Elektrisiert

Es sagt viel über die männliche Psyche aus, dass der allgemeine Kraftfahrer den Vorgang des Überholtwerdens nicht selten als eine Erniedrigung empfindet, als ein Gedemütigtwerden, eine öffentliche Herabsetzung durch ein ranghöheres Tier im PS-Rudel, als einen Akt der Kastration. Der Verfasser dieser Zeilen ist als bekennender Youngtimerfahrer natürlich immun gegen derlei urzeitliche Gefühlswallungen – was bleibt ihm angesichts der 72 Diesel-PS des Moorbraunen oder der gasbefeuerten 1,8-Liter-Basismotorisierung der Alltags-C-Klasse auch übrig als mildes Lächeln über die lächerlichen Beschleunigungs- und Ausbremsspielchen zeitgenössischer Turbodiesel oder V6-Boliden. Wie albern sich erwachsene Menschen doch aufführen können. Okay, völlig erhaben bin ich nicht über den einen oder anderen leichten Stich, den es mir versetzt, wenn mal wieder so ein gesichtsloser Kompaktwagen kurz vor der Ampel mal eben auf die andere Spur wechselt, an meinem gelassen dahingleitenden Sternenkreuzer vorbeizieht und sich respektlos noch schnell vor mich quetscht – OHNE BEIM EINSCHEREN ZU BLINKEN! Und das von so einer erbärmlichen Einkaufstüte auf Rädern! Hoppla, hab ich da unbewusst nochmal kurz beschleunigt oder hat sich der Kollege schlicht bei der Kalkulation von Restweg und -geschwindigkeit verrechnet? Jetzt steht er da auf seinem Linksabbiegerstreifen und findet nicht mehr zurück auf die rechte Bahn, weil man ihn nicht wieder reinlässt. Das nennt man wohl Turboloch, oder, mein Guter?

Ähm. Wo war ich? Sei’s drum. Es gibt ja auch durchaus Autos, da erkennt man neidlos die höhere Leistung an. Wer würde sich nicht gerne im Ampelduell einem aufröhrenden 300SL geschlagen geben? Oder mal in die Doppelauspuffrohre eines davonflitzenden Lamorghini Diablo gucken? Und es geht sogar noch besser. Ich hatte gestern das Vergnügen, auf dem Aachener Stadtring von einem Auto restlos abgeledert zu werden, das weder röhrte, noch einen Auspuff hatte.

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Einmal ist immer das erste Mal: ein Tesla Roadster. Garantiert 100 Prozent elektrisch und ebenso begehrenswert. So schnell ist sie da, die Zukunft des Autos.

Und wie schnell sie dann erst wieder weg war…

Schön, mein Freund. Die Runde geht an dich. Dafür krieg ich dich, wenn du an die Steckdose musst.

Wandern im Wein

4587_AhrblickFolgt man dem gewundenen Lauf der Ahr von Ahrweiler aus nach Osten, kommt man hinter Mayschoß in das schöne Winzerdorf Dernau. Ein guter Ort, um an diesem sonnigen Oktobersamstag der ebenso schönen wie seit Schülertagen vernachlässigten Tätigkeit des Wanderns nachzugehen. Also, Fahren zu Fuß. Quasi laufendes Reisen. Und den Motorradfahrern, die das unerwartet angenehme Wetter für eine Saisonausklangsspritztour nutzen, höchstens den einen oder anderen sehnsüchtigen Blick hinterherwerfend.

4588_Weinschach1024Schachbrettartig ziehen sich die Parzellen der Winzer über die Hänge. Durch die Weinberge führt der Rotweinwanderweg rund 35 Kilometer weit von Altenahr bis Bad Bodendorf. Die Gegend bei Mayschoß und Dernau gilt als eines der hübschesten Fleckchen der Route. Mitten durch die Landschaft ziehen sich die Reste des Strategischen Bahndamms, einer nie fertiggebauten Eisenbahnstrecke, an die unter anderem der Silberbergtunnel und die Pfeilerstümpfe eines Viadukts über das Adenbachtal erinnern.

4579_Weintrauben1024Jetzt, kurz vor der Ernte, sind die Trauben prall und süß – und überall vom Weg aus mit der Hand zu greifen. In der Luft liegt der schwere Duft von Trester, der gelegentlich als Häufchen am Wegesrand an die Vor-Ort-Verarbeitung der abgeernteten Trauben erinnert.

4603_WeingeometrieDer Weg wartet mit der einen oder anderen Steigung auf. Auf der Plusseite bietet er hinter jeder Biegung einen neuen spektakulären Ausblick ins Ahrtal. Und ist angenehmerweise weitgehend asphaltiert – statt grobstolliger Wanderstiefel genügen also ein paar bequeme Laufschuhe. Dementsprechend ist auch noch gut was los auf dieser ziemlich beliebten Ausflugsstrecke, wo der Weg tatsächlich das Ziel ist: An jeder Gabelung stehen verpustende oder wegsuchende Wandersleut, wahlweise auf Faltkarte oder Smartphone-Display starrend und schließlich doch die entgegenommenden Kollegen fragend: Geht’s da weiter auf dem Rotweinwanderweg?

4617_Katjaglas1024Zum Glück wartet in schöner Regelmäßig alle paar Kilometer eine kleine Straußwirtschaft, der private Ausschank eines Winzers. Laut Gesetz brauchen die Weinbauern keine Schanklizenz, um an höchstens vier Monaten im Jahr eine eigene Gastronomie zu betreiben. Bier darf’s dafür nicht geben, einfache Speisen schon, dazu muss mindestens ein alkoholfreies Getränk auf der Karte stehen. Mancher Winzer stellt einfach einen Tisch an den Weg, dazu eine Waschgelegenheit für Gläser, dazu Sonnenschirm und eine Preistafel – fertig ist die Unterwegserfrischung. Bleibt dem Laufmenschen nur die Entscheidung zwischen weiß oder rot, Wein oder Sauser?

4638_Marcglas1024Einen Federroten bitteschön. Wandern macht wahrlich durstig. Cheers – äh, Prosit!

4639_WeinfriedhofUnd schon geht’s beschwingt weiter. Erinnern sie nicht ein bisschen an einen Soldatenfriedhof, die kleinen Rebstocksetzlinge mit ihren Stützhüllen, wie sie so brav in Reih und Glied den Hang hinaufwachsen?

4641_MarienthalEin Stück hinter Dernau liegt in einer Falte des Tals das ehemalige Augustinerinnenkloster Marienthal, heute ein von den lokalen Winzern betriebenes Ausflugslokal. Die Ruine der Kirche des Klosters, das auf das Jahr 1137 zurückgeht, bietet einen malerischen Rahmen für das lautstarke Treiben da unten. Da hat sich der eine oder andere den Anmarsch etwas verkürzt und ist stilloserweise statt zwei Füßen auf vier Rädern angereist.

4651_Gelbwein1024Doch für die beiden ungeübten Wanderer oben auf dem Weg heißt es brav weitermarschieren. Sie wollen nämlich noch eine Ortschaft weiter, nach Ahrweiler. Der ehemalige Regierungsbunker, einst das teuerste Bauwerk der Bundesrepublik, heute eine Dokumentationsstätte, ist leider schon geschlossen.

So nehmen die müden Füße die letzten Kilometer in Angriff, während die allmählich untergehende Sonne das Gelb, Grün oder Rot der Weinblätter noch einmal richtig aufflammen lässt. Der Weg führt hinunter ins Tal, an der Römervilla vorbei und schließlich durch die alte Stadtmauer ins fachwerkerne Herz von Ahrweiler.

Unten angekommen, am Marktplatz im Schatten der Laurentiuskirche, lässt’s sich nett erholen. Natürlich bei einem Gläschen Federweißen und einem Stück Zwiebelkuchen. Ersteres frisch abgefüllt, das zweite frisch gebacken. Schon erstaunlich, wie weit man ohne Rad und Motor in ein paar Stunden kommen kann.

Dann geht es zurück nach Dernau. Mit der Regionalbahn. Man muss das mit dem Reisen zu Fuß ja auch nicht übertreiben.

Kraftdroschke

Wer in Köln von A nach B gelangen möchte und dafür weder auf öffentliche Verkehrsmittel, noch eigenes Gefährt zurückgreifen möchte, der tut nicht schlecht daran, zum Telefon zu greifen und die Nummer 0157-89198003 anzurufen. Es meldet sich dann Wolfgang Schlimm, der für das Transportproblem eine ebenso individuelle wie exklusive Lösung bereithält, die ich gestern an der Tankstelle meines Vertrauens kennenlernen durfte.

Siebener-Taxi1023

Ein 1985er Siebener-BMW in Taxiausstattung – so etwas herrlich Unvernünftiges habe ich nicht mehr gesehen seit jenem Mercedes 280 (Vergaser! Sechszylinder!), dem ich gegen 2006 mal an einer Aachener Tankstelle über den Weg gefahren bin. Das bajuwarische Premium-Geschoss glänzt außen in makellosem Hellelfenbein, innen mit Wurzelholz und Lederausstattung in Taurusrot. Selbst ich als eingefleischter Daimlerpassagier gebe gerne zu, dass es auch Taxen ohne Stern, aber mit Stil gibt.

Es handelt sich übrigens nicht um das erste Siebener-Taxi in der Domstadt, genauer gesagt ist es das zweite. Und hier ist nachzulesen, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, so einen Umbau in Angriff zu nehmen (Hintergrund ist natürlich die unselige Umweltzone).