Importware

Man dürfte nicht übertreiben, wenn man schreibt, dass die krisengewürgte US-Metropole Detroit sich in puncto Glamour-Faktor hinter Duisburg-Ruhrort oder Marl-Mitte nicht zu verstecken braucht. Um so erstaunlicher, dass der noch vor kurzem ähnlich strahlend beleumundete Autobauer Chrysler einen ungeheuerliche zwei Minuten langen Werbespot während der Übertragung des jüngsten Superbowls schaltete, der mit einer Kamerafahrt durch die trostlosen Industrievororte der einst so stolzen Motown beginnt. „What does a town that’s been to hell and back know about the finer things in life?“, fragt der Sprecher.

Tipp: Lautsprecher an, Vollbild.

Der „Zwei-Minuten-Spot“, über den danach ganz Amerika sprach, ging als der mit den meisten Zuschauern in die Fernsehgeschichte ein. Kosten: zwei Millionen Dollar. In Nebenrollen: Rapper Eminem und der neue Chrysler 200 – „imported from Detroit“.

Man muss schon sagen: Das Ding ist echt gut gemacht. Wird nicht leicht für Wolfsburg und Rüsselsheim, da nachzuziehen.

(Zu den Hintergründen der „Wiedergeburt“ von Chrysler nach der Zwangsheirat mit Fiat hat die New York Times gerade eine lesenswerte Geschichte gebracht. Hübsche Fotos aufgegebener Großbauten in Detroit gibt es auf Forgottendetroit.com.)

Moorbraun goes Giftgrün

Grauer Novemberhimmel über Aachen. Das Coupé mit é schlummert in seiner Scheune den Winterschlaf der Saisongekennzeichneten. Die Golfsaison hat wieder begonnen. Erfreuen wir uns mangels schokoladigen Brauns doch an diesem giftigen Grün, präsentiert von Škoda.

Schöner Spot. So ähnlich muss es damals ausgesehen haben, 1995, als dem Coupé das Dieselherz eingepflanzt ward.

Alles simuliert

Das Techmagazin Wired zeigt heute diese brillante 3D-Rekonstruktion des Flugs von US Airways 1549 bis zur Landung im Hudson, erstellt von Scenesystems. Sehr schön gemacht, bis zum Übergang zum echten Foto am Ende.

Als Bonus gibt es bei Wired noch einige andere Sims des Fluges, allerdings in kleinerer Auflösung. Ist einen Klick wert – auch wenn man sich dann unwillkürlich fragt, wie man selber am Stick bei einem Engine Loss reagiert hätte.

Seitenblick über den großen Teich

„Meine Güte“, habe ich heute zweimal gedacht. Beide Male ging es um Videos, beide kamen aus den USA, beide drehten sich – natürlich – um die Präsidentenwahl. Eins war lang und bewegend, eins kurz und witzig. Aber seht selbst.

Dies ist der (Achtung!) 27-minütige Werbespot, den Barack Obama gestern Abend auf fast allen großen amerikanischen Fernsehkanälen laufen ließ. Zur besten Sendezeit. Für mehrere Millionen Dollar. So etwas gab es noch nie.

Ich hatte ein rot-weiß-blaues Füllhorn voll euphorischem Schwulst erwartet, jubelnde Mengen, Stars ’n‘ Stripes, einen strahlenden Kandidaten, das ganze garniert mit jeder Menge des üblichen God-bless-America sowie diversen Joe Sixpacks, die „we’re the greatest country in the world“ in diverse Kameras sagen.

Es ist aber ganz anders, und es lohnt die Mühe, sich ein halbes Stündchen Zeit für diesen Film zu nehmen, denn er hat bereits jetzt Mediengeschichte geschrieben. Da steht der Kandidat, eine professionelle Mischung aus Ruhe und Freundlichkeit ausstrahlend, und erklärt den Wählern, was er denn vorhat, wenn sie ihn im Januar ins Weiße Haus einziehen lassen.

Dann werden Geschichten erzählt, von ganz normalen Amerikanern. Wie dem Rentnerehepaar aus Ohio, das eine Hypothek auf ihr Haus aufnehmen muss, weil es die Rechnungen für Medikamente nicht mehr bezahlen kann. Die Frau öffnet mit sichtbar arthritischen Fingern die Pillendose, der Mann setzt sich die Dienstmütze auf und fährt wieder zur Arbeit im Wal-Mart. Mit 72 Jahren.

Oder der Mutter, die das Essen für ihre Kinder in getrennten Fächern im Kühlschrank aufbewahrt. Wenn dort nicht mehr viel liegt, weiß der Nachwuchs, dass er den Gürtel enger schnallen muss.

Oder dem Ford-Arbeiter, dessen Wochenarbeitszeit um die Hälfte reduziert und dessen Frau entlassen wurde. Der Lehrerin, die einen zweiten Job annehmen musste.

Es gäbe viel zu sagen über den Film. Wie geschickt die Betroffenen aus den Staaten ausgewählt wurden, in denen Obama und McCain Kopf an Kopf liegen. Dass viele Frauen zu Wort kommen, die offenbar als besonders spät entscheidende Wähler gelten. Über die Mischung aus persönlichen Bildern aus Obamas Biographie, von seiner (weißen) Mutter, die früh an Krebs starb bis zu seiner offiziellen Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten. Aber diese Dinge werden schon gerade von anderen Leuten analysiert – das Internet quillt geradezu über mit Artikeln über den Film. Googeln Sie einfach nach „Obama Fernsehen„.

Der Streifen unterscheidet sich fundamental von jedem Wahlwerbespot, den ich bis jetzt gesehen habe. Er ist sanft, gefühlvoll, geradezu melodisch. Der Gegner wird nicht attackiert, er wird im Gegenteil sogar ignoriert – was vielleicht sogar noch wirkungsvoller ist. Und er ist natürlich vor allem ein: perfekt inszeniert.

„Ich werde kein perfekter Präsident sein“, sagt Obama gegen Ende. Nun, wir werden sehen. Nach dem Film ist es jedenfalls ein bisschen wahrscheinlicher geworden.

Manchmal vergisst man als Europäer fast ein wenig, dass man mit dieser Wahl ja gar nichts zu tun hat. Wenn man denn doch beteiligt wäre, dann wäre das zweite Video des Tages wohl der ultimative Alptraum.

Ja, lieber Leser, ich war es, der die Wahl entschieden hat. Wegen mir ist John McCain am Ende doch noch Präsident geworden. Weil ich am Wahltag den Hintern nicht hochbekommen habe. Sehen Sie selbst:

Erstaunlich, was im Netz so alles möglich ist.

Wenn Sie auch das Gefühl haben möchten, einmal etwas von historischer Tragweite verbockt zu haben – hier ist der Link. Und: Gehen Sie wählen!

Was? Ach ja, ist bei uns erst 2009 soweit. Ob wir bis dahin auch so schöne Videos zustande kriegen? Eine emotionale halbe Stunde mit Frank-Walter Steinmeier, schluchzenden Rüsselsheimer Opel-Werkern und einem Rentnerehepaar aus Greifswald? Ja? Meine Güte.

Fortgeschritten

Das Auto würde ich mir zwar nie kaufen. Mir graut vor Audis Leitlinie zur Ersatzteilversorgung – für einen Youngtimer kriegt man bei den Ingolstädtern praktisch nichts mehr.

Aber die Werbung ist witzig. Via Olaf Kohlbrück in Off-the-Record, dem ich völlig zustimme: In Deutschland wär sowas schwer vorstellbar. Leider.

Hübsch wäre ein Counter-Spot von Mercedes, in dem ein weise gewordener Audifahrer sein Gefährt gegen eins mit Stern eintauscht.

Angekommen

Ich staune. Die Hamburger Crosswind Landing samt Touch ’n‘ Go (hehe) hat es auf die Startseite von CNN geschafft. Die wiederum verweist hierhin:

A320-Landung bei CNN

Screenshot: CNN

Und bevor ich den Screenshot gemacht hab, war sie auf der Rangliste der meistgeklickten Videos sogar auf Platz 1. In der Redaktion lief das Video auch den ganzen Tag im Fernsehen.

Am nettesten finde ich den nordischen Akzent der Planespotter.

Deutschstunde

Auch wenn ich mich nicht zu den fanatischen Fans französischer Automobile zähle (vom putzigen Ami am Blücherplatz mal abgesehen, mit dessen Besitzer Ingo und ich neulich sprachen):

Der Werbespot für den neuen Citroen C5 ist so gut, dass man ihn sich glatt noch ein zweites Mal angucken kann.

Chapeau.

Was im Busch

Virales Marketing nennt man es, wenn Werbeclips über Videoplattformen wie Youtube verbreitet werden. In der Hoffnung auf fröhliche Weiterverbreitung via E-Mail und Blogs. Und das tollste ist: Es funktioniert.

Vielleicht macht sowas ja sogar noch mehr Spaß als ein Wasserflugzeug? Immer diese Entscheidungen…