Mitfahrgelegenheit III

Wenn einer eine Mitfahrgelegenheit anbietet, dann kann er was erzählen. Menschen aller Art und aus aller Herren Länder quetschen sich seine Fahrgastzelle. Es sind weißbärtige Männer und junge Mädchen, füllige Mütter und durchtrainierte Mittzwanziger. Sie sind Pysiotherapeuten und Friseurinnen, Autoverkäufer und Hartz-IV-Empfänger, Studentinnen und Rentner, Handwerker und Schauspielerinnen, Lehramtsanwärter und Abiturientinnen, Jobcenter-Mitarbeiterinnen und Kiffer. Sie kommen aus Italien, Belgien, England, Finnland und Polen, aus Turkmenistan, China, Kenia und Mexiko, aus der Mongolei, der Türkei und der Ukraine. Sie wollen zur Vorlesung an die Uni, zum Scheidungstermin ans Gericht, zum Bundeswehr-Flug nach Afghanistan oder zum Urlaubsflug nach Istanbul, zur Anschluss-Mitfahrgelegenheit nach Augsburg oder zum Feiern an die Kölner Partymeile. Sie sind gesprächig oder schweigsam, locker oder verkrampft, überpünktlich oder zwei Straßenbahnen zu spät. Sie sind von einer Parfümwolke umgeben oder einer Schweißnote, stehen mit Rollkoffern und Trekkingrucksäcken am vereinbarten Treffpunkt oder haben nicht mal ein eigenes Handy, sind topmodisch gestylt oder tragen schmuddelige Arbeitsklamotten, sind sympathisch oder unsympathisch.

Heute hatte ich das Vergnügen, Leyla mitnehmen zu dürfen: pünktlich am Treffpunkt, von adretter Erscheinung, zurückhaltend im Wesen und zugleich von freundlicher Aufmerksamkeit.

67_Leyla

Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn jeder Mitreisende der vergangenen sieben Monate auch nur die Hälfte dieser Eigenschaften gehabt hätte.