Die kleine Freiheit mit dem Zitronengeschmack

„Na, wie sitzt es sich da oben in der Zitrone?“ fragt der nette Jungpilot. Ich stutze eine Sekunde, dann wird mir klar, welchen Spitznamen die Nörvenicher Sportflieger ihrer fahrbaren Flugleiterkabine gegeben haben. Der selbstgebaute Mini-Tower besteht aus einem alten Lastwagen, auf den eine Art Bürocontainer mit Kontrollkanzel montiert wurde – und ist wegen seiner knallgelben Lackierung namensmäßig an die saure Südfrucht angelehnt.

Es ist mein erster richtiger Tag auf dem Fliegerhorst Nörvenich. Um meine mit der Zeit verschütt gegangenen Motorflugfähigkeiten wieder zu zu reaktiveren, hatte ich vor einigen Monaten Bande zum hiesigen Fliegerclub geknüpft. Lockstoff war dessen enormer Flugpark: eine viersitzige Reisemaschine DR 253 Regent, ein Schulzweisitzer DA-20 Katana, ein Buschflugzeug vom Typ Piper Cub, ein historischer Bücker-Jungmann-Doppeldecker, zwei Ultraleichtflugzeuge C42 Ikarus und Z602 und last but not least je ein Motorsegler des Typs SF25 Falke und Grob G109. Das Ganze gekrönt von überaus zivilen Preisen (den Falken fliegt man für runde 30 Euro die Stunde) und einem offenbar blubbernden Vereinsleben.

Doch wie jeder Aeroclub leben auch die Nörvenicher von ehrenamtlichen Engagement. Und so darf sich das frischgeschlüpfte Neumitglied aufgrund temporärer Abwesenheit von erfahrenerem Bodenpersonal erst einmal nützlich machen – als Flugleiter. Nach ebenso kurzer wie komprimierter Einweisung („Du brauchst eigentlich nicht mehr zu sagen als: Piste Zwo-Fünf, selbständig“) finde ich mich mutterseelenallein mit einem Funkgerät, einer langen Liste an Telefonnummern von Truppenkantine bis Flugplatzfeuerwehr („falls irgendwo Rauch aufsteigt“) sowie einer Flasche gerade noch angenehm kühler Fassbrause wieder. Zitronenlimonade in der Zitrone. Soll ja nur für eine halbe Stunde sein.

"Nörvenich Info, Piste Zwo-Fünf selbständig, was kann ich für Sie tun?"
„Nörvenich Info, Piste Zwo-Fünf selbständig, was kann ich für Sie tun?“

Um die folgenden drei Stunden etwas abzukürzen: Es stieg nirgendwo Rauch auf, es gab keine Near Misses, auch einen umgeleiteten Airbus A380 oder eine Rotte Eurofighter hatte ich nicht in der Platzrunde abzufertigen und der Funkverkehr beschränkte sich auf ein bewältigbares Minimum („Frage Kontrollzone aktiv?“ – „Äh, nö.“). Die Sache hat sogar Spaß gemacht. Nur der Schädelinhalt wird einem da oben langsam weichgekocht, weil die Klimaanlage der Zitrone noch nicht oder nicht mehr zur Kühlung der Flugaufsicht beitrug.

Dann aber kam endlich freundliche Ablösung herbei, und so konnte es es schließlich auch für mich heißen: Piste Zwo-Fünf, selbständig. Natürlich mit dem Falken, dem einzigen Fluggerät, das man auch mit weichgekochter Hirnmasse noch halbwegs fehlerfrei bedienen kann (es könnte am Fehlen jeglicher komplexer Bedienelemente wie Einziehfahrwerk, Verstellpropeller oder Volldisplayscockpit liegen). Auch wenn die D-KGAA mit ihrem 60-PS-Käfermotor keine Rollbahnrandbefeuerung ausreißt, zwei Erwachsene wuchtet sie mit der selbstverständlichen Routine eines 60-jährigen Gepäckverladers in den Himmel.

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Da sind wir endlich.

Der an diesem Wochenende bis auf die paar Sportflieger menschenleere Platz mit seiner gigantischen Piste ist das reinste Fliegerparadies. Hier stört uns niemand, und da auch der Segelflugbetrieb mittlerweile eingestellt ist (leider hat ein Motorschaden die Winde außer Gefecht gesetzt), gehört der Himmel über Nörvenich ganz uns. Der Boxer brummt mit gemütlichen 2500 Umdrehungen, die Sonne knallt lustig durch die Plexiglashaube, ein Schwarm Greifvögel dreht unter uns seine Kreise über der Bahn und mein linker Schuh wird von irgendeinem Motorabwärmestrahl im Fußraum langsam getoastet. Die ganz kleine, grenzenlose Freiheit auf 1300 Fuß über Grund.

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Ein, zwei Handvoll Platzrunden später wird das Fluggerät am Pistenrand abgestellt, in immer noch gebrauchsfähigem Zustand. Folglich hat der Mensch auf dem linken Sitz das mit den Landungen erfreulicherweise doch nicht völlig verlernt. Glücksgefühl hat viele Gesichter. Ein Flugzeug nicht kaputt gemacht zu haben, kann eines davon sein.

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Und das ist er, der gelbe Glücklichmacher. Beziehungsweise die Kuh, wie die SF25 wegen ihres bauchigen Rumpfes und ihrer sportlichen Flugleistungen landläufig genannt wird. Braves Flugzeug. Ich werde nicht Kuh zur Alpha Alpha sagen, sondern einen charmanteren Spitznamen wählen. Wie wäre es mit… Kanarienvogel? Gelbe Gefahr? Nein, besser: Zitrone? Klingt doch auch viel spritziger.

Dann ist der Flugtag vorbei, die müde Crew will in den Feierabend. Die Zitrone rollt knatternd zurück zu den Hangars, wo bereits der Großteil der Nörvenicher Luftflotte geparkt steht.

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Darunter auch dieses überaus edle Fluggerät, eine Gyroflug SC01 Speed Canard. Ein Entenflügler mit Push-Motor. Ja, dieses Flugzeug steht mit dem Heck zur Kamera. Nein, es hat kein Seitenleitwerk.

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Prunkstück ist natürlich die Bücker. Niemand nennt den Doppeldecker CASA, obwohl es ein spanischer Nachbau des berühmten deutschen Schuldoppeldeckers aus den Dreißiger Jahren ist. Der vor einigen Monaten mit Fahrwerksbruch lahmgelegte Klassiker wird derzeit in liebevoller Handarbeit wieder aufgebaut.

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Der Vogel wartet mit dem wohl bizarrsten Detail auf, das ich je an einer Maschine gesehen habe, das geschleppte Dreibein-Einziehfahrwerk der Meta Sokol in Norwegen eingeschlossen. V-förmige, durch Schnüre verschlossene Wartungsöffnungen für die Höhenruderklappen. Hat man sowas schon gesehen?

Eine gute halbe Stunde später ist es wieder ein 35 Jahre alter Mercedes-Dieselmotor, der vor mir brummt. Der Moorbraune und sein Meister schaukeln über die Landstraßen zwischen Golzheim und Merzenich heim in Richtung Aachen – ganz schön matt, aber um so glücklicher. Das war er, der erste Flugplatztag in Nörvenich.

Klar, das Platzangebot ist im Mittelklasseauto gefühlt doppelt so groß wie im winzigen Motorseglercockpit. Die Sitze sind langstreckentauglich. Frischluft und Heizung lassen sich gradgenau regulieren und Sonnenblenden gibt es auch. Trotzdem: Die wenigen Sitze, gegen die ich mein geliebtes Benz-Gestühl von Zeit zu Zeit mit Vergnügen eintausche, sind die, die es in die ganz kleine grenzenlose Freiheit in 1300 Fuß überm Boden schaffen.

Feurs 2013

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Leise rostet die Fouga. Kaum ein Bild gibt so passend die triste Stimmung wieder, die das FVA-Fluglager in Feurs im April 2013 über weite Teile in ihren nasskalten Krallen hatte. Denn zum ersten Mal seit ich jedes Frühjahr nach Südfrankreich fahre (also seit 2009), ist das Wetter über längere Zeit durch die (Wolken-)Bank schlecht. Es ist bewölkt, es ist kalt, es regnet. Das Flugfeld ist vollgesogen wie ein Schwamm, an Fliegen ist nicht zu denken. Tag um Tag hockt unser müdes Trüppchen frierend in der ungeheizten Halle oder kauert sich draußen vor dem Clubheim unter das Vordach, wo ein Hauch von WLAN eine brüchige Verbindung zur Außenwelt bietet.

Schon zur Begrüßung ist mir verkündet worden, dass unter den Anwesenden ein durchschlagendes Noro-Virus oder ein ähnlicher Verdauungsbeschleuniger grassiert, der nach und nach jeden erwischt habe. Und als das wäre dieses Schwert des Montezuma nicht Stimmungstöter genug, lädt sich am zweiten Tag mein iFon die gefürchtete „Spider-App“, als es mir aus den Fingern flutscht und mit dem Display voran auf den Schotter vor der Hallentür fällt.

Um den Frust vollzumachen, ist auch noch mein Auto flügellahm: Auf der Hinfahrt am 2. April von Köln über Trier und Lyon hat schon in der Eifel das vordere linke Radlager angefangen zu heulen. Das berühmte dumpfe Wuwuwu-Geräusch von Anakin Skywalkers Podracer in der spektakulären Rennszene in Star Wars – Episode I ist nichts weiteres als eine 1994er C-Klasse. Bis das bestellte Ersatzteil an die Werkstatt neben dem Carrefour geliefert ist, schleppen sich die Tage hin. Währenddessen bin ich in der eiskalten Unterkunft festgenagelt, auf deren Blechdach ununterbrochen die Tropfen prasseln. Ein Feurs zum Abgewöhnen.

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Auch eine Runde „Axis and Allies“ kann mich da nicht reizen – das ist ein bei einigen FVAlern beliebtes Strategiespiel, das sich erstaunlicherweise noch länger hinzieht als der Zweite Weltkrieg selbst.

Hüttenkoller nennt man es wohl, wenn man irgendwann die Wände seiner Behausung auf ihre Begehbarkeit abschätzt. Damit es nicht soweit kommt, mache ich mich in einer Regenpause mit Spargel auf eine kleine Wanderung hinunter an die Loire.

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Ungezählte Male sind wir in der Platzrunde schon über das Überschwemmungsgebiet im Süden des Platzes eingekurvt. Jetzt wollen wir beide uns einmal anschauen, wie die Gegend aus der – haha – Froschperspektive aussieht. Ein Stück hinter dem Platz geht es über den Deich an der Loire flußabwärts.

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„Achtung, Gefahr! Staudämme und Kraftwerke: Rasch ansteigendes Hochwasser möglich sogar bei schönem Wetter“ steht – auf Deutsch! – auf dem Warnschild am Loire-Deich. Da soll mal einer sagen, Piloten leben gefährlich.

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Ein Mast mit Pegelanzeigern verrät, wie hoch die Fluten beim letzten Hochwasser 2008 standen: mehr als zwei Meter überm (Ufer-)Boden waren es auf alle Fälle. An die aufgequollenen Holztüren und sonstigen Wasserschäden in der Halle auf dem Flugplatz kann ich mich noch gut erinnern.

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Doch das morastige und sich selbst überlassene Naturschutzgebiet ist nicht ohne Reiz. Im Sommer wimmelt es hier vor Vögeln, auch wenn im Moment außer einigen Bleßhühnern und Enten nicht viel zu sehen ist. Ein Rundkurs führt über das Gelände, das zum sogenannten Ecopôle du Forez gehört. Von mehreren versteckten Ständen aus kann man die Tiere durch Sehschlitze beobachten, ohne dass man selbst von ihnen gesehen wird.

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Das muschelförmige Besucherzentrum – unsere beliebte Orientierungsmarke beim Eindrehen in den Queranflug – ist leider geschlossen. Dafür verwöhnt guter französischer Landregen Spargel und mich auf dem Rückmarsch zum Flugplatz, den wir ziemlich klatschnass erreichen. Wir lernen, dass man sich auch über eine sehr kalte Behausung sehr freuen kann.

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Für etwas Abwechslung sorgen eines Tages unverhoffterweise die Jungs vom örtlichen Aeroclub mit einer großangelegten Baumfällaktion. Einen ganzen Tag lang wird gehackt, gesägt und weggeschleppt wie am Band. Selbst die malerische alte Trauerweide neben dem Clubheim muss dran glauben. Angeblich beschädigten ihre Wurzeln das Mauerwerk.

Vor allem aber werden der Außenwaschplatz von seiner Sichtschutzhecke befreit und sämtliche Bäume rund um die Halle in die Horizontale befördert.

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Das Ergebnis spricht für sich selbst: hell, frei und freundlich – wer würde sich hier nicht gerne zur Körperpflege frei machen? Na?

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Doch auch die längste Schlechtwetterperiode ist irgendwann zu Ende. Irgendwann kommen die Maschinen der FVA doch noch in die Luft. Freilich auch genauso schnell wieder runter: Am „Tag der Außenlandungen“ regnet es rund um Feurs weiße Vögel. Da mein Auto mittlerweile wieder geräuschlos fährt, darf es sich nützlich machen und Miguel II aus dem Acker holen.

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Der Vogel ist schnell zerlegt und in den Hänger geschoben. Kein Vergleich mit der Außenlandung von 2010, als wir Flächen und den Rumpf des schweren Doppelsitzers quer (bzw. längs) über einen sandigen Acker schleppen mussten.

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Auf der Rückfahrt zum Flugplatz wird der Beweis erbracht, dass auch sechs Erwachsene locker in eine C-Klasse passen.

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Und irgendwann komme dann auch ich in die Luft. Mit diesem Leih-Falken, aus doppeltem Grund „die Kuh“ genannt…

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…wie ein Blick ins Cockpit erklärt.

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Mit diesem Prachtflieger drehen Martin und ich eine erweiterte Pracht-, äh, Platzrunde in Richtung Schneeberg, um die Wetterlage zu erkunden.

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Blick nach Norden in Richtung Roanne – unten eine malerische Burg auf einem Hügel. Jepp, das Wetter ist eindeutig fliegbar.

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Schließlich kommt der Tag, an dem die ganz große Hektik ausbricht: Überm Gebirge hat sich eine Welle gebildet, ein seltenes und für Segelflieger traumhaftes Wetterphänomen, bei dem man in starken Aufwinden praktisch unbegrenzt oben bleiben kann. Die Piloten stürzen zu ihren Maschinen, ein Vogel nach dem anderen hebt ab.

Da die Flugschüler und Aktiven auf den Segelflugzeugen Vorrang haben, wollen Fips und ich im Motorsegler hinterher. Wie geschickt wird sich unsere Kuh wohl beim Wellenreiten anstellen? Wir sollen es nicht erfahren. Auf dem Rollweg zum Start reagiert die Maschine nicht mehr auf meine Lenkbewegungen mit den Seitenruderpedalen. Als dann das Eindrehen auf den Taxiway Grünstreifen neben der Bahn komplett daneben geht, wird uns klar, dass wir ein Problem haben. Anhalten, Parkbremse, Triebwerk aus, Haube auf, aussteigen und langes Gesicht machen: Am Spornrad hat sich der Mantel von der Felge gelöst.

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Die Erkenntnis dämmert herauf: Heute wird es nichts mehr mit Welle machen. Kräftige Hände tragen den schweren Vogel Schwanz voran zurück zur Halle. Ein neuer Spornradmantel wird zwar irgendwo aufgetrieben, doch die Reparatur dauert stundenlang bis in den Abend. Der Frust sitzt tief – es wäre meine erste Welle gewesen.

Dann, am 13. April, geht mein fünftes Feurs nach gut zehn Tagen zu Ende. Fliegerisch war’s ein ziemlicher Schlag ins Wasser: ein paar größere und kleinere Platzrunden im MoSe, ein paar größere und kleinere Platzrunden im Segel-Doppelsitzer. Wenn es mehr nicht gewesen wäre, wär die ganze Fahrt ein Reinfall gewesen. Doch zum Glück gab es da doch noch etwas: nämlich die köstlichen Törtchen, die Fips in den Patisserien im Ortskern entdeckt hatte.

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So wundern sich die lokalen Konditoren über die täglich im Laden stehenden radebrechenden Touristen in den leicht schmuddeligen Klamotten, die immer neue Kartons mit Zuckerwerk aus dem Laden tragen.

In Ausbaustufe 2 werden diese Beutezüge ausgedehnt auf örtliche Käsesorten, französisches Landbier und natürlich Wein (etwa den „Château de Sau“ und den Beaujolais „Pisse-Dru“ – beide heißen wirklich so). Unsere Halle wird allabendlich zum Schlemmerparadies. Kulinarische Lichtblicke unter wolkenverhangenem Himmel.

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Apropos kulinatisch: Dann war da natürlich auch noch das Blümchenessen. Der jährliche Höhepunkt jedes Feurs-Lagers: unser Dank für die französischen Gastgeber (und natürlich auch für uns). Blümchenessen heißt das Buffet, weil es durch die „Blümchen“ finanziert wird, die unzähligen 5-Euro-Strafen, die man im Lauf des Lagers für große und kleine Fehltritte kassiert.

Erinnerungen an das legendäre Blümchenessen von 2009 kommen auf, als sich in den frühen Morgenstunden eine Gruppe schwerst angeheiterter FVAler zu Fuß auf in Richtung Feurs machte. Und tatsächlich etwa dreißig Meter weit kam, bis der Blutalkohol seinen Tribut forderte.

Ganz so innig wird es dieses Jahr nicht, aber trotzdem wieder ein schöner Abend. Nicht nur dank der Crème-Brûlée-Schüsselchen, deren Inhalt von Bio per Gasbrenner karamellisiert wird.

Es gibt also doch noch mehr hier unten als nur das Fliegen. Also doch kein Feurs zum Abgewöhnen? Schauen wir mal. Immerhin hat die Kamera meines iFons den Sturz überlebt, ebenso – wie oben zu sehen – sämtliche Bilder. Sogar das Noro-Virus hat mich als einen der wenigen verschont – vielleicht, weil ich die zehn Tage hindurch konsequent einen Bogen um die beiden Toiletten in der Halle gemacht habe und trotz abgeholzten Sichtschutzes auf die zugige Außentoilette ausgewichen bin. Es hätte also alles auch noch viel unangenehmer kommen können.

Und vielleicht ist 2014 ja auch das Wetter 2014 wieder besser…

Überseeflug

Irgendwann im Januar war dann endlich, endlich der ersehnte neue JAR-PPL in der Post. Mit allen Stempeln, Gültigkeiten und Klassenberechtigung für Reisemotorsegler. Ein Reisemotorsegler ist sowas wie das hier:

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Was in den darauffolgenden Wochen und Wochen noch fehlte, war Wetter. Und Zeit. Doch schließlich ward es Donnerstag, und siehe, beides war plötzlich vorhanden. Zeit zwar eher als Wetter (das hatte sich nach dem Mini-Frühling zum Wochenbeginn doch wieder etwas zugezogen), aber beides reichte aus für einen Flug. Und ein Reisemotorsegler war auch zur Hand, nämlich der da oben.

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Schnell noch vier Platzrunden geschrubbt – wegen der 90-Tage-Regel – und dann den Kurbel eingepackt, dem ich noch einen Gegengefallen für einen Segelkunstflug in Feurs schuldete.

Zeit und Wetter reichten noch für eine Spritztour in die Eifel. Der Sprit im Tank auch. Meinen Plan, für einen schnellen Sechzig-Euro-Kaffee zur Dahlemer Binz zu knattern, musste ich allerdings canceln. Soviel Zeit, Wetter und Sprit waren’s dann doch nicht.

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Doch wenn man etwa 20 Minuten lang von Merzbrück aus auf 154° nach Südosten öttelt, kommt schließlich linkerhand hinter Eifelwäldern und schneerestbeflockten Feldern etwas Blaugeschlängeltes in Sicht.

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Der Rursee, Verzeihung: die Rurtalsperre. Hier schauen wir auf den Westzipfel bei Rurberg, rechts unten der Obersee, rechts oben die Urfttalsperre. Wir drehen nach links und fliegen den eigentlichen Rursee hoch…

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…bis über der Eifel endlosen Wäldern die Staumauer bei Heimbach in Sicht kommt.

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Noch ist da unten keine Segelsaison, die Anleger sind ziemlich leer. Die Ausflugsdampfer liegen noch brav am Seehof vor Anker.

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Jetzt aber ab nach Hause, ehe Zeit, Wetter oder Sprit knapp werden. Die tiefstehende Sonne spiegelt sich noch einmal schön auf der Wasseroberfläche…

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…während voraus schon im Dunst die markante Dampfwolke des Kraftwerks Weisweiler auftaucht.

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So brummelt die India Romeo auf Nordkurs, 354°, wieder Aachen entgegen. Die Luft ist ruhig, und wenn nicht ein gelegentlicher Tröpfchenregen die Kabinenhaube sprenkeln würde, wär’s fast schon ein schöner Frühlingstag. Noch eine Runde um den Weisweiler Dampfpilz gedreht, dann zurück in den Gegenanflug von Merzbrück. Eine Dreiviertelstunde nach dem Start setzt unser Falke wieder auf der 08 auf und rollt gemütlich aus.

Hach ja. Das Maschineputzen nach dem Flug und der Papierkrieg mit Bordbuch, Flugbuch und Startliste können auch richtig Spaß machen. Endlich mal wieder oben gewesen. Und das ohne Lehrer oder Prüfer auf dem rechten Sitz. Wann haben wir das nächste Mal Wetter und Zeit?

Kuhflug

Falke im Anflug auf Merzbrück

Es ist unwahrscheinlich, dass die Scheibe Flugzeugbau SF 25 C – vom Hersteller stolz „Falke“ genannt, von ihren Nutzern liebevoll „Kuh“ oder „Rentnerjet“ – jemals in der Literatur als Beispiel für besonders gefälliges Luftfahrzeugdesign genannt wird. Die tief angesetzten Flügel recken sich in negativer Pfeilung aus dem kantig bespannten Rumpf heraus. Aus dessen Unterseite ragt ein einzelnes wuchtiges Mittelrad aus einer bauchigen Verkleidung heraus. Zwei winzige Stützrädchen an langen Stangen unter den Flügeln halten das Trumm am Boden in einer konstant kippelnden Waagerechten. Nein, schön geht anders. Auf der Ästhetikskala liegt der Falke am entgegengesetzten Ende zur, sagen wir mal, Dallach Fascination.

Im Nest des Falken

Dieses unförmige und unelegante Luftmoped hat eigentlich nur einen wirklichen Vorteil: Es fliegt – und das erstens gut und zweitens billig und dadurch drittens ziemlich oft. So wie die D-KNIR der Philips Fluggruppe Aachen gestern mit mir in die Eifel. Es war mein erster Flug zu einem anderen Platz von Aachen aus. Man muss ja die Gegend kennen, in der man unterwegs ist.

Über dem Rursee

Aus der Merzbrücker Platzrunde ging es geradewegs auf Kurs 153 Grad. In etwas über 3000 Fuß knatterten wir gemütlich über den Rursee….

Im Gegenanflug auf die Dahlemer Binz

…bis zum Flugplatz Dahlemer Binz, der sich 65 Kilometer weiter südlich in den tiefsten Wäldern der Eifel versteckt, irgendwo südlich von Monschau und Bad Münstereifel.

Falke in Binz

Unsere C 2000 nach der Landung, 35 Flugminuten nach dem Start. Die Landegebühr schlug mit flugschülerfreundlichen 4,50 Euro zu Buche. Für einen Falken ist die Binz so etwas wie ein Heimathorst: Ein Teil der rund 1500 gebauten SF 25 wurde hier vor Ort bei Sportavia Pützer in Lizenz gefertigt. Ob das auch für unsere D-KNIR gilt, weiß ich leider nicht.

Windräder in der Eifel

Nach dem Erledigen der Formalitäten geht es wieder auf den Rückflug, auf dem ich über die vielen Stauseen in der Eifel – hier die Olefbachtalsperre – staune. Aachen liegt irgendwo dahinter, auf 333 Grad im Dunst…

Stausee

…und noch ein ganzes Stück hinter dem Rursee, der sich wie ein chinesischer Drachen durch die Landschaft windet. Nach 37 Flugminuten landet die India Romeo trotz Seitenwind wieder glatt in EDKA. Was für ein angenehmer kleiner Trip.

Hätten wir uns im Flugplatzrestaurant auf der Binz eine Stärkung eingeworfen, es hätte tatsächlich der sprichwörtliche „One-hundred-Dollar-Hamburger“ werden können. Das ist unter Motorfliegern der Ausdruck für einen reinen Spaßflug zu einem nicht allzuweit entfernen Platz, wo man kurz etwas isst und sich dann auf den Rückweg macht. Dank der mächtig gestiegenen Kosten für Flugbenzin wird allerdings heutzutage aus dem Hundertdollarburger oft eher ein Dreihundert-Euro-Kaffee. Das Flugbenzin Avgas 100LL liegt zwischen 2,60 und 2,90 Euro pro Liter, von denen sich ein tyischer Flugmotor wie der oft in der Cessna 172 steckende Lycoming O360 gerne mehr als 40 pro Stunde nimmt.

Unser Falke mit seinem 80-PS-Limbach-Boxer ist dagegen mit Superbenzin von der Tankstelle zufrieden und suckelt sich davon keine zwölf Liter pro Stunde aus dem Tank.

„Kun lehmät lentävät“, sagt der Finne, wenn er etwas nicht glaubt: „Wenn Kühe fliegen“. Ja, sie fliegen tatsächlich. Gar nicht so selten sogar. Und sie machen dabei sogar ziemlich Spaß.

Der Falke ist gestartet

Endlich, endlich, es tut sich wieder was: Die ersten Schritte sind getan, das in 2009 abgelaufene Rating für Reisemotorsegler zu reaktivieren – und damit den PPL zu erhalten, der Ende des Jahres abläuft. Ein Prüfer ist gefunden, ein Fluglehrer zum Auffrischungskurs ebenso, mit der Luftfahrtbehörde sind Details geklärt – und jetzt war ich auch erstmals seit langem wieder mit einem MoSe in der Luft. Im Falke 2000 D-KNIR der Philips Fluggruppe Aachen konnte ich die ersten Platzrunden in Merzbrück seit 2009 schrubben. Und: Ja, es geht noch. Ich bekomme das dreihändig fliegbare Luftmoped (eine Hand am Knüppel, eine am Gas, eine am Bremsklappenhebel) offenbar immer noch heil in den Himmel und heil wieder auf den Boden, sogar auf den 500 Metern Flugzeugträgerlandebahn von Merzbrück. Erleichterung.

Fotos habe ich nicht gemacht, dafür war bei den neun Starts und Landungen, den Roll- und Stall-Übungen und der simulierten Ziellandung mit Triebwerksausfall zu viel zu tun. Aber auf der Festplatte sind noch ein paar Bilder vom 19. April 2009, als eine gewisse DG 1000 mit einem etwas nervösen Segelflugschüler im Wärmeschlauch über dem Kraftwerk Weisweiler kurvte…

Die Wolken von Weisweiler
Hier geht’s aufwärts: Das Kondensat überm Kraftwerk Weisweiler
Blick zum Tagebau
Hier geht’s abwärts: Blick rüber zum Tagebau
Das Kraftwerk Weisweiler
Hier wird das gute Co2 gemacht: Kraftwerk Weisweiler
Die Raststätte Aachener Land
Im Gegenanflug auf Merzbrück. Links die Raststätte „Aachener Land“
Merzbrück - Position
Das wäre jetzt der Queranflug – bisschen hoch allerdings…
Autobahnkreuz Aachen
Wir gehen denn mal runter…

Auch damals war der Vogel nach der Landung noch zu gebrauchen. Alles wie gehabt also, 2012 im Philips-Falken. Nur am Kreuz Aachen hat sich seit 2009 doch ein wenig getan.

Billigflieger

Die 13 Minuten im Heli am 5. Mai haben fast 70 Euro gekostet. Dafür kann man auch etwas länger in der Luft bleiben, wenn man bereit ist, am Fluggerät den Prestigefaktor herunterzuschrauben. Mein treuer Einradfalke D-KGAH bringt mich ein paar Stunden später am selben Tag für’s gleiche Geld in mehr als einer Stunde von Porta nach Bielefeld und zurück.

Nach dem Start in EDVY

Ungewöhnlich: Wir haben Nordwind, also Start auf der Piste 23 mit Rechtsplatzrunde. Nach dem Abheben fliegt man direkt auf die Porta zu.

Brücke an der Autobahn A2

Ich habe kein besonderes Ziel, bin einfach nur in der Gegend und will ein bisschen fliegen. Also geht Alpha Hotel auf vagen Südkurs in Richtung Bielefeld.

Golfplatz bei Herford

Extra für meine Kollegin Yvonne: ein Golfplatz. Möglicherweise Widukindland bei Herford.

Fliegerheld

Kein Flug ohne Fliegerheldenfoto. Man trägt wieder Pony. Warum schaffe ich es nie, auf einem Foto einfach mal nur nett zu lächeln?

Bielefeld

Ehrenrunde über der alten Heimat Bielefeld. Gerade waren wir noch mit dem Heli von Süden her gekommen, jetzt von oben mit dem MoSe.

Bielefelds Bahnhofsviertel

Das neue Bahnhofsviertel, Bielefelds Amüsiermeile.

Bielefelder Alm

Die Alm, wo die Alemannia Arminia schon manches Mal von der Arminia Alemannia geputzt worden ist. Oder andersherum.

Stadthalle Bielefeld

Unten im Bild sind Hauptbahnhof und Stadthalle zu erkennen.

Containerbahnhof

Der Containerbahnhof. In dieser Gegend habe ich von 2002 bis 2007 gewohnt…

Obersee

Der Obersee, jahrelang mein Joggingrevier. Davor das Eisenbahnviadukt.

Jetzt aber zurück nach Norden. Wird spät, und wir müssen heute noch nach Aachen zurück.

Kraftwerk Veltheim

Vor uns das Kraftwerk Veltheim bei Vlotho. Der ideale Punkt, sich am Platz anzumelden und in den Gegenanflug zu gehen. „Porta Info, Delta Kilo Golf Alpha Hotel…“

Ein schöner Flug. Ein schöner Tag. So entspannt und angenehm darf es gerne immer sein. War schon ein Unterschied zum 20. März mit Schneesturm und maximaler Seitenwindkomponente.

Ride & Fly

Zwei Stunden geschlafen. Drei Stunden im Auto gesessen. Vier Stunden beim Hallenputztag geackert. Und dann das.

Wolkenuntergrenze

Hauptwolkenuntergrenze unter 1.000 Fuß.

Das einzige, was heute fliegt, sind Möwen. Und zwar tief.

Ich sage JAR zur neuen Lizenz

Am Sonntag klappt’s denn doch noch. Hermann hat Zeit und Lust, mit mir den einstündigen Übungsflug zu machen, den ich für die JAR-Lizenz benötige. Wir nehmen den Flieger, der vorne in der Halle steht: die D-KIET, den schnellsten Falken am Platz.

D-KIET

Auch wenn ich über ein Jahr nicht mehr in einer Maschine gesessen habe – es geht alles wie von selbst. Nach dem Tanken (das erste Mal an der neuen Zapfanlage in Porta) rollen wir auf die Bahn… und sind schon in der Luft.

Wolkendecke

Jeder Flug ist anders. Zwischen zwei Wolkendecken – die untere ist zum Glück durchlässig – geht es in Richtung Bielefeld.

Unter den Wolken...

Hier ein Blick nach Westen, etwa auf Höhe Herford.

Etwas ernster, bitte!

Fliegerei ist eine ernste Sache, das muss man durch strenge Blicke auch klarmachen.

Flugplatz Rinteln

Auf dem Rückflug ist noch Zeit über. Der 100-PS-Falke ist einfach zu schnell. Also geht es noch ein Stückchen die Weser herunter. Dies ist der Platz Rinteln. Dort herrscht allerdings tote Hose, während der Funkverkehr aus Porta die ganze Zeit in unseren Kopfhörern hängt.

Der Flug endet mit einer glatten Landung auf der 05. Spitze – jetzt kann JAR kommen.

Nichts reimt sich auf Käse

Ganderkesee Schild

Ein friedlicher Nachmittag auf dem Verkehrslandeplatz Ganderkesee bei Bremen. In der Luft liegt das Zwitschern von Vögeln und das Zirpen von Grillen. Na gut, es ist der 23. Februar 2002, also keine Insekten und kein Geflügel. Aber friedlich ist es trotzdem.

Landeanflug

Ein Zaunkönig starrt versonnen in den Himmel. Doch was ist das dort?

Kurz vorm Aufsetzen

Ein Vogel? Ein Flugzeug?

Landung

Nein, weder noch! Es ist…

Anrollen

…ein Motorfalke.

Angerollt

An sich gehören Mofas und andere Einspurfahrzeuge ja auf den Radweg.

Herbeigerollt

Erstaunlich, dass zwei Brocken wie Jochen und ich in dieses winzige Cockpit passen.

Schieben

Wer seinen Falken liebt, der schiebt.

Einpacken

Nach kurzem Kaffeeaufenthalt geht es wieder zurück nach Porta. Meine Mutter guckt etwas skeptisch. Zu Recht.

Abflug

Dann heißt es: Ab in die Luft. Wie man sieht, ist der Falke durchaus fähig, aus eigener Kraft abzuheben…

Abdrehen

…und sogar abzudrehen. Zurück bleiben ein paar friedliche – wenn schon nicht Vögel, dann doch wenigstens Cessnas.