Im Elisengarten

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100

Ein weiterer meiner Lieblingsplätze in Aachen ist der Elisengarten. Sobald es Frühling wird, gibt es hier eigentlich immer etwas Neues zu sehen für den, der sich ein paar Augenblicke lang darauf einlässt. Vom emsigen Bienchen bis zum tranigen Studenten, von der vorwitzigen Turdus merula (Amsel) bis zum aufdringlichen Hamsemaneuro (Zausel). Manchmal glitzert noch das Nass des gesunden Öcher Landregens auf dem frisch gepflanzten Frühsommergrün, manchmal rettet der Autor dieser Zeilen seine Kamera vor eben jenem Landregen ins müffelnde Trocken des Elisenbrunnenpavillons.

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250

Alleine ist man jedenfalls nie im Elisengarten. Oben posieren Touristen am Brunnen des Geldes für ein Erinnerungsfoto, auf den Stufen in der Wiese lungert hängt die perspektivlose Jugend herum, links und rechts schleppen shoppende Besucher ihre Einkaufstüten von der Adalbertstraße in die Altstadt und zurück, während auf der Terrasse des Cafés die Besucher dem Gewusel zuschauen.

Der Elisengarten ist, da ich meist von Osten her in die Innenstadt komme, für mich so eine Art Vorgarten zum Herzen der Stadt. Dahinter liegen Dom und Katschhof, die Kneipen am Hof, der Rathausmarkt und das Pontviertel. Man muss jedesmal dran vorbei oder durch und kann ein bisschen Grün in sich aufsagen.

Ein schöner Vorgarten – ich freue mich schon auf den nächsten Besuch. Rasenmähen muss ich ja nicht.

Die Verpuppung

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Kaum ein Passant, der im Vorbeigehen nicht zögert, noch einmal genauer hinguckt, stehenbleibt und staunt. „Was ist das denn?“ – „Das ist aber neu, oder?“ – „Ach nee, guck mal, wie süß!“ – „Da hat sich aber einer Mühe gegeben!“

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Der altbekannte Puppenbrunnen: neu eingekleidet! Pferd und Reiter, Prälat und Professor, Modepüppchen und Marktfrau, Harlekin und Hahn tragen auf ihrer Bronzehaut plötzlich bunten Stoff. Liebevoll gehäkelte Mützen, Handschühchen, Schals und Troddeln zieren die Gliederarme und beweglichen Köpfe, passgenau und mit ebensoviel Humor wie Geschick angefertigt und angepasst. Die Farben leuchten regelrecht im Abendlicht – und die Figuren tragen sie sichtlich gerne, es ist ja auch schon etwas kühl geworden hier zwischen den hohen Altstadthäusern der Krämergasse, im Schatten des Doms.

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Und wie Bonifatius‘ Stirnbergs vielleicht bekanntestes Aachener Werk nach guten 40 Jahren plötzlich noch einmal wahrgenommen wird. „Nee, dieses Mützchen! Richtig in den Öcher Farben, schwarz-gelb!“ – „Ich werd nicht mehr!“ – „Sowas Schönes! Und mal was Positives, nicht was mit Zerstörung.“ Smartphones, Tablets und Spiegelreflexkameras werden gezückt, eine asiatische Touristin legt ihren Arm um das Modepüppchen (das an Aachens Textilindustrie erinnern soll) und lässt sich von ihrem Freund ablichten.

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Chapeau. Man darf wohl sagen, dass die Damen des Aachener Stricktreffs mit diesem Yarnbombing einen Volltreffer gelandet haben. Einen vielleicht nur kurzlebigen, aber um so einprägsameren.

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Denn was ist schon Dauer? Ich erinnere mich noch an die Nacht- und Nebel-Aktion an der sogenannten Oldenburger Friedenssäule. Diese schmucklose, ziemlich langweilige Marmorsäule aus der Kaiserzeit trug ursprünglich eine goldene Viktoria-Siegesgöttin, ähnlich der bekannten der „Gold-Else“ in Berlin – bis die Nazis sie 1943 für ihre eigenen, bekanntlich fruchtlosen Bemühungen um einen Sieg einschmolzen. Seitdem heißt der übriggebliebene Stumpf politisch korrekt Friedenssäule. 1986 aber stellten drei Lokalpolitiker eine aus Styropor und Goldfarbe selbstgebaute Nachbildung der Originalfigur heimlich auf die Säule. Zwar wurde sie schon nach kurzer Zeit wieder abmontiert, doch über die Aktion spricht die Stadt noch heute, nach 30 Jahren. Immer wieder wird seitdem die Wiederbelebung der inzwischen „Friedensengel“ genannten Figur diskutiert. Auch wenn daraus bislang noch nichts geworden ist: Das Bild des Goldengels von damals ist im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hängen geblieben.

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Und nun stehen wir hier vor dem bestrickten Puppenbrunnen.

Tja, Stricken. Im Zeitalter von Facebook, 3D-Druckern und Paketdrohnen fällt mir höchstens noch Briefmarkensammeln als Hobby mit weniger Sexappeal ein. Aber – panta rhei, alles fließt – irgendwie hat diese klipp-klappernde großmütterliche Freizeitbeschäftigung es geschafft, im Guerrillamodus als Streetart auf der coolen Seite der Gesellschaft wieder ans Licht zu kommen. Ein Kompliment an Rebekka B., Kata G. und die anderen flinkfingrigen Nadelkünstlerinnen, die Aachen seinen wohl hübschesten Brunnen neu geschenkt haben. Und sei es nur für ein paar Tage. Klenkes hoch, Mädels!

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Abendgang

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig

Einfach nach dem Parken noch mal eine Runde um den Block gehen, statt direkt nach Hause. Und schon sieht man Farben.

Testblume

Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640
Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640

„Streber!“ rief mir die nette Fotografin vom Fotostammtisch Eifel im Spaß zu, als ich vorhin beim Treffen im „Bodega“ Imgenbroich nicht widerstehen konnte – und in einer Trinkpause mit dem neuen Minolta 1.2 58mm kurz eine pollensaugende Schwebfliege auf einer Blume anvisierte. Und eigentlich hatte sie recht. Aber dieser herrlich cremige Hintergrund… wenn mein Objektiv ein Ölgemälde anfertigen möchte, wer bin ich, es davon abzuhalten?