Adieu

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Es war mein erstes Blog: Moorbraun.de beim Bloghoster Twoday.net. In den ersten Wochen des Jahres 2007 hatte ich es eingerichtet. Twoday war es geworden, weil der Blogger Don Dahlmann diesen Hoster in einem Vergleich für Turi2 als den besten in Deutschland empfohlen hatte.

Und in den ersten Jahren hat mir das Bloggen dort auch wirklich Spaß gemacht. Mit Begeisterung erzählte ich von meinen ersten Wochen und Monaten in Aachen und – rückwirkend – von der Restaurierung meines moorbraunen Dieselcoupés ab 2005. Fast täglich kam ein neuer Artikel dazu, manchmal sogar mehrere an einem Tag. Und ich freute mich über die vielen Kommentare. Auch wenn es zusehends nerviger wurde, dass man für große Bilder immer auf ein separates Foto bei Flickr verweisen musste. Trotzdem kamen in fünfeinhalb Jahren insgesamt 434 Beiträge zusammen, der letzte im August 2012. Aus der Auto-Biographie entwickelte sich mit der Zeit ein Blog über Mobilität und Reisen.

Was sich allerdings nicht weiterentwickelte, war Twoday. Das Interface blieb auf dem Stand von 2007. Noch heute steht auf einer Bezahlseite dieselbe Fehlermeldung wie damals („Dieses Weblog (Produkt: ‚<% param.product %>‚) ist derzeit nicht bezahlt!“). Irgendwann verlor ich immer mehr die Lust am mühseligen Herumgedoktore mit den parallelen Blog- und Bilder-Accounts. Irgendwann erschien auch etwas namens Facebook, war anders und aufregend und definierte das Social Web völlig neu. Die Abstände zwischen den Beiträgen auf Moorbraun wurden länger und länger. Auf große Bilder verzichtete ich schließlich ganz.

Erst nachdem ich in einigen warmen Wochen des Sommerurlaubs 2012 unter www.marc-heckert.de dieses WordPress-Blog hier eingerichtet hatte, kam der Spaß am Bloggen zurück. Und eine Mammutaufgabe auf mich zu: 434 Beiträge samt Bildern und Kommentaren wurden nach und nach von Twoday hier herüberkopiert. Dazu rund 60 Beiträge von Pilotblog.de und knapp 100 vom (inzwischen abgeschalteten) Blog „Moin Oche“ bei Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten sowie einem Testblog namens Printenheim bei Blogger.com, mit dem ich anfangs etwas herumgespielt hatte.

Warum das Ganze? Ich hatte Angst, dass Twoday und die anderen eines Tages die Pforten schließen und meine ersten Schreibversuche im Netz dann weg sind. Das WordPress-Blog hier lässt sich mit ein paar Mausklicks komplett archivieren. Und die Plattform selbst dürfte so als führende Open-Source-Lösung so zukunftssicher sein, wie es nur geht.

An diesem sonnenheißen Julisamstagnachmittag heute, fast ein Jahr später, ist endlich der letzte Beitrag von Twoday.net nach hier umgezogen („Was vorher geschah„, die Geschichte des moorbraunen Coupés, ehe ich es 1993 kaufte). Alles, was ich bis heute im Netz gebloggt habe, steht jetzt hier. Inzwischen sind es mehr als 600 Beiträge.

Zeit, meinem ersten Blog Adieu zu sagen. Alle Beiträge dort sind jetzt offline geschaltet. Beim Umtopfen der alten Texte kam etwas Melancholie auf. Wie anders das Netz 2007 noch aussah. Wieviel sich in der Zwischenzeit verändert hat – und wieviel Unschuld das alte, idealistische und nerdige Internet auf dem Weg zum Milliardenmedium inzwischen verloren hat.

Egal, der Umzug ist geschafft – und ich hoffe, dass es für alle Zeiten der letzte ist. Obwohl man natürlich – also, eigentlich – auch all die Facebook-Einträge der letzten Jahre mal irgendwann irgendwie irgendwo archivieren müsste…

Ein unterirdisches Konzert

Wenn die Rheinischen Philharmoniker im Kölner Kronleuchtersaal auftreten, wird das kein Schlosskonzert. Sondern das genaue Gegenteil. Wer besagten Saal betreten will, stolziert keine barocke Prunktreppe hinauf. Er zwängt sich durch ein enges gemauertes Stiegenhaus, das sich unter einer gruftähnlichen Stahlklappe versteckt, die wiederum an einer Ecke der Grünanlage am Theodor-Heuss-Ring in der nördlichen Kölner Neustadt liegt. Und er nimmt sich besser einen der kleinen Pfefferminzstrauchzweige mit, die eine freundliche Dame mit den Empfehlungen der Kölner Stadtentwässerungsbetriebe am Eingang zum Orkus anreicht.

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Der gemauerte Saal am Ende des Ganges wurde 1890 eingeweiht. Eine verzierte Gedenktafel an der Stirnwand erinnert an die für den Bau verantwortlichen Stadtoberen. Zwei Abwassersammelkanäle treffen dort zusammen, um vereint in Richtung Klärwerk weiterzufließen. Auf einer kleinen, an einen Bahnsteig erinnernden Plattform in dem etwa viereinhalb Meter hohen Tonnengewölbe ist genug Platz für etwa fünf Dutzend Klappstühle und vier Musiker.

Kronleuchtersaal heißt diese Höhle, weil auch Wilhelm II. sich das brandmoderne Bauwerk im Jahr seiner Einweihung anschauen wollte und man aus diesem Anlass zwei Kronleuchter unter die gemauerte Decke hängte. Der Saal ist also einer der ganz wenigen Orte, die selbst ein Kaiser zu Fuß aufsucht.

Und er riecht auch ganz genau so. Die Abwässer fließen munter plätschernd in braunem Strome hinter einem etwa kniehohen Mäuerchen vorbei. Gelegentlich dringt lautes Wasserplatschen ans Ohr, wenn in einem der größeren Wohnblöcke in der Nachbarschaft ein Sammelbehälter seine Pforten öffnet. Ja, das ist alles live, meine Damen und Herren.

Warum um alles in der Welt finden an so einem Ort klassische Konzerte statt? Ganz einfach: Die Akustik in dem Raum mit den drei Röhren ist einzigartig. Und so sitzt an diesem schönen warmen Sommerabend ein etwas flach atmendes, festlich gekleidetes Publikum auf den Holzstühlen mehrere Meter unter dem Erdboden, lauscht Bach-Klängen und versucht gleichzeitig, so gut es eben geht, die Bach-Geräusche und -Gerüche zu ignorieren.

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Klassik in der Kanalisation. Samt einer Zugabe, die sich – mit Einverständnis des Publikums – nicht allzusehr in die Länge zog. Ein wahrlich unterirdisches Konzert. Musik, die man noch Tage später im Ohr hat, ist schon selten genug. Diese hier hatte man auch tagelang noch in der Nase.