Guantanamo 2.0

Was kann der Einzelne für die Innere Sicherheit tun? Wie lässt sich Terrorismus am Arbeitsplatz, im Schlafzimmer, in Schule und Uni bekämpfen? Tipps und Anregungen gibt es auf dieser schönen Seite: www.informiert-wolfgang.de!

Und was die Käfighaltung angeht: So schön wie Lanu hat das noch keiner auf den Punkt gebracht.

Neues aus Rostock

Die Gute Nachricht Des Tages™ beginnt mit einer schlechten Nachricht.

Einer falschen Nachricht nämlich, die leider volle drei Tage lang in zahlreichen deutschen und internationalen Medien verbreitet wurde. Vor den Krawallen von Rostock am vergangenen Samstag habe ein Redner die militante Menge zu Gewalttätigkeiten aufgeputscht: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.“

So meldete es die Nachrichtenagentur dpa am Samstag, 2. Juni, um 18.41 Uhr. Spiegel Online übernahm es, Bild.T-Online übernahm es, die B.Z. übernahm es, Stuttgarter Nachrichten, Schweizer Zeitungen, WAZ, Kölnische Rundschau – alle berichteten in den folgenden drei Tagen, überall stand der Satz. Am Sonntag bezog sich auch der Sprecher der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern auf den Satz, als er in einer Presseerklärung die „etablierten Parteien“ für den „entfesselten linken Mob“ verantwortlich machte.

Dumm nur: Die Meldung war falsch.

Der Redner war Walden Bello, philippinischer Soziologieprofessor und Träger des alternativen Nobelpreises. Ihm lag es fern, Demonstranten zu Gewalttätigkeiten anzustacheln. In Wahrheit hatte er dazu aufgerufen, den Irak-Krieg nicht als Thema der Globalisierungsproteste auszuklammern.

„Two years ago they said: Do not bring the war into the discussions. Just focus on poverty reduction. Well, we say: We have to bring the war right into this meeting. Because without peace there can be no justice.“

Frei übersetzt: „Vor zwei Jahren sagten sie: Bringt den Krieg nicht in die Diskussionen hinein. Konzentriert euch auf Armutsbekämpfung. Nun, wir sagen: Wir müssen den Krieg genau in dieses Treffen hineinbringen. Denn ohne Frieden kann es keine Gerechtigkeit geben.“

Fehler passieren. Jedem. Erst recht Journalisten. Anlässlich der Bello-Meldung beschreibt die Journalistin Christiane Link in ihrem lesenswerten Blog „Behindertenparkplatz“ den enormen Zeitdruck eines Korrespondenten. Sie selbst hatte, als sie für die dpa tätig war, die Agenturgläubigkeit von Medien nur allzu oft erlebt. Etwa wenn sie auf einer völlig unverständlichen Pressekonferenz Kollegen fragte, ob sie den Redner verstanden hätten? Nein, da würde man einfach auf die dpa-Meldung warten. Link: „dpa war in dem Fall aber ich“.

Doch die Geschichte der Bello-Falschmeldung hat noch einen zweiten Teil: Schon kurz nach Erscheinen der Nachricht am Samstag berichtete der Blogger Spiegelfechter von dem Fehler. Während die Medien noch die falsche Fassung verbreiteten, begann im Web bereits die Wahrheit zu kursieren.

Und während die dpa dann zunächst den deutschen Übersetzer der Rede für den Fehler verantwortlich machte, verbreitete sich der Link auf einen Video-Mitschnitt des Senders Phoenix bei MyVideo immer weiter.

Schließlich kippt die Berichterstattung. Am Dienstag, volle drei Tage nach dem Ereignis, korrigierte sich auch die dpa, stellte die Fakten richtig und entschuldigte sich bei Walden Bello. Mehr noch: Mehrere Medien taten es nach, korrigierten ihre Artikel im Internet und erläuterten die Hintergründe.

Ob das ohne den Gegendruck aus der Bloggerszene passiert wäre?

Bleibt festzuhalten: Noch nie haben Medien so schnell Widerspruch erlebt wie in Zeiten des Web 2.0. Heute kann praktisch jeder Mensch (dank der benutzerfreundlichen Blog-Technologie auch ohne große technische Vorkenntnisse) seine Sicht der Dinge einem weltweiten Publikum zugänglich machen. Auch wenn wir Journalisten uns künftig darauf einstellen müssen, dass unsere Fehler nicht mehr unbekannt, unkommentiert und und unwidersprochen bleiben, ist das eine gute Nachricht.

Die Geschichte der Bello-Meldung hat übrigens in bewundernswerter Detailarbeit (wieder mal) Medienjournalist Stefan Niggemeier aufgearbeitet.

Neues aus der Welt der Justiz

Und so schnell zaubert Die Gute Nachricht Des Tages™ ein Lächeln auf die Lippen der Klein-Bloggersdorfer. Sie betrifft Forenbetreiber im Internet, also auch all jene mit eigenem Blog. Es geht mal wieder um die Haftung für das, was andere User auf unseren Seiten schreiben.

Dass wir nicht rund um die Uhr selber nach Beleidigungen und sonstwie rechtswidrigen Kommentaren suchen müssen, sondern den Mist erst dann löschen müssen, wenn uns jemand auf ihn aufmerksam macht, ist bekannt.

Nun gibt es eine weitere Einschränkung der Forenhaftpflicht. Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass ein Forenbetreiber auch nicht verpflichtet werden kann, strafbewehrte Unterlassungserklärungen über zukünftige Kommentare abzugeben.

Klingt kompliziert? Es ging in dem Fall darum, dass ein Professor auf der Plattform www.meinprof.de (dort können Studenten ihre Professoren beurteilen) übel beleidigt wurde. Die Betreiber der Webseite entfernten die entsprechenden Kommentare zwar umgehend, doch der Professor wollte noch mehr: Er verlangte eine Unterlassungserklärung von den Betreibern. Sollten weitere Beleidigungen auf der Seite veröffentlicht werden, hätte MeinProf jeweils 3000 Euro zahlen müssen.

Das lehnten die Betreiber ab; der Professor zog vor Gericht. In der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten bekam er auch Recht [by the way: Das schreibt man doch wieder groß, oder, Tom?]. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht am 31. Mai entschieden die Richter allerdings gegen den Hochschullehrer.

Das Internet ist bekanntlich kein rechtsfreier Raum. Fast jeder, der eine Möglichkeit zum Kommentieren und Diskutieren anbietet, hat schon üble Erfahrungen mit Pöblern und Gestörten gemacht. Dass deren Textabfall von uns entsorgt werden muss, ist für nervig genug, aber insgesamt fair und zumutbar.

Alles weitere wäre aber zu viel gewesen: Eine Verhinderungspflicht für rechtswidrige Inhalte wäre nur möglich gewesen, wenn alle Forenbetreiber eine totalen Vorabkontrolle aller Beiträge in allen Foren eingerichtet hätten. Inklusive juristischer Prüfung, ob grenzwertige Beiträge irgendwelche rechtlichen Konsequenzen gehabt haben könnten.

Das wäre praktisch der Tod der Diskussionskultur im Internet gewesen. Deshalb ein dickes, erleichtertes Dankeschön in die Hauptstadt (den bekannten Spruch „es gibt noch Richter in Berlin“ sparen wir uns).