Wenn es Nacht wird an der Waterkant (Medienhafen II)
Es war die letzte Chance dieses Jahres: Goldene Stunde im Düsseldorfer Medienhafen – mit den letzten Sonnenstrahlen direkt auf die Geary-Gebäude am Kai. Nur zweimal im Jahr bietet sich diese Gelegenheit, zu allen anderen Zeiten ist die untergehende Sonne durch Gebäude verdeckt.
Also, auch wenn der erste Ausflug in den Medienhafen ja gerade erst ein paar Tage her ist, schnell nach Feierabend nochmal auf die Autobahn.
Dabei hatte es den ganzen Tag über gar nicht gut ausgesehen: Ein trüber Himmel mit suppigem Licht hielt die Vorfreude klein und die Befürchtung am Leben, dass es nichts werden würde mit der Goldenen oder gar Blauen Stunde.
Doch nichts ist bekanntlich so unbeständig wie das Wetter. Einmal angekommen und mit den anderen angereisten Fotografen versammelt, konnte das ebenso kleine wie hoffnungsvolle Trüppchen bei einem gemütlichen Altbier in der Meerbar am Kai dem Himmel beim Aufklaren zuschauen.
Dann kam sie durch, die Sonne – und die Geary-Gebäude wurden wie gewünscht angestrahlt, siehe die ersten Bilder ganz oben.
Es war nur ein kurzes Vergnügen, nach wenigen Minuten wurde das Licht schon wieder diffus. Unser Grüppchen strolchte noch ein Weile kreuz und quer über die Landzunge am Rheinturm, bis das letzte Licht weg war und es Zeit für den Rückweg nach Aachen.
Das war also: Medienhafen, die Zwote. Es ist wirklich ein interessantes Fleckchen Region hier. Mal sehen, wie es beim dritten Besuch aussieht.
Im Brackvenn
Und wo wir gerade bei alten Weisheiten sind: Den Spruch, dass ein gutes Foto weh tun muss, kann ich seit gestern Abend um die Variante ergänzen, dass ein gutes Foto auch durchaus mal längere Zeit jucken und brennen kann. Von den Jungs vom Fotostammtisch Eifel hatte ich mich leichtsinnigerweise verleiten lassen, nach Feierabend nochmal ins Brackvenn zu stiefeln – Sonnenuntergang knipsen. Was als Idee auch toll gewesen wäre, wir hatten schönes Licht und einige Wolken, perfekte Voraussetzungen für einen dramatischen Himmel, wenn wir denn allein gewesen wären.
Waren wir aber nicht: Myriaden von Mücken (gibt es eigentlich eine andere Quantität für Mücken en gros? Und gibt es andere Dinge auf diesem Planeten, deren Zu-Vielzahl in Myriaden gemessen wird?) schwärmten geradezu für uns und unsere Arbeit. Es war zum Davonlaufen, was angesichts der bekannten Bohlenwege durchs Venn leider nur eingeschränkt möglich war. Es hatte etwas von Folter: Nebeneinander eingezwängt auf dem schmalen Holzsteg über den Teich mit den Armen wild um den Kopf zu wedeln, während man zur selben Zeit versuchte, weder das Stativ ins Wasser zu werfen, noch das Gleichgewicht auf den Planken zu verlieren. Es wären sicher noch mehr schöne Motive drin gewesen, aber wir alle waren froh, der ungewollten Schwärmerei entkommen zu können.
Immerhin: Der Himmel spielte mit. Und im Bild war das Gefleuch ja später dankenswerterweise auch nicht.
Wasserspeier
Kann man den Aachener Dom eigentlich zu oft fotografieren, fragte ich mich selbst, als ich das ofenrohrgroße und wagenheberschwere Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200 (Gewicht: 1,2 Kilogramm, Filterdurchmesser 77 Millimeter!) zu seinem ersten Außeneinsatz auf das Stativ wuchtete. Schließlich war es nicht ganz das erste Mal, dass ich Aachens Wahrzeichen in den Sucher nahm.
Und die Antwort, während die letzten Strahlen der Abendsonne eben noch über die Dächer lugten und die Wasserspeier am Dach des gotischen Chores in ein warmes Licht tauchten, lautet natürlich: Nein, auf keinen Fall. Weil jeder Tag anders ist, weil kein Moment wiederholbar ist, weil man kein Foto zweimal schießen kann. Nicht einmal an etwas 1200 Jahre Alten wie dem Aachener Dom.
Im Medienhafen
Es ist ja nicht so, dass ich noch nie in Düsseldorf gewesen wäre. Oder dort noch keine angenehmen Zeiten verbracht hätte. Im Gegenteil. Der Blick vom Fernsehturm ist toll. Und das Meilenwerk die Classic Remise, dieses Oldtimerverkaufsmuseumsding im alten Ringlokschuppen erstmal. Die Rheinuferpromenade ist so dermaßen viel schöner als das, was Köln mit seinem Stück Rhein veranstaltet bzw. dranbetoniert hat. Und an das rotierende Quallenaquarium im Aquazoo erinnere ich mich auch noch mit Faszination.
Und doch. Denk ich an Düsseldorf, entsteht da nicht sofort ein zusammenhängendes Stadtbild vor dem geistigen Auge, verbunden mit dem Wunsch: Ach ja, da und da möchtest du gerne mal wieder langbummeln. Dafür haben die Stadtplaner allerorts zu viel leeren Raum zwischen den Hausreihen der Prachtboulevards gelassen, der offensichtlich mit Imposanz gefüllt werden sollte – der in mir aber leider nur das Gefühl von Kälte und Abweisung erzeugt. Die allzu breite und allzu teure Kö zum Beispiel ist für mich das Gegenstück zur wuseligen Kölner Schildergasse. Köln hat das Herz, Düsseldorf das Geld. Oder?
Eigentlich ist das schade, denn liebe Menschen haben sich schon viel Mühe gegeben, mir die Vorzüge der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt nahezubringen. Und punktuell – Altstadt, Meilenwerk, Kunstakademie, nicht zu vergessen die großartige japanische Nudelsuppenkultur – ist das ja auch durchaus gelungen.
Und dann stehe ich an diesem lauen Juliabend mit einigen anderen Freizeitfotografen am Medienhafen. Medienhafen, alleine das Wort schon. Wir können auch Silicon Valley, wir machen jetzt was mit Medien! Schaut mal da, ein Reklameschild vom Focus!
Und doch: Hier, zwischen den modernisierten alten Lagerhallen und den hypermodernen Bauten von Stararchitekten wie Frank O. Gehry, gefällt es mir auf Anhieb.
Es kann am warmen Licht der Abendsonne liegen oder an den gut gelaunten Menschen, die unter den alten Verladekränen hindurch und über die Fußgängerstege flanieren. Die in den Biergärten der Bistros zwischen UCI-Kino und dem Alten Zollhof sitzen. Oder die Mole entlangjoggen. Und über all dem ragt der Fernsehturm in den blauen Abendhimmel.
Es ist ein Ort, der – und das ist leider eher selten in deutschen Städten – etwas Größe atmet, etwas freien Geist und Fantasie in der Gestaltung. Wo keine einheitlichen Dachhöhen für die übliche Immergleichheit sorgen, wo sogar hier und da ein paar geschwungene Linien aus dem gesetzlichen deutschen Rechtwinkel ausbrechen, der so allgegenwärtig das Bild unserer Städte bestimmt (wer das nicht glauben mag, der fahre mal nach Frankreich).
Ich weiß nicht, ob das, was hier entstanden ist, allen Düsseldorfern gleich gut gefällt. Ja, es ist auch ein Stück über-hip, über-cool und über-modern geworden. Aber vermutlich wäre es sonst halt nicht: Düsseldorf.
Egal. Hier ist er endlich, ein Fleckchen Düsseldorf, von dem ich auch in Zukunft gelegentlich denken werde: Och, da möchtest du gerne mal wieder hin und ein bisschen bummeln.
Pflichtprogramm
Welche Motive muss jeder Möchtegernkamerakünstler in seinem Portfolio haben? Kuschelnde Katzenbabys. Weiße Tauben, die im Morgengrauen vor Sacré-Cœur aufflattern. Eine hübsche junge Frau in Schwarzweiß, die im Dessous auf einem Bett sitzt und lachend eine Zigarette ausdrückt in der Hand hält [edit: sowas hier]. Und: malerische Getreidehalme im Sonnenuntergang.
Gut, so ganz am Ziel ist der Möchtegernkamerakünstler hier noch nicht. Wäre er nämlich ein Profi, hätte er sich eine halbe Stunde früher in den Moorbraunen gesetzt, um nach Vetschau losgefahren, von wo man so schön in den Abendhimmel gucken kann. Dann hätte er noch Zeit gehabt, sich ein paar andere Halme als die erstbesten auszusuchen. Vielleicht hätte er sogar diesen magischen Moment zehn Minuten vorher erwischt, als die Sonne noch nicht in diese dicke Wolkenbank eingetaucht war und der ganze Himmel golden aufflammte.
Aber so sei es. Punkt im Pflichtprogramm erstmal abgehakt. Irgendwelche Damen hier, die rauchen?
Wie gemalt
Heute hat sich der Himmel wieder besonders schön von Aachen verabschiedet.