Transportaufgaben (Feurs 2009)

Es ware eine harte Zeit, das dreiwöchige Segelfliegerlager in Südfrankreich. Und das nicht nur für mich. Golfi, das vor der Schrottpresse gerettete Hunderteuro-Sparwunder, musste richtig arbeiten für sein Geld. Von dem ich spätestens jetzt weiß, dass es wirklich, wirklich gut angelegt war.

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Wer hätte gedacht, dass mein armes kleines Winterautochen im zarten Alter von 14 Jahren und mit rund 300.000 Kilometern auf der Uhr noch einmal in den Genuss kommen würde, ein 110.000 Euro teures Segelflugzeug zu schleppen?

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Dabei hat das 1,4-Liter-Nähmaschinenmotörchen die Aufgabe mit Bravour gelöst. Beeindruckend, wie sich die 60 PS in so manch steile Steigung der Ardennen verbissen haben. Auch wenn die Nadel der Motortemperaturanzeige umgekehrt proportional zur fallenden Tachonadel in ungeahnte Höhen stieg.

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In Feurs angekommen, bewies der wendige Wolfsburger umgehend seine Vielseitigkeit. Ob bei einer Reparatur der defekten Blinkeranlage des Hängers für die ASW 28…

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…dem Transport unzähliger Klappstühle, Flugzeugbatterien, Jacken, Schuhen, Transportkullern, Mineralwasser-Sixpacks und Freßkörben mit Pilotennahrung (was ihm den Spitznamen „fahrende Wellnessoase“ einbrachte)…

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…bei Starthilfe für eingeborene Oberklassemobile…

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…dem Vollbringen geradezu herkulischer Zugleistungen…

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…Golfi war immer und überall dienstbereit, wo geflogen wurde, brachte fliegendes und kochendes Personal an seine Bestimmungsorte, holperte geduldig über sämtliche Bodenwellen, die Frankreichs Feldwege und Flugplätze zu bieten hatten, erledigte Einkäufe und schluckte überschwappendes Flugmotorenöl aus leckenden Kanistern. Selbst als Sockentrockner fungierte er.

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Sein Herrchen quetschte sich derweil fröhlich in fremde Einspurfahrzeuge…

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…musste Schlepphilfe in Anspruch nehmen…

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…und machte den Luftraum im Loire-Tal zwischen Zentralmassiv und Lyon unsicher.

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Golfi musste sich derweil mit dem bescheidenen Komfort mobiler Feldwaschanlagen zufrieden geben.

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Nicht, dass die anderen anwesenden Fahrzeuge sich nicht auch diversen demütigenden Transportaufgaben unterziehen mussten. Ob die Winglets das Fahrverhalten von Andrés C-Klasse verbessert haben?

Für Golfi gab’s für drei Wochen mit Anstand durchgestandener Strapazen zwei wohlverdiente Belohnungen:

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Eine neue Heckwischerkappe für 2,48 Euro (siehe unten: Massives privates Investitionsprogramm gegen die Weltwirtschaftskrise)…

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…und den roten Segelflieger-Ehrenfaden am Klebeband in Weiß.

Im Ernst: Der olle Golf ist der fahrende Beweis, dass man auch mit sehr wenig Auto sehr glücklich werden kann. Ich weiß nicht, ob Autos eine Seele haben. Aber ich hatte das Gefühl, er fand den Urlaub genauso toll wie ich.

Neues aus Schweden

Socken sollen rein. Dazu die Unterwäsche natürlich, und sämtliche T-Shirts. Dafür hat meine neue Kommode drei Schubladen. Weil ich viele Socken und Shirts habe, ist es eine große, stabile Kommode. 65 Euro hat sie gekostet, was für ein Möbelstück von 80 Zentimeter Breite, fast ebensolcher Höhe und einem knappen halben Meter Tiefe nicht allzu viel ist. Die Sache hat nur einen Haken, und von dem kann meine rechte große Zeh ein Lied singen.

Denn wer die Produkte einer großen schwedischen Möbelhauskette kennt, der weiß, dass ihr Verkaufspreis daran gekoppelt ist, dass der Zusammenbau dem Kunden überlassen ist. Der darum vor dem Einrichten neuer Sockenkommoden erst einmal große Pappkartons in die eigenen vier Wände schleppen muss. Große Pappkartons, schwere Pappkartons. Auf dem, in dem meine Kommode war, steht „33 kg“, und ich will’s gerne glauben.

33 Kilo in einem glattwandigen, sehr kompakten Karton von 80 Zentimeter Kantenlänge sind nicht leicht unter den Arm zu klemmen. Nach dem Aufschließen der Haustür kam, was kommen musste – die Schwerkraft verlangte ihren Tribut.

Bonks.

Die gute Nachricht: Die Kommode fiel nicht auf die Fliesen. Die Schlechte: Sie fiel auf meinen rechten Zeh. Mit der Kante.

Ein paar Minuten lang konzentrierte ich mich nur auf’s Atmen, dann wurde das Bild vor meinen Augen wieder farbig und das Leben ging irgendwie weiter. Der Zeh nahm in den Tagen danach sehr interessante Farben an. Die Frage, ob der Zehennagel „dranbleiben“ würde, war am Samstagabend einige Zeit lang das Gesprächsthema in einer geselligen Runde (er blieb übrigens dran, zumindest bis heute).

Nun zur Pointe. Sie beweist, dass das Leben immer noch die schönsten Streiche spielt. Denn wie heißt das Möbel, das mir den Zeh zermalmte? Genau so:

Malm_1024

Aber wie meinte ein Bekannter so schön? „Sei froh, dass sie ‚Malm‘ hieß. Sie hätte auch ‚Trenn‘ heißen können.“

Feurs 2009

Jetzt also Feurs. Drei Wochen Fliegerlager im sonnigen Süden Frankreich. Neben den drei Wochen Florida 1999 zweifellos das größte fliegerische Erlebnis meines Lebens.

Betrieb in Roanne
Betrieb in Roanne

Zwar hatten beide Urlaube einiges gemeinsam – vor allem, dass sie keine waren, sondern ziemlich anstrengend. Aber auch überwiegend warmes Wetter, überwiegend frühes Aufstehen, überwiegend konsequente Präsenz am Flugplatz und danach überaus guten Schlaf.

Die Hornet hebt ab
Die Hornet hebt ab

Aber sonst war alles anders. In St. Petersburg bin ich rund 40 Stunden Cessna geflogen. In Feurs waren es am Ende nur sechseinhalb Stunden motorloses Gleiten. In Florida wurde uns drei Wochen lang von Berufsfluglehrern die Kunst beigebogen, einen Blechbomber so zu landen, dass er danach nicht seinerseits geradegegoben werden muss.

The Hornet has landed
The Hornet has landed

In Feurs verbrachten wir die meiste Zeit am Boden, wenn auch in ständiger Bewegung: Schieben, Schieben, Schieben.

Wer seinen Flieger liebt...
Wer seinen Flieger liebt…

Wahlweise gelandete Flieger zurück zum Start schubsen oder die zu Startenden in die Bahn drücken. Schieben, so lange man will, und dann noch länger.

Mehr Schubsung, bitte
Mehr Schubsung, bitte

Schieben wie Gott in Frankreich. Nur Fliegen ist schöner.

Mächtig: Die Winde in Roanne
Mächtig: Die Winde in Roanne

In Florida waren wir zu sechst und logierten komfortabel im Bungalow-Appartment.

Das Zeltlager
Das Zeltlager

In Feurs hausten wir mit zwischen 20 und 30 Leuten in einer ungeheizten Halle und Zelten.

Gammelei am Start
Gammelei am Start

Gemeinsam war beiden Events ein arg hoher Männeranteil. Naja, was soll’s – alles andere lenkt nur ab.

Socken trocknen im laufenden Betrieb
Socken trocknen im laufenden Betrieb

Florida endete mit der bestandenen PPL-Prüfung. Aus Frankreich habe ich gerade mal die A-Prüfung des Segelflugscheins heimgebracht, die erste von dreien.

Feurs von oben
Feurs von oben

Aber was mehr Spaß gemacht hat? Vielleicht war es Feurs. Zu erleben, wie aus völlig unterschiedlichen Charakteren eine Gruppe zusammenwächst, wie sich ein chaotischer Haufen Fußgänger zu einer funktionierenden Ground Crew formt, wie zwei Dutzend Studenten und Ex-Studenten ihr Zusammenleben auf engstem Raum selbst organisieren, ohne dass sich am Ende eine Armee von Kakerlaken über die Leichen hermacht – das war großartig.

Schneeberg in Sicht
Schneeberg in Sicht

Und obwohl ich als Nicht-RWTH-Student, vom Alter und vom beruflichen Hintergrund her eher ein Exot war, habe ich mich in der Truppe nicht eine Minute lang als Fremdkörper gefühlt.

Im Schlepp
Im Schlepp

Und natürlich: das Segelfliegen selbst. Es ist anders als Motorfliegen, ganz anders. Beides ist so verschieden wie Motorradfahren vom Busfahren. Der Motorflieger bringt die Kiste auf Kurs, der Segelflieger kurvt und kreist, spürt der Thermik nach, steigt und sinkt und hält ständig nach Aufstiegsmöglichkeiten Ausschau. Das ist, wenn man so will, Fliegen pur.

Die DG 1000
Die DG 1000

Ach ja, die Flugzeuge selbst. Nach 17 Starts auf der DG 1000 durfte ich zum ersten Mal in die Luft mit leerem hinteren Sitz. Das sind die Kleinigkeiten, in denen sich eine Akaflieg von einem herkömmlichen Verein unterscheidet. Ob ich beim Aeroclub 08/15 Dingsdorf auch schon nach so kurzer Zeit so ein High-Tech-Teil solo hätte pilotieren dürfen?

6 G
6 G

(Die sechs G auf der Anzeige stammen allerdings nicht von mir. Kurbel hat mich freundlicherweise mal mit auf einen Kunstflug genommen. Es war die Mutter aller Achterbahnerlebnisse.)

Kaum halbwegs beherrscht, hieß es dann sogar schon wieder Abschied nehmen vom Zweisitzer. Um den Schulbetrieb nicht zu blockieren, wurden die Soloflieger flugs auf die ASW 28 bugsiert.

Die ASW 28
Die ASW 28

Ist sie nicht todschick? Brandneu und mit 110.000 Euro nur ein wenig teurer als ein vernünftiger Motorflieger. Aber was für Linien…

Im Cockpit
Im Cockpit

…und ich durfte damit in den Himmel. Die ersten selbst in der Thermik erkurbelten 100 Meter Höhengewinn vergisst man nie.

Dann waren da noch diese Momente abseits des Flugbetriebs.

Lämmchen

Spinnweben

Morgennebel
Morgennebel

„Glück ist… im allerersten Morgenlicht durch neblige französische Wiesen zu fahren, das Auto voll warmer, duftender Baguettes“, schrieb ich dazu bei Twitter.

Sonnenaufgang

Nebelberg

Regenbogen

Landnebel

So wie 1999 der Tagestrip ins Disneyland, gönnten wir uns bei schlechtem Wetter einen Abstecher ins rund 50 Kilometer – eine Stunde kurvenreiche Landstraße – entfernte Lyon.

Panoramablick auf Lyon
Panoramablick auf Lyon
Die Basilika
Die Basilika
Römisches Amphitheater
Römisches Amphitheater
In der Innenstadt. Oben die Basilika.
In der Innenstadt. Oben die Basilika.
Der Aéroport Lyon Saint Exupéry
Der Aéroport Lyon Saint Exupéry

Für mich brachte das Fliegerlager im übrigen die Erkenntnis, dass die Franzosen so gut wie alles schöner hinkriegen als wir Deutschen. Das da oben ist der TGV-Bahnhof des Flughafens von Lyon. War jemand schon mal am Flughafen Köln-Bonn?

Auch die nähere Umgebung hatte einiges zu bieten. Interessante Ortsnamen…

La Petite Motte
Die kleine Motte…
La Grande Motte
…und ihre größere Schwester

…und natürlich Feurs, das regionale Oberzentrum der historischen Provinz Foret, Teil des Arrondissements Montbrison, Hauptort des Kantons Feurs im Département Loire in der Region Rhône-Alpes etcetera, etcetera, etcetera… am meisten hat mich an dem 7500-Einwohner-Nest die grandiose Frischfisch-Abteilung im lokalen Carrefour-Supermarkt beeindruckt.

Die Pfarrkirche Notre Dame in Feurs
Die Pfarrkirche Notre Dame in Feurs

Eine schön kleine Kirche gibt es dort aber auch.

In der Kirche
In der Kirche

Mit hübschem Fenster.

Römische Wasserleitung
Römische Wasserleitung

In der Nähe sind Reste einer römischen Wasserleitung samt Aquaeduct (im Hintergrund) zu bewundern.

Drei Wochen Fliegerlager waren ein faszinierendes Erlebnis. Man ist danach nicht mehr derselbe. Und das nicht nur wegen des Barts, den ich mir in dieser Zeit habe wachsen lassen. Man vollbringt in so einer Situation Dinge, die man vorher nie für möglich gehalten hat. Ich habe mit Simon Kartoffelsuppe für 30 Personen gekocht. Und sie war genießbar. Mein Gott, einmal habe ich zwei Stunden lang Geschirr gespült. Einfach, weil’s da rumstand und erledigt werden musste. Wenn meine Mutter das liest, wird sie weinen.

Stachliges Gewächs möge die nötige Sensibilität bringen
Stachliges Gewächs möge die nötige Sensibilität bringen

Zum Weinen ist natürlich auch die traditionelle Taufe der Soloflieger. Gratuliert wird mit einem stachligen Strauß hautunverträglicher Gewächse. Abends darf dann die ganze Truppe dem Delinquenten den Hintern versohlen, auf dass sein Sitzfleisch die nötige Thermikfeinfühligkeit entwickele. Naja, ich hab’s überlebt.

Ins Blaue geflogen

Zum Schluss noch ein paar Impressionen aus der Luft.

Straßenkurve

Schneebergkurve

Die Welt ist sehr schön, wenn man sie aus 800 Meter Entfernung von oben betrachtet, aus einem Winkel von 45 Grad. Auch wenn am Horizont nicht die schneebedeckten Gipfel des Zentralmassivs leuchten. Kann ich sehr empfehlen. Als Dauerperspektive gut geeignet. Ich arbeite dran.

Segelfreizeit

Wenn hier in den vergangenen Wochen wenig bis nichts passiert ist, liegt es daran, dass der Herr Flieger nachts in eiskalten Hangars an französischen Holzbombern aus den Siebziger Jahren („Remo“) herumgewerkelt hat. Mit dem zweifelhaften Erfolg, zur Belohnung drei Wochen lang in einer anderen ungeheizten Halle übernachten zu dürfen und tagsüber deutsche Plastikflugzeuge aus den Neunzigern („DG 1000“) über französische Wiesen schieben zu dürfen.

Zu kryptisch? Dann nochmal ausführlich. Jedes Jahr fährt die FVA Aachen für drei Wochen nach Feurs, einem Nest 50 Kilometer westlich von Lyon, um segelzufliegen. Es ist die Belohnung für die 200 Werkstattstunden, die jedes Mitglied den Winter über angesammelt hat. In Feurs wird von morgens bis abends segelgeflogen. Die 200 Stunden habe ich zusammenbekommen, gerade eben so. Am 10. März hatte ich erst 100, am Tag der Abfahrt, dem 28. März, habe ich dann die Grenze gerade eben so geknackt. Sowas geht – wenn man nach Feierabend direkt in die Werkstatt fährt und bis mindestens ein Uhr durchackert, sich an den Wochenenden nichts anderes vornimmt und zwischendurch noch zwei Urlaubstage für das Vergnügen nimmt. Alter Schwede, war das schlauchend.

Und lohnend. Seit fast zwei Wochen bin ich jetzt hier, und es ist absolut fantastisch. Zwar gab’s am Anfang Probleme mit der Schleppmaschine, so dass ich bis heute erst zwölfmal selbst in der Luft war. Aber das Fliegen unter der Sonne Südfrankreichs ist großartig und es ist eine tolle Truppe, die sich hier zusammengefunden hat.

Am 19. April werde ich wieder in Aachen sein. Dann folgt ein ausführlicher Bericht.