Doppelschlag. Nein, das sind definitiv keine guten Nachrichten für die Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen. Nachdem gestern bekannt gewordenen Aus für die NRW-Ausgabe der Tageszeitung taz wird heute das einstweilige Aus für die Online-Zeitung OnRuhr verbreitet. Allerdings: Vergleichbar sind beide Projekte kaum.
Gleichgültig, wo immer man politisch stehen mag, ist das Ende der linksalternativen taz-Landesausgabe ein herber Verlust für die Pressevielfalt. Zumal wohl ein weiteres Mal die harte Wahrheit des Print-Sektors gelten wird: Für eine eingestellte Zeitung wird keine neue mehr gegründet. Nach dem Ende des nur 14 Monate lang erscheinenden NRW-Teils der Süddeutschen vor vier Jahren ist damit eine weitere überregionale Tageszeitung in unserem Land gescheitert. Ehrliches Mitgefühl habe ich mit den 20 taz-Mitarbeitern, auch wenn ich – im Gegensatz zur NRW-Süddeutschen, wo zwei frühere Redakteurskollegen von mir betroffen waren – niemanden persönlich kenne.
Für das Redaktionsteam ist die Nachricht um so bitterer, als sie – wie alle taz’ler – aufgrund der chronischen Finanznot des Blattes ohnehin stets unter Tarif bezahlt wurden, aber in den vergangenen Wochen eine fulminante Werbe- und Sympathiekampagne für ihr Blatt organisiert hatten. Um die bis Ende Juni angepeilten zusätzlichen 1.000 Neu-Abonnements zu erreichen, wurde etwa von einem „Kommando Horst Schleußer“ (ein früherer SPD-Landesminister) die Domain www.kraft-2010.de „entführt„. Kämen nicht von der SPD (deren Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2010 Hannelore Kraft ist) 100 neue Abos, werde die Adresse an die CDU verschachert, drohten die Maskierten.
Wann hat je eine Zeitung so fantasievoll um Leser gekämpft? Selbst eine gemeinsame Probe-Abo-Vermarktung mit der Konkurrentin WAZ gab es. Und noch vor wenigen Tagen hatte – ausgerechnet – die Süddeutsche noch eine Gegendarstellung drucken müssen, in der die angeblich beschlossene Einstellung der taz-NRW-Ausgabe dementiert wurde.
Bitter, dass alles umsonst war. Bitter, dass es zuerst – ausgerechnet – im Springer-Blatt Welt stand (die höhnischen Leserkommentare dort sind noch einmal ein Fall für sich: „wenn die Türken verstehen würden, was die Taz und die Linken schreiben, würden sie auch rechts wählen“).
In der Medienlandschaft fallen die Antworten auf die Einstellung denn auch wenig begeistert aus, etwa bei Jens im Pottblog, der das Drama in den vergangenen Wochen ausführlich begleitet und kommentiert hatte. Eine Sammlung der Nachrufe findet sich im taz-NRW-Blog. Die Sicht der Geschäftsführung ebenfalls.
„OnRuhr Schließen“ – ein Button mit Symbolkraft
Anders sieht die Situation bei OnRuhr aus. Das im November 2006 vom früheren WAZ-Chefredakteur Uwe Knüpfer gestartete Lokalnachrichten-Portal hatte den Anspruch, ein völlig neues Medium für das Ruhrgebiet zu sein. Die Verfügbarkeit eines kostenlosen Onlinedienstes sollte mit der Lesequalität einer professionellen Printzeitung verbunden werden. Ein flächendeckendes Netz von Lokalredaktionen über ein Franchise-System war geplant. „OnRuhr versteht sich als Stimme der Ruhrstadt“, verkündete Knüpfer. Und hatte dabei sicher auch den Ehrgeiz, dem mit ähnlichen Zielen angekündigten WestEins-Projekt seines Ex-Arbeitgebers WAZ eins vorzusetzen.
Was dabei in der Realität herauskam, sah sich heftiger Kritik ausgesetzt: Eine Zeitung im PDF-Format zum Herunterladen. Viel zu wenig lokale Themen, stellenweise dürftige journalistische Qualität, überkomplizierte Anmeldeverfahren, mangelhafte Druckmöglichkeiten und unzureichende Aktualisierung (einmal am Tag) wurden dem Produkt vorgeworfen. Von „Totgeburt“ bis zu „OnRuhr schwer offruhr“ reichten die Reaktionen. „Onruhr ist so grausam schlecht angelegt, dass es eigentlich nur als Vintage-Internet-Seite für 90er-Jahre-Nostalgiker durchgeht“, ätzte Thomas Knüwer vom Handelsblatt.
Schon im April sah sich Chefredakteur Knüpfer gezwungen, Honorarzahlungen an freie Mitarbeiter einzustellen. Grund: Geldmangel durch zu geringes Anzeigenaufkommen. Ab etwa dem 17. Juni wurden auch die meisten Lokalausgaben nicht mehr aktualisiert. Jetzt folgt das offizielle Aus: OnRuhr werde „eingefroren„, erklärte Knüpfer im Wirtschaftsmagazin Ruhr. Zwar will er im Herbst mit einem neuen, ähnlichen Dienst wieder antreten, dann aber von Herne aus. Die Redaktionsräume in Essen würden aufgegeben.
Zweifellos hatte OnRuhr seine Mängel. Traurig ist es trotzdem, wenn ein innovatives Start-Up nach gerade einem halben Jahr schon wieder vor dem Ende steht. Ein Erfolg hätte auch ein Überlebensbeweis für ambitionierten Journalismus in den Zeiten des Web 2.0 sein können. Freilich: Nicht mit dem aktuellen Konzept.
Fazit. Die Medienlandschaft in NRW ist um zwei interessante, wenn auch höchst unterschiedliche Farbtupfer ärmer. Nun ruhen wieder alle Augen auf dem WAZ-Projekt WestEins. Dessen für Frühjahr 2007 angekündigter Start ist mittlerweile auf Sommer verlegt, was allerdings für ein Vorhaben dieser Größenordnung nicht ungewöhnlich ist. Die Erwartungen sind hoch. Das Gesetz der Serie ist jedenfalls auf der Seite von Online-Chefin Katharina Borchert und ihrer Truppe: Nach zwei gescheiterten Projekten wäre es nun wieder Zeit für einen Erfolg.