interessiert, handelt nicht dumm, wenn er sich nach entsprechenden Blogs umschaut. Während sich selbst Journalisten immer noch gerne mit ebenso abwertenden wie sachkundigen Bemerkungen über die Blogosphäre hervortun („keine Ahnung, warum sich jemand für diesen Dreck interessiert“, gefunden via Thomas im Winzerblog), wächst und gedeiht die Bloglandschaft. Und treibt immer mehr hochinteressante Blüten.

Ein Beispiel. Man muss kein Ewiggestriger oder Sammler von Militaria-Geklimper sein, um mit dem Thema Landesverteidigung in Berührung zu kommen. Es genügt schon, sich für aktuelle deutsche Außen- und Innenpolitik zu interessieren – schnell steckt man in Themen wie dem Attentat auf Bundeswehrsoldaten im afghanischen Kundus, die Bundesmarine-Schnellboote vor der libanesischen Küste, die düstere Geschichte von Murat Kurnaz oder den jüngsten „Aufklärungsflug“ der Tornados über dem Camp der G8-Gegner beim Gipfel von Heiligendamm.

Abseits von dem, was dazu die großen Magazine und Nachrichtenagenturen berichten, gibt es noch das, was die Experten zum jeweiligen Thema zu sagen haben. Und was oft, sei es mangels Platz oder mangels Publikumsinteresse, nicht mehr in die jeweiligen Blätter, Sendungen oder Online-Ausgaben aufgenommen wird.

Aber in die Blogs.

Da ist zum Beispiel „Augen geradeaus!“ von Focus-Redakteur Thomas Wiegold. Was der Wehrexperte über die olivgrünen Jungs bloggt, ist auch dann spannend, wenn es nicht um kollidierende Schnellboote und deren plötzliches Verschwinden vom Google-Videoportal geht.


Navy Boats Collide At Full Speed – Watch more free videos

Wiegold spricht nicht als einziger zum Thema. Da gibt es noch das Bendler-Blog (das ist nun wirklich mal ein origineller Name!) mit „Anmerkungen zur sicherheitspolitischen Kommunikation“, das Aerospace & Defence Weblog… logisch, dass auch Soldaten und solche, die es werden wollen, über ihren Weg zur Bundeswehr oder ihr Abenteuer Bundeswehr berichten. Mal mehr, mal weniger kritisch, mal mehr, mal weniger selbst betroffen. Aber wie bei Blogs immer gilt: Näher dran an der Materie geht kaum.

Thema durch. Bundeswehrblogs sind, wie gesagt, nur ein Beispiel für den Orchideengarten der Blogosphäre. Wer’s lieber kulinarisch mag, sei auf das eingangs erwähnte Winzerblog verwiesen. Oder auf Lieber Wein!, Wolfis Wein-Worte, Aus dem Keller frisch ins Glas, den DrinkTank, und, und, und

Neues aus der Welt der Justiz (Update) (oder Rückblende)

Zu früh gefreut. Noch vor gut zwei Wochen lobpreiste ich an dieser Stelle ein Urteil des Landgerichtes Berlin. Danach müssen die Betreiber von Internetforen nur eingeschränkt für das geradestehen, was ihnen andere Leute auf die Seiten schreiben. Aber Berlin ist nun einmal nur eines von mehreren Ländern der Republik und sein Landgericht nur eines von vielen. Hamburg hat ein anderes, und die dortigen Halbgötter in Schwarz haben in derselben Sache eine ganz anderere Rechtsauffassung.

So las ich gestern mit mittelschwerem Schaudern bei den Kollegen vom Spiegel vom einen Monat älteren Urteil des Landgerichtes Hamburg über die Haftung von Forenbetreibern im Internet. Es ging um den SupernatureFall (wer’s nachlesen will: Der Urteilstext findet sich hier.)

Das Urteil besagt: Wir alle, die wir ein Forum (wie bei AZ-Web und an-online.de) oder ein Blog (wie dieses hier) betreiben, können durchaus voll für das verantwortlich sein, was irgendwelche Menschen dort hineinschreiben. Auch bei Unkenntnis der Inhalte.

Die Auswirkungen für die deutsche Internetlandschaft wären dramatisch; und nicht umsonst macht mich gerade ein Leser in den Kommentaren darauf aufmerksam (und hat der Kollege von gegenüber mir den SpOn-Text auch noch einmal auf den Tisch gelegt). Wie nämlich zum Beispiel ein Verlag wie Heise, der schon 2005 zum Zeitpunkt des gleich gelagerten Heise-Urteils über 200.000 Forenbeiträgen im Monat verzeichnete, diese Riesenmenge vorab auf mögliche juristische Problematiken kontrollieren soll, war und ist bis heute niemandem klar.

Und ich juristischer Naivling hatte nun angenommen, das aktuelle Berliner Urteil sei der letzte Stand der Dinge in Sachen Forenhaftung. Falsch gedacht. Fakt ist: Wer künftig zu diesem Thema vor dem Kadi steht, kann nur hoffen, dass sich die zuständigen Richter an der für ihn günstigeren Berliner Rechtsprechung orientieren.

Und jetzt? Abwarten, Tee (oder andere beruhigende Getränke) zu sich nehmen und auf eine günstigere Entscheidung des nächsten Gerichtes hoffen. Für uns im Westzipfel ist ja das Landgericht Aachen zuständig. Bis dahin gilt der Satz, mit dem sich schon die alten Römer trösteten: „Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand.“

Und die Römer wussten Bescheid. Bei denen ging es ja auch schon mal hoch her, wenn jemand etwas Falsches auf dem Forum sagte.

Neues aus Marl

Es ist immer traurig zu sehen, wenn sich eine angesehene Institution selbst demontiert. So wie es gerade der Grimme Online Award geschafft hat. Selbstverschuldet und ohne Not.

Aber der Reihe nach. Für die, die ihn nicht kennen: Der vom Grimme-Institut in Marl vergebene GOA ist war die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Internetangebote. Auf der Liste der Preisträger der vergangenen Jahre stehen so bekannte Seiten wie jetzt.de, das Bildblog, Riesenmaschine, Spreeblick, Ehrensenf, aber auch die Wikipedia oder Spiegel Online.

Das war früher. Das Jahr 2007 wird wohl als annus horribilis in die Geschichte des Awards eingehen, und es wird schon spekuliert, ob es ihn 2008 überhaupt noch in dieser Form geben wird.

Die Chronik:

1.
Zuerst fiel auf, dass eines der für die Kategorie Publikumspreis nominierten Angebote, die Seite hausgemacht.tv, buchstäblich in letzter Sekunde vor Ablauf der Nominierungsfrist am 31. März aufgestellt wurde. Dabei war das Angebot, ein Videoportal der Pro-Sieben-Sat.1-Tochter Seven One Intermedia, zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal offiziell gestartet. Es wurde erst am 10. April eröffnet, also volle zehn Tage später. Man darf allerdings durchaus der Meinung sein, dass eine für den GOA nominierte Webseite erst einmal über einen längeren Zeitraum beweisen sollte, dass sie die vor dem Start gemachten Versprechen auch einhält.

(Mit Hinweis auf die Laptop-Verlosung promotete Sat.1 die GOA-Abstimmung dann kräftig, und das nicht ohne Folgen.)

2.
Für erheblich größeren Wirbel sorgte anschließend die nachträgliche Nominierung der Seite Elektrischer Reporter von Mario Sixtus. Denn Sixtus saß selbst in der Jury (aus der er dann nach seiner Nominierung umgehend austrat). So erhaben über jeden Zweifel die inhaltliche Qualität seiner Arbeit ist, so sehr störten sich doch diverse Blogger an dem Eindruck, die Jurymitglieder schanzten sich selbst den Preis zu. Unter den Wortführern der Kritik stand das Blog F!xmbr.

Schließlich sah sich auch das Grimme-Institut zu einer Stellungnahme genötigt. Der salomonische Vorschlag Don Alphonsos, Sixtus möge von seiner Nominierung zurück- und sein Amt in der Jury wieder antreten, wurde aber nicht aufgegriffen.

3.
Eher kontraproduktiv war dann ein Interview des GOA-Projektleiter Friedrich Hagedorn, der im Medienmagazin DWDL auf die Mauschelei-Vorwürfe antworten durfte – denn der Interviewer Jochen Voß, der ihm die Fragen stellte, war Hagedorns eigener jahrelanger Pressereferent, wie es dann – mal wieder – bei F!xmbr zu lesen stand. So begegnet man keinen Mauschelei-Vorwürfen.

Immerhin: Dass Alexander Svensson, Autor beim ebenfalls nachnominierten blog.tagesschau.de, in der Nominierungskommission saß, stellte sich im nachhinein als „unbedenklich“ heraus. Das Blog wurde ja nicht von der Kommission, sondern erst später von der Jury nominiert, in der Svensson nicht sitzt. Und noch später erst ist Svensson im Blog als Autor tätig geworden. Der entsprechende Beitrag dazu in seinem Blog Wortfeld trägt denn auch die Überschrift: Uff!

4.
Nun die Krönung: Eigentlich sollten die Gewinner erst am 20. Juni veröffentlicht werden. Die Liste stand aber bereits gestern (am 18.) gegen 23 Uhr auf der Grimme-Seite. Offiziell konnte man an diesem Tag noch für den Sieger des Publikumspreises abstimmen (was übrigens über die Seiten des Partners TV Spielfilm ging, aber das ist eine andere Geschichte).

Gewonnen haben, große Überraschung, unter anderem die drei nachnominierten Seiten hausgemacht.tv, blog.tagesschau.de und Elektrischer Reporter.

Dass nun eine Woge aus Kritik, Spott und Verachtung über den Veranstaltern zusammenbricht, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Gleich mehrere Blogs verwenden die Formulierung Ejaculatio Praecox („die Gewinner kamen zwei Tage zu früh“).

„Kann bitte jemand den Grimme-Online-Award aus den Händen dieser Organisatoren befreien?“, stöhnt auch Preisträger Stefan Niggemeier. Er muss sich in den Rücken gestochen fühlen, hatte er er doch noch am 3. Juni dafür geworben, die Kirche im Dorf zu lassen und die Kritik an den Nominierungen als teilweise „hysterisch“ bezeichnet.

Jetzt stehen alle Beteiligten vor einem Scherbenhaufen. Der Preis, das Institut, die Mitglieder der Jury und einige der Preisträger haben Schaden genommen. Wer könnte nun noch fröhlich feiern?

Wenn man in dieser ganzen, unerfreulichen Geschichte irgendwo Die Gute Nachricht Des Tages™ entdecken will, dann vielleicht die: Im Web 2.0 wird verdammt genau hingeguckt. Ungereimtheiten lassen sich nicht mehr unter den Teppich kehren oder aussitzen. Aber das ist verdammt wenig Positives.

(Trotz allem: Einen herzlichen Glückwunsch an die Freiburger Kollegen von fudder.de. Ihre Seite steht nämlich völlig zu Recht auf der Siegerliste.)

Seitenblick zum Tagesspiegel

Für eines der großen Medienhäuser der Republik zu arbeiten, birgt bestimmt den einen oder anderen Reiz. Visitenkarten mit den Logos von Spiegel, Stern und Süddeutscher öffnen vermutlich mehr Türen und Münder als eine des Grevenbroicher Tageblattes, (wisst ihr Bescheid, Schätzchen).

Auch auf dem Klassentreffen ist der Neidfaktor sicher höher, wenn man auf die Frage des prolligen Ex-Banknachbarn „was machst’n du jetzt so?“ knapp antworten kann: „Zeit„. Auch wenn es dann erstmal heißt „joah, viel Zeit ist echt’n Vorteil, so ohne Job“.

Doch die großen Konzerne, sie haben auch ihre Nachteile. Da sind die endlosen Fußmärsche vom Firmenparkplatz bis ins eigene Büro, lauwarme Latte Macchiatos in der Betriebskantine und interessant riechende Personen im Aufzug. Vor allem aber führt die Anonymität eines solchen Mammutbetriebes zu bisweilen gar lustigen Situationen. So wurde Roland Peters etwa, Online-Redakteur des Tagesspiegels, einmal gar für einen Kriminellen gehalten. Als er mit einem Praktikanten fernab seiner vertrauten Korridore im Haus unterwegs war, warnte sofort eine E-Mail die Mitarbeiter des Hauses, ihre Wertsachen wegzuschließen:

„Es sind in der EDV gegen 16.40 Uhr zwei betriebsfremde Personen angetroffen worden, die wir nicht genau einordnen können.“

Wieviel familiärer geht es doch hier beim Zeitungsverlag zu. Zugegeben, auch ich habe in meinen ersten Wochen in Fluren und Treppenhäusern den einen oder anderen teils prüfenden, teils verwirrten Blick geerntet. Mittlerweile scheinen sich aber alle an das Nordlicht im Westzipfel gewöhnt zu haben.

Kein Grund also, von Hamburg, Berlin oder München zu träumen. Und der Weg vom Parkplatz zum Büro ist auch viel kürzer.