Urlaubsbilder

Sony A7II mit Pentacon 2.8 29, 30s, ISO 100
Sony A7II mit Pentacon 2.8 29, 30s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58
Sony A7II mit Pentacon 2.8 29
Sony A7II mit Pentacon 2.8 29
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135, 1/1000s, ISO 320
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135, 1/1000s, ISO 320
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Flektogon 2.8 35, 5s, ISO 50
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Flektogon 2.8 35, 5s, ISO 50
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 4 135
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Biotar 2 58

Brügge. Domburg. Hamburg.

Lesezeit

Sony A7II mit Meyer Optik Orestor 2.8 135, F2.8, 0,3s, ISO 100
Sony A7II mit Meyer Optik Orestor 2.8 135, F2.8, 0,3s, ISO 100

Wie viele Leute fragen sich wohl täglich, welches Werk das Mädel vor der Mayerschen da seit Jahrzehnten so fesselt: Das Parfüm? Das Geisterhaus? Der Name der Rose…?

Heute, im letzten Abendlicht der Blauen Stunde, kam mir endlich die Erleuchtung: Natürlich! Die Unendliche Geschichte.

Hochbetrieb

Sony A7II mit Pentacon 3.5 30, 2 Min., F22, ISO 50
Sony A7II mit Pentacon 3.5 30, 2 Min., F22, ISO 50

Aachen, Gaststätte „Postwagen“ am Rathaus, Blick auf Krämerstraße und Dom.

Erkenntnis des Tages: Wenn man nur lange genug belichtet, leert sich selbst Aachens belebteste Ecke in einer lauen Sommernacht irgendwann.

Nachts im Venn II

Und wieder einmal: das Venn. Der Kurzurlaub für den Kopf, nur eine halbe Autostunde von Aachen entfernt.

Ausstattung diesmal: nur mein Smartphone LG G4. Freihändig. Meine Güte, was diese Winzlinge leisten, ist immer wieder ein echtes Wunder für mich.

Nachts im Venn

Sony A7 II mit Meyer Optik Primagon 4.5 35, F8, 2s, ISO 400
Sony A7 II mit Meyer Optik Primagon 4.5 35, F8, 2s, ISO 400

Zuerst hatte ich mich noch geärgert, dass ich die Blaue Stunde verpasst hatte. Eine gute halbe Stunde danach war ich froh für die Gelegenheit, das Venn – wieder einmal – ganz neu erleben zu können.

Der einsame Ikarus: Das Zeiss Ultron 1.8 50

Großartig ist es, Opas komplette Fotoausrüstung, bestehend aus einer Zeiss Ikon Icarex 35S, dem legendären Zeiss Ultron 1.8 50, je einem Skoparex 3.4 35 und einem Super Dynarex 4 135, zwei Deckeln, einer seltenen Original-Sonnenblende, gleich zwei (!) passenden Fotokoffertaschen, Blitz, Objektivbox und reichlich Papierkram für einen weiß Gott nicht geschenkten, aber fairen Preis kaufen zu können.

Dumm ist es, am Tag vorher ein Zeiss Ultron 1.8 50 alleine für so ziemlich den selben Preis geebayt zu haben. Habe ich also gerade zwei Exemplare der superedlen Linse. Zum Glück auch ein Widerrufsrecht im zweiten Fall…

Bleibt die Frage: Was will er mit dem alten Plunder?

Für die Antwort muss man etwas ausholen. Die Spiegelreflexkamera Icarex 35 war einer der letzten Nägel zum Sarg der westdeutschen Fotoindustrie. Im Jahr 1966 vorgestellt, war sie die fünfte eigenständige Kameraklasse im Zeiss-/Voigtländer-Konzern und mit ihrem eigens entwickelten BM-Bajonett inkompatibel zu allen anderen Kamerasystemen der Welt. Objektivbrennweiten gab es in den ersten Jahren stolze drei Stück: Zum einfachen Dreilinser Pantar 2.8 50 und dem klassischen Tessar 2.8 50 kam noch ein – für die eher schwache Lichtstärke arg teures – Porträtobjektiv Dynarex 3.4 90 und schließlich das Tele Super Dynarex 4 135. Alles ziemlich biedere Konstruktionen, seit den 50er-Jahren bekannt aus der Bessamatic-Serie der Firma Voigtländer (die Zeiss 1956 übernommen hatte und 1971 an Rollei weiterverkaufen sollte). Dabei blieb es zunächst auch schon.

Die Kameras selbst waren schwere, unelegante und komplizierte „Zeiss-Briketts“, mechanisch von höchster Wertigkeit, aber technisch in jedem Jahr ein Stück weiter von den Japanern abgehängt, die in diesen Jahren ein aufregendes Modell nach dem anderen auf den Markt warfen. Bei Zeiss dagegen diktierte ein schwerfälliges Management, dass die Icarex in ihrer Ausstattung gefälligst einen deutlichen Abstand zum Flaggschiff Contarex einzuhalten haben, dessen Verkaufskurve aber stramm nach Süden zeigte. So musste die Icarex etwa ohne die längst übliche TTL-Belichtungsmessung auskommen. Die Käufer wechselten da lieber zu Pentax, Nikon & Co. – wer sollte bitte diese seltsame Icarex kaufen?

Erst nach zwei (!) Jahren schob Zeiss widerwillig eine Handvoll weiterer Brennweiten nach: Erstmals ein – arg gemäßigtes – Weitwinkel, das Skoparex 3.4 35, das längere Tele Super Dynarex 4 200, das Telomar 4 500 und – das immerhin war tatsächlich ein Schmankerl – das seinerzeit erste Zoomobjektiv, das 2.8 36-82 Zoomar. Alle diese Linsen waren ebenfalls über ein Jahrzehnt alte Bessamatic-Konstruktionen und leistungsmäßig längst in die Mittelklasse durchgereicht worden.

Die Objektivfamilie war damit zwar endlich halbwegs vollständig, große Magnetwirkung dürfte sie nicht erzeugt haben. Der ostdeutsche Bruder Carl Zeiss Jena hatte längst spektakuläre 20- und 25-Millimeter-Weitwinkel im Angebot, im fernen Osten lockte Pentax mit einem 35-Millimeter mit der immens hohen Lichtstärke 2.0. Die Icarex – und mit ihr die Kameraproduktion der einst so stolzen Marke Zeiss Ikon – ging denn auch nach gerade einmal sechs Jahren 1972 sang- und klanglos unter, ein letzter Versuch in Form der Spiegelreflexkamera SL 706 scheiterte kläglich.

Es gibt eigentlich heute kaum einen Grund, sich noch für diesen traurigen Ikarus der Fotografie zu interessieren, der nie der Sonne nah genug kam, als dass seine Flügel hätten schmelzen können, wie es Frank Mechelhoff auf seiner sehr empfehlenswerten Seite www.klassik-cameras.de schreibt, von der ich einen Großteil dieser Informationen habe.

Wäre da nicht das Ultron.

Das Ultron 1.8 50 ragt nicht nur aus der kleinen Familie der braven Icarex-Durchschnittslinsen heraus wie ein Leuchtturm aus einem Campingplatz. Es schlägt auch mühelos so ziemlich alles, was zu seiner Zeit und in folgenden Jahren – und nach der Meinung vieler Verehrer bis heute – an 50-Millimeter-Objektiven gebaut wurde. Das 1968 von Albrecht Tronnier noch für Voigtländer neu gerechnete lichtstarke Standardobjektiv ist technisch in einer Hinsicht nahezu einzigartig: Es hat eine Frontlinse, die nicht wie üblich konvex gewölbt, sondern konkav geformt ist. Angeblich steckte dahinter eine Wette Tronniers, der beweisen wollte, dass es auch mal andersherum ging.

Das Ergebnis beeindruckt bis heute. Das Ultron liefert bereits offen eine gestochene Schärfe, höchsten Kontrast und, trotz seiner nur fünf Blendenlamellen, ein einzigartig cremiges Bokeh. Einzigartiger „Pop“ und Dreidimensionalität werden seinen Bildern nachgesagt. Die Schärfeleistung ließ damals die versammelte Konkurrenz alt aussehen: „Bei f/4 übertrifft dieses Objektiv die maximale Bildleistung von nahezu jedem anderen getesteten Objektiv dieses Typs“, hieß es in einem Test der Zeitschrift „Popular Photography“ von 1969.

Das einsame Ultron ist immer noch: ein Leuchtfeuer. So schreibt etwa Walter Owens auf vintage-camera-lenses.com: „It performs much better than all other 50mm prime lenses and always delivers outstanding image sharpness combined with an outstanding bokeh. I therefore think this is one of the best 50mm prime lenses that you can get.“ Etliche Fotografen auch in meinem Bekanntenkreis schwärmen, das Ultron sei ihre liebste 50er-Linse überhaupt.

Jetzt stehen gleich zwei davon auf meinem Tisch, eine wird wieder gehen müssen. Ausprobieren kann ich keine davon, der Adapter für meine A7 ist noch auf dem Weg von Hongkong hierher. Sie sind überraschend schwer, wenn man sie in die Hand nimmt: Die massive, extrem hochwertige Metallfassung scheint innerlich nur aus Glas zu bestehen. Fokus- und Blendenring gleiten geradezu durch die Fassungen. Sie sind wohl die am besten verarbeiteten Objektive, die ich habe. So passen sie gut zur Ikarex, die bei allem kantigen Altherrendesign eine Solidität und Wertigkeit verströmt, wie sie zu einem Mercedes der /8er-Serie passen würde, die damals ebenfalls neu auf den Markt kam. Ein Schmuckstück von eigenwilliger Ästhetik.

Geplatzte Träume umweht etwas Tragisches. Auch das großartige Ultron hat Icarex und Zeiss Ikon nicht retten können. Das einsame Edel-Objektiv fiel in die Ära des Schwanengesanges der westdeutschen Kameraindustrie. Zeiss Ikon/Voigtländer stellte den Kamerabau noch 1972 komplett ein, Leica ließ längst in Portugal bauen, Rollei verlagerte 1975 seine Produktion in die übergroße neue Fabrik in Singapur (deren Überkapazitäten dem Unternehmen bald das Genick brechen sollten). Seltsamerweise hatte Rollei 1970 von Zeiss für die neue SL35-Kamera noch ein neues, ebenfalls sehr hochwertiges 1.8 50 Planar entwickelt bekommen, dass parallel ebenfalls unter dem Label Voigtländer Color-Ultron produziert wurde, aber nichts mit dem Ikarex-Ultron zu tun hat. Angeblich war das gerade erst zwei Jahre alte Icarex-Ultron von Tronnier zu teuer in der Herstellung.

So endete die Karriere des Wunderkindes nach gerade einmal vier Jahren. Trotzdem ist das Icarex-Ultron zur Legende geworden, die bis heute fasziniert. Dank spiegelloser Kameratechnik lässt sich inzwischen digital die Leistung der nächstes Jahr 50 Jahre alt werdenden Konstruktion bewundern. Nach fast einem halben Jahrhundert hat Ikarus doch noch vom Erdboden abgehoben.

Primadonna Primagon

Zu den schönsten Nebensächlichkeiten beim Sammeln der alten Objektve gehören die Namen. Und niemand benannte Objektive so schön und fantasievoll wie die altehrwürdige Görlitzer Linsenschmiede Meyer Optik. Zum Beispiel das Helioplan: War das nicht der griechische Gott der Überbelichtung? Domiplan und Domiron: die antiken Helden der In-Haus-Fotografie. Und dann das mächtige Geschlecht der Orestonen: Orestor, Oreston, Orestegor und Orestegon. Objektivnamen wie Donnerhall, da ahnt man die bildgewaltige Dramatik der damit gemachten Fotos schon, bevor man sie auch nur an die Kamera geschraubt hat.

Doch am schönsten klingen die P-Liner (Segelschiff-Fans verstehen die Anspielung). Carl Zeiss hatte Planar und Pancolar, doch Meyer hatte mehr. Da sind erst einmal die Primotare, Allzweckwaffen mit 50, 80, 135 und 180 Millimeter Brennweite. Dann natürlich die legendären Primoplane – Wunderlinsen mit eingebauten Aquarellhintergrund in 58 und 75 Millimeter Brennweite.

Und dann gab es das Primagon. Kein Wunderwerk, aber ein solides, erschwingliches Alltags-Weitwinkel für den Hobbyfotografen der späten 50er Jahre. Man darf nicht vergessen: Die heute ziemlich unspektakulären 35 Millimeter Brennweite galten damals als die Spitze des absolut technisch Machbaren, sie hatten gerade erst die 40 Millimeter des Tessars 4.5 40 von Zeiss und des ähnlichen Helioplans von Meyer abgelöst. Carl Zeiss war 1953 mit der ersten Generation des Flektogons 2.8 35 vorausgegangen – eine mit sechs Linsen in sechs Gruppen überaus aufwändige und entsprechend teure Konstruktion (die auch heute noch exzellente Schärfe und Kontrast liefern kann).

Meyer zog nach und präsentierte auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1956 das Weitwinkelobjektiv Primagon 4.5 35 mm, ausgerichtet auf ein preisbewussteres Kundenklientel. Den Ingenieuren gelang es, das Grundobjektiv aus nur drei Linsen aufzubauen, davor setzten sie noch eine große Zerstreuungslinse. Das ließ sich günstig produzieren und brachte – bei der nicht gerade überwältigenden weitesten Blende von 4.5 – erstaunlich gute Bildergebnisse. Denn: „(…) zwischen tiefem Blau und mittlerem Rot ist das Objektiv frei von chromatischer Aberration. Mit diesen Eigenschaften würden Werbestrategen einem solchen Objektiv heute das Attribut „Apo“ anhängen“, schreibt Marco Kröger auf der sehr lesenswerten Webseite Zeiss Ikon VEB.

Sagen wir es kurz: Für Indoor- und Available-Light-Fotografie, für Straßenszenen im Dämmerlicht und Partyfotografie ist das Primagon nicht wirklich etwas. Im Hellen produziert es dagegen Bilder, die sich immer noch sehen lassen können. Marco Kröger schreibt: „Es handelt sich auch nach heutigen Maßstäben um ein erstaunlich leistungsfähiges gemäßigtes Weitwinkelobjektiv, das sein Gütezechen damals nicht unverdient erhalten hat.“ Das Primagon wurde seinerzeit mit dem Qualitätssiegel Q1 ausgezeichnet, mit dem die DDR Produkte von Weltmarktniveau („oder besser“) kennzeichnete. Mit mancher heutigen Zoom-Kit-Linse könne es der Oldtimer durchaus aufnehmen, meint Altobjektiv-Experte „praktinafan“ im Digicamclub-Forum.

Heute brachte mir der Postbote ein solches Spitzenprodukt volkseigener Optikerzeugnisse. In blau-weißer Meyer-Originalschachtel, mit beiden Kappen. Es glänzt wie unbenutzt – es ist nach den Varianten mit Exa- und Altix-Bajonett mein drittes Primagon und das schönste.

Ganz einfach zu handhaben dürfte der Silberling nicht sein. Die schwache Lichtstärke ist bei allen anderen als guten Lichtverhältnissen so etwas wie ein eingebauter Unschärfegenerator. Und die exponierte übergroße Frontlinse dürfte trotz des roten „V“-Zeichens zur Kennzeichnung der Glasvergütung neben dem Licht auch die ungewollten Streulichteffekte wie Ghosts und Flares sammeln. Das Primagon ist wohl eine ganz schöne Primadonna, die in eine Gegenlichtblende gehüllt sein will, um strahlen zu können. Sie soll sie bekommen, in bestem zeitgenössischen Bakelit natürlich. Damit hoffe ich dann auf Bilder in typischem Meyer-Stil, mit weichem Hintergrund und schönen warmen Farben, nicht zuletzt dank der Blende mit zehn Lamellenblättern. Zeige sie uns, was sie kann, Primadonna!

Ach ja: Abgelöst wurde das Primagon im Jahre 1964 von dem Objektiv mit dem wohl schönsten Namen überhaupt – Lydith 3.5 30. Lydith – war das nicht diese hübsche junge Frau aus dem Alten Testament, die den obersten General des feindlichen Heeres beim Baden fotografierte?