Im Barcamp

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Mit dem Kaffee fing es an. Der war nämlich einfach gut. Nicht nur kannenweise frisch zubereitet und bereitgestellt von der Rösterei Sonntagmorgen.com, sondern auch noch liebevoll
in seinen unterschiedlichen Sorten und Wirkungsweisen von „mild“ bis „Hammer“ erläutert. Und so wie der braune Muntermmacher keine Einheitsplörre war, sondern individuell und facettenreich, war auch das gesamte Barcamp Köln an sich keine durchstrukturierte Formatveranstaltung, sondern etwas dynamisches, basisdemokratisches, lebendig Pulsierendes und munter Sprudelndes.

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Wenn es die ebenfalls stets ergiebig sprudelnde Kaffeebar nicht gegeben hätte, dann hätte ich den ersten Tag allerdings kaum durchgehalten. Erst gegen 2 Uhr war ich in der Nacht zum Samstag ins Bett gefallen – einer am Freitagnachmittag vor dem Aachener Westbahnhof gefundene Fliegerbombe sei Dank.

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Die halbe Onlineredaktion von Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten durfte eine kleine Nachtschicht einlegen, bis das Mördertrumm aus dem Zweiten Weltkrieg lange nach Mitternacht endlich entschärft war. (Bis die letzten Anwohner in ihre Häuser zurückkehren und die letzten professionellen und ehrenamtlichen Helfer endlich Feierabend machen durften, wird es natürlich noch deutlich später gewesen sein.)

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Ich hatte am nächsten Morgen wenig Ahnung, was genau da auf mein müdes Haupt zukommen würde, außer, dass Barcamps keine durchgeplanten Veranstaltungen sind, sondern von den Teilnehmern grundsätzlich selbst, vor Ort und spontan organisiert werden. Jeder darf zu einem Thema sprechen und jeder darf sich dazusetzen. So weit, so anarchistisch.

Ganz so unbeleckt wie ich waren die meisten der anderen Teilnehmer nicht, die sich dann am Samstagmorgen in den vom Kölner IT-Dienstleister QSC zur Verfügung gestellten Räumen in einer großen – und den Zeitrahmen natürlich großzügig überdehnenden – Runde vorstellten. Jeder mit drei Hashtags, die ihn und seine Erwartungen beschreiben sollten:

Der einzige Neuling war ich allerdings auch nicht – gottseidank. Neugier und Erwartungen waren fast mit Händen zu greifen im Raum.

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Nach der Vorstellung kam die Vorstellung. Und zwar die der Sessions, die von Teilnehmern angeboten wurden – sei es lange geplant oder gerade spontan erdacht. Auf dem Sessionboard – das es auch in einer Onlineversion gab – war dann nachzulesen, in welchem Raum welcher Vortrag und welche Diskussion stattfinden würde.

Den Teilnehmern blieb die sprichwörtliche Qual der Wahl, denn die Themenvielfalt war groß und reichte vom Nutzen eines privaten Blogs im Rahmen von Bewerbungsverfahren…

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…über digitales Engagement für Flüchtlinge am Beispiel der Hamburger Kleiderkammer…

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…bis hin zum #BetreutenTrinken beim #Craftbeertasting. Bei letzterem habe ich im übrigen gelernt, dass das Heilige Reinheitsgebot Deutscher Nation dereinst kein Lebensmittel- sondern ein Steuergesetz war, mit dem die Verwendung von Weizen im Braugewerbe – statt im Bäckerhandwerk – unterbunden werden sollte.

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Und dass Hopfen die Libido tötet, weshalb es so viele Klosterbrauereien gibt. Zum Glück hatten die meisten Teilnehmer im Anschluss wohl nicht mehr viel vor. Der Fakt fand trotzdem ein digitales Echo.

Auch der eh schon angeschlagene Verfasser dieser Zeilen war nach dieser Session erst einmal pausenreif. Ein Verlangen, das sich im freundlichen Ambiente der QSC-Caféteria durchaus angenehm erfüllen ließ.

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Gut, dass am Ende des Tages schließlich ein Tieflader mit geschätzt 800 Pizzen für die Social Meute vorfahren kam.

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Gegen 20 Uhr war dann endgültig Schluss und ein mit Eindrücken, Fakten und Pizza randvoller Hobbyblogger machte sich zusammen mit Mediaperle Meike todmüde auf den Westweg nach Aachen.

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Um dort glücklich endlich in die Federchen zu fallen? Nein, erst mussten die frischen Eindrücke noch hier im Blog festgehalten werden. Und wo die Bilder doch schon mal bearbeitet waren, konnte man doch gleich noch fix eine kleine Präsentation zusammenklöppeln… hatte nicht eine der Bloggerinnen in einem Nebensatz geseufzt, sie verstünde leider so gar nichts von Fotografie?

Es spricht vermutlich nicht gegen die Qualität einer solchen Veranstaltung, wenn ein todmüder Teilnehmer, statt im Anschluss kräftespendenden Schlummer zu tanken, sich spontan an den Rechner setzt. Um zum ersten Mal in seinem Leben eine Session abzuhalten.

Genau 23 Folien hatte die Präsentation mit dem Titel „Fototipps für Blogger – oder: Erste Schritte aus dem güldenen Käfig der Programmautomatik“, die in den folgenden Stunden entstand.

Inhalt: Die heilige Dreifaltigkeit der Fotografie aus Blende, Belichtung und ISO-Wert, ein paar mehr oder weniger gelungene Beispielsfotos, die kostenlose Bildbearbeitung Irfanview und das WordPress-Foto-Plugin Responsive Lightbox, ein Link auf die Video-Tutorials von Benjamin Jaworskyj auf Youtube, ein bisschen Kaufempfehlung für Systemkameras und zu guter Letzt die Verwendung von preisgünstigen manuellen Objektiven.

23 Folien, mit denen ich – so die wachsende Panik im Lauf des folgenden Vormittags – zweifellos innerhalb von zehn Minuten fertig sein würde. Worauf meine Teilnehmer immerhin in den Genuss kommen würden, innerhalb der vorgegebenen 45 Minuten noch eine fast vollständige zweite Session besuchen zu können.

Es kam dann doch etwas anders. Nach 50 Minuten hochkomprimierten Quatschens war ich mit der Präsentation gerade durch und hatte noch nicht einmal meine zusätzlich auf das Macbook gezogenen Beispielsfotos gezeigt. Noch eine volle weitere Stunde im Anschluss saß ich mit den letzten Interessierten im Raum zusammen.

Immerhin: Den Reaktionen auf Twitter nach kann die Session nicht völlig daneben gewesen sein.


https://twitter.com/Pixelkurier/status/637957342533939200

Dann die rituelle Abschluss-Session. Das Feedback, der Dank an die Sponsoren, die Helfer, die Organisatoren…

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Auch wenn der eine oder andere hier etwas ernst guckt: Es war eine ziemlich großartige Veranstaltung, fluffig und familiär. Inhaltlich teils hochkarätig, vom Publikum her angenehmst möglich, von der Location her fast ideal.

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Und dann war da noch der Kaffee. Am liebsten hätte ich mir ja für den Rückweg eine Thermosflasche „Palthope Estate Ponya“ abgefüllt. Was nicht ging.

Was aber gehen muss: das nächste Barcamp. Ich, die neue Kamera mit dem alten Objektiv und der noch ältere Mercedes mit Salatölantrieb werden dabei sein.

Wen meine Präsentation interessiert, kann sich eine (aus rechtlichen Gründen um eine Folie gekürzte) Fassung hier herunterladen:
Fototipps für Blogger – Marc Heckert – Barcamp Köln 2015.
Über Kritik, Anregungen und vielleicht sogar Lob freue ich mich in den Kommentaren.

Und, weil der Bloggerkodex einen solchen Hinweis gebietet: Die erste Fassung dieses Artikels, geschrieben nach dem ersten Tag, wurde nach dem zweiten Tag überarbeitet und ergänzt.

Nachtrag am Montag:

Ein Barcamp kann Folgen für Sie, Ihren Kontostand und die Menschen in Ihrer Umgebung haben. Die finden sich unter Umständen nämlich plötzlich ständig im Fokus.

https://twitter.com/tboley/status/638436937863417856?s=09

Sternenhimmel

Sony Nex-6 mit Canon nFD 50mm 1:1.4, f1.4, 5s, ISO 100
Sony Nex-6 mit Canon nFD 50mm 1:1.4, f1.4, 5s, ISO 100

Man kann nicht dasselbe Foto zweimal machen, bloggerte ich neulich. Aber man kann versuchen, dasselbe Motiv noch einmal besser hinzukriegen. Beziehungsweise mit einem besseren Objektiv.

So sah der Abenstern vor einigen Wochen aus – mit der High-Tech-Festbrennweite Sony SEL 20f28. Regulärer Neupreis: 349 Euro.

Das heute war ein gut 30 Jahre altes, garantiert elektronikfreies Canon FD 50mm 1:1.4 für 40 Euro. Finde den Unterschied.

Umgekrempelt

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Wie Granaten in der Waffenkammer liegen sie da aufgetürmt in ihrem Regal, die metallenen Spitzen nach vorne gerichtet, die Weberschiffchen. Ihnen gegenüber ragen, drohend wie Kanonenrohre eines Schlachtschiffs, die Achsen aus der dreifach gewaltigen Maschine, die fast eine komplette Seitenwand der Maschinenhalle beherrscht.

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Es ist ein faszinierend düsterer und gleichzeitig leuchtender Ort, so rostig wie farbenfroh, so alt wie neu: das Depot des Textilmuseums Tuchwerks Aachen in der alten Stockheider Mühle am Strüverweg in der Soers. Ein Ort irgendwo zwischen Vergangenheit und Aufbruch, noch an allen Ecken unfertig und doch mit einem Ziel.

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Die lange Geschichte der alten Tuchmacherstadt Aachen soll in dieser ehemaligen Textilfabrik dokumentiert werden. Im Jahr 2003 hat sich ein Verein gegründet, um dieses von Vergessenheit bedrohte Erbe der Kaiserstadt zu retten.

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Keine leichte Arbeit, denn die Ausstellungsstücke sind etwas, nun ja, unhandlich. Aber: Wer alte Maschinen mag, ölig glänzende Zahnräder, Handkurbeln und Antriebsbänder, dem werden die Augen glänzen beim Anblick der Schätze in der von außen so unscheinbaren Halle.

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Das übermannshohe Monstrum auf der rechten Seite des Raumes, das den Blick des Besuchers sofort an sich zieht, nennt sich Krempelsatz. Mit ihm wird die ungekämmte Wolle in einzelne Fasern aufgelöst. Der Verein hat ihn 2010 von der Firma Astonjohnson aus dem belgischen Kettenis überlassen bekommen.

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Schon das Trumm aus seiner Halle heraus- und nach Aachen hereinzutransportieren, erwies sich – im wahrsten Sinne des Wortes – als Mammutaufgabe.

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Doch nun ist er in voller Länge aufgebaut – und nicht die einzige Maschine im Raum. Der Besucher lernt hier so schöne Worte wie Selfaktor und Kettschärmaschine, dazu gibt es Reißwölfe und Spulmaschinen, Hand- und mechanische Webstühle.

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„Die älteste Maschine ist ein Krempel aus der Werkstatt der Familie Cockerill in Verviers, aus der Zeit um 1810“, heißt es auf der Webseite des Vereins.

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Als Laie bleibt einem oft nur das Staunen über die geheimnisvollen Apparate – was ihre Funktion ist oder war, lässt sich nur raten…

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…sofern man nicht unter den vielen Ausstellungsstücken auch mal ein vertrautes Gerät entdeckt.

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Mein Freund Peter Behrens hatte mich eingeladen, zusammen mit dem Lions Club Aachen Aquisgranum an einer Sonderführung durch das neue Zuhause des Museums teilzunehmen.

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Los ging es um 19.30 Uhr. Die Stockheider Mühle präsentierte sich an diesem Sommerabend als halb triste, halb charmante Industrieruine, noch nicht ganz aufgewacht aus dem Dornröschenschlummer.

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Der Standort selbst hat allerdings Potenzial – und die Lage in Aachens grüner Lunge Soers ist traumhaft.

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Wer sich von dem etwas – ahem – spröden Äußeren der Anlage nicht abschrecken lässt – oder sogar vielleicht von einem Blick durchs Fenster der ehemaligen Pförtnerloge auf die dahinter ausgestellte Spinnmaschine angelockt wurde…

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…der entdeckt ein paar Schritte weiter, hinter den Türen der Lagerhalle das, was der Verein in den letzten zwölf Jahren zusammengetragen hat.

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Was für ein Kontrast: Strahlend weiße Wolle wartet auf die Verarbeitung.

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Jochen Buhren, der Vorsitzende des Vereins Tuchswerk Aachen e.V., hatte angeboten, den Verein und seine Arbeit vorzustellen.

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Eine kleine Ausstellung im vorderen Teil der Halle verschaffte uns zunächst den nötigen theoretischen Background…

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…während gleich daneben die Welt der Textilherstellung greif- und sogar streichelbar wurde.

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Als Gäste durften wir selbst versuchen, Wolle zu kämmen. Danach versteht man besser, warum der Mensch diese Aufgabe einer nicht allzu filigranen Maschine anvertraute.

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Die Herbstkollektion 2015 besticht durch farbenfrohes Schottenkaro.

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Während die Führung unter den kundigen Worten von Herrn Buhren von Maschine zu Maschine zog, stellte sich für den Verfasser dieser Zeilen – und nebenbei auch Fotografen dieser Bilder – das Schummerlicht im Saal als gewisses Problem dar.

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Denn das mitgenommene Teleobjektiv Sony SEL 18200LE – ein sogenanntes „Immerdran“ – ist zwar im Sonnenlicht Teneriffas zu vielem zu gebrauchen, lässt aber bei schwacher Beleuchtung doch arg wenig Licht an den Sensor der Kamera. Das Super-Zoom wurde zum Suppen-Zoom. Nachdem ich daran gescheitert war, das Fabrikschild der Krempelmaschine scharf an den Rand einer geplanten Weitwinkelaufnahme zu stellen war, geschah etwas, was mir noch nie passiert ist –

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Ich schraubte nämlich freiwillig die teure High-Tech-Computerlinse von der Nex und klipste das ebenfalls mitgebrachte Steinzeitobjektiv dran. Nicht aus Spaß, sondern aus Notwendigkeit. Das erst vor ein paar Tagen in Betrieb genommen manuelle Minolta MD 50mm 1:1.7 (hier vorgestellt) würde auch bei diesen Lichtverhältnissen brauchbare Bilder abliefern, das war klar.

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Was es dann auch tat. Mechanik schlägt Elektronik. Gut, man könnte auch sagen: Lichtstärke schlägt Ofenrohr. Auch Sony bietet ein nagelneues 50-Millimeter-Objektiv für die Nex an, komplett mit Autofokus, Bildstabilisierung und allem Pipapo.

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Aber das hatte ich halt nicht da – und das manuelle Fokussieren macht mir inzwischen so viel Spaß, dass ich gar nicht mehr darauf verzichten möchte.

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Wenn man doch nur etwas mehr hätte abblenden können! Tiefenschärfe gegen ISO-Wert aufzurechnen, kann ja so unbefriedigend sein.

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Bereut habe ich es jedenfalls nicht, das Altobjektiv statt etwa des neuen 20-mm-Weitwinkels einzustecken.

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Ich mag die Schärfe im Vordergrund des alten Minolta, ich mag den cremigen Hintergrund…

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…und ich mag die Farben, die das Ding produziert. Zum ersten Mal kam mir heute der bizarre Gedanke, die frisch zusammengestellte Sammlung digitaler Objektive wieder aufzulösen und dafür eine Handvoll Steinzeitlinsen anzuschaffen – das legendäre Minolta Rokkor 1:1.2 50 mm aus den 70er Jahren soll ja so ziemlich das schönste Bokeh der Fotogeschichte produzieren…

Wo war ich? Zurück zum Thema, zurück in die Soers, wo inzwischen der Lärm der Spinnmaschinen verstummt ist und dafür Gulaschsupppe Chili con Carne und Baguette ihrer Bestimmung entgegengehen.

Es war ein spinnender, äh, spannender Abend in diesen bröckeligen alten Mauern. Und wir haben etwas gelernt: Alter Krempel kann etwas ganz Wunderbares sein.

Der Whow-Moment

Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/60s, ISO 3200
Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/60s, ISO 3200

Es gibt Momente, da klappt einem der Kiefer auf, da sagt man einfach nur „Whow“. Vielleicht ist es auch ein anderes Wort. Eins halt, das einem unwillkürlich entflutscht, wenn man eine Sekunde lang einfach nur geplättet ist. So einen Moment hatte ich heute. Es war nach dem achten diesjährigen TestessenAC im Lai Thai am Kehrmännchen, wie stets in wunderbarer Weise organisiert von Sabine.

Für das „Whow“ des Tages war allerdings nicht der Schärfegrad meiner Thai-Ente verantwortlich (auch wenn zwei von drei möglichen Chilischoten auf der Karte durchaus für den einen oder anderen heißen Moment sorgen können).

Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/40s, ISO 3200
Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/40s, ISO 3200

Nein, ich hatte ein neues Objektiv an der Nex. Wobei „neu“ nicht ganz das passende Wort für eine Linse ist, die 1979 erstmals auf den Markt kam, also irgendwas um die 30 Jahre alt sein dürfte. Und die jetzt schon seit etwa anderthalb Jahren unbeachtet in meiner kleinen Sammlung vor sich hin staubfängert. Ein vollmechanisches Minolta MD 50mm 1:1.7 Standardobjektiv.

Nach den begeisterten Berichten in diversen Blogs und Foren über die Güte von mechanischen Objektive aus der vordigitalen Zeit und ihre leichte Kombinierbarkeit mit den heutigen Systemkameras wollte ich damals auch unbedingt eins ausprobieren. Und schoss mir, mangels Erfahrung und Kenntnis, statt des bekannt brillanten Minolta MD 50mm 1:1.4 oder des 50mm 1:2 deren mittleren Bruder 1:1.7 (die zweite Zahl, also 1.7, bezeichnet die maximal offene Blende – alles unter 2 ist schon mächtig lichtstark).

Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/40s, ISO 3200
Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 1/40s, ISO 3200

Das 1:1.7 ist das Stiefkind des Trios. Bei Offenblende soll seine Schärfe vor allem in den Randbereichen nicht an die anderen heranreichen, wenn auch etwas abgeblendet allerdings kein Unterschied mehr feststellbar sein soll. Gekostet hatte mich das Schnäppchen ohne erkennbare Gebrauchsspuren denn auch nur irgendwas um die 25 bis 30 Euro – die begehrteren 1:1.4er-Modelle werden gerne für das Drei- bis Vierfache gehandelt.

Spaß machte der frisch ersteigerte Dinosaurier leider nicht. Die Schärfe war zwar tatsächlich brillant, der Tiefenschärfebereich dagegen so minimal, dass die ersten Probebilder kaum zu verwenden waren. Und da mir damals ISO-Werte und Belichtungszahlen böhmische Dörfer mit sieben Siegeln waren, kam auch nichts Gescheites bei den Experimenten heraus. Folglich dornröschenschlief der Mechaniker die letzten anderthalb Jahre im Köcher – bis jetzt.

Wenn man sich darauf einlässt, Blende, Belichtung und ISO-Zahl an Objektiv und Kamera selbst einzustellen und mit Hilfe von Displaylupe und Kantenanhebung zu fokussieren, dann entstehen plötzlich tatsächlich so etwas wie Fotos. Auch wenn das Fokussieren per Lupe nur bei sehr ruhiger Hand funktioniert.

Google LG  Nexus 5
Google LG Nexus 5

Doch es klappt: Trotz der um 50 Prozent verlängerten Brennweite – das 50-Millimeter-Standardobjektiv der Kleinbildkamera wird ja am kleineren APS-C-Sensor der Nex zu einem leichten 76-Millimeter-Teleobjektiv – und des verringerten Lichteinfalls durch den zusätzlichen Adapterring produziert die Alt-Neu-Kombination sogar im eher gedämpften Licht des Gastraums und trotz freihändigen Anvisierens der Thai-Ente brauchbare Bilder. Und was für welche. Bilder mit Farben. Bilder mit cremiger Hintergrundunschärfe.

Keine Frage, das hat was. Selbst bei so wenig günstigen äußeren Bedingungen und einem so wenig erfahrenen Fotografen zaubert dieser jahrzehntealte Oldie quasi aus dem Ärmel solche Schüsse hin. Und weil diese ersten Treffer so ermutigend ausfielen, habe ich auf dem Rückweg noch einmal an meinem bewährten Fotostandort am Klosterplatz angehalten und unter dem schützendenDach der Papeterie Clou auf die Domschatzkammer gepeilt. Das kleine Immerdabei-Teleskopstativ aus der Ortliebtasche geholt, 30 Sekunden Belichtung, ISO 100. Warten. Schauen: Und, wie ist es geworden?

Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 30s, ISO 100
Sony Nex-6 mit Minolta MD 50mm 1:1.7, 30s, ISO 100

Dann war er da. Nach dem Heranzoomen an die Mauersteine, an das regennasse Straßenpflaster, an den „Blütezeit“-Schriftzug des Blumenladens ganz hinten an der Straße: der Whow-Moment.

Was für eine kristallklare Schärfe. Der mechanische Ebay-Billigheimer mit seinen diversen Jahrzehnten auf dem Buckel spielt brandneue vollelektronische Komfortobjektive locker an die Wand. (Die Großbildansicht in der Galerie hier lässt sich über den X-Button oben rechts übrigens auf volle Bildschirmgröße bringen.) Man sieht mich begeistert. Und nachdenklich.

Und morgen: bei Ebay. Nach mechanischen Billigheimern gucken. Plötzlich sieht die schöne neue Fotowelt etwas anders aus. Wer braucht schon Elektronik, wenn er Brillianz haben kann?

Lichtdistel

Sony Nex-6 mit Sony SEL20f28, f6.3, 1/80s, ISO 800, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL20f28, f6.3, 1/80s, ISO 800, 20 mm

Und wenn ich noch tausendmal meine geliebte Laufstrecke durch den Öcher Bösch entlangstapfen sollte, irgendein neues Motiv bietet sich immer. Und sei es in den letzten Sekunden des Abendlichts, das schon hinter der Hügelkuppe verdämmert, während ich am Wegesrand vor der Distel kauert.

Wiederholungstäter

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5, 30s, ISO 100, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5, 30s, ISO 100, 20 mm

So richtig wahnsinnig ist man ja erst, wenn man zwei Abende hintereinander am selben Brückengeländer kauert. Immerhin: Die Kameraeinstellungen hatte ich diesmal noch drin – so wurden es heute nur anderthalb Stunden.

Macht innerhalb der vergangenen 24 Stunden etwa dreieinhalb, die ich über der A544 verbrachte. Das darf man wohl, um einen Kommentar meines Freundes Peter Behrens aufzugreifen, einen Brückentag nennen.

Brückenglück

Sony Nex-6 mit Sony SEL 18200LE, f4, 30s, ISO 100, 18 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 18200LE, f4, 30s, ISO 100, 18 mm

Ein stetiger leichter Wind weht über die Hochbrücke, doch obwohl ich in Shorts und T-Shirt rund 13 Meter über dem Asphalt am Geländer stehe, ist mir nicht kalt. Es ist eine Eigenart dieses seltsamen Sommers, dass sich feuchtkalte und schwülwarme Nächte seit Wochen abwechseln. Heute ist Variante zwei dran.

Es ist spät am Abend, in einer halben Stunde ist Mitternacht. Seit fast zwei Stunden ragt das Teleobjektiv der Sony hier in luftiger Höhe über der Autobahn 544 an der Abfahrt Verlautenheide/Würselen in Blickrichtung Aachener Kreuz durch die Streben des Geländers.

Der Verkehr sorgt für ein beständiges Hintergrundrauschen. Wenn ein schweres Fahrzeug unter mir entlangdonnert, geht ein leicht singendes Zischen durch die Konstruktion. Doch mit der Zeit sind die Momente immer öfter und länger geworden, in denen es schon fast still ist und kein Auto weiße oder rote Streifen durch die Fotos zieht, die meine Kamera geduldig eins nach dem anderen auf ihre Speicherkarte sichert. Eine halbe Minute Belichtung, eine halbe Minute Bearbeitung, dann: Betrachtung. Dann der nächste Versuch, mit etwas anderer Perspektive, einer anderen Blende oder einem nachjustierten Fokus. Man muss schon reichlich Geduld mitbringen, um zu dieser Zeit noch mit der Kamera loszuziehen.

Aber es hat auch seinen ganz eigenen Reiz. Keine Seele ist außer mir hier an diesem einsamen Ort – außer den Menschen in den Autos da unten in der Tiefe. Und die Fotografie bei Nacht ist eine Welt für sich. In fast völliger Dunkelheit auf ein Autobahnschild zu fokussieren, ist viel schwerer, als ich es mir vorgestellt hatte. Und dann hätte ich natürlich auch gerne einen Moment im Bild, in dem auf allen vier Blättern des Kleeblattes Fahrzeuge fahren.

Doch das Glück lässt sich nicht zwingen. Die perfekte Halbminute – ein wenig, aber nicht zu viel Verkehr auf sämtlichen sichtbaren Fahrbahnen – gibt es heute nicht. Dann ist es irgendwann Mitternacht; die Autos fahren jetzt nur noch vereinzelt in immer größer werdenden Abständen. Zeit, das Stativ zusammenzuklappen und nach dem Moorbraunen zu suchen, der dort irgendwo in den Schatten auf mich wartet.

Was an Bildern an diesem Abend entsteht, ist – wie könnte es anders sein – nicht perfekt. Macht nichts, der Sommer ist es auch nicht, und er birgt trotzdem Momente echten Glücksgefühls. Manche finden an einem windigen Brückengeländer hoch über der Autobahn 544 statt. Und ein paar weitere warten bestimmt noch darauf, erlebt zu werden.

Von Wanzen und Yetis

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f6.3, 1/60s, ISO 1600
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f6.3, 1/60s, ISO 1600

Ich kann’s einfach nicht lassen, die Kamera zum Laufen mitzunehmen. Sie liegt einfach so gut in der rechten Hand und wiegt so wenig, jedenfalls mit dem 20-Millimeter-Pancake. Selbst, wenn es schon abenddämmert, irgendein neues Motiv findet sich jedes Mal. Und ich entwickele ich mich langsam zum König der freihändigen Lowlight-Fotografie. Lieber die ISO-Zahl auf 6400 raufdrehen und Rauschen riskieren oder eine Blende weiter aufmachen und Tiefenschärfe verlieren? Hach, das sind alles Entscheidungen.

Und wenn selbst wenn kein neues Motiv über den Weg hüpft, kriecht oder cruised, kann man wenigstens mit einem bekannten nochmal rumexperimentieren.

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/80s, ISO 3200
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/80s, ISO 3200

Mit dem Nachführ-Autofokus zum Beispiel und unterschiedlichen Belichtungszeiten. Wobei ich zugeben muss: So richtig umhauen tut mich das alles nicht, der Skoda Yeti hier gehörte noch zum Besten. Vielleicht klappt es ja besser bei hellerem Licht. Der Autofokus der Nex-6 gilt halt generell als nicht rasend schnell, der Nachfolger Sony Alpha 6000 soll da deutlich Tempo zugelegt haben.

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f9, 1/80s, ISO 100, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f9, 1/80s, ISO 100, 32 mm

Und dann war da noch der Ausflug in den Elisengarten heute Nachmittag. Eigentlich wollte ich ja auf die rechte Blüte fokussieren. Doch dann fand meine Kamera ein besseres Motiv, als es nach dem vierten Schuss unbemerkt hinter dem obersten Blütenblatt hervorkrabbelte. Wieder was gelernt: Überraschungen bei der nachträglichen Bildbearbeitung am PC sind die schönsten.

Abendstern

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/4s, ISO 3200, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/4s, ISO 3200, 20 mm

„Ein gutes Foto muss wehtun“, zitierte mein Freund Andreas neulich einen Kollegen. Soll heißen: Es darf ruhig schon mal etwas unbequem werden für den Zweibeiner hinterm Dreibein. Muskelschmerzen und Mückenstiche, überlange Wartezeiten auf das geeignete Motiv und dann, wenn es da ist, spontane Panik, weil die Kamera plötzlich doch nicht tut, was sie soll: Gehört alles dazu.

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/60s, ISO 2500, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f2.8, 1/60s, ISO 2500, 20 mm

Bei mir gab es heute Abend gleich das komplette Programm: das längliche Warten auf ein geeignetes Kraftfahrzeug, um die Objektverfolgung bewegter Motive auszuprobieren…

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f7.1, 1/10s, ISO 3200, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f7.1, 1/10s, ISO 3200, 20 mm

…den Mückenstich beim geduldigen bodennahen Begleiten meiner alten Freundin…

Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5.6, 1/60s, ISO 1600, 20 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 20f28, f5.6, 1/60s, ISO 1600, 20 mm

…und die Muskelschmerzen beim längeren Knien im Matsch, um den Untermieter dieses Sommerblühers (unteres Blatt rechts) ins Bild zu bekommen.

Und schließlich, als Belohnung beim abschließenden Fotoexperiment mit dem moorbraunen Stern im letzten spätabendlichen Dämmerlicht – siehe Bild ganz oben – noch einmal alles zusammen. Beziehungsweise auf eine gute halbe Stunde verteilt. So dass ich den eingangs zitierten Spruch jetzt ergänzen darf: Manchmal muss ein Foto auch ewig dauern, nervös machen – und jucken.

Nächtliches Wollen, Teil 2

Es hat mir keine Ruhe gelassen. Der wulstige Versuch an der Domschatzkammer in der vergangenen Woche, der am Ende doch nicht ganz befriedigte. Und das Foto vom Brunnen „Kreislauf des Geldes“ bei der Stadtführung für meinen Couchsurfer Fabian, das – obwohl für ein freihändig geschossenes Motiv gar nicht mal ganz schlecht – auch nicht hundertprozentig begeisterte. Und natürlich der Vergleich mit der bildgewaltigen Spitzenkamera Canon EOS 5D III von James, die mit ihrem Zoomobjektiv gezeigt hat, was in der Profiliga geht.

Was geht bei mir?

Weltenentrückt, wie ich derzeit bin, schwang ich mich also um 23.30 Uhr – mein Freund (und ebenfalls EOS-5D-Besitzer) Andreas hatte mir vorher noch einige gute Ratschläge gechattet – nochmal aufs Rad, die Nex, eine Objektivauswahl und das Stativ im Kamerarucksack.

Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f16, 30s, ISO 200, 32 mm
Sony Nex-6 mit Zeiss Touit 1.8/32, f16, 30s, ISO 200, 32 mm

Nachtfotografie ist etwas, das mich seit Teenagerzeiten fasziniert. Die herrlichen Dampflokfotos in Schwarz-Weiß des US-Fotografen O. Winston Link dürften dazu beigetragen haben.

Einer der Vorteile der Sony-Systemkameras ist, dass man sie per WLAN vom Smartphone aus fernsteuern kann. Das hat den Vorteil, dass man das Sucherbild auf dem viel größeren Display des Handys sehen, bewerten und viele Kameraeinstellungen gleich auch dort verändern kann. So lassen sich Fokuspunkt setzen, Blende oder ISO-Wert verändern und schließlich der Auslöser drücken. Angenehmer Nebeneffekt: Hat man das Stativ etwas tiefer eingestellt, ersparrt man sich Nackenstarre und schmerzende Kniegelenke, weil man das Fotografieren weitgehend im Stehen erledigen kann.

Sony Nex-6 mit Sony SEL 18200LE, f11, 30s, ISO 200, 64 mm
Sony Nex-6 mit Sony SEL 18200LE, f11, 30s, ISO 200, 64 mm

Hat die Kamera das Bild dann verarbeitet – was bei einer 30-sekündigen Belichtungszeit, so wie oben, schon mal eine weitere halbe Minute dauern kann, sieht man das fertige Ergebnis gleich auf dem Smartphone. Gefallen Bildausschnitt oder Lichteinfall nicht, oder ist gar ein Auto durchs Foto gefahren und hat Streiflichter quer durchs Motiv gezaubert, kann man es gleich noch ein zweites Mal versuchen.

Okay, von Kunst sind wir hier immer noch weit entfernt. Aber ich bin ziemlich sicher, dass ich den Bettler am Brunnen im Moment nicht wirklich besser hinbekomme.