Neues aus der weiten Welt

Ich mag diese Stadt. Klingt albern, aber irgendwann muss es ja mal raus. Was mir als Eingewandertem an Aachen gefällt, ist diese europäische Leichtigkeit, dieser selbstverständliche internationale Hauch, der hier in der Luft liegt. Gut, man kann es damit übertreiben, aber dazu später.

Es gab diesen einen Moment, da ich mich in die Stadt verliebte. Letztes Jahr war’s, wir saßen an einem sonnigen Samstagnachmittag auf den Stufen des Denkmals auf dem Münsterplatz. In der Hand belgischen Reisfladen, im Blick Touristen aus dem fernen Osten und dem nahen Holland, im Ohr den Ungarischen Tanz Nr. 5, virtuos gefiedelt von drei jungen Musikern im Schatten des Doms. Ja, dachte ich. Hier lässt sich’s leben.

Auch heute, ein Jahr später, ist der Duft von weiter Welt noch nicht verflogen. Die neue Heimat, das Ostviertel, ist mit seinem Vielvölkergemisch wie ein quirliger Kiez. Gemeinsam mit Leuten aus aller Herren Länder wartet man in der traditionellen Schlange vor der Eisdiele…

Delzepich…und bummelt dann mit seiner Riesenportion Italien plus Schokostreusel durchs prächtige Frankenberger Viertel. Dort, wo einst zu Wohlstand gekommene Aachener ihren eigenen Weitblick am Hausgiebel in Stein verewigten.

GiebelWen es dann nach Abgeschiedenheit verlangt, der überquert den vierspurigen Adalbertsteinweg mit seinen Afro-Shops, Dönerstuben und Internet-Cafés und setzt den Spaziergang auf dem Ostfriedhof fort. Dort sind die Aachener wieder unter sich. Vom einstigen Wohlstand der hier Liegenden zeugen noch die Engel auf ihren Gräbern.

Engel1Engel2Engel3Gedämpft fällt das Licht durch grünes Laub, gedämpft dringt der Straßenlärm über die Friedhofsmauer. Nichts erinnert an die Welt dort draußen. Nichts, außer dem grün gewandeten Polizisten, der plötzlich vor den Flanierenden steht. Ob man eine verdächtige Person beobachtet habe, fragt er höflich. Männlich, blond, mache sich an den Grabkreuzen zu schaffen.

Die Angesprochenen sehen sich brüsk ins Hier und Jetzt zurückgeholt. Die moderne Version des Grabräubers zupft keine goldenen Skarabäus-Ringe mehr von Mumienhänden. Lara Crofts hiesige Kollegen klauen ganz profanes Schwermetall, von der Blechgießkanne bis zum Kerzenständer, um es an Schrotthändler zu verhökern. Der gewaltige Hunger auf Stahl in Ländern wie China und Indien hat weltweit die Metallpreise in die Höhe getrieben. Und hierzulande machen allerlei üble Gestalten in ihrer Gier auf schnelles Geld nicht einmal vor Gräbern halt.

Da ist sie wieder, die große weite Welt. Der kalte Wind der Globalisierung weht über den Aachener Ostfriedhof. Man geht nach Hause mit der neu gewonnen Erkenntnis, dass manchmal auch etwas weniger Internationalität ganz nett wäre.

Unterwegs zu Fuß

Ich habe mich dann doch noch vom Video loseisen können und sogar das Haus verlassen.

Wenn man zwangsweise zum Fußgänger wird, hat das die Eigenart, dass man zu Fuß geht. Dabei sieht man manchmal Dinge, die man vielleicht nicht wahrgenommen hätte, hätte man auf die Straße achten müssen.

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Müsste ein P142 sein, wie er von 1967 bis 1974 gebaut wurde – sagt diese Fanseite. Ein fast vierzig Jahre alter, ziemlich exotischer Vogel also.

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Was mir an diesem Exemplar der schwedischen Variante eines Coupés der oberen Mittelklasse besonders gut gefällt: Es ist eindeutig ein Alltagsfahrzeug, kein Museumsstück. Hier behandelt jemand seinen Youngtimer, wie ein Auto eben behandelt werden will. Es wird einfach gefahren. Kann es sein, dass der Fahrer ähnlich tickt wie ich?

Neues aus der Welt des Datens

Nicht der Datenwelt, sondern der Dating-Welt. Ein guter Freund, nennen wir ihn P., hat sich in einer Online-Singlebörse eine potenzielle Lebensabschnittsbegleiterin ausgeguckt. Jetzt soll die Nacht in den ersten Mai den Rahmen bilden für den ersten Kontakt im First Life. Zu dem natürlich noch ein paar Anstandsfreunde mitgenommen werden, Mann kann ja nie wissen.

Lauschig die Nacht, romantisch die Erwartungen, die beinahe greifbar über Aachens Amüsiermeile hängen. Es wimmelt von alkoholisierten Frisch-Abiturienten und aufgebrezelten Mädchen in nicht immer vorteilhaften weißen Hosen. Durch das Gewusel kämpft sich die Gruppe um P. die Pontstraße hinauf zum fernmündlich arrangierten Treffunkt. Vorneweg erkundet der Schreiber dieser Zeilen als Friend-Scout unauffällig das Terrain. Da, vor dem Grill, das müssen sie sein.

„Uh-oh“, murmelt das Unterbewusstsein, und wenn es das beim ersten Blick auf jemanden tut, wird auch dem Verstand klar: Hier haut etwas nicht hin, hier läuft etwas mächtig schief. Was jetzt? Sagt man etwas? Lässt man das Unheil seinen Lauf nehmen?

Nach einem etwas steifen Begrüßungs-Handshake zwischen den beiden einsamen Herzen und ihren jeweiligen Begleitern wird eine Szenebar angesteuert. Und dort wird schon nach den ersten Gesprächsansätzen allen Beteiligten unbarmherzig klar, dass nicht sein wird, was gewollt war. Da bedarf es gar nicht der beiden Gläser Mineralwasser der Damen, die den knallbunten Cocktails der Herren auf dem Tisch vorwurfsvoll gegenüberstehen. Starre Blicke flattern zu den jeweiligen Sekundanten: Tu was! Hol mich hier raus! Die Helfer fahren ihre Beteiligung an der Konversation auf das absolute Minimum herunter. Bloß keine Verlängerung provozieren.

Immerhin: Der gescheiterte Anbahnungsversuch wird mit Anstand durchgezogen. Schließlich signalisiert die Begleiterin der Dame unendliche Müdigkeit, oh, dann muss ich auch jetzt los, die hat meinen Schlüssel, tschüsschen, wir mailen uns.

Puh.

Den solcherart Sitzengelassenen bleiben zwei halb getrunkene Coladas und die Erkenntnis, dass man auch auf dem selben Planeten in verschiedenen Welten leben kann. Wenn auch ein trügerisches Internet die Distanz zwischen ihnen manchmal so klein wirken lässt.

Road Movie

Genau. Ein Tag wie ein Road Movie.
4.00 Weckerklingeln.
4.30 Aufgestanden (nach vier Stunden Schlaf oder weniger). Frühstück.
5.30 Haus verlassen, Miet-Anhänger von Otmars Hinterhof abgeholt, alte Arbeitsplatte aus Bielefelder Küche, Sack Müll sowie Autoreifen (2 Golf-Sommer, 1 Coupé) eingeladen.
6.00 Aachen ab.
9.00 Bielefeld an. Bei Brune Digitaldruck in Halle-Künsebeck CD mit „Raben“-Dateien eingeworfen.
9.30 Roten Golf II im Heinrichstraßenhinterhof ausgeräumt.
10.00 Golf an Käufer übergeben.
10.30 Aller-aller-allerletztes Gerümpel aus Keller in Anhänger geladen.
11.00 Bethel-Karton zu Bethel.
11.30 Gerümpel I zum Recyclinghof.
12.00 Motorrad in Brackwede auf Anhänger verladen.
13.00 Motorrad zu Team Racepoint gebracht.
13.30 Gerümpel II zum Recyclinghof (die Arbeitsplatte) (die für das Motorrad noch Rampe spielen musste) (und mir dabei übel auf den Fuß geknallt ist).
14.00 Zu Holger Herden nach Bad Salzuflen, Benzschrott weg.
14.30 Zu Siggi Heppner nach Belm, Sommerreifen aufziehen lassen.
15.30 Einer der Golf-Sommerreifen hat einen üblen Bremsschaden. Beide bei Siggi gelassen. Und die alte Mikrowelle auch.
16.30 Ab zu Dani & Björn nach Friedrichsfehn.
18.00 An bei Dani & Björn in Friedrichsfehn. Beim Grillen mitgefuttert. Geschirrspüler und Herd aufgeladen.
19.00 Zurück nach Süden.
19.30 Zehn Minuten Pause an Raststätte Huntetal. Es ging einfach nicht mehr.
23.00 Am Rasthof Remscheid Gudrun getroffen und Stapel (leere) Umzugskartons zurückgegeben.
0.30 Ankunft Aachen. Geschirrspüler und Herd in Wohnung getragen.
1.00 Anhänger wieder bei Otmar auf den Hof gestellt.
1.30 Ins Bett gefallen.

8.30 Wecker klingelt erneut.
9.00 Anhänger von Otmar zurück zu Lünemann gebracht.
9.30 Wieder ins Bett.

11.00 Petra weckt mich zum Frühstück. Warum kann sie mich nicht ausschlafen lassen?! Ihre Ausrede, „es sei schon längst zwei Uhr“, überzeugt nicht, auch wenn sie alle Uhren in der Wohnung entsprechend verstellt hat. Himmeldonnerwetter.

Neues aus der Podwelt

Letzten Freitag. Cocktailabend bei Freund O., der ein Mac-Mensch ist. Auf dem Schreibtisch einen monitorförmigen Breitbild-Apple, im Wohnzimmer einen ausgedienten iMac – das alte „Schreibtischlampen“-Modell. Letzterer dient als MP3-Server und serviert über iTunes den ganzen Abend lang wohltemperierte Musik. Die Playlists bilden guten Gesprächsstoff, wenn die Pausen beim Nippen an den diversen Drinks mal zu lang werden sollten.

MP3-Player lassen sich bekanntlich mit diversen Oberflächen, Skins genannt, an jeden noch so ausgefallenen Designwunsch anpassen. Doch was Freund O. da auf dem Desktop hat, toppt die üblichen Optikspielereien bei weitem: Schnörkellos kühl, grau und nüchtern, die Titel großflächig untereinander angeordnet – Neunziger Jahre pur. „Whow, ist der Retro, wo hast du den denn her?“ staunt einer. Großes Hallo, bis jemand aufsteht und nachguckt.

Es war die Online-Fahrplanauskunft der ASEAG.

Schade eigentlich. Ich hätte gerne gewusst, wie Red Earth, Laurence Mountain, Europe Square oder Judge I akustisch gekommen wären.

Neues aus Belgien

Auf Aachens Straßen, das bekommt der neu in die Stadt Gezogene schnell von allen Seiten gesteckt, regiert der Bus. Das ist Regel Nummer eins. Regel Nummer zwei folgt dem alten Witz, wonach bei Ausnahmen Regel Nummer eins gilt. „Pass bloooß auf die Busse auf“, klingt es aus allen Richtungen, „die kennen hier nichts, die bremsen für niemanden“.

ÖPNV, der sich mit machtvoll-energischer Majestät seinen Weg durch das wimmelnde Proletariat der Straßen schneidet: Das ist nicht überall so. Andernorts fürchtet sich der öffentliche Verkehr vor dem Volk, das er bewegen soll. In Belgien, so ist heute beim Spiegel zu lesen, streiken gerade die Schaffner. Weil sie regelmäßig von ihren Gästen krankenhausreif geprügelt werden. Allein am Wochenende viermal.

Und Die Gute Nachricht Des Tages™ ist, dass damit die lange Liste der Leute, die uns Öcher beneiden, um eine weitere Personengruppe länger geworden ist. Das lässt sogar verschmerzen, dass nach dem letzten Alemannia-Spiel die Bewohner von Nürnberg eher nicht auf dieser Liste stehen.

Neues aus Poesie und Historie

Er ist’s! Schrieb Eduard Mörike über den Frühling. Den, der sein blaues Band gerade so schön durch Aachens Lüfte flattern lässt. Und der nicht der einzige ist, bei dem’s flattert. Der Landesbetrieb Straßen.NRW lässt eine Pressemitteilung auf unsere Schreibtische segeln: „Straßen.NRW erklärt den Winter für beendet„. Da kann man nur feststellen: Sie ist’s! Nämlich die Gute Nachricht Des Tages™!

Und weil das Wetter so schön ist, gibt es noch eine Bonus-GNDT™:

Stefan_LochnerStephan Lochner aus Köln ist ein gefragter Mann.
Die Post bot ihm jetzt ein Briefmarkensammel-Abo an; vor einem Jahr wollte ihm American Express eine GoldCard andrehen und die Neue Zürcher Zeitung versuchte ihm schon einmal ein Abo schmackhaft zu machen. Wir alle haben täglich die gleiche Werbung im Briefkasten liegen wie Stephan Lochner.

Stephan Lochner allerdings hat gar keinen Briefkasten. Der Mann, auch als Meister Lochner bekannt, war Maler im Spätmittelalter und schuf so schöne Werke wie die „Die Madonna im Rosenhag“, siehe links. Wie seine Adresse „Domkloster 4, 50667 Köln“ auf die Verteilerlisten kommt, ist unbekannt, hieß es.

Und was lehrt uns diese schöne Geschichte? Selbst wenn man vor einem halben Jahrtausend an der Pest gestorben ist, hängt man immer noch in den Fängen der anderen Menschheitsplage: der Werbung. Einziger Trost für Meister Lochner: Zumindest Spam-Mails blieben ihm bis jetzt noch erspart.

Neues aus der Psychiatrie

Die erste Gute Nachricht Des Tages™ lautet heute: Weniger Kranke, mehr Verhaltensgestörte. Das beruhigt. Das komische Augenzucken des muskulösen Trainingshosenträgers in der Aldi-Schlange beruht also wahrscheinlich nicht auf einer Hautkrankheit.

Aachensonne-gross
Die zweite Gute Nachricht Des Tages™ ist blau, wölbt sich über Aachen und sah um 18.40 Uhr so aus. Und das beste: Sie ist schon eine ganze Woche alt!