Wenn der Postmann um Zwei mal klingelt

Als jemand, der beruflich was mit Internet zu tun hat, bin ich natürlich immer wieder fasziniert von dem, was im Netz passiert. Ob Ebay gerade seinen Mitgliederbereich auf Web 2.0 umbaut oder der SPD-Generalsekretär das Tool Twitter entdeckt – alles neu, alles aufregend. Trotzdem gibt es auch bei mir immer wieder Momente der Fassungslosigkeit: Was, sowas geht auch schon?

Kleiner Zeitsprung. Gestern, also in der Nacht zum Montag, saß der Verfasser dieser Zeilen – es war so zwischen 2 und 3 Uhr – wie so oft vor dem Monitor (er hat gerade Urlaub). Und klickte sich durch die Seiten diverser Testportale für Digitalkameras sowie ihrer Anbieter.

Bestellt habe ich am Ende eine Pocketknipse mittlerer Preisklasse bei einem Großversender, der mit A anfängt – weil der im Moment einen Express-Lieferservice zum Gratis-Testen anbietet, der ansonsten Geld kostet. Ich möchte nämlich, dass die Kamera noch bei mir ankommt, bevor ich mich auf die Reise nach Süden mache. Dann fuhr ich den Rechner herunter und legte mich schlafen.

Es war nicht so, dass mich der Paketbote geweckt hätte. Aber das Frühstück stand noch auf dem Tisch, als der Mann in Gelb klingelte, in den Händen ein Päckchen des Großversenders mit dem A. Ein Blick auf’s Handgelenk: 14 Uhr.

Kleine Überschlagsrechnung: Um 2 Uhr nachts bestellt, um 6 in der Post, ein paar Stunden im Lkw, kurz nach Mittag in Aachen? Nicht mal zwölf Stunden bis zur Auslieferung? So schnell sind die inzwischen!?

Es war dann aber nur eine Büchersendung für die Nachbarin, die nicht zu Hause war.

Manchmal finde ich es ganz beruhigend, vom Internet doch nicht überrascht zu werden.

Gründe gibt es genug

So, nochmal zum Thema „Warum ich einen W123 fahre“. Kurze Zeit nach dem Foto im letzten Beitrag ist die Reserveleuchte denn doch noch angegangen – bei etwa 920 Kilometern.

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Sie ist angeblieben, auch als der Tageskilometerzähler nach 999 Kilometern wieder auf 0 sprang. Sie ist angeblieben bis heute Nachmittag. Da haben wir beide gerade noch die 1100-Kilometer-Marke geknackt. Mit einer Tankfüllung. Manchmal will man’s halt wissen.

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Falls man mir nicht glaubt: In das 80-Liter-Fass hinter der Rückbank gehen mindestens 80,46 Liter rein. Ich glaube, es war ganz okay, nicht noch zu versuchen, mit den letzten Tropfen nach Hause zu kommen.

Ein weiterer Grund, weshalb ich W123 (Diesel) fahre, ist der Durchschnittsverbrauch: 7,30 Liter auf 100 Kilometer. Und da war Stadtverkehr ebenso enthalten wie die Jagd auf der A31 am Samstag vor einer Woche, als das GPS auf ebener Strecke echte 160 km/h anzeigte (der Tacho natürlich knapp 180).

Nischt schlescht für eine Disel.

Selbst erklärend

Im Forum aller Foren wurde neulich gefragt, warum wir W123 fahren. Sonderlich originelle Antworten sind mir dazu nicht eingefallen („Wohnzimmergefühl und überhaupt“), aber im nachhinein hätte ich da noch eine anzubieten.

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907 Kilometer mit einer Tankfüllung. Und die Reserveleuchte ist noch nicht mal an. Danke, Axel, für den 80-Liter-Tank.

Kindheitsrätsel

Weil schon Kritik kam, das Zweirädrige würde in jüngster Zeit etwas *ahem* zu stark gewichtet werden, heute endlich wieder ein rein moorbrauner Beitrag.

Am Wochenende habe ich mir nämlich so etwas wie einen Kindheitstraum erfüllt. Kennt jeder das Brückenrestaurant „Dammer Berge“ an/auf/über der A1 zwischen Holdorf und Neuenkirchen Vörden, nördlich von Osnabrück?

Seit frühester Kindheit fahre ich in schöner Regelmäßigkeit drunter her. Als Kind aus Richtung Oldenburg, um die Großeltern in Remscheid zu besuchen. Ab 1991 als Student aus Richtung Osnabrück, um am Wochenende die schmutzigen Klamotten zur elterlichen Waschmaschine zu transportieren. Ab 1998 als Berufsanfänger von Bielefeld her, um die liebe Familie zu besuchen. Seit 2007 aus Richtung Aachen.

Jedesmal war das 100 Meter lange kantige Trumm ein wichtiger Wegpunkt. Von Osnabrück aus dafür, dass man gerade erst losgefahren war – heute von Aachen aus einer, dass man praktisch angekommen ist. Und jedesmal habe ich mich gefragt, wie es wohl drinnen aussehen mag: Muffig-abwaschbarer Eichenholzdekor-Charme einer deutschen Autobahnraststätte aus den Siebziger Jahren?

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Auf dem Rückweg von der Hochzeit meines Cousins am Wochenende habe ich endlich mal Halt gemacht. Wenn nicht jetzt, dann nie. Also, Doktor Watson, lösen wir das uralte Geheimnis: Wie sieht es drinnen aus in den Dammer Bergen?

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Überraschend modern. Es gibt eine Gastro-Passage mit Burger King, Nordsee und anderen Anbietern, in der Mitte der Halle sitzt man. Gar nicht mal schlecht übrigens. Auch wenn der Latte Macchiato mit Caramel Flavour 3,25 Euro gekostet hat. Heut is‘ egal, heut gönnen wir uns das mal.

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Einmal auf der anderen Seite. Das da unten, das war ich. Ungefähr 1000 Mal.

Abendglück

Im Moment bin ich einfach nur zufrieden mit der Maschine.

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Das hat natürlich seine Gründe.
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Einer davon kam gestern mit der Post. Kleiner Tipp: Am Samstag sah die Sache noch ganz anders aus…

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…als bei unserer Essenspause ohne Essen im Bergischen drei der Freewinds in unserer Gruppe etwas ins Licht der Nachmittagssonne streckten, was mit Sicherheit nicht als der schönste Kettenschutz aller Zeiten in die Motorradgeschichte eingehen wird.

Zwischen Hoffnung und Sülze

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Das Bergische Land ist eine schöne Gegend. Das kann ich sagen, weil meine Mutter von daher kommt – mein Vater hat sie gegen Ende der Sechziger in einem unbeobachteten Moment auf den Gepäckträger seines Heinkel-Rollers gebunden und ist mit ihr über den Teutoburger Wald nach Norden geflüchtet (so ähnlich erzählt man es im Familienkreis jedenfalls).

In meinen ach wie glücklichen Jugendjahren habe ich den Landstrich zwischen Wuppertal und Remscheid jedenfalls zwecks Großelternbesuch oft in Augenschein nehmen dürfen – so schöne Ortsnamen wie Schwelm und Radevormwald sind aus der Zeit hängengeblieben.

Jetzt gab es Gelegenheit, nochmal zurückzukommen. Aber nicht auf der Rückbank eines weißen Strichachters. Sondern selbst am Steuer. Beziehungsweise am Lenker: Ein paar Freewindler aus Aachen und Köln luden zu einem kleinen Ausritt.

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Wenn das Bergische Land nicht so heißt, weil es dort bergig ist, dann heißt die Burg auf diesem Bild Schloss. Schloss Burg nämlich.

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So romantisch wie sie ausschaut, kann man glatt vergessen, dass sie nicht echt ist. Sondern erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus einer Ruine rekonstruiert.

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Einige Kilometer weiter, hinter Dörfern mit so schönen Ortsnamen wie Sonne, Stumpf, Habenichts, Dreibäumen, Hinterhufe, Sülze und Enkeln, liegt ein Stück weit von der Landstraße entfernt auf einer – so nennt man das wohl – Anhöhe eine Art Mahnmal.

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Zu was es an dieser abgelegenen Stelle mahnen soll, weiß ich nicht. Außer dem Spruch „Gott der Herr segne uns und schütze uns“ stand nichts auf dem schlichten Waschbetonbau, auf dem drei weiße Kreuze hoch in den wolkenlosen Himmel ragten.

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Dort wurde ich Zeuge eines bizarren Zwischenfalls. Während wir Zweiradmenschen uns die Beine vertraten, näherte sich noch ein Mercedes-Kombi der Hügelkuppe. Der Fahrer parkte hinter unseren Krädern. Ein wenig schräg zur Straße, die als breiter Teerweg vor dem Mahnmal über die frisch gemähte Wiese führte.

Nach einiger Zeit kam ein roter VW Golf mit einem Rentnerehepaar des Weges. Statt mit einem kleinen Schlenker um das Heck des Mercedes‘ herumzufahren, wie es kurz zuvor noch ein Traktor mit Anhänger getan hatte, wurde der Golf langsamer und hielt schließlich an.

Zuwenig Platz? Und selbst wenn: Das Gelände links und rechts des Teerwegs war flach und frisch gemäht. Trotzdem trat der Mercedesfahrer einen Schritt heran, warf einen Blick auf die Szene und signalisierte dem Golffahrer freundlich: Noch soooo viel Platz, da kommen Sie locker dran vorbei.

Worauf der Rentner die Scheibe herunterfuhr und im Brustton der Rechtschaffenheit aus dem Fenster rief: „Es geht nicht darum, dass ich hier nicht durchfahren kann! Sondern dass das verkehrswidrig ist, was Sie hier machen!“

Verkehrswidriges Halten auf einem Feldweg in der Mitte von Nirgendwo. Der Satz war so absurd, dass es volle ein, zwei Sekunden dauerte, bis das halbe Dutzend Umherstehender in schallendes Gelächter ausbrach. Worauf der empörte Senior nun doch den Schlenker um das Kombiheck machte, Vollgas gab und mit laut quietschenden Reifen von dannen brauste.

Die Laune der Zurückgebliebenen hatte der gute Mann spürbar gehoben. „Dein Motorrad steht da übrigens auch verkehrswidrig“, informierte mich ein Mitfahrer. Der Spruch sollte von da an auf dem Rest der Fahrt bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt werden.

Wir bestiegen unsere Rösser. Zum Abschied winkte ich dem Mercedesfahrer drohend mit meiner Kamera zu. „Ich zeig Sie an! Ich hab alles auf Film!“ Er konterte grinsend: „Wir sprechen uns vor Gericht!“

Nicht lange danach folgte der krönende Abschluss der Tour: die Essenspause. Endlich. Ich war schließlich schon um halb Sieben aufgestanden, jetzt meldete sich der Magen.

Ausgeguckt hatten sich die Tourplaner eine der unzähligen Mühlen (Jörgensmühle, Preyersmühle, Mebusmühle, Markusmühle und so weiter). Zu Essen gab es allerdings nichts, wie uns die liebe Bedienung gleich wissen ließ, „da ist gerade ein Riesenreisegruppe gekommen, die Küche ist total überlastet“, aber wenigstens etwas zu gucken:

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Den Hückelhovener Altmetallsammelverein zum Beispiel.

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Oder dieses Verspielzeug hier, wer’s mag.

Wenn Motorräder Frauen wären, meine kleine Marit wäre trotz ihres norwegischen Namens eine Französin. Schlank, chic, selbstbewusst, mit elegantem bordeauxroten Spaghettiträger-Top, Bubikopf und langen Beinen, etwa 1,75 Meter groß.

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Wenn Motorräder Frauen wären, wäre das hier etwas, das von weniger einfühlsamen Menschen als Kampflesbe bezeichnet wird.

So also war’s im Bergischen: Berge, Burgen, Verkehrsüberwacher in zivil und Motorräder im Kostüm. Ich hatte es aus meiner Kinderzeit zwar ein bisschen anders in Erinnerung – aber es war die Reise wert.