Im Jagdfieber

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Während im Aachener Westpark heute die Schnäppchenjäger über den Flohmarkt stromerten, lauerte nur ein paar Meter weiter im Teich ein ganz anderer Jäger auf Beute.

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Ein Blick nach rechts …

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… ein Blick nach links …

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… und – happs! – zugeschlagen.

Glückwunsch, Kollege. Andere Jäger gingen mit einer für fünf Euro ergatterten, originalverpackten Gegenlichtblende für das nagelneue Rollei 2.8 85 samt Filtersatz nach Hause. Die Zufriedenheit dürfte vergleichbar gewesen sein.

Fotos: Carl Zeiss Jena Sonnar 3.5 135 „Zebra“, 1/125, ISO 320, freihändig

Auf den ersten Blick

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, ca. F4, 1/500, ISO 160
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, ca. F4, 1/500, ISO 160

Mal wieder etwas Technisches: Beim Aufbau meiner, öhümm, kleinen Objektivsammlung im Laufe der vergangenen Monate habe ich gemerkt, dass es Linsen gibt, die einem sofort gefallen und solche, mit denen man sich eher schwer tut. Das gestern Morgen von „meinem“ Paketboten (der mich bei einem zufälligen Zusammentreffen neulich im Paketshop bereits mit Namen gegrüßt hat) gebrachte Carl Zeiss Planar 2.8 85 für Rollei SL35 fällt in Kategorie Eins.

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/640s, ISO 125
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/640s, ISO 125

Für ein 85er ist der von 1970 bis 1981 gebaute Vierlinser geradezu winzig – er ist gerade mal so groß wie ein tyisches 50-Millimeter-Objektiv (hier gibt es ein paar Fotos – nicht von mir) der frühen 70er Jahre. Ich mochte sofort die solide Verarbeitung, den weichen Fokus und das satte Klicken des Blendenrings. Mit diesem Teil zu fotografieren, macht einfach nur Spaß – es wiegt mit rund 200 Gramm praktisch nichts, macht die Kamera nicht unhandlicher, ist wunderbar zu bedienen – und die Bildqualität überzeugt mich auf der ganzen Linie. Die Schärfe knackig, das Bokeh sahnig, Gegenlicht beherrschbar, sogar Gras sieht damit gut aus – was will man mehr?

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 100
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 100

Manche Objektive sind technisch toll, und man mag sie trotzdem nicht. Weil sie sich irgendwie plastik anfühlen, weil der Fokus zu schwer oder zu kratzig läuft oder weil irgendwas am Design oder dem Erhaltungszustand stört. Mit dem Lichtstärken-Monster Minolta MD 1.2 50 zum Beispiel bin ich nie wirklich warm geworden und habe es irgendwann in der Bucht versenkt. Auch das Canon FD 2.8 24 liegt trotz seiner kompakten Abmessungen nicht oft in meiner Fototasche.

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 320
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 320

Das Sony FE 2 28 – mein einziges „modernes“ Autofokus-Objektiv für die A7 – ist federleicht und macht knackscharfe Bilder. Trotzdem benutze ich es nur, wenn ich auf den Autofokus angewiesen bin, und das ist eigentlich nie der Fall. Es kann zwar auch manuellen Fokus, aber nur mit elektronischer „by wire“-Übertragung und nicht direkt über einen mechanischen Ring. Das hat – Kinder, lest bitte mal eben woanders weiter – ungefähr die Erotik von Telefonsex: Das Ergebnis ist dasselbe, aber der Weg dahin macht entschieden weniger Spaß.

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 320
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 320

Das Rollei-Zeiss 85er ist geradezu ein Schnäppchen für ein so gutes und handliches Porträtobjektiv. Der kleinen Sony A7 mit ihren klassischen Abmessungen steht es wie dafür gemacht. Und der Adapter für das Rollei-QBM-Bajonett aus China kostet auch nicht mehr als den üblichen Zehner.

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 500
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, 1/500s, ISO 500

Mein schönes Minolta 2.5 100 – hier eingesetzt – wird es trotz seiner unbestrittenen Qualitäten in Zukunft schwer haben, die Vitrine zu verlassen. Ein weiterer Beweis für die alte Weisheit – Kinder, guckt mal, da hinten sitzt ein total seltenes Pokémon! -, dass solide Technik so viel wichtiger ist als Länge.

Im Elisengarten

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100

Ein weiterer meiner Lieblingsplätze in Aachen ist der Elisengarten. Sobald es Frühling wird, gibt es hier eigentlich immer etwas Neues zu sehen für den, der sich ein paar Augenblicke lang darauf einlässt. Vom emsigen Bienchen bis zum tranigen Studenten, von der vorwitzigen Turdus merula (Amsel) bis zum aufdringlichen Hamsemaneuro (Zausel). Manchmal glitzert noch das Nass des gesunden Öcher Landregens auf dem frisch gepflanzten Frühsommergrün, manchmal rettet der Autor dieser Zeilen seine Kamera vor eben jenem Landregen ins müffelnde Trocken des Elisenbrunnenpavillons.

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250

Alleine ist man jedenfalls nie im Elisengarten. Oben posieren Touristen am Brunnen des Geldes für ein Erinnerungsfoto, auf den Stufen in der Wiese lungert hängt die perspektivlose Jugend herum, links und rechts schleppen shoppende Besucher ihre Einkaufstüten von der Adalbertstraße in die Altstadt und zurück, während auf der Terrasse des Cafés die Besucher dem Gewusel zuschauen.

Der Elisengarten ist, da ich meist von Osten her in die Innenstadt komme, für mich so eine Art Vorgarten zum Herzen der Stadt. Dahinter liegen Dom und Katschhof, die Kneipen am Hof, der Rathausmarkt und das Pontviertel. Man muss jedesmal dran vorbei oder durch und kann ein bisschen Grün in sich aufsagen.

Ein schöner Vorgarten – ich freue mich schon auf den nächsten Besuch. Rasenmähen muss ich ja nicht.

Testblume

Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640
Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640

„Streber!“ rief mir die nette Fotografin vom Fotostammtisch Eifel im Spaß zu, als ich vorhin beim Treffen im „Bodega“ Imgenbroich nicht widerstehen konnte – und in einer Trinkpause mit dem neuen Minolta 1.2 58mm kurz eine pollensaugende Schwebfliege auf einer Blume anvisierte. Und eigentlich hatte sie recht. Aber dieser herrlich cremige Hintergrund… wenn mein Objektiv ein Ölgemälde anfertigen möchte, wer bin ich, es davon abzuhalten?

Strand des Herzens

Eine skurrile Laune der Natur ist Schuld daran, dass Aachen wohl die einzige Stadt auf diesem hübschen blauen Planeten ist, deren Strand zwei Länder und zweieinhalb Autostunden entfernt von ihr liegt.

_DSC6339korr Strandtreppe

So muss der einem Strandbad Sonnenbad zugeneigte Öcher einen Tagesausflug einplanen und sich hinters Steuer klemmen. Einmal vollgetankt und dann 233 Kilometer westwärts – an Maasmechelen vorbei, durchs flache Flandern, vor Antwerpen rechts ab. Den weithin sichtbaren Dampfpilz des Kernkraftwerks Doel so schnell wie möglich hinter sich lassen.

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Die Fahrt führt vorbei an Orten, die Brommelen, Grobbendonk, Wommelgem und schließlich Krabbendijke heißen. Auf der Halbinsel Walcheren steuern wir auf das malerische Kleinstädtchen Middelburg zu, dann geht es noch ein paarmal im Zickzack rechts-links-rechts, bis die Straße buchstäblich vor dem Deich endet.

_DSC6075korr Moewenanflug

Und da wären wir. Domburg. 1500 Einwohner, Verwaltungssitz der Gemeinde Veere – und wer den Namen googelt, wird mit Ferienhäusern und Hotels beworfen, bis er bucht. Man ist halt nicht der einzige, dem’s hier gefällt. Die nächste ernstzunehmende Konkurrenz in Richtung Süden liegt schon in Belgien, heißt Knokke-Heist, ist 20 Mal so groß und unter uns gesagt fürchterlich verbaut.

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Wir bleiben also in Domburg, dem einstigen Künstlerdörfchen, das beim Öcher ob der ersten Hälfte seines Namens gleich heimische Gefühle auslöst. Die Dichte an AC-Kennzeichen unter bei den geparkten Wagen spiegelt die Zuneigung wider. Wer das nicht mag, sollte noch ein paar Kilometer weiter nach Norden fahren, über das imposante Oosterschelde-Sturmflutwehr auf die benachbarte Insel Schouwen-Duiveland etwa oder, noch eins weiter, auf Goeree-Overflakkee. Dahinter ist es allerdings vorbei mit der Gemütlichkeit, dort liegt Rotterdam, zweitgrößte Stadt der Niederlande und Europas größter Seehafen.

_DSC5991korr Burgenkind

Hier aber, an diesem abgelegenen Stück Nordseestrand, ist es idyllisch. Der Wechsel von Ebbe und Flut zwingt dem jetzt im Frühjahr noch etwas träge blubbernden touristischen Leben auf den paarhundert Quadratmetern Strand einen gemächlichen Rhythmus auf.

_DSC5969korr Horizontfrachter

Und der einsame Frachter am Horizont, von Antwerpen aus auf Nordkurs gehend, ist das einzig sichtbare Anzeichen der globalen oder zumindest internationalen Verkehrsströme, die sich außerhalb unserer Wahrnehmung abspielen.

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Doch wen interessiert schon der Horizont. Die Buhnen aus doppelreihigen Holzpfählen gliedern die kleine Welt in fußballfeldgroße Segmente, deren Grenzen zumindest direkt in Wassernähe nicht leicht zu überwinden sind. Nur an wenigen Stellen kann man sich als Erwachsener zwischen den Pfählen durchquetschen.

_DSC6182korr Priele

Doch zwischen diesen zahnlückigen Wänden gibt es genug zu sehen. Die Sonne spiegelt sich im Wasser der Priele, die auflaufende Flut treibt Wolken von Schaum vor sich her, die sich am Strand auftürmen. Über all dem kreischen die Möwen.

_DSC5822korr Janaschaum

Woran liegt es, dass diese paar Kubikmeter Sand, diese paar Quadratmeilen Wasser und das völlige Fehlen landschaftlicher Erhebungen solche Glücksgefühle beim Festlandsbewohner auslösen können? Sind es Erinnerungen an die Ursuppe, aus der wir einmal gekrochen sind?

_DSC5942korr Janafon

Die Frage bleibt offen. Wenden wir uns landeinwärts. Domburg selbst ist ein schmuckes Dörfchen aus gepflegten Häuschen, Herbergen und Hotels – der Tourismus hat hier jeden Meter geprägt.

_DSC5952korr Batesmotel

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Die Dohlen oben auf dem Kirchturm stört es nicht. Der Ziffernkranz der Uhr bietet ihnen einen bequemen Sitzplatz mit perfekter Aussicht auf das Gewusel auf dem Pflaster unter ihnen.

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Andere können nicht so hoch hinaus – und fühlen sich zwischen all den akkurat gestutzen Hecken, blühenden Bäumen und gewienerten Mittelklasseautos in den Wohnstraßen mindestens genauso wohl.

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Vielleicht ist der Reiz des Aachener Strandes gerade seine Überschaubarkeit. Rund um den alten Wasserturm mit seinem wunderlichen Dach, das Wahrzeichen der Siedlung, spielt sich das Leben in zwei Hälften ab: Es gibt nur das Vor dem Deich und das Dahinter. Nur wer auf der Krone steht, sieht das Ganze. Es ist ein kleines Ganzes.

_DSC6315korr Janatreppe

Ein greifbares, begehbares, übersichtliches Ganzes. Eines, das keine dunklen Ecken und bösen Überraschungen bietet.

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Ein Strand zum Gernhaben. Vielleicht sogar einer zum Verlieben. Auf jeden Fall einer, den man als Öcher, wenn man sich abends ins Auto setzt und von Domburg nach Domstadt zurückfährt, im Herzen trägt.