Kunst mit vielen Gesichtern: Besuch im Töpfereimuseum Raeren

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Es gibt Krüge, die lachen und tragen Sonnenbrille. Das ist eine der nettesten Erkenntnisse eines Besuchs im Töpfereimuseum Raeren. Die andere ist: Gerade mal ein Dutzend Kilometer vom Aachener Dom entfernt lag einmal einer der bedeutendsten mitteleuropäischen Herstellungsorte von Keramik, genauer: von Steinzeug. Waren, die schon im 16. und 17. Jahrhundert Exportschlager in aller Herren Länder waren. Zu Hunderttausenden wurden die begehrten Stücke alljährlich produziert.

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Rund fünf Jahrhunderte lang formten und brannten die Raerener Töpfer alles, was überall in Mittel- und Nordosteuropa auf die Tischen und Tafeln der Bürgerhäuser und Königspaläste gestellt wurde, um Ess- und Trinkbares zu kredenzen. Vom einfachen Essgeschirr über elegant verzierte Becher bis zu überreichlich geschmückten Prachtkrügen. Könige, Edelleute und Kirchenfürsten schätzten das Steingute made in Raeren.

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Wer also ein Stück einzigartige Heimatgeschichte kennenlernen möchte, der setze sich an einem freien Tag ins Auto oder auf den Fahrradsattel. Hinter den dicken Mauern der Raerener Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert ist die Geschichte des Steinzeugs vom Mittelalter bis in die Neuzeit aufbereitet. Gegenüber, vor der Museumsgaststätte Café Haus Zahlepohl (die so heißt, weil dort wohl einmal eine Art mittelalterliche Mautstation stand), lässt sich das Verkehrsmittel der Wahl parken.

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Im 15. Jahrhundert begann der Aufstieg des Raerener Steinzeugs: Die Krüge und Kannen aus dem kleinen Ort nahe Aachen – das damals neben Santiago de Compostela und Rom der drittwichtigste Pilgerort des Kontinents war – verbreiteten sich in ganz Nordosteuropa. Im 16. Jahrhundert schließlich standen die über und über mit Wappen, szenischen Bildern und Ornamenten verzierten Prunkkrüge auf den Tischen von Königen, Fürsten und Bischöfen in ganz Europa. Das bei hohen Temperaturen gebrannte Raerener Steinzeug war geschätzt, weil es absolut wasserdicht war und so hart, dass es als fast unzerbrechlich galt.

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Auf vielen Bildern flämischer Künstler im 16. und 17. Jahrhundert ist Raerener Ware abgebildet, etwa auf dem „Bauerntanz“ von Pieter Brueghel dem Älteren, das im Museum als Wandbild mit Tisch sehr nett in Szene gesetzt ist.

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Aber halt, wir greifen vor. Eigentlich sollte unser Rundgang ja im Keller anfangen, wo wir im wörtlichen Sinne auf den Hinterlassenschaften der Töpfer stehen – auf Keramikscherben nämlich, die eine Art Bodenmosaik bilden.

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Im Untergeschoss wird auch die Förderung des Tons dargestellt, für die tiefe Schächte gegraben werden mussten. Wer zu ungeduldig ist, vor dem Videomonitor stehenzubleiben, um die Geschichte des Ortes im Film kennenzulernen, kann sie einfach in die Hand nehmen. In der App mGuide des Töpfereimuseums (für iOS und Android) führt der große Töpfermeister Jan Emens Mennicken (es gab ihn wirklich – heißt der Museumsdirektor Ralph Mennicken eigentlich nur zufällig genauso?) höchstpersönlich durch die Ausstellung.

Steinzeug – das sind dann eben keine leblosen, alten Töpfe und Schüsseln mehr. Mit Hilfe des mGuides erzählen sie von abenteuerlichen Kaufmannsreisen auf See und zu Lande, von weitsichtiger Planung und menschlicher Gier, von Erfolg und katastrophalen Niederlagen. Sie erzählen von Massenproduktion und Globalisierung bereits im 16. Jahrhundert, von Pilgerfahrten, Trinkgelagen und erotischem Spielzeug. Das Töpfereimuseum Raeren eröffnet dem Besucher mit dem mGuide all diese spannenden Geschichten aus dem prallen Leben der Frühen Neuzeit.
(Auf der mGuide-Homepage)

Wer vergessen hat, sie sich vorab zu Hause herunterzuladen und in Belgien ohne Netzempfang dasteht, kann sich auch bei der freundlichen Museumsmitarbeiterin ein iPad ausleihen.

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Die gewaltigen, mehrere Stockwerke hohen Raerener Öfen erreichten Produktionszahlen von bis zu 600.000 Stück pro Jahr. Das Brennen des Steinguts war eine Wissenschaft für sich: Da es keine Thermometer gab, konnten die Ofenheizer nur auf überliefertes Wissen zurückgreifen, um die Temperatur über die gesamte Brennzeit hinweg konstant zu halten. Dabei waren etliche Variablen einzuberechnen, etwa Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit, die Art des Brennholzes und vieles mehr.

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Bei aller Kunstfertigkeit: Es wird so manche komplette Ofenladung danebengegangen sein. Der mehrere Meter hohe Scherbenturm versinnbildlicht, welche Mengen von Ausschuss die Töpfer produzierten. Was nicht den Qualitätskriterien entsprach, landete in den Gruben.

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Und blieb dort – oft für Hunderte von Jahren. Doch schon kurz nach dem Auslaufen der Produktion gegen 1850 ging der Hype los. Hobbyarchäologen, und in ihrem Gefolge Grundbesitzer und Sammler, begannen auf dem Gelände früherer Töpfereien zu buddeln. Überall wurden Krüge und Keramiken aus dem Boden geholt und für teuer Geld verkauft.

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Der Düsseldorfer Kunstsammler Laurenz Heinrich Hetjens ließ dann von 1870 bis 1882 in Raeren systematisch graben. Was dabei ans Licht kam, bildet den Grundstock des Deutschen Keramikmuseums. Der Mann war übrigens clever: Er vererbte seiner Heimatstadt seine Sammlung plus 150.000 Goldmark mit der Auflage, damit ein Museum zu bauen, das auf ewig nach ihm benannt werden sollte. Andernfalls werde das Erbe hinfällig – dann ginge die Sammlung statt nach Düsseldorf nach Köln. Das Hetjens-Museum gibt es noch heute.

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Dass es dagegen heute in Raeren die auch immerhin 2000 Exponate starke Sammlung des Töpfereimuseums gibt, verdanken wir Otto Eugen Mayer. Er begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die Geschichte des Raerener Steinzeugs zu erforschen. Seine Funde bilden den Kern der Sammlung des Museums, das 1963 in der Burg eröffnet wurde.

In der Blütezeit der Raerener Töpferei arbeitete ein Drittel der Dorfbevölkerung als Töpfer, also rund 50 Familien. Fast ebenso viele waren im zweiten großen örtlichen Gewerbe tätig: als Fuhrleute. Um die Massen von bruchempfindlichen Tonerzeugnissen über die damals kaum ausgebauten Wege und Pfade zu transportieren, brauchte man Profis. Wie anspruchsvoll das war, kann der Besucher ahnen, wenn er ein paar Schritte einen Trampfelpfad hinter der Burg entlanggeht, der schließlich über eine sechs Meter hohe Brücke führt. Sie überquert das Bett des Iterbachs – und den nutzten die Spediteure der Renaissance, um ihre Fuhrwerke mit der kostbaren Fracht vergleichsweise rüttelfrei auf die Krönungsstraße über Köln nach Frankfurt zu bringen.

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Aber Raerener Krüge blieben nicht in Europa. Einige Exemplare wurden sogar in nordamerikanischen Indianergräbern und in untergegangenen niederländischen Schiffen vor Australiens Küste gefunden. Und heute steht Raerener Töpferhandwerk in allen großen europäischen Museen vom Louvre in Paris über das British Museum in London bis zur Eremitage in St. Petersburg.

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Das Raerener Museum zeigt allerdings nicht nur historisches Keramik, sondern auch ganz moderne – hier die Preisträger des Euregio-Keramikwettbewerbs 2015. Das Vogelmotiv oben gestaltete die Niederländerin Noortje Meijerink, das, äh, ebenfalls Vögeln gewidmete Werk unten Andrea Bielicki-Helms aus Deutschland.

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Wer nach derlei Inspiration Lust bekommen hat, selbst zum Tonkünstler zu werden, kann im Atelier im Burghof unter Anleitung von Museumspädagogin Melanie Keifens die Begegnung mit dem so vielfältig gestaltbaren Material auf eine ganz praktische Ebene wuppen. So etwa beim Tonmarathon. Die Erzeugnisse wurden beim Euregio-Keramikmarkt im September versteigert.

Genug gesehen? Dann ist es Zeit, in die urige Gaststube im Haus Zahlepohl einzukehren und sich von Nelly Luchte einen ostbelgischen Imbiss servieren zu lassen, etwa einen Schwarzen Fladen aus kleinen Birnen, Äpfelchen, Anis und anderen Gewürzen. Dazu passt ein süffig süßes, dunkles Abteibier. Natürlich aus einem standesgemäßem Glaspokal – wenn schon nicht aus einem Raerener Steinkrug.

Disclosure: Das Töpfereimuseum wurde mir und anderen Bloggern aus der Region im Rahmen einer eintägigen Bloggerreise gezeigt.

Im Jagdfieber

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Während im Aachener Westpark heute die Schnäppchenjäger über den Flohmarkt stromerten, lauerte nur ein paar Meter weiter im Teich ein ganz anderer Jäger auf Beute.

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Ein Blick nach rechts …

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… ein Blick nach links …

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… und – happs! – zugeschlagen.

Glückwunsch, Kollege. Andere Jäger gingen mit einer für fünf Euro ergatterten, originalverpackten Gegenlichtblende für das nagelneue Rollei 2.8 85 samt Filtersatz nach Hause. Die Zufriedenheit dürfte vergleichbar gewesen sein.

Fotos: Carl Zeiss Jena Sonnar 3.5 135 „Zebra“, 1/125, ISO 320, freihändig