Flache Freunde

Neulich, auf dem Parkplatz eines größeren Aachener Supermarktes. Was versteckt sich denn da Niedliches zwischen den großen Autos?

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Schau an. Auch ein Kleinwagen muss im automobilen Alltag also nicht zur grauen Maus gerinnen. Welche Wunder eine auffällige Lackierung doch wirken kann…

Das Foto des flachen Freundchens – es handelt sich um einen Lotus Elise – löste auf Twitter einige fröhliche Kommentare aus, die Euch vorzuhalten nicht meine Absicht sein kann:

Lotus-Effekt

Osterüberraschung II

Damit jetzt niemand aus meinem jüngsten Beitrag einen unzutreffenden, gar negativen Eindruck meiner schnuckeligen Heimatstadt aus diesem Blog mit in sein weiteres Leben trägt, seien noch einige Impressionen aus dem Oldenburger Schlossgarten nachgeschoben, den zu besuchen sich am sonnigen Ostersonntag ergab.

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Und: Oh, auch das war eine Überraschung. Oldenburg hat nicht nur in punkto, äh, Sternenklarheit mit anderen Großstädten gleichgezogen, sondern auch in Sachen Sonnengenuss – „wie im Englischen Garten“ kommentierte meine Tante den Anblick, der sich uns bot. Und damit hatte sie gleich doppelt recht, denn Herzog Peter Friedrich Ludwig hatte die 16 Hektar große Anlage schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts tatsächlich in Form eines englischen Gartens anlegen lassen. Auch das einfache Volk sollte nach dem Willen des Landesvaters die künstlerisch gestaltete Natur genießen können – einzige Bedingung für das Betreten: gesittetes Benehmen und angemessene Kleidung. Noch in den 50er-Jahren, so steht es in der Wikipedia, war es daher guter Oldenburger Brauch, den Park nur in Sonntagskleidung zu betreten.

Heute haben sich die Kragenknöpfe etwas gelockert und so lümmelt überall auf den Wiesen das meist junge Volk herum, dass man sich wünschte, man hätte selbst eine Picknickdecke, ein gutes Buch und etwas mehr Zeit mitgebracht.

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Die jahreszeitliche angepasste Beetbepflanzung schließlich sorgt noch für ganz andere Impressionen – Oldenburg bietet hier Monetarismus in Rhein-, Verzeihung, Haarenkultur. Da hat das städtische Tourismusamt mit seinem Spruch vom „begehbaren Gemälde“ einmal nicht übertrieben.

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2014 wird der Schlossgarten 200 Jahre alt und hat sich für das Festprogramm mit seinen Ausstellungen, Führungen, Tierexkursionen, Workshops und Aktionen schon entsprechend herausgeputzt. Eine eigene Webseite gibt es auch dazu: Schlossgarten 2014.

Wer schließlich mutig genug ist und sich im Watschelgang mit ausgestreckter Handykamera den Höckergänsen am Schlossteich hinter dem Elisabeth-Anna-Palais nähert, wird nach kritischer Inaugenscheinnahme durch das weitgehend furchtlose Geflügel schließlich mit Nahaufnahmen belohnt. (By the way: Ganz ordentliche Bildqualität, die das Google Nexus 5 abliefert, oder?)

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Welch angenehmer Ort zum Tulpenbummeln das hier ist. Seit meiner Kindheit bin ich schon nicht mehr in den entlegeneren Ecken des Geländes gewesen. Für mich war der Schlossgarten die positive Osterüberraschung des Jahres – auch wenn ich auf der Fahrt dahin über eine leere Kühlerhaube gucken musste.

Osterüberraschung

Am Ostermontag, beim Besuch der Eltern, kommt unverhofft eine neue Folge der Serie „Dass es sowas noch gibt“:

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Wann ist mir das zuletzt passiert? 1994 in Glasgow? Wer hätte das gedacht: Das beschauliche Oldenburg, Stadt meiner Kindheit, hat mittlerweile echtes Großstadtniveau.

Viel drängender ist allerdings die Frage, wie ich jetzt nach Hause finden soll.

Hemmungslos copiert

Automobilistisch gesehen bin ich ja eher ein Genießer. Ein Gleiter. Ein Ausfahrer. Sogar einen Cruiser mag man mich nennen. Gebt mir einen großvolumigen Diesel, einen ausreichend lang übersetzten fünften Gang, dazu eine baumbestandene Allee, vielleicht sogar irgendwo in Südfrankreich, und ich kann mit 90 Stundenkilometern der glücklichste Motorist der Welt sein. Da können sich all die V8er-BMWs, GTI-Gölfe und Turbo-Audis auf den Überholspuren dieser Welt ihre Zylinderkopfdichtungen herausblasen. Motorleistung, Beschleunigungswerte, Drehmoment – mir doch schnuppe.

Dachte ich jedenfalls immer.

Und dann drückt mir Otmar den Schlüssel für seinen Copen in die Hand. Der Copen – erinnert sich noch jemand an Daihatsu? – ist so etwas wie eine japanische Kopie des Audi TT. Vielleicht auch eine späte Antwort auf den Porsche 356. Dies alles allerdings im Maßstab 1:2.

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„Da soll ich reinpassen?“ fragt der Fast-1,90-Meter-Mann mit ungläubig hochgezogenen Augenbrauen angesichts von nicht mal 3,4 Metern „Länge“ und knapp 1,5 Metern „Breite“ des fernöstlichen Spielmobils. Ja, es passt – wenn man die Einbauanleitung befolgt: Rückwärts rein, Hintern auf den roten Ledersitz positionieren, rechtes Bein händisch unterm Lenkrad durchfädeln, linkes Bein nachheben, Klamotten geradeziehen, Gurt aus Halteöse herausfriemeln, anschnallen, Tür schließen, zuletzt Seitenscheibe hochfahren. Sitzt, passt, hat – naja – ein klitzekleinwenig Luft.

Den letzten Schritt mit den Scheiben kann man sich allerdings auch schenken, denn der Copen war 2001 das erste Cabrio mit hydraulisch versenkbarem Hardtop. Und da die Sonne gerade so prächtig vom Öcher Himmel lacht, gönnen wir uns als erstes das uhrwerkartige Dachwegklappritual. Plötzlich entsteht sogar so etwas wie Kopffreiheit.

Käppi auf und los geht’s. Mitfahrgelegenheit Reloaded. Otmar dokumentiert die Testfahrt mit der iFon-Kamera. Mal gucken, was die kleine Karre kann…

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Machen wir’s wie der Copen, kurz und schnell: Für die Art, wie das Teilchen abgeht, gibt es nur Schmitz‘ Katze als Vergleich. Die 87 PS des 1,3-Liter-Motörchens würden sich an jedem 123er-Mercedes die Turbozähnchen ausbeißen – beim nicht mal 850 Kilo schweren Mikro-Roadster müssen sie nicht mal richtig hochdrehen, um im Kreisel die Reifen kreischen zu lassen. Das leichte Teil klebt regelrecht auf dem Asphalt, fegt wie ein Go-Kart um die Kurve und lässt dabei jeden Achtzylinder alt aussehen.

Selbst so ein ruhiger Raumgleiterpilot wie ich kommt da sofort auf den Geschmack. Ich geb Gas! Ich will Spaß! Das Motörchen röhrt, die Räderchen quietschen – noch eine Runde um den Kreisverkehr! Und aus dem Ausgang herausbeschleunigen! Jiiiihaaa!

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Soviel Spaß habe ich schon lange nicht mehr mit einem fremden Auto gehabt. Als wir schließlich wieder vor der Otmars Haustür stehen, steht mir das Grinsen immer noch wie ins Gesicht getackert. Mama, ich will auch so ein Spielzeug haben!

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Ja, der Winzling sitzt eng wie eine Zwangsjacke; es gibt für größer gewachsene Menschen genau eine bequeme Fahrposition (vielleicht auch ein bisschen weniger als das). Er hat so gut wie keinerlei Nutzfläche (bei offenem Dach liegt das Kofferraumvolumen offiziell bei 14 Litern). Auf die Rückbank passt kein Kasten Wasser (es gibt keine). Und mit seinem Beifahrer muss man sich schon wirklich gut verstehen, weil man sich schon auf geraden Strecken nicht wirklich aus dem Weg gehen kann, in Kurven wird’s dann richtig schmusig.

Kurz: Für einen Klotz wie mich ist der Copen das vielleicht unpraktischste Auto, das Geld kaufen kann. Und trotzdem hätte ich gerade verdammt gerne die rund 7000 Euro übrig, die man für so ein Rennsemmelchen auf den Tisch legen muss. Kein Zweifel: Ich bin copiert.

Mitfahrgelegenheit VI: Der Freund

Ich habe mir angewöhnt, meine Mitfahrer gleich nach der Kontaktaufnahme mit Namen im Telefonbuch zu speichern. Das ist hilfreich, wenn sich etwa während der 11.30-Uhr-Redaktionskonferenz nacheinander vier Leute auf der Mailbox für die abendliche Fahrt anmelden, von denen man zweien dann sofort wieder absagen muss, weil der Wagen schon längst voll ist, der dritte einem am Nachmittag per SMS selbst cancelt und man schließlich abends am Bahnhof Rothe Erde auf der Suche nach Nummer Vier ist, der möglicherweise einfach nur auf der falschen Seite des Gebäudes wartet. Es ist also immer gut, zu wissen, wer hinter welcher Nummer steckt.

Außerdem, und das ist fast noch wichtiger, kann man sich kleine Hinweise und Gedächtnisstützen zu den Fahrern wegspeichern. Jener Thorsten etwa, der mich beim ersten Mal versetzt hatte und zur Abfahrtszeit auch auf mehrfaches Anrufen und SMS nicht reagierte, fand als „Thorsten WARNICHTDA“ Aufnahme in die Kontaktwelt meines Schlaufons. Was mir einige Wochen später, als er erneut anrief, um eine Fahrt zu buchen, die Entscheidung leichter machte, das Gesspräch anzunehmen oder nicht. Ist schon blöd, wenn man jemanden anruft, und keiner geht ran, gell, Thorsten?

So hatte ich denn auch gleich eine schlechte Vorahnung, als mich eine SMS informierte, dass Lina (tatsächlicher Name dem Verfasser bekannt) einen Platz auf der abendlichen Fahrt von Aachen nach Köln gebucht hatte, die um 22.20 Uhr nach meinem donnerstäglichen Sport beginnen sollte. Lina erschien als „Lina FÜRFREUNDGEBUCHT“ auf dem Display, und ich erinnerte mich gleich an die Dame mit der wenig einnehmenden Stimme, die erst den Platz sicherte und dann mitteilte, dass es für ihren Freund sei. Ein Blick auf ihre Profilseite bei der Mitfahrzentrale hatte enthüllt, dass sie das Kunststück fertiggebracht hatte, trotz einer ganzen Reihe gebuchter Fahrten nur mit durchschnittlich zwei von fünf Sternen bewertet zu werden. Meist war’s, weil sie nicht zur Fahrt erschienen war oder für jemand anderen gebucht hatte (der dann nicht erschienen war). In meinem Fall war die Mitfahrt ebenfalls nicht zustande gekommen, weil der Freund angeblich den Bus zum Treffpunkt verpasst hatte. Nun ja, kann passieren.

Auch diesmal sollte ich letztlich wieder ihren Freund mitnehmen – ich frage mich in solchen Fällen immer, warum nicht der Herr Partner selbst die Fahrt bucht? Vertrauensbildung geht irgendwie anders. Letztlich kam aber doch noch ein telefonischer Direktkontakt zwischen besagtem Partner und seinem angehenden, zusehends un-enthusiastischer werdenden Chauffeur zustande. So einfach wie sonst war die Sache nämlich nicht: Es gab an jenem Abend das Problem, dass sowohl in Aachen als auch in Köln der Öffentliche Personennahverkehr ruhte. Streikbedingt. Der Mitfahrpartner sah sich folglich außerstande, zu einem meiner üblichen Abfahrtspunkte in Aachen zu kommen, auch zu keinem halbwegs am Weg liegenden. Stattdessen bat er um Abholung bei sich zu Hause. Sowie um Hinbringung zu seinem Zielort, der Burgstraße in Köln – wo auch immer die sein mochte. Obwohl mir solche Extratouren wegen ihres meist immensen Zeitbedarfs nicht sonderlich liegen, erklärte ich mich schließlich bereit, trotz Nach-Sport-Müdigkeit und später Stunde für jeweils einen Extra-Euro den Mann a) an seinem Zuhause in Walheim („das sind echt nur vier Minuten von der Autobahn!“) abzuholen und ihn b) nach Köln zu seiner Freundin (ob es dieselbe war, die die Fahrt gebucht hatte…?) zu transportieren.

Wie man es innerhalb von vier Minuten von der Autobahnabfahrt Lichtenbusch nach Walheim schaffen soll, blieb im Dunkel der Nacht verborgen. Mit einer basismotorisierten C-Klasse ginge das jedenfalls höchstens, wenn sie von vier Porsches gezogen würde. Nach zehn Minuten Fahrt über ländlich-hügelige Schleichwege schließlich fand ich mich um 22.45 Uhr in einer ghettoartigen Hochhauslandschaft wieder, in der pittoresk gekleidete Personen jüngeren Baujahrs auf Skateboards um mein Auto herumrollerten. Die Türen von innen fest verriegelt, informierte ich Mr. Freund über mein Eintreffen. „Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen!“, versprach er. Es vergingen ihrer etwa zwölf, innerhalb derer mein Adrenalinspiegel nicht sank. Als ich gerade den Motor anlassen wollte, klopfte es an der Beifahrertür.

Herr Freund nahm Platz und machte zunächst einige Punkte wieder gut, indem er mir spontan etwas Kuchen anbot – was ich allerdings dankend ablehnte, da es mit meiner aktuellen Diät kollidierte. Während wir uns mühsam über Bodenwellen und um verkehrsberuhigende Ausbuchtungen aus dem Ghetto herauskurbelten, hielt Mr. Freund nach einem Kumpel Ausschau, dem er noch etwas zu übergeben hatte. Vielleicht war es mein Kuchen. Zwanzig endlose Landstraßenkilometer und ebenso viele Minuten später erreichten wir schließlich die Autobahnauffahrt Brand – die eigentliche Heimfahrt konnte beginnen. Mister Freund sorgte derweil für die Bordunterhaltung, indem er seinem Handy erst eine Vielzahl von schrillen Piepstönchen entlockte und schließlich eine Reihe endloser Telefonate in einer mir trotz erheblicher Sprechlautstärke unverständlichen Sprache einleitete. Ich halte mich für einen durchaus geduldigen Mitfahrfahrer, aber zwei Dinge schätze ich an meinen Gästen nicht: sich nach dem Einsteigen sofort die Ohren mit Lautsprechern zu verstöpseln – oder im Gegenteil um so lauter stundenlange Telefonate zu führen. Beides stempelt mich zum bloßen Dienstleister ab, dessen Gegenwart man getrost ignorieren kann.

Da ich Mister Freund in die Kategorie von Mitfahrern einsortierte, die das Thema Fahrtvorbereitung eher entspannt angehen, erkundigte ich mich in der ersten Sprechpause nach rund Dreivierteln der Strecke höflich, ob er den Fahrtbetrag passend dabei habe. Er hatte nicht. „Können Sie nicht wechseln?“ Ich verneinte. Kurzzeitig erwog ich einen Zwischenstopp an der Raststätte Frechen, denn nach der Visite in Walheim hatte ich wenig Neigung, stundenlang durch Kölns mitternächtlichen Osten zu schleichen auf der Suche nach einem Etablissement, das erstens noch geöffnet und zweitens willens war, Mister Freund einen Schein klein zu machen. Man hört ja so einiges von der Schääl Sick, und dass die Burgstraße nicht in der Südstadt liegt, sondern im tiefsten Vingst, hatte mir in der Walheimpause bereits ein Blick auf die Skobbler-App verraten. Auch war ich zu meiner schier ins Bodenlose wachsenden Begeisterung mittlerweile im Bilde, dass mich der kleine Abstecher auf die andere Rheinseite mit seinen fast 30 Kilometern hin und zurück bestenfalls eine halbe Stunde kostbare Lebens- und Schlafenszeit kosten würde. Andererseits ist in Streikzeiten ja Solidarität erste Bürgerpflicht.

Es kam, wie es kommen musste. Das künstlerisch inander verschlungene Doppel-Autobahnkreuz Gremberg ist schon bei Tageslicht für Unkölner schwer zu meistern, und wer sich bei Nacht zu sehr aufs Display seines Navis konzentriert, der wird schon am ersten Kleeblatt flugs in Richtung Bonn herauszentrifugiert. Mister Freund muss befürchtet haben, an der nächsten Abfahrt der A559 schlichtweg aus dem Wagen geworfen zu werden, so still wurde er ob meiner Flüche – deren Saftigkeit sogar noch steigerbar war, als mich das Navi nach dem Verlassen der Autobahn nicht wieder auf selbige zurücklotste, sondern über Landstraßen stadteinwärts schickte.

Viele, viele Ampeln, Abzweigungen und Kreuzungen später kurvten wir tatsächlich durch ein schlafendes, bodenwellenreiches Wohngebiet auf der Suche nach einem noch offenen Kiosk („ich muss auch noch Zigaretten kaufen und Sahne“ – eine Einkaufsliste, die meine Fantasie zu tollsten Blüten trieb). Doch, was soll ich sagen? Am Ende der Fahrt bekam ich mein Geld und Mister Freund ein „schönen Abend noch“ nachgerufen, eh er in die Nacht verschwand.

Eine weitere Ehrenrunde am Gremberger Kreuz in Richtung Bonn – meine mittlerweile erlangte Ortskenntnis half immerhin dabei, diesmal direkt wieder zurück auf die Autobahn zu finden – und nur etwa zwanzig zusätzliche Fahrtminuten trat ich, weit nach Mitternacht, todmüde vor der eigenen Haustür auf die Parkbremse. Daheim. Fast zwei Stunden hatte die zweifache Odyssee durchs Aachener und Kölner Umland gedauert.

Ehe ich zehn Minuten später im Bett todmüde die Augen schloss, hatte ich noch die Kraft, einen neuen Kontakt im Telefonbuch anzulegen. Vorname: Freundvonlina. Nachname: NIEWIEDER.