Kommen wir nun zu etwas völlig anderem. Genug von der Kamera, sprechen wir über die Couch. Beziehungsweise dem Surfen darauf. Es ist wieder ein lauschiger angenehmer Abend in diesem so seltsam launigen Sommer, es ist wieder die Pontstraße, es ist wieder das La Jeunesse. Ich sitze mit meinem derzeitigen Couchsurfing-Gast bei einem knusprigen Flammkuchen – und natürlich einem herrlichem Bier, heute einem Aachener Cornelius.
In dieser Woche ist es Fabian, ein reisender Konditor aus Bern mit einem prächtigen Bart, der bei mir Zwischenstation auf der Weiterreise nach Südengland macht. Vor ein paar Tagen war es Barış, ein junger Student aus Istanbul, der seinerzeit an den Gezi-Protesten beteiligt gewesen war. Davor James, der Pharmaentwickler aus San Francisco mit seiner großen Canon 5D. Jeder auf seine Weise ein höchst interessanter Gesprächspartner und liebenswerter Gast, jeder mit hörenswerter Lebensgeschichte und bedenkenswerten Ansichten.
Es ist Außenstehenden – vor allem weniger netz-affinen Menschen – schwer zu erklären, warum man wildfremde Leute in seinen eigenen vier Wänden übernachten lässt, sie bewirtet wie alte Freunde, mit ihnen etwas trinken geht und ihnen die Innenstadt zeigt.
Man muss ihn wohl einfach einmal selbst erlebt haben, den Geist dieses weltwumspannenden Netzwerks, in dem so viele Menschen bei aller Unterschiedlichkeit so ähnlich ticken. Und man sich mit der Zeit Vertrauen so nachhaltig aufbauen kann, dass einem ein Gastgeber zur Begrüßung seine Wohnungsschlüssel in die Hand drückt („ich komm dann in acht Stunden von der Arbeit nach Hause, bedien dich einfach am Kühlschrank“, so passiert 2008 auf der Rückreise von der Skandinavien-Tour in Kopenhagen).
Es ist auch gar nicht reine Selbstlosigkeit, die mich bei den „Couch Requests“, den Anfragen nach Übernachtungsmöglichkeit, auf „Yes“ klicken lässt. Es ist im Grunde Eigennutz. Denn auch wenn mancher Gast ein kleines Geschenk mitbringt – das kann ein Stück leckerer Käse aus seiner Heimat sein, ein Kochbuch oder auch ein Kopfhörer von Apple -, geht es nicht ums Materielle. Es geht auch den Gästen nicht ums Sparen von Hotelkosten (jedenfalls nicht den meisten).
Es geht ums Kennenlernen, ums Berichten, ums Austauschen, ums Erzählen. Ein Stück große weite Welt im Wohnzimmer zu haben, den eigenen Horizont zu erweitern. Ein Freundschaftsband in eine weit entfernte Stadt zu knüpfen – und wer weiß, vielleicht braucht man ja selbst einmal eine Couch in Brüssel, Paris, Lausanne, Nürnberg, im litauischen Joniškis oder toskanischen Pistoia.
Schlechte Erfahrungen habe ich nie gemacht, schöne um so öfter. Fast immer waren zwischen Gast und Gastgeber sofort Vertrautheit und Freundlichkeit da, vor allem bei den „echten“ Couchsurfern, den langjährigen Mitgliedern, den ganz Reiseerfahrenen und Weltenbummlern, denen die Welt das Zuhause ist.
Eins hatten alle gemeinsam, die es im Lauf der Jahre zu mir geweht hat: Es war eine Bereicherung, sie kennenzuerlernen. Und darum freue ich mich schon aufs nächste Mal, wenn in meiner Mailbox ein Couch Request aufploppt. Willkommen in Aachen, unbekannter Freund.