Baskenblog: Back to France

Immer noch 1. Oktober, später am Nachmittag. Von Canfranc aus führt die Straße weiter nach Norden.

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Es ist ein wirklich schöner Tag hier oben. Das Gebirge selber ist auch nicht allzu anstrengend – die Alpen sind doch eine Nummer größer. So ähnlich sieht es ja schon im Schwarzwald aus…

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…und dann bin ich schon wieder im Nachbarland. Willkommen in Frankreich. Das ging ja schnell.

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Oh je. Ein Blick hinunter ins Tal verheißt nichts Gutes: Eine dichte Wolkendecke hängt zwischen den Bergen.

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Aber die Gegend ist gar lieblich anzuschauen, also heißt es: jeden Meter genießen.

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Plötzlich überragt in einer engen Schlucht eine Festung die Straße: das Fort du Portalet, eine alte französische Grenzbefestigung. Die 1842 gebaute Burg dürfte neben dem Bahnhof von Canfranc die zweite größere Investitionsruine in dieser entlegenen Gegend sein. (Eine sehr schöne Bildergalerie gibt es bei „Forbidden Places„.)

Da sich die größeren Kriege der jüngsten Vergangenheit eher an Frankreichs Nordgrenze abspielten, dürfte die Inhaftierung politischer Gegner zur Zeit des Vichy-Regimes die einzige erfolgreiche bedeutende militärische Aufgabe der Anlage gewesen sein.

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Ein paar Kilometer weiter nördlich blockiert ein ganz anderes Hindernis die Straße. Im Hintergrund ist übrigens einer der unzähligen Tunnel auf der Bahnstrecke Canfranc-Pau zu sehen. Die alte Trasse verläuft meist parallel zur Straße, und man kann die vielen Viadukte, Brücken, Bahndämme und sonstigen Kunstbauten bewundern, mit denen die Konstrukteure vor fast einem Jahrhundert die Pyrenäen bezwungen haben. Auf dem südlichen Abschnitt sind die Gleise abgebaut und die Bahnhöfe leer, die Züge fahren nur noch bis Oloron-Sainte-Marie.

Dann reitet mich mal wieder der Teufel – beziehungsweise das Navi. Ich hatte mich entschlossen, unbedingt noch die berühmte Mittelalterstadt Carcassonne zu besuchen. Als das Navi dann eine ostwärts führende Seitenstraße als Route vorschlägt, verlasse ich die große N 134 lange vor Pau, und schlage mich rechts in die Berge. Wie üblich, bereue ich die Abkürzung sofort. Die Straße kringelt sich als schmaler einspuriger Teerweg durch menschenleere Seitentäler. Einzig die Namen von Radrennfahrern, die wohl anlässlich einer Tour de France auf den Asphalt gepinselt wurden, erinnern an die Anwesenheit von Menschen. Außerdem geht es wieder steil bergauf. Hoffentlich entschädigt wenigstens ein schönes Bergpanorama für das zeitraubende Serpentinengewurstel…

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Endlich oben! „Col de Marie Blanque“ heißt dieser Pass. Sagte ich Bergpanorama?

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Also wieder zu Tal. Nichts wie weg hier.

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Drob vom Berge komm ich her, ich kann euch sagen, es nebelt da schwer…

Wenn nur endlich eine Tankstelle auftauchen würde! Es wird langsam später Nachmittag, und in dieser einsamen Gegend machen bestimmt bald auch die letzten Läden zu.

Um die Chance auf Futter für Marit & mich (langsam kriege ich wirklich Hunger) zu erhöhen, lege ich die Reiseroute über die Pilgerstadt Lourdes. Die Entscheidung war zur Abwechslung mal richtig – bald erreiche ich ein Dorf mit (offener) Tankstelle. Mein rudimentäres Französisch reicht für eine Tankfüllung, eine Packung Kekse und ein undefinierbares Erfrischungsgetränk. Aaah – schon besser!

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Als ich Lourdes erreiche, wird es gerade dunkel. Die Zeit wird mal wieder knapp, also spare ich mir die berühmte Grotte für ein anderes Mal auf und beschränke mich auf einen Schnappschuss der Zitadelle aus größerer Entfernung.

Jetzt aber genug der Landstaße. Bis nach Carcassonne sind es noch 260 Kilometer, und man muss einen ärgerlichen Umweg über Toulouse fahren. Also schnell auf die Autobahn – zur Hölle mit der Maut.

Auch wenn wir in Südfrankreich sind: Anfang Oktober wird es hier nachts ganz schön kalt. Mit knapp über 130 Sachen knallen Marit und ich über A 64 und A 61 nach Osten. Ich krümme mich hinter das Windshield und wünsche mir wärmere Klamotten. Seit ich 2001 im Dunkeln auf der A1 mal fast einen abgerissenen Lkw-Frontspoiler überfahren hätte, fahre ich nachts nur sehr ungern Motorrad, Autobahn hin oder her. Hoffentlich lohnt Carcassonne die Mühe…

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Aber es lohnt sich! Und wie es sich lohnt!

Baskenblog: Canfranc, der Geisterbahnhof im Nirgendwo

Endlich geht’s weiter im Baskenblog. Seit mehr als zwei Monaten stottere ich hier mit den Beiträgen herum, das ist ja nicht mehr feierlich. Vielleicht muss ich davon abkommen, jeden einzelnen Kilometer der Reise fotografisch zu dokumentieren…

Aber zurück in ein abgelegenes Tal in den spanischen Pyrenäen in der Nähe des winzigen Örtchens Canfranc nahe der Grenze zu Frankreich. Es ist immer noch der Nachmittag des 1. Oktober 2008.

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Vor dem Eingangsportal des einstigen Prachtbahnhofs Canfranc parke ich Marit. Canfranc, das sollte ein riesigier Umsteigebahnhof für die Expressverbindung Madrid-Paris werden. Direkt hinter der französisch-spanischen Grenze sollten die Reisenden aus den normalspurigen französischen Waggons in die breitspurigen spanischen Züge umsteigen.

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Nach fast siebzigjähriger (!) Vorbereitung wurde die Bahnstrecke nach dem ersten Weltkrieg fertiggestellt. Von 1921 bis 25 entstand vier Kilometer nördlich des Dörfchens Canfranc ein luxuriöses, rund 250 Meter langes Bahnhofsgebäude, komplett eingerichtet mit Fahrkartenschaltern, Wartehallen, Zollbüros, Hotel und Restaurant, bis hin zur Krankenstation mit Gynäkologenstuhl. Zuvor war der 7,8 Kilometer lange Somport-Tunnel durch die Zentralpyrenäen fertig geworden. Mit den Geröllmengen, die bei seinem Bau anfielen, wurde das Plateau für den Bau des Bahnhofsaufgeschüttet.

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Endlich existierte eine komfortable Landverbindung mitten durch das trennende Gebirge zwischen beiden Staaten. „Es gibt keine Pyrenäen mehr“, jubelte der spanische König Alfonso XIII bei der Eröffnung 1928.

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Doch der Betrieb auf dem Riesenkomplex mit seinen 27 Gleisen kam nie wirklich in Gang. Das Umsteigen der Passagiere und Umladen des Gepäcks kosteten viel zu viel Zeit und Arbeit. Und das Verkehrsaufkommen hatten die Planer wohl gewaltig überschätzt.

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Die Weltwirtschaftskrise 1929 ließ den Verkehr weiter erlahmen. Acht Jahre nach der Eröffnung, von 1936 bis 39, wurde der Tunnel für die Dauer des Spanischen Bürgerkrieges geschlossen. Von 1940 bis 45 behinderte die deutsche Besetzung Frankreichs während des Zweiten Weltkriegs den freien Verkehrsfluss, danach die jahrzehntelange internationale Isolation Spaniens während der Franco-Diktatur.

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Der Bahnhof, in seiner Größe etwa dem einer 100.000-Einwohner-Stadt entsprechend, verfiel erst in einen Dornröschenschlaf – und nach und nach denn auch wirklich.

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Einzig Fotografen und Eisenbahnfans schätzten die bizarre Schönheit dieses versunkenen Palastes.

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Ein verfallener Toilettenraum in einem Nebengebäude. Durch das eingestürzte Dach scheint das Sonnenlicht.

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Hinter dem Hauptgebäude liegen mehrere Wagenhallen, zwischen denen eine Reihe alter Reise- und Güterwagen aus den vergangenen Jahrzehnten vor sich hin rottet. Was für eine Stimmung mag hier an einem nebligen Novembernachmittag herrschen?

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Völlig zerfallen ist der Aufbau dieses zweiachsigen Fahrzeugs, auf dem noch Reste eines Schriftzuges stolz verkünden, dass es einmal ein dieselelektrischer Triebwagen war.

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Wohl noch aus den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen diese Personenzugwagen.

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„Transformacion“ – Umwandlung…

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Im harten Licht der Gebirgssonne wirkt der abgeblätterte Lack des Oldtimerwagens wie ein Stilleben.

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Seinem stählernen Cousin geht es nicht besser. Im Wechsel von heißer spanischer Sonne und eisigen Bergwintern ist die Lackierung dieses vergleichsweise modernen Gerätewagens großflächig abgpeplatzt.

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Grafitti verzieren die rostigen Wände. Esperanza heißt Hoffnung. Für wen? Für was?

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Aber was für Farben! Über dem Rostrot dieses leuchtende Blau!

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Das ausgewaidete Innere eines Waggons.

In der Sonne ist es heiß, ich schwitze in meinen Motorradklamotten. Zurück zu Marit, die im Schatten vor dem Bahnhof auf mich wartet.

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Die französische Seite des Gebäudes. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung begann 2007 die Wiederauferstehung. Der Riesenbau wird in ein Hotel umgewandelt. Eifriges Hämmern und Bohren dringt unter dem Gerüst hervor, meine Bitte, ein Foto von innen machen zu dürfen, wird von einem Bauarbeiter abgelehnt.

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Heute fahren nur noch auf der spanischen Seite Nahverkehrzüge nach Saragossa. Die französische Hälfte der Strecke liegt brach, seit 1970 eine Brücke einstürzte. Gerüchten zufolge hat die französische Eisenbahn SNCF unmittelbar vor dem Einsturz ihre letzte Lokomotive aus Canfranc abgezogen. Hatten die Franzosen der ungeliebten und teuren Nebenstrecke so den Stecker gezogen?

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Das Gleis in Richtung Frankreich ist längst abgebaut. Abgerissene Oberleitungsseile baumeln trostlos von den Masten. Mit dem Motorrad fahre ich über den Schotter des alten Gleisbetts.

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Der Eingang zum Somport-Tunnel auf der Nordseite des Bahnhofsgeländes. In ihm ist heute ein Forschungslabor für Teilchenphysik untergebracht.

Im Zweiten Weltkrieg wurde hier geschmuggelt: Die Deutschen ließen sich über diese Strecke Wolframerz liefern. Dafür bezahlten sie die Spanier mit Gold, das den in die Konzentrationslager verschleppten Juden abgenommen worden war. Immerhin nutzten wohl auch Verfolgte des Naziregimes, darunter Marc Chagall und Max Ernst, diese Strecke für ihre Flucht.

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Was für ein bizarrer Ort. Immerhin ist jetzt nach Jahrzehnten des Verfalls wieder etwas in Bewegung gekommen.

Ein letzter Blick zurück, bevor ich mich wieder auf die Aufstieg mache. Hinten rechts der eingerüstete Bahnhof. Wenn ich je wieder herkomme: Wie wird es dann aussehen? Ob es hier wirklich einmal ein Luxus-Skiresort gibt? Und wird der Zugverkehr auf der französischen Seite je wieder aufgenommen?

[Wer sich für die Geschichte des Canfranc-Bahnhofs näher interessiert, wird auf der Seite www.canfranc.de der deutschen Fotografen Matthias Maas und Stefan Gregor mehr Informationen finden.]

Räumungsaktion

Ein belebter Sonntagnachmittag am Merzbrücker Luftverkehrskreuz. Der Kampfmittelräumdienst hat seine Arbeit – für die anstehende Bahnverlängerung muss der Boden untersucht werden – längst eingestellt. Vor den Hallen stehen zwei DR 400 Robins, und während der KAOD-Falke darauf wartet, wieder in die Halle geräumt zu werden, dreht im Hintergrund eine C 152 unermüdlich ihre Platzrunden.

Flugbetrieb in Merzbrück

Simon und ich räumen die FVA-Halle frei. Da steht nämlich noch eine rote DR 400 drin – es soll aber eine blaue rein. Und zwar unsere Blaue. Die neue Remo, von der FVA just in Karlsruhe gekauft und auf dem Überführungsflug nach Aachen. Wir räumen also fleißig um. Merzbrück ist fest in Robin-Hand: In der anderen Halle hinten wartet bereits seine vierte Knickflügelkiste aus Frankreich. Eine edle DR 500 President.

Die neue DR 400 der FVA

Aber da ist auch schon unser Neuzugang. Blau und angenehm anzuschauen. Und wenn auch die eine oder andere Macke zu sehen ist: Die Flächen sollen eh neu bespannt werden.

Bitte einen Blick in die Kamera, die Herren
Bitte einmal hier herüberschauen, die Herren

Noch einen Blick in die Kamera, die den historischen Moment festhält, bevor die Maschine in die Halle geschoben wird und die Räumaktion zu ihrem Ende kommt. Einem guten Ende: Die Stimmung der beiden tollkühnen Flieger ist offensichtlich ziemlich… aufgeräumt.

Neben der Spur

Noch einer aus der Reihe „Lustiges aus der Medienwelt“. Die Nachrichtenagentur AFP meldet „Piloten in Hongkong wegen Startversuch auf Taxispur gefeuert„. Es gibt diese Redaktionen, da fehlt einfach das Geld für ein Wörterbuch. Und es ist niemand da, der LEO kennt.

Die Zeitung mit den vier Buchstaben drehte es dann natürlich noch ein Stück weiter: „Piloten wegen Startversuch auf Taxispur entlassen„. Zitat:

Vielleicht wollten sie einfach nur mal Taxi spielen…

Haha, wie lustig. Wo es für Passagierflugzeuge doch auf jedem größeren Flughafen extra eine eigene AirBusspur gibt!

[Gefunden natürlich im Bildblog.]

Tankenfoto

Wir unterbrechen das Baskenblog mal wieder kurz. Heute wurde ich vor die Tür gejagt, um ein Aufmacherbild für den Webauftritt der Aachener Zeitung zu schießen:

tankenfoto-real

Also wirklich. Da fällt der Benzinpreis mal um zwei Cent, schon wird gehamstert wie im Winter 1948/49. Mich interessiert das nicht ganz so. Autogas kostet in Belgien 349 Cent, und an Benzin hab ich nur etwa fünf bis zehn Liter Starthilfeschluck im Tank.