Skandiblog 6: Die Spur des Kommissars

Als sich der Plan herauskristallisierte, nach Schweden zu fahren, hatte ich eine ganz, ganz originelle Idee: Man könnte doch mal in Ystad vorbeischauen. Dort, wo die Wallander-Romane von Henning Mankell spielen.

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Sagen wir’s mal so. Ich war nicht der allererste, der diesen Einfall hatte. Ähnliche Gedanken hatten bereits die einen oder anderen Krimi-Leser. So viele, dass es inzwischen in Ystad Wallander-Stadtfuehrungen gibt. Auch auf deutsch. Vier Stueck pro Tag.

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Es war trotzdem eine gute Idee, herzukommen, auch wenn die Stadtfuehrungen nur von Juli bis August abgehalten werden. Doch das Städtchen selber ist die dreiviertelstuendige Fahrt von Malmö aus wirklich wert.

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Das alte Zollgebäude.

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Erinnerungsfoto vor der Polenfähre.

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Der Bahnhof, direkt am Hafen gebaut.

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„Gäller ej behörig trafik“ war und ist der einzige schwedische Satz, den ich kann – seit einem Familienurlaub auf der Insel Öland 1979. Er bedeutet „Nur fuer Anliegerverkehr“.

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Ystads Einkaufsmeile, die Stora Östergatan.

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Bunte Fachwerkhäuser in einer Seitenstrasse.

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Das Nya Rådhuset, das neue Rathaus.

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Nun aber endlich der Moment, auf den wir alle gewartet haben: Mariagatan 10, das Haus von Kriminalkommissar Kurt Wallander!

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Dies ist seine Arbeitsstätte: das Polizeipräsidium. Ich hatte es mir höher und hässlicher vorgestellt. Aber so richtig hässlich können die Schweden anscheinend nicht.

Skandiblog 4: Klarer Punkt fuer Flensburg

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Am nächsten Morgen hat Ben noch Zeit, mir die Stadt zu zeigen. Flensburg, im Rest der Republik vor allem fuer Punkte bekannt, hat eine ueberraschend huebsche Innenstadt.

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Vom Wasserturm aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Innenstadt mit ihren Backsteinkirchen…

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…und die Förde, auf der gerade der Salondampfer „Alexandra“ seine Runden dreht.

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Auf dem Weg nach unten fällt mir auf, dass ein winziger und offensichtlich betagter Aufzug einer der ganz wenigen Orte auf der Welt ist, wo man definitiv keine Jahreszahl am Firmenschild des Herstellers lesen möchte.

Wir sind heil gelandet. Und ich bin gleich danach gestartet. Um in vier Stunden bis nach Schweden zu fahren. Vor zehn Jahren wäre das noch Illusion gewesen.

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Seit 1998 aber gibt es die Storebælt-Bruecke, die die dänischen Inseln Fuenen und Seeland verbindet.

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Mit ueber 1600 Metern Spannweite die längste Hängebruecke Europas und die zweitlängste der Welt. Zunächst geht es über eine lange Rampe, die man sich mit der Bahnstrecke teilt. Dann endlich kommt die eigentliche Bruecke. Die Ueberfahrt dauert ewig.

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Land in Sicht!

Die Storebælt-Bruecke ist nicht das einzige technische Wunderwerk auf dem Weg. Hinter Kopenhagen fährt man seit dem Jahr 2000 ueber die Öresundbruecke. Kopenhagen-Malmö in einer halben Stunde. Ist schon toll. A propos Toll (engl.): Die Maut lag fuer Motorräder bei etwa 15 Euro. Pro Bruecke natuerlich.

Gut, in vier Stunden habe ich es nicht ganz durch Dänemark geschafft. Direkt hinter der Grenze wartete erstmal ein Stau, den ich langwierig umfahren musste. Auf Seeland gab es ein fieses Gewitter mit Hagelschauern, das ich unter einer Bruecke abwarten musste. Aber in fuenf Stunden ist Dänemark zu schaffen.

Skandiblog 5: Die zwei Gesichter von Malmö

Malmö. Drittgrösste Stadt Schwedens. Tor zu Europa. Altehrwuehrdiges Zentrum von Schonen (Skåne). Lange Zeit Zankapfel zwischen Dänemark und Schweden. Heute eine Stadt mit zwei Gesichtern.

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Da ist zuerst das alte Malmö. Die gemuetliche Innenstadt lädt zum Bummeln ein.

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Trutzig lauert das alte Schloss auf Besucher, einst eine Festung dänischer Könige.

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Durch die Stadt fährt noch die alte Strassenbahn, heute als Museumszug fuer Touristen…

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…und auf den Kanälen drehen die schonischen Gänse ihre Runden, denen Selma Lagerlöf in der „Reise des kleinen Nils Holgersson“ ein Denkmal gesetzt hat.

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Draussen auf dem Öresund arbeitet sich ein Segelschiff auf Suedkurs gegen den Wind vor (wäre es ein wenig grösser und seine Flagge blau-gelb statt rot-weiss, könnte man von einem schonischen Schoner sprechen). Eine skandinavische Idylle also.

Aber es gibt auch das moderne Malmö, und das ist mindestens genau so interessant.

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Denn ein Stueck weit vom alten Segler entfernt liegt die neue Öresundbruecke, ein Symbol fuer das neue Malmö. Schweden ist näher an das uebrige Europa herangerueckt. Kopenhagen ist nur noch einen Katzensprung entfernt.

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Dreht sich der Betrachter vom Strand weg, blickt er auf das neue Stadtviertel Västra Hamnen (Westhafen). Hier sind seit 2001 auf dem ehemaligen Gelände der Kockums-Werft Neubauten entstanden, die architektonisch und ökologisch neue Wege aufzeigen sollen.

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Einer dieser Wege fuehrt ganz offensichtlich nach oben. Dies ist nicht der Burj-al-Arab in Dubai, sondern der Turning Torso, mit 190 Metern das höchste Gebäude Nordeuropas.

Da haben Sie Mut gezeigt, die Malmöer. So fantasievolle und abwechslungsreiche Bauten kann ich mir in Deutschland kaum vorstellen. Die Architekten hätten sich gar nicht erst getraut, so etwas vorzulegen, kleinbuergerliche Kommunalpolitiker hätten im Stadtrat jede Spur von Individualität aus den Entwuerfen gestrichen, den Rest hätten Buergerinitiativen verhindert. Das ist der Unterschied zwischen Provinzialität und Weitsicht. Ich mag Malmö.

Skandiblog 3: Nach Norden und dann immer geradeaus

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Die Kamera am Lenker. Das Navi in der Huelle. Strassenkarten im Tankrucksack.

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Zeltrolle und Packtasche auf dem Gepäckträger. Satteltaschen an den Kofferträgern verzurrt. Los geht’s. Von Oldenburg ueber Bremen, am Buchholzer Dreieck links ab nach Norden.

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Hamburg! Die Kräne des Containerhafens sind immer wieder beeindruckend. Die Bilder vom Elbtunnel werden dagegen leider nicht so gut.

Brav frisst die Freewind die Kilometer. Auf der A7 nördlich von Hamburg fängt es dann leider wieder an zu regnen. Ruckzuck ist es eiskalt in den durchweichten Textilklamotten.

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Erst kurz vor Flensburg bricht die Sonne wieder durch. Gegen 22 Uhr treffe ich bei Ben ein, den ich vor ein paar Tagen ueber ein Schwedenforum kennengelern habe. Er hat spontan angeboten, mich bei ihm uebernachten zu lassen und mir Tipps fuer die Reise zu geben. Es gibt schon wirklich nette Menschen auf der Welt. Bei einem gemuetlichen Bierchen klingt der Tag aus.

Morgen geht es durch Dänemark nach Malmö. Ich hatte mehrere CouchSurfer in Suedschweden auf Uebernachtungsmöglichkeiten angemailt, einer hat Gruenes Licht gegeben: Seine Gästecouch ist frei.

An seinem Rechner sitze ich in dieser Sekunde uebrigens. Was man daran sieht, dass ich derzeit kein Ue schreiben kann, weil schwedische Tastaturen nur ä und ö haben. Dafuer kann ich ein å anbieten, was aber kein wirklich adaequater Ersatz ist.

Skandiblog 2: Der erste Schritt

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Um 18 Uhr hörte der Regen zum ersten Mal auf. Meine Chance! Nur raus aus dem Regenloch Aachen, weiter nördlich wird es schon besser sein. Eine Stunde später verlasse ich die Stadt. Es wird eine sehr, sehr unangenehme Fahrt. Der Regen bleibt mir erhalten, bei Köln, im Bergischen Land, an der Ewigen Baustelle von Hagen, im Stau am Westhofener Kreuz. Um 21.20 Uhr schaue ich auf den Kilometerzähler: 170 sind erst gefahren. Zweieinhalb Stunden gefahren, nicht mal die Hälfte geschafft.

Erst nach dem ersten Tankstopp am Autohof in Osnabrück reißen die Wolken auf. Den Rest der Strecke fahre ich im Trockenen und kann bis 130 hochziehen. Um Mitternacht bin ich endlich in Oldenburg – nach fünf Stunden und knapp 370 sehr nassen und kalten Kilometern. Erster Verlust: Eine Satteltasche hat ihre Regenhaube verloren.

Am Rande eines umfangreichen Tiefdrucksystems mit Schwerpunkten über Skandinavien und Südosteuropa wird von Nordwesten her an den kommenden Tagen sehr kühle Luft nach Mitteleuropa gelenkt und sorgt hier für einen wechselhaften Witterungsabschnitt. (Wetter Online)

Das kann ja heiter werden. Beziehungsweise das Gegenteil.

Skandiblog 1: Eigentlich…

…wollte ich ja am Mittwoch, 11. Juni, zu meiner Skandinavientour aufbrechen

…sollte der Reißverschluss an der Bodenplatte des Tankrucksacks normal auf- und zugehen

…hätte ich die erste Nacht schon in Oldenburg verbracht

…wäre ich dort am Donnerstagmorgen bei bestem Wetter nach Flensburg aufgebrochen

…wäre ich um diese Zeit schon an der dänischen Grenze.

Wetter-Screenshot

Aber erstens hat es gestern Abend nach stundenlangem Packen noch ungefähr zwei Stunden länger als erwartet gedauert, die Karten für Schweden und Norwegen aufs Navi zu laden. Als ich dann endlich spätabends loskam, riss beim ersten Tankstopp an der Jülicher Straße der Reißverschluss des Tankrucksacks. Bis er repariert war, war es schon viel zu spät zum Losfahren. Und heute hat es den ganzen Tag über in Strömen geschüttet und war schweinekalt. Das muss ich denn doch nicht haben.

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbeso müd geworden, daß er nichts mehr hält.Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbeund hinter tausend Stäben keine Welt.

Genau so bin ich den ganzen Tag in der Wohnung auf- und abge<s>tigert</s>panthert. Was für ein Frust.