Ich sage JAR zur neuen Lizenz
Am Sonntag klappt’s denn doch noch. Hermann hat Zeit und Lust, mit mir den einstündigen Übungsflug zu machen, den ich für die JAR-Lizenz benötige. Wir nehmen den Flieger, der vorne in der Halle steht: die D-KIET, den schnellsten Falken am Platz.
Auch wenn ich über ein Jahr nicht mehr in einer Maschine gesessen habe – es geht alles wie von selbst. Nach dem Tanken (das erste Mal an der neuen Zapfanlage in Porta) rollen wir auf die Bahn… und sind schon in der Luft.
Jeder Flug ist anders. Zwischen zwei Wolkendecken – die untere ist zum Glück durchlässig – geht es in Richtung Bielefeld.
Hier ein Blick nach Westen, etwa auf Höhe Herford.
Fliegerei ist eine ernste Sache, das muss man durch strenge Blicke auch klarmachen.
Auf dem Rückflug ist noch Zeit über. Der 100-PS-Falke ist einfach zu schnell. Also geht es noch ein Stückchen die Weser herunter. Dies ist der Platz Rinteln. Dort herrscht allerdings tote Hose, während der Funkverkehr aus Porta die ganze Zeit in unseren Kopfhörern hängt.
Der Flug endet mit einer glatten Landung auf der 05. Spitze – jetzt kann JAR kommen.
An der schönen blauen Donau
Juli 2004. Nach drei Jahren, in denen ich hauptsächlich Falken geflogen bin (Falken mit 65-PS Limbach, Falken mit 80 PS Rotax und Falken mit 100 PS Rotax) gibt es endlich mal wieder einen interessanteren Flug zu erledigen. Peter rief an: Eine DA40 TDI ist von Wiener Neustadt nach Egelsbach zu fliegen. Da simmer dabei!
Das ist das Schätzchen. Endlich wieder ein Viersitzer mit ordentlich Platz im Cockpit. Noch dazu die mit Abstand modernste Maschine, die ich je gesteuert habe. Allein der Engine Check mit automatischem Run-Up ist eine andere Welt.
Das ist ihr Herzstück: Der 1,7-Liter-Centurion-Diesel von Thielert, der höchstentwickelte Kolbenmotor der General Aviation.
Nach dem Start in Wiener Neustadt (LOAN) geht es immer die Donau hoch. Eigentlich ganz einfach.
Ordentlich Platz im Cockpit hat man natürlich auch, wenn man fast 30 Kilo abgespeckt hat. Endlich mal Fotos, auf denen ich nicht zu viel Kinn habe (vgl. Florida, vgl. Kanada). Und für die Weight & Balance ist das auch besser.
Zwischenlandung in Vilshofen (EDMV). Der Platz liegt derart unmittelbar am Fluss, dass man in der Platzrunde schon ganz genau hinschauen muss. Je nach Lichtverhältnissen ist das große Graue vor einem nämlich doch nicht die Bahn.
Während an der Maschine irgendwas gemacht wird (Zoll, Werkstattarbeiten, ich hab’s vergessen), gucken wir uns die Stadt an. Im Bild das imposante Stadttor. Das Nest sieht aus wie eine Touristenfalle.
Was es mit diesem blechernen Gesellen auf sich hat, wird hier erklärt.
Meanwhile ist das Dieselross fertig. Letzte Flugvorbereitungen…
…dann ab in die Luft mit uns.
Zugegeben, das bin nicht ich, der da fliegt. Da drehte jemand noch ein paar Platzrunden, bevor wir übernahmen.
Peter und ich nutzen das zweite Leg, um mir ein Biannual Flight Review zum Erhalt des US-PPL zu verschaffen. Jetzt bin ich wieder zwei Jahre lang current und darf N-registrierte Maschinen fliegen.
Nach einigen Übungen unter dem Motto „wie fliege ich möglichst nahe an Frankfurts Air Space Charlie ohne ihn tatsächlich zu berühren“, landen wir in Frankfurt-Egelsbach (EDFE). Bei diesem Platz habe ich immer ein etwas mulmiges Gefühl – wenn man im Queranflug etwas zu weit nach Norden gerät, sieht man statt einer Piste im Endteil gleich zwei, und zwar zwei richtig große und breite.
Nichts reimt sich auf Käse
Ein friedlicher Nachmittag auf dem Verkehrslandeplatz Ganderkesee bei Bremen. In der Luft liegt das Zwitschern von Vögeln und das Zirpen von Grillen. Na gut, es ist der 23. Februar 2002, also keine Insekten und kein Geflügel. Aber friedlich ist es trotzdem.
Ein Zaunkönig starrt versonnen in den Himmel. Doch was ist das dort?
Ein Vogel? Ein Flugzeug?
Nein, weder noch! Es ist…
…ein Motorfalke.
An sich gehören Mofas und andere Einspurfahrzeuge ja auf den Radweg.
Erstaunlich, dass zwei Brocken wie Jochen und ich in dieses winzige Cockpit passen.
Wer seinen Falken liebt, der schiebt.
Nach kurzem Kaffeeaufenthalt geht es wieder zurück nach Porta. Meine Mutter guckt etwas skeptisch. Zu Recht.
Dann heißt es: Ab in die Luft. Wie man sieht, ist der Falke durchaus fähig, aus eigener Kraft abzuheben…
…und sogar abzudrehen. Zurück bleiben ein paar friedliche – wenn schon nicht Vögel, dann doch wenigstens Cessnas.
Kanada, Land des Wassers
Februar 2001. Ganze zweimal bin ich in die Luft gekommen, seit ich im Dezember 1999 den Schein gemacht habe. Das soll jetzt anders werden, und zwar richtig. Zwei Katanas müssen zur Überholung von Denver in das Herstellerwerk im kanadischen London gebracht werden. Natürlich nicht im Container. Es sind ziemlich genau 2000 Kilometer, die da zu fliegen sind – einmal halb durch die USA. Der Clou: Es sind keine braven europäischen DA20 mit 80-PS-Rotaxen unter der Haube. Es sind C-1 Evolutions mit 125-PS-Continental IO-240.
Zusammen mit Holger fliege ich über den Teich. Schon beim Zwischenaufenthalt in Paris steigt die Fliegerstimmung: Die Architektur des Terminals am Aéroport Paris-Charles-de-Gaulle ist spektakulär. Die sanft gewölbte Betonhalle krümmt sich wie ein Flügel, der Grundriss wirkt wie ein Vogel. Das können sie, die Franzosen. Das hat Weltniveau. Daneben wirkt der nüchtern-rechteckige Klotz von Münster-Osnabrück so architektonisch mutig wie ein Ziegelstein.
In Kanada herrscht tiefster Winter. Doch auch die heftigen klimatischen Verhältnisse sind keine Entschuldigung, ein so grauenhaft hässliches Auto wie den Pontiac Aztec zu kaufen. Tröstlich ist nur die Aussicht, dass er auf den intensiv mit Salz gestreuten Straßen nicht lange überleben wird.
Als der Wetterbericht besser wird, nehmen Peter, Holger und ich einen Linienflieger nach Denver. Das liegt ziemlich weit im Westen, in Colorado, am Fuß der Rocky Mountains. Gibt leckere Chicken Wings mit Honey Mustard Sauce dort.
Am nächsten Morgen. Nach einer kurzen Einweisung am Denver Centennial Airport (KAPA) – wegen seiner Höhenlage auch „Mile High Airport“ genannt – machen sich zwei Katanas auf den Luftweg nach Osten.
Formation fliegen macht Spaß. Da wir auf der selben Frequenz funken, ist enges Zusammenfliegen kein Problem und ich schieße Fotos am laufenden Band. Zuhause wird die Enttäuschung dann groß sein: Die Kamera hat sich bei 90 Prozent der Aufnahmen auf das Glas der Haube eingestellt. Die Bilder sind fast alle völlig unscharf.
Wenigstens ein paar Motive werden brauchbar. Wenn ich mir auch bei diesem hier im Kinnbereich durchaus etwas Unschärfe gewünscht hätte.
Nachdem die anfängliche Nervosität weg ist, macht der Flug richtig Spaß.
Die Gegend ist allerdings eher eintönig. Staaten wie Kansas, Nebraska, Missouri und Iowa heißen nicht ohne Grund „Flyover States“. Nach dem erstem Leg – knapp zweieinhalb Stunden – bringe ich unseren Zweisitzer in Kearney Municipal, Illinois (KEAR) heil auf die Piste.
Zweites Leg: In genau drei Stunden nach Moline-Quad City (KMLI), ebenfalls in Illinois.
Im Abendlicht der untergehenden Sonne haben wir ausgiebig Gelegenheit, mit unseren Einmots herumzuspielen. Die vergoldeten Wolken bieten einen spektakulären Anblick. Leider sind auch aus dieser Fotoserie fast alle Bilder misslungen.
Wir übernachten in Moline und entdecken ein Restaurant mit überaus mittelprächtiger US-italienischer Küche (Nudeln, Tomatensoße und Unmengen von Käse) zu überaus heftigen Preisen.
Am nächsten Morgen gibt es Startprobleme. Unsere Katana springt gleich an, die von Peter dagegen zickt. Orgeln mit Choke, ohne Choke, mit Gas, ohne Gas… bis die Batterie leer ist.
Gelegenheit, sich auf dem Airport ein bisschen umzugucken. Die Lounge verströmt mondäne Atmosphäre. Hier fühlt man sich als Pilot gleich ernstgenommen…
…jedenfalls, wenn man so etwas fliegen würde. Illustre Gesellschaft auf dem Vorfeld.
Wir aber sind ja etwas bescheidener unterwegs. Inzwischen ist der Starthilfewagen da und der Continental nimmt endlich seine Arbeit auf. Wir starten. Das erste Leg des zweiten Tages führt nach Fort Wayne International (KFWA) an der Grenze zwischen Indiana und Ohio.
Ein Fluss unterbricht die eintönige Quadratestruktur der Landschaft.
Der Eriesee. Zum ersten Mal überquere ich ein größeres Gewässer. Auch wenn wir nicht viele Meilen ab vom Ufer sind, ist es ein merkwürdiges Gefühl: Jetzt ist man dem Vierzylinder-Boxermotor da vorne völlig ausgeliefert. Wie wird sich da erst Charles Lindbergh gefühlt haben?
Das Ufer ist wirklich, wirklich weit weg. Die Dinger heißen ja nicht ohne Grund „Great Lakes“.
Das Ostufer – oder sagt man Ostküste? Die seltsam Marmorierungen des Bodens an der Uferzone können wir uns nicht erklären. Möglicherweise ist es Watt bei Ebbe.
Nach dem Überqueren der kanadischen Grenze gehen wir tiefer und folgen einem Flusslauf. Plötzlich knallt es, Federn fliegen um’s Cockpit. Birdstrike! Der Motor läuft weiter – nichts passiert! Der Vogel wird dazu natürlich eine andere Meinung gehabt haben.
Je weiter wir nach Nordosten kommen, desto mehr Schnee liegt am Boden. Wir gehen in den Landeanflug auf London International. Welcher Pilot träumt nicht davon, einmal in London zu landen? Sprechen Sie den Stadtnamen englisch aus, dann klingt es noch schöner.
Nach dem Ausrollen. Während Peter die Zollformalitäten erledigt, fotografieren Holger und ich uns gegenseitig vor unserer Spirit of St. Louis.
So sieht also ein Birdstrike aus. Willkommen in Kanada!
Dieses Schild vor dem Flughafengebäude richtet sich nicht an Päpste, die nach der Landung den Boden liebkosen wollen (Alitalia fliegt ohnehin nicht nach Ontario). Das schöne Denkmal für amerikanischen Pragmatismus steht vor dem Eingang: Da man die Leute eh nicht davon abhalten kann, ihre Liebsten mitsamt den Koffern bis vor die Tür zu fahren, kann man sie wenigstens bitten, das Abschiedszeremoniell kurz zu halten.
Direkt am Platz: die Fabrik von Diamond Aircraft. Im Zweiten Weltkrieg wurden hier De Havilland Mosquitos gebaut, nun entstehen hier schicke kleine Einmots.
London, Ontario, ist eine quirlige Stadt mit einer ausgesprochenen Vorliebe für Wandgemälde. Dieses hier an der Rockwater-Brauerei ist nur ein Beispiel. Ansonsten ähnelt für mich alles stark den USA. Bis auf die Straßennamen natürlich: Eine King-George-Street wäre in den Vereinigten Staaten eher ungewöhnlich.
Wir schauen uns eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Amerikas an: die Niagarafälle. Fast 60 Meter stürzt das Wasser hier in die Tiefe. Es gibt einen kanadischen und einen US-amerikanischen Teil.
Na, sind Sie auch so enttäuscht wie ich? Von der Uferpromenade aus wirkt das ganze Schauspiel, wie soll ich sagen: ein wenig überschätzt. Dabei wird uns hier sogar noch der imposantere Anblick gegönnt. Nachts und außerhalb der Tourismussaison wird der Wasserfall nämlich auf bis zu zehn Prozent seiner Fallmenge heruntergefahren und der Rest zur Stromerzeugung genutzt.
Nein, das wahre Wunder hat an dieser Stelle nicht Gott geschaffen, sondern ein anderer: der Mensch! Dreht man sich nämlich um, präsentiert sich eine gewaltige glitzernde Phalanx an majestätischen Hotels. Reih an Reih ragen die imposanten Luxusbauten viele Stockwerke in den Himmel empor. Sogar für überdachte Fußwege ist gesorgt, während man am Wasserfall sehr kundenunfreundlich mit Gischt besprüht wird. Da kann sich das alte Mütterchen Natur noch etwas abgucken. Ein klares 1:0 für den Menschen!
Lassen wir das verunstaltete Naturwunder hinter uns. Von London aus sind es keine 200 Kilometer bis in die Metropole Toronto, mit 2,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt Kanadas. Mitten im Bild der 553 Meter hohe CN Tower. Nein, nicht CNN. Die CN sind die Canadian National Railways. Was ein staatliches Eisenbahnunternehmen bewogen hat, 1976 das höchste Gebäude der Welt bauen zu lassen, ist mir immer noch unklar. Hoffentlich hört unser Bahnchef Mehdorn nichts davon…
Das Drehrestaurant in 346 Meter Höhe hat Glasböden und bietet einen Blick auf Downtown – ziemlich genau auf Platzrundenhöhe.
Wenn man nicht wüsstse, dass man sich im guten alten britischen Commonwealth aufhielte, könnte man glatt glauben, man wäre in den USA.
Die multifunktionale Sportarena SkyDome (seit 2005: Rogers Centre). Torontos Antwort auf das Olympiastadion des Erzrivalen Montreal.
Außerdem kann man sich vom CN Tower aus auch wunderbar die Platzgestaltung des Toronto City Centre Airports (CYTZ) einprägen, ohne tatsächlich in der Luft zu sein. Ungewöhnlich, einen Flughafen aus dieser Perspektive zu sehen und dabei mit beiden Füßen auf dem Boden zu stehen.
Das also war Kanada. Ein bisschen abgelegen, aber durchaus eine Reise wert.
Florida: der Anfang von allem
Wie kommt ein 29-jähriger Berufsanfänger, chronisch knapp bei Kasse und mit dem Unterhalt seiner beiden viel zu teuren Altmercedesse eigentlich voll ausgelastet, dazu, den Privatpilotenschein zu machen? Noch dazu in den USA?
Die Geschichte – und damit dieses Blog – beginnt im Frühjahr 1999. Mein Freund Peter überzeugt mich und einige andere Freunde, dass Fliegen Spaß macht. Und man in den USA ganz leicht und billig den Pilotenschein machen kann. Zum Neugierigwerden nimmt er uns ein paarmal mit in kleinen Einmotorigen. Schließlich ist eine kleine Runde aus meinem alten Osnabrücker Freundeskreis mit an Bord: Christof, Holger, Sven, Karsten, Justus und ich. Wir lassen uns Unterrichtsmaterial kommen und kaufen Zubehör für die Flugvorbereitung. Peter paukt mit uns die Theorie.
Im November 1999 macht sich die kleine Gruppe auf den Weg nach St. Petersburg, an der Westküste Floridas. Für drei Wochen haben wir dort Appartement-Bungalows gemietet sowie einen Dodge-Van mit angemessener V8-Motorisierung. Unser Flugplatz: Clearwater Airpark, unsere Flugschule: die Suncoast Flying School.
Dann heißt es: Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Aufstehen um 7 Uhr, Anziehen in aller Schnelle, Antreten am Flugplatz um 8 Uhr. Den ganzen Tag über wird gelernt: Navigation, Flugzeugtechnik, Aerodynamik und Verhalten in der Luft. Preflight Checks werden geübt. Beim Fliegerarzt das Medical eingeholt. Die theoretischen Prüfungen am Computer absolviert.
Und es wird geflogen,
geflogen,
und geflogen.
Die Maschinen sind solide alte C152, wie etwa die November Four Eight Niner Eight Five, „my personal eagle“. Kreuzbrav stecken die Vögel jede noch so harte Landung weg.
Meine erste Trainingsstunde habe ich allerdings noch auf N2084E, einer Cessna 172, bis ich aus Kostengründen auch auf die zweisitzige 152er wechsele.
N67307, ein weiteres geschätztes Schulungsmittel.
Das Leben am Platz ist abwechslungsreich. Wenn wir nicht lernen, in der Luft unsere Stunden sammeln oder im Restaurant gegenüber unsere Energievorräte auffrischen, beobachten wir das Airport Life, wie etwa den klapprigen Fuel Truck. Bremsen scheint er keine mehr zu haben.
Wir haben derartig viel um die Ohren, dass ich fast nie zum Fotografieren komme. Später, wieder in Deutschland, werde ich mich ärgern, wie wenig Bilder ich mitgebracht habe.
Die folgenden neun Fotos stammen allesamt von meinem Freund Christof:
Der Clearwater Airpark aus der Platzrunde heraus fotografiert.
Die N757TV. Die Cessna mit der hübschen dunkelblauen Lackierung stammt wie ihre Schwester N26EF („Extra Fear“) vom Vercharterer Clearwater Airpark.
Die Cockpits der zwei bis drei Jahrzehnte alten Veteranen erzählen vom harten Schulalltag.
Die praktischen Übungen wie Standard Rate Turns, Power On Stalls oder Emergency Procedures finden über dem Wasser des Golfs von Mexiko statt.
Die Aussicht ist herrlich, auch das Wetter spielt gut mit. Schade, dass man so selten Gelegenheit hat, die Szenerie zu genießen…
Florida ist wegen des warmen Klimas der Traum aller amerikanischen Senioren. Entsprechende Wohneinrichtungen überziehen das Land, das deshalb auch „God’s Waiting Room“ genannt wird.
Die Zahl der Boote und Yachten gibt einen Hinweis darauf, wie hoch der allgemeine Amüsierfaktor in Floridien liegt. Hier wohnt man nicht, weil man muss, sondern weil man will. Will jemand Spareribs?
Zur Übung landen wir auch immer wieder auf anderen Plätzen. So etwa auf Albert Whitted (KSPG) direkt am Wasser, oben im Bild, gerne auch auf dem menschenleeren Brooksville-Hernando County (KBKV), einem ehemaligen Luftwaffenplatz, sowie auf dem belebten St. Petersburg International (KPIE, genannt „Pie in the Sky“).
Nachdem wir Starts und Landungen, Touch ’n‘ Goes, Go Arounds, Slips, Crosswind Landings und Tower Control Work immer und immer wieder geübt haben, ist jeder von uns irgendwann reif für den großen Moment. Bei mir ist es am frühen Abend des 29. November soweit: Mein Fluglehrer Rick springt beim Rollen zwischen zwei Platzrunden aus der Maschine. „Have Fun“, ruft er mir grinsend zum Abschied zu. „Don’t Crash.“ My First Solo! Der Herzschlag erhöht sich rapide während ich zum Start rolle. Mit zittrigen Händen schiebe ich das Gas rein. Rotieren. Steigen. „November Four Eight Niner Eight Five leaving the pattern to the north.“ Ich fliege. Allein! Eine halbe Stunde lang kreise ich in Floridas Himmel, während in der einbrechenden Dämmerung unter mir die Lichter der Stadt angehen. Was für ein Erlebnis – deinen ersten Solo vergisst du nie.
Die Flüge führen schließlich weiter hinaus, meist nach Norden, wo das Gelände sumpfiger und die Gegend einsamer wird.
Jetzt folgen wieder meine eigenen Bilder.
Auf einem Solo Cross Country erlebe ich ein interessantes Phänomen. Genau auf meiner Wunschflughöhe herrscht schlechte Sicht. Aufsteigender Rauch von Waldbränden bildet eine solide, zusammenhängende Luftschicht. Ich überlege, ob ich FIS informieren soll und lasse es dann doch lieber sein.
Für uns Flugschüler ist der Lernstress groß. An Freizeitaktivitäten bleibt nur Essengehen am Abend und ein paar letzte Bierchen vor dem Einschlafen. So nehmen Justus und ich uns zumindest einen Tag frei, um die legendäre Disney World zu besuchen. Einmal abschalten, einmal nicht an Flugzeuge denken!
Es klappt nicht ganz. Auf dem Weg nach Orlando kommen wir zum Beispiel an dieser Werbung für das Museum „Fantasy of Flight“ vorbei. Im Nachhinein tut es mir fast leid, dass wir nicht kurzfristig umdisponiert haben: Das Museum wirbt mit der „greatest Aircraft collection of the world“. Die Ausstellungsliste auf der Webseite ist wirklich beeindruckend. Doch wir wollen ja zu Herrn Disney…
…und landen zunächst im Themenbereich „Main Street USA“. So kitschig und puppenstubenhaft alles ist, die Fülle der Details erschlägt den Besucher. Disney World ist tatsächlich eine Welt für sich – perfektioniert bis ins Äußerste.
So sieht es aus, wenn Amerikaner ein Schloss bauen.
So stellt man sich dort Europa vor…
…und so die Zukunft. Damals, in den Siebzigern, als der Park gebaut wurde. Mit Monorail und Satellitenschüsseln.
Für die größeren Kinder im Publikum interessant ist der echte Mississippi-Raddampfer und die ebenso echte Dampflok.
Mit der Seattle-Mariners-Kappe und der Plautze sehe ich schon ziemlich amerikanisch aus – Verzeihung, das war jetzt politisch unkorrekt…
Ach, verdammt, schon wieder ein gecrashter Flieger. Es hilft alles nichts. Mit einer entsetzlich zähen, verbrannten Truthahnkeule im Bauch geht es zurück nach St. Pete.
Auf einem Solo Cross Country überquere ich diese Airpark Community. Ein Haus, ein Hangar. Wäre das nicht der Traum jedes Piloten?
Hier dagegen ein regulärer Airport.
Das Kraftwerk an der Küste zwischen Crystal River und Clearwater. Im Flussdelta sind oft Seekühe zu sehen, die wie dicke graue Raupen im Wasser hängen.
Schließlich die dritte und letzte Woche. Am Samstgmorgen geht unser Rückflug nach Deutschland. Mittlerweile ist mein Geldvorrat restlos erschöpft – ich hatte anfangs ohnehin vor, nur den „halben“ Schein zu machen und die Sache nächstes Jahr zu beenden. Um so ärgerlicher, dass das Kreditlimit auf meiner Mastercard nur halb so hoch war wie erhofft.
Wenn Sven nicht eingesprungen wäre, hätte ich sogar mit dem Bezahlen des Appartments Probleme bekommen. Immerhin gelingt es mit Hilfe meiner American-Express-Karte, noch etwas Geld für die Flugstunden zusammenzubekommen. Das Unglaubliche scheint plötzlich doch greifbar: Ich habe die Mindeststundenzahl, ich habe die theoretische Prüfung, ich habe das Medical… sollte es doch noch klappen?
Ich melde mich zur Prüfung am Mittwoch in Crystal River an, eine knappe Flugstunde weiter nördlich an der Küste. „Was für ein Gefühl hast du?“ fragt mich Rick. Ich überlege. „Ich glaube, ich habe eine Chance.“
Und dann klappt es doch nicht. Nicht ganz. Im theoretischen Teil der Prüfung winde ich mich so irgendwie durch, komme beim Thema „Anmeldung beim Einflug in einen kontrollierten Luftraum“ arg ins Stottern, doch es langt. Dann der praktische Teil. Prüfer Davis nimmt eine Tasse Kaffee mit in die Maschine. Auf meinen Hinweis, so sei er aber kleckergefährdet, antwortet er: „I’ll judge you on this.“ – „I’m doomed.“ Dann geht es in die Luft.
Das meiste kriege ich gut hin. Turns, Stalls, die Emergency Landing, auch den Abschnitt „ungewöhnliche Flugzustände“. Mit Blindflugbrille auf der Nase warte ich, bis Davis die Cessna durch wildes Gekurbel in eine möglichst aussichtslose Lage manövriert hat und mir befiehlt: „Recover!“
Dann die Short Field Landing. Nervös taste ich mich im steilen Winkel an die Bahn heran, immer tiefer sinkt die Nadel auf dem Airspeed Indicator – bis Davis das Gas reinknallt und die Maschine in einen Go Around bringt. Aus!
Ich war zu langsam. Wir wären unweigerlich aus dem Himmel gefallen, erklärt er mir. Wenn der Mann eines beurteilen kann, dann das. Wie zahlreiche Flugzeugmodelle, Fotos und Gemälde in der Lounge des Flugplatzes beweisen, war er Corsair-Pilot im Koreakrieg und ist auf winzigen Behelfsflugzeugträgern gelandet. Deren Vordeck oft genug von geparkten Maschinen verstellt war. Da gab es keinen Go Around.
Deprimiert fliege ich zurück. Doch es ist noch nicht ganz zu spät. Am Donnerstag übe ich mit einem freien Fluglehrer in St. Pete Short Field Landings bis zum Umfallen.
Freitag der zweite Versuch. Der unweigerlich letzte, denn am nächsten Morgen sitzen wir alle im Flieger. Eigentlich hatte Davis gar keine Zeit für mich, aber unter der rauhen Schale des wortkargen Koreakriegveterans muss ein weiches Herz schlagen. Nach einiger Wartezeit steigen wir auf. Ein Start, eine Landung: Sitzt, passt, hat Luft. Bestanden. Bestanden? Bestanden!
Nur die Bürokratie leistet letzten Widerstand. In Clearwater liegt noch ein Formular, das Davis braucht. Keiner hat mir gesagt, dass es vonnöten sei. Also heimfliegen und – keinen Pfennig mehr verjuxen! – mit dem Wagen nochmal wiederkommen. Die Fahrt mit dem Van von Clearwater nach Crystal River und zurück wird mehrere Stunden dauern, dichter Berufsverkehr mich zusätzlich aufhalten. Aus der Luft sah die Strecke nach einem schlichten Stück gerader Landstraße aus. Erst bei tiefer Dunkelheit werde ich wieder zurück in unserem Appartement sein.
Vorher aber liegt noch ein Flug vor mir, ein letzter. Als ich das Flugplatzgebäude verlasse, mache ich einen Jubelsprung. Ich schwöre, dass dabei für eine Sekunde die Schwerkraft ausgesetzt hat. Ein anderer Pilot, mit dem ich mich vor dem Prüfungsflug kurz unterhalten habe, macht eine „Na, wie ist es gelaufen?“-Handbewegung. Ich drehe den Daumen hoch, er lacht.
Dann der Rückflug. Nach drei unglaublich stressigen Wochen, nach unglaublich viel Anspannung, Büffelei und Stress, nach Prüfungsangst und ungezählten Stunden in Floridas Hitze, nach dem Ausgeben jeder Mark, die ich habe und auf absehbare Zeit haben werde, ist es vorbei. Ruhig brummt der Vierzylinder vor mir, rechts geht über dem Golf von Mexiko die Sonne unter. Es ist der schönste Moment meines Lebens, und er dauert richtig lange.
Schließlich der Funkkontakt mit Clearwater. „November Four Eight Niner Eight Five, five miles to the north, inbound for landing.“ „Marc, wie ist es gelaufen?“ höre ich Peters Stimme. „Pilot number three – affirmative“, gebe ich zurück. Das größte Abenteuer meines Lebens ist zu Ende.