Moorbraun in Ornbau VI: das Leben

Damit kein falscher Irrtum aufkommt: Das Ornbautreffen besteht nicht nur aus Hinfahren und Autos gucken. Daneben findet noch jede Menge soziales Leben statt.

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Nachdem das geklärt ist, können wir jetzt langsam mal etwas essen. Zum Glück haben wir unsere Sterntaler dabei, die Ornbauer Frühstückswährung.

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Die Verpflegung wird vom Sportverein im Tennisheim organisiert. Schon am frühen Morgen, so wird berichtet, steht ein Heer von ehrenamtlichen Helfern in der Küche, um Kaffee für die angereisten Gäste zu kochen und ein üppiges Buffet aufzutafeln. Als Stadtmensch ist man hin und weg von so viel Gastfreundschaft. (An dieser Stelle ein heißes Dankeschön!)

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Ist ja nicht zu glauben – sie haben sogar meinen Lieblingsjoghurt.

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Sowie eine Wurstplatte von Hotelqualität. (So geht das, liebe Leute vom Biker’s Inn in Morsbach.)

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Wurst gibt’s übrigens auch draußen im Ort. Gebrutzelt von den Jungs der Reservistenkameradschaft Ornbau.

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Für Musik sorgt das Duo Choco-Latte – Felicia Peters und Marcus Klinger. Später am Abend werden sie von einer Discoband abgelöst. Die Jungs lassen mich eine Weile rätseln, ob sie nicht einfach Playback machen und nur die Lippen bewegen, so echt klingen AC/DC und Van Halen bei ihnen.

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Die Gäste haben die Qual der Wahl, an welchem Workshop sie teilnehmen wollen: Radio, Pflanzenöl, Verzinnen…

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Dann beginnt der Flohmarkt. An vielen Dutzen Ständen gibt es alles vom Heizungsknopf aus der Flosse bis zum Wiking-Modell eines W123. Und natürlich Verchromtes und Glitzerndes in allen Variationen.

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Lesestoff satt.

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Und wozu ist das hier?

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Teilejäger, heimkehrend mit reicher Beute.

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David Bothen mit den traurigen Resten seiner legendären Sammlung, die vor wenigen Wochen abgebrannt ist. Wie er mir erzählt, wurden zumindest die meisten seiner Fahrzeuge nicht mit zerstört.

„Ich wollte ja immer mal zu dir kommen und gucken, ob du cremefarbene Innenverkleidungen für Hundertdreiundzwanziger in Zweitserien-Karostoff für E-Fensterheber hast“, sage ich ihm. „Hätte ich gehabt“, antwortet er. Jetzt bin ich auch traurig.

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Die Aachener Ecke auf der Zeltwiese. Der mit Kotflügeln reich gefüllte Hänger kündet von erfolgreichem Stöbern.

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Ein Haubentaucher in Aktion.

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Gute Laune herrscht auch auf der anderen Seite der Straße: Auf der freien Wiese, dem Tummelplatz für alle Kurzentschlossenen und Nichtmitglieder. Bombenstimmung, brutzelnde Grills, leider auch pfeifender Wind. Ich werde zum Würstchenverspachteln eingeladen und darf einen sechstürigen Lang-124er in unfassbar totem Zustand bewundern, von dem später noch die Rede sein wird.

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Ein Höhepunkt des Treffens: die Versteigerung. Fünf mehr oder minder mürbe Mercedesse, die bei der Altteilesammlung in den USA auf Schrottplätzen aufgetrieben wurden, kommen unter den Hammer – statt unter die Presse. Passend zur Herkunft der Wagen ist es eine amerikanische Versteigerung – der Auktionator zählt solange rückwärts, bis jemand zuschlägt. Das ist spannend, leider war die Angelegenheit etwas kurz.

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Der Ponton im Vordergrund – ja, es ist ein Ponton – ging für mehr als 3000 Euro weg.

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Einziger Wermutstropfen: Ein schlechter Mensch hat in der Nacht einen der Auktonswagen, dieses Strichacht-Coupé, einmal rundum zerkratzt. „Klarer Neidkratzer“, schimpft Thomas. Und sowas in Ornbau – damit hätte niemand gerechnet.

Auf Störungen in der allgemein sehr freundlichen Atmosphäre reagiert die Szene sensibel. Wie man mir erzählt, meinte bei einem früheren Treffen einmal jemand, „Heil Hitler“ gröhlen zu müssen. Bei ähnlichen Veranstaltungen anderer Clubs hätte es da wohl achselzuckendes Stirnrunzeln gegeben, wahlweise stirnrunzelndes Achselzucken. Die kampierenden Altbenzfreunde gaben jedoch nicht eher Ruhe, bis der Betreffende ermittelt war.

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T-Shirt-gucken macht auch Spaß, wenn keine nasse Frau drinsteckt. Dies ist die Rückseite von Horst, dem VdH-Chef. Daneben liefen noch so schöne Sprüche herum wie „Ich kann meinen Namen tanzen!“ (bekennender Ex-Waldorfschüler Stefan Schorlemmer) oder „Dodge – aus Freude am Tanken“. Auf mir steht leider bloß „Drama Baby“, aber auch nur, weil’s das Ding so bei C&A gab. Na, ist für die meisten Restaurierungsgeschädigten gar nicht so fernliegend.

Immerhin bin ich jetzt auch stolzer Besitzer eines schwarzen VdH-Shirts „Fluch der Getriebik“ mit einem Totenschädel samt gekreutzen Maulschlüsseln. Sowie, Achtung Trommelwirbel, der LETZTEN der berühmten VdH-Unterhosen mit Bremsspur. Natürlich im zeitgenössischen Michelin-Profil.

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Ob Waffeln vom Kindergarten oder Eis aus lokaler Produktion – das ganze Dorf ist eingespannt. Hier werden Hitzplätze gebacken – eine Art kleiner Elsässer Flammkuchen auf Crepe-Basis.

Der Samstag endet mit einem kleinen, aber feinen Feuerwerk auf der Altmühlbrücke. Was für ein Fest.

Moorbraun in Ornbau V: die Beschilderung

Immer wieder nett: Die Plaketten, Aufkleber und Sticker, mit denen die Wagen verziert sind.

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Ein echter Olddaimler. Unterwegs im Auftrag des Herren. Gottes Bodenpersonal quasi. Zur Hölle mit Christophorus-Plaketten fürs Armaturenbrett.

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Weitgereister Strichachter…

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…weitgereiste Flosse.

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Passendes Nummernschild für einen wunderschönen 280S in wunderschöner Farbe: Dunkelblau 904. Einen der wenigen Töne, die ich neben Moorbraun gelten lasse. Vor allem, wenn die Innenaussattung ebenfalls cremebeige ist.

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C’est la vie in Dschörmänie: Alle paar Jahre eine neue Weltuntergangshysterie, alle paar Jahre eine neue Riesenaktion, alle paar Jahre ein neuer Aufkleber auf der Windschutzscheibe. Erinnert Ihr Euch noch an den kollektiven „bald ist das Benzin alle“-Wahn mit seinen „Ich bin Energiesparer“-Aufklebern für jeden Kofferraumdeckel? Für das Jahr 2010 ist übrigens die Einführung einer CO2-Plakette geplant…

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Allerdings ist nicht jeder gleich begeistert von solchen Klebchen. Was mag uns dieser Rattensticker sagen wollen?

Moorbraun in Ornbau IV: der 111er

Ein Hundertelfer – die „Große Flosse“ – ist ja schon immer ein Hingucker. Es gibt aber einen Mercedes mit der Kennziffer 111, der noch mehr Augen auf sich zieht. Und so einen hatten die VdH’ler für Ornbau an Land gezogen: einen C111. Den Supersportler mit dem Wankelmotor. Den Über-Keil in Metallic-Orange. Den Oberstecher jedes Sportwagenquartetts der Siebziger. Den Traum jedes autobegeisterten Jungen vor, äh, fast vierzig Jahren (oh Gott, schon so lange…?).

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Man muss schon sehr, sehr gute Connections zum Hersteller haben, um so eine Ikone zu einem Vereinstreffen aus dem Werksmuseum herauseisen zu können.

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Was für ein Auto. Eine Mischung zwischen Großserienkomponenten und liebevoller Handarbeit – wie hier am genieteten Schweller.

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An dieses Gesicht hätte man sich gewöhnen können. Gewöhnen müssen. Wenn es anders gekommen wäre…

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Das rotierende Herz des Wagens: der Drehkolbenmotor.

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Das Cockpit. Hierhin wollten wir alle, damals, vor – äh, also damals halt.

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Aber wer braucht auch ABS…

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Das Museum meldet: Mottenbehandlung erfolgreich durchgeführt.

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Der Kofferraum ist so sinnig konstruiert, dass ein Kasten Bier auch im Winter während der Fahrt niemals einfrieren kann.

Der C111. Wenn er jemals von Fans in Kleinserie wieder aufgelegt werden würde… ich würde allerdings statt des Wankels den OM 617 nehmen. Es ist wie mit dem Dieselcoupé: Hat’s alles gegeben, ist voll H-Kennzeichen-fähig, hundertprozentig zeitgenössisch, ich versteh die Diskussion nicht…

Moorbraun in Ornbau III: die Autos

Kommen wir nun zum Wichtigsten: dem Blech. Fast jedes Fahrzeug wäre ein Foto wert – aber 600 plus reichlich Externe auf der „freien Wiese“ sind einfach zuviel.

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Bummeln wir doch einmal ganz zwanglos über das Gelände und schauen wir, was es so gibt…

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Es gibt zum Beispiel reihenweise Strichachter. Wir sind ja auch die MB-Strich-Acht-IG.

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Es gibt Einzelstücke, wie diesen prachtvoll restaurierten Flossenkombi mit holzbeplanktem Achterdeck.

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Es gibt Gespanne, wie diesen Ponton mit passendem Anhang.

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Es gibt individuell verschönerte Fahrzeuge, wie die Liebesmaschine. Ist sicher ganz gut, dass man nicht weiß, wie der Name zustande kam.

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Es gibt sogar Nutzfahrzeuge. Wählst du schnell die 123, schon kommt die Polizei herbei.

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Und es gibt… die da. Nun ja. Der VdH ist offizieller Baureihenbetreuer des W201. Machen wir uns also schon mal auf eine etwas andere Klientel gefasst.

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Fahnen am Auto, die Erste. Und auf der Heckscheibe steht: Ein Schiff wird kommen.

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Fahnen am Auto, die Zweite. Buon giorno, Italia. Giulio Andreotti oder Giovanni Paolo II?

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Fahnen am Auto, die Dritte. Frisch vermählt! Mit dem Wagen?

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Ein wirklich schönes Auto kann man gar nicht oft genug sehen.

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Braune 123er-Coupés sah ich gleich dreimal in Ornbau, allerdings immer nur in Mangan-Metallic.

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Ein weiteres manganbraunes Coupé mit dattelfarbener Innenausstattung – im absoluten Traumzustand.

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Ach ja, die Farben. Neben seinem Gelbton gefällt mir an dieser S-Klasse besonders gut die Heckscheibengardine.

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Hier eine Pagode in einem ganz bezaubernden Flaschengrün.

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Es geht immer noch schriller – die Erfindung des Metalliclacks machte es möglich. (Heute diskutiert man eher über die Weißwandreifen…)

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Mondäne SLs gaben sich natürlich nicht mehr mit solch drögen Tönen ab. Grün! Grüner! Psychedelischgrün!

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Doch auch Erbswurstsuppen Kaledoniengrün war einmal eine schicke Lackvariante. Ich habe zwar keine Ahnung, was Schotten damit zu tun haben sollen (die Heide da oben hat definitiv einen anderen Ton), aber ich mag die Farbe trotzdem – sie ist so schön schrill.

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Strichachter können auch sportlich sein. Oder zumindest so aussehen, wie diese aus Ungarn angereiste US-Limousine.

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Selbst die betulich-bizarre Flosse ist gelegentlich flott unterwegs, wie dieses Exemplar beweist…

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…dessen Cockpit eine Mixtur aus Rallye und Sechziger-Jahre-Wohnzimmer ist. Mit Sturzbügel und Fahrradtachos am Armaturenbrett.

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Weniger auf Leistung getrimmt als auf Optik ist dieses Flossen-Aggregat. Es gibt Motorräume, die sind so schön, dass man weinen möchte.

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Wackeldackel und Klorollenmütze – so kultig, dass sie inzwischen schon zum zweiten Mal spießig sind.

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Aber es geht immer noch peinlicher. Manch einer ist sich nicht einmal zu dämlich – oh, das ist ja mein Wagen.

Fazit: Das Coupé mit é ist der einzige Moorbraune in ganz Ornbau. Und bis jetzt, wenn mich nichts täuscht, auch der einzige Moorbraune, den ich in meinem Leben gesehen habe. Fahre ich am Ende das letzte Mammut?

Moorbraun in Ornbau II: die Halle

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Wer zum ersten Mal in Ornbau ist, wie der Schreiber dieser Zeilen, der ist erst einmal platt. Erschlagen von der schieren Größe des Vereinsgeländes samt sämtlicher Außenterrassen, dazugehörender Räumlichkeiten in Nachbargebäuden, Gastronomie- und Lagermöglichkeiten, Auktionswiese und Neuteilehalle im Nachbarort.

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Schon am Freitag herrscht im Ort Partystimmung. Buden, Stände, Musikbühne und Pavillons werden aufgebaut (nicht zu vergessen Strulli, den Toilettenwagen), Angereiste und Neugierige flanieren durch die Straßen.

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Auf den beiden Außenterrassen spenden Sonnenschirme Schatten. Das Wetter könnte schöner nicht sein – nicht ein Wölkchen trübt den strahlend blauen Himmel.

Erschlagen ist man auch von der unglaublichen Liebe zum Detail, mit der alles eingerichtet und dekoriert ist. Nicht zuletzt vom Humor, der dabei überall durchblitzt.

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So wartet etwa vor der Halle dieser ausgewaidete und teilweise aufgeflexte W108 ohne Motor und Innenleben – zur Demonstration der Schwachstellen dieser Baureihe. Im Bild leider nicht zu sehen: Auf dem nackten Blech der Hutablage steht eine ebenso nackte Klorolle – ohne Häkelmützchen. Es sind diese liebevollen Details, die den VdH so einzigartig machen.

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Die Vereinswerkstatt! Wie üppig eingerichtet. Könnte man da nicht die Gelegenheit nutzen, mal kurz die Bremssättel des Coupés mit é

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…nein, könnte man nicht. Zieh Nummer, Fremder! Und warte, bis du aufgerufen wirst!

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Überhaupt, diese Gemälde überall. Wie hier der Strichachter an der Neuteileausgabe.

Sehenswert auch der innere Teil des Gebäudes mit Café Benz, Clubshop, Scheuenenfund-Ausstellung, Fahrzeugsammlung…

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…und diversen hübschen Einrichtungsgegenständen. Besonders interessant ist die kunsthistorische Sammlung des VdH im Obergeschoss – fast jeden Anfahrtsweg wert.

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Da ist etwa die berühmte „Mona Diesel“ von Leonardo da Benci. Die mysteriös lächelnde Dame ist angeblich die Tochter eines Mailänder Tankwarts.

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Impressionismus, wie ihn jeder versteht: „Sonnenblenden“ von Vincent strygh Ocht.

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Edvard Bench: „Das Gehupe“.

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Salvado-re Plika: „Ballade vom Verhängnis, mit GFK-Teilen restauriert zu haben“.

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Pieter Bruegheltürer: Heimkehr der Holzfäller.

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Friedrich W. Hundertzehnwassers „Flossenprojekt“. Dazu gibt es noch das „Tütü“ von Heki de saint Phlosse, die altägyptische Grabbeigabe eines Pharaos in Schlüsselform, und, und, und…

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Im Haus gegenüber geht es nahtlos weiter. Dies war einst eine Rohkarosse mit null Kilometern, jahrelang irgendwo abgelegt. Die VdH’ler steckten ihr ein paar Anbauteile an und dekorierten sie liebevoll ins Obergeschoss der Gastro-Halle. Die farbigen Scheinwerferbirnen fungieren als Schummerbeleuchtung.

Am Ende des Raumes das so genannte Autokino, in dem historische Autofilme laufen.

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Dann öffnet endlich die Altteilehalle. Auf zwei Stockwerken warten Unmengen gebrauchter Ausstattungsteile auf Neubesitzer. Das Material stammt meist von Schrottplätzen in den USA, wo es alljährlich von VdH’lern demontiert und per Container auf den Weg in die alte Heimat verschifft wird.

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Türpappen regalmeterweise…

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…und Stoßstangen zentnerweise.

Keine Frage: Ornbau ist ein Paradies für Schrauber und Sternenfänger. Und erst die Autos!

Moorbraun in Ornbau I: die Anfahrt

„Ist total einfach: A4, A61, A6“, beschreiben mir meine beiden Mit-Fahrer den Weg nach Ornbau, als ich mich ärgere, sämtliche Straßenkarten im Wintergolf gelassen zu haben. Fein, so eine Route kann sogar ich mir merken. Tatsächlich schaffe ich es denn auch nur zweimal, falsch abzubiegen.

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Zunächst jedoch gilt es, unseren Kleinstkonvoi von zwei Fahrzeugen auf der Autobahn zu synchronisieren. Die Vorstellungen von der idealen Reisegeschwindigkeit für 500-Kilometer-Fahrten gehen nämlich ein Stück weit auseinander. Wir einigen uns dann aber ganz unbürokratisch auf ein gemeinsames Marschtempo: Ich mit 130 vorneweg, die anderen holen in der Zeit wieder auf, die ich benötige, um an der A6 falsch in Richtung Saarbrücken abzubiegen oder hektisch auf Rastplätzen zu stoppen, um das verdächtige Scheppern von der Hinterachse zu lokalisieren (eine Radkappen-Halteklammer klammerte nicht mehr).

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Doch was ist das? Pornoschlonten greifen an! Rohr fünf – Feuer frei!

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Das letzte Stück Weg führt durch Alleen übers schöne Frankenland. Selbst hier bietet sich noch allerlei Gelegenheit, die kleine Frau im Navi sagen zu hören „Neuberechnung im Gang“, weil man wieder eine Einmündung übersehen hat.

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Dann wird der uralte Menschheitstraum wahr: Das Tor zu den Sternen steht offen.

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Der Moorbraune wird – nach einer kurzen, haha, Spritztour durch die Waschanlage – optisch vorteilhaft auf der Wiese an der Sporthalle geparkt.

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Schnell noch das Leinwand-Eigenheim errichtet (ja, da geht wirklich ein ausgewachsener Mann rein, wenn auch nur diagonal), dann heißt es endlich: auf zur Expedition ins Dorfinnere, wo sicherlich schon scharenweise malerische Eingeborene und ihre gastfreundlichen Hütten auf uns warten, oder ähnlich.

Morgen mehr, bleiben Sie dran. Ich bin nämlich gerade erst nach Aachen zurückgekehrt und jetzt hundemüde. Nur so viel: Es war fan – tas – tisch. Freuet euch schon mal. Gibt auch Bilder.

Wie im Fluge

Freitagabend. Endlich, die erste große Fahrt des Jahres. Nach Bielefeld soll’s gehen, wo ein Wiedersehen mit zwei guten Freundinnen ansteht. Sowie ein leckeres Essen bei unserem Lieblingsspanier. Wird das gerade aus halbjährigem Winterschlaf geweckte Coupé mit é auch mitspielen?

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Vorglühen, auf die Autobahn gehen, rechten Fuß ganz durchtreten, den Stern auf der linken Spur justieren, Tachonadel an gewünschter Stelle fixieren.

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Glaubt man mir jetzt, dass der serienmäßige 160-km/h-Tacho des 240D nie und nimmer ausreicht? Doc Wolfi’s Tuningstufe I macht es möglich.

Man beachte auch, dass sich die Drehzahl nicht einmal bei 180 Sachen nennenswert über 4.500 Umdrehungen erheben mag. Ein OM 616 bewahrt eben stets die Contenance, auch wenn es Herrchen mal etwas eiliger hat. Jedenfalls bei Fünfganggetriebe. Wer wollte da noch behaupten, 72 PS reichen nicht aus.

(Zugegeben – es war eine Gefällestrecke. Andererseits schleift der linke Bremssattel vorne, im Tank schwappt sechs Monate altes holländisches Sojapöl, der Kofferraum lag voller Reifen und die abstehenden Zierleisten an den Türen versauen die Aerodynamik total.)

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Am Samstag nach dem Essen schauen wir noch auf dem Flugplatz Bielefeld vorbei. Das lohnt sich immer, nicht nur wegen der Fahrzeuge auf dem Parkplatz…

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…oder auf dem Vorfeld. Mehr dazu im Pilotblog.

Nur eins noch: Wenn auf der Rückfahrt erschröckliches Scheppern, Kreischen und Klappern ertönt, muss es nicht zwingend ein zerbröselter Auspuff sein. Eine gelöste Halteklammer der Radkappen klingt genauso.

Ansonsten: fast 800 Kilometer mit Vollgas, wo immer es ging, ohne besondere Vorkommnisse. W123 Diesel halt, so muss das sein.

Back on the Road

Die Dieselcoupésaision 2008 ist eröffnet. Gestern Abend habe ich ihn aus der Garage geholt. Natürlich sprang er sofort an.

Ja, man kann sich schon gewöhnen an ein Alltagsauto wie den Golf III. Kompakt, praktisch, wendig, selbst mit 60 PS ausreichend motorisiert. Nie muss man Angst ums Blech haben, alles ist so schön funktionell, modern und angenehm. Steuer und Versicherung sind überaus günstig, die Spritkosten bei LPG ein Witz.

Aber eine einzige kurze Fahrt durch die City mit dem W123 reicht aus, um wieder zu wissen, wo man zu Hause ist. Dieses unglaublich warme, solide Brummeln des Diesels da vorne. Dieses majestätische Gleiten. Wie selbstverständlich der linke Ellenbogen und der rechte Unterarm ihre Plätze auf Türpolster und Mittelarmlehne einnehmen. Die plötzliche Entschleunigung des gesamten Verkehrs. Wieviel Zeit man plötzlich hat. Ganz vorne auf der Haube teilt der Stern den Verkehr wie Moses‘ Stab die Wasser des Roten Meeres.

Trotz grotesker Steuersätze und leidiger Biospritdebatte: Als ich nach dem Parken am Straßenrand den Bürgersteig nach Hause ging und die halbe Straße nach Pöl roch, wusste ich wieder: Das ist mein Auto.

Kleine Schritte

Die immerwährende To-Do-Liste ist um einen Punkt kürzer. Mit roten Nummern rollt das Coupé mit é nach Eschweiler. Dort wartet ein neuer Kurbelwellensimmerring (derzeit der Hauptverdächtige für das Ölvergießen), der dem Patienten in einer viereinhalbstündigen Operation verpflanzt wird. Anschließend noch eine Motorwäsche und voilá! Innen sauber wie nie geht es zurück nach Aachen in die Heia.

Desaster

Es ist wirklich eine Hiobsbotschaft, was heute Morgen im W123-Forum steht: Die Werkstatt von David Bothen in Bottrop ist abgebrannt. Verloren sind diverse Youngtimer und das riesige Teilelager („ca. 100 Armlehnen alleine“). Einziges Glück im Unglück – zumindest David ist außer einer leichten Rauchvergiftung offenbar nichts passiert. Bilder vom Feuer, das nach ersten Angaben durch Arbeiten in einer benachbarten Werkstatt ausgelöst wurde, gibt es bei Blaulichtreporter, ebenso ein Video (da war aber ein Reporter fleißig).

Die Szene ist zu Recht geschockt (1, 2). Bothen ist seit Jahren als ebenso kenntnis- wie hilfreicher Altmercedesexperte bekannt, war mit zahlreichen Restaurierungsaktionen in Fachmagazinen vertreten, sein Teilelager war legendär. Für die Youngtimerszene ist es ein rabenschwarzer Tag. Und David steht ohne Werkstatt, ohne Lager, ohne Werkzeug, vor den Trümmern seiner Existenz. Schon kursieren erste Spendenaufrufe im Netz.

Seit Jahren hatte ich mir vorgenommen, endlich mal selber hinzufahren, um nach Einlagen für die Innenverkleidung des Coupés – beige, kariert, ohne Fensterkurbellöcher – zu gucken. Zu spät. Wie viele Altbenzfahrer gerade wohl ähnliche Gedanken hegen?