Seitenblick über den großen Teich

„Meine Güte“, habe ich heute zweimal gedacht. Beide Male ging es um Videos, beide kamen aus den USA, beide drehten sich – natürlich – um die Präsidentenwahl. Eins war lang und bewegend, eins kurz und witzig. Aber seht selbst.

Dies ist der (Achtung!) 27-minütige Werbespot, den Barack Obama gestern Abend auf fast allen großen amerikanischen Fernsehkanälen laufen ließ. Zur besten Sendezeit. Für mehrere Millionen Dollar. So etwas gab es noch nie.

Ich hatte ein rot-weiß-blaues Füllhorn voll euphorischem Schwulst erwartet, jubelnde Mengen, Stars ’n‘ Stripes, einen strahlenden Kandidaten, das ganze garniert mit jeder Menge des üblichen God-bless-America sowie diversen Joe Sixpacks, die „we’re the greatest country in the world“ in diverse Kameras sagen.

Es ist aber ganz anders, und es lohnt die Mühe, sich ein halbes Stündchen Zeit für diesen Film zu nehmen, denn er hat bereits jetzt Mediengeschichte geschrieben. Da steht der Kandidat, eine professionelle Mischung aus Ruhe und Freundlichkeit ausstrahlend, und erklärt den Wählern, was er denn vorhat, wenn sie ihn im Januar ins Weiße Haus einziehen lassen.

Dann werden Geschichten erzählt, von ganz normalen Amerikanern. Wie dem Rentnerehepaar aus Ohio, das eine Hypothek auf ihr Haus aufnehmen muss, weil es die Rechnungen für Medikamente nicht mehr bezahlen kann. Die Frau öffnet mit sichtbar arthritischen Fingern die Pillendose, der Mann setzt sich die Dienstmütze auf und fährt wieder zur Arbeit im Wal-Mart. Mit 72 Jahren.

Oder der Mutter, die das Essen für ihre Kinder in getrennten Fächern im Kühlschrank aufbewahrt. Wenn dort nicht mehr viel liegt, weiß der Nachwuchs, dass er den Gürtel enger schnallen muss.

Oder dem Ford-Arbeiter, dessen Wochenarbeitszeit um die Hälfte reduziert und dessen Frau entlassen wurde. Der Lehrerin, die einen zweiten Job annehmen musste.

Es gäbe viel zu sagen über den Film. Wie geschickt die Betroffenen aus den Staaten ausgewählt wurden, in denen Obama und McCain Kopf an Kopf liegen. Dass viele Frauen zu Wort kommen, die offenbar als besonders spät entscheidende Wähler gelten. Über die Mischung aus persönlichen Bildern aus Obamas Biographie, von seiner (weißen) Mutter, die früh an Krebs starb bis zu seiner offiziellen Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten. Aber diese Dinge werden schon gerade von anderen Leuten analysiert – das Internet quillt geradezu über mit Artikeln über den Film. Googeln Sie einfach nach „Obama Fernsehen„.

Der Streifen unterscheidet sich fundamental von jedem Wahlwerbespot, den ich bis jetzt gesehen habe. Er ist sanft, gefühlvoll, geradezu melodisch. Der Gegner wird nicht attackiert, er wird im Gegenteil sogar ignoriert – was vielleicht sogar noch wirkungsvoller ist. Und er ist natürlich vor allem ein: perfekt inszeniert.

„Ich werde kein perfekter Präsident sein“, sagt Obama gegen Ende. Nun, wir werden sehen. Nach dem Film ist es jedenfalls ein bisschen wahrscheinlicher geworden.

Manchmal vergisst man als Europäer fast ein wenig, dass man mit dieser Wahl ja gar nichts zu tun hat. Wenn man denn doch beteiligt wäre, dann wäre das zweite Video des Tages wohl der ultimative Alptraum.

Ja, lieber Leser, ich war es, der die Wahl entschieden hat. Wegen mir ist John McCain am Ende doch noch Präsident geworden. Weil ich am Wahltag den Hintern nicht hochbekommen habe. Sehen Sie selbst:

Erstaunlich, was im Netz so alles möglich ist.

Wenn Sie auch das Gefühl haben möchten, einmal etwas von historischer Tragweite verbockt zu haben – hier ist der Link. Und: Gehen Sie wählen!

Was? Ach ja, ist bei uns erst 2009 soweit. Ob wir bis dahin auch so schöne Videos zustande kriegen? Eine emotionale halbe Stunde mit Frank-Walter Steinmeier, schluchzenden Rüsselsheimer Opel-Werkern und einem Rentnerehepaar aus Greifswald? Ja? Meine Güte.

Baskenblog: Marit geht in die Luft

Montag, 29. September. Der nächste Tag beginnt nicht gut. Ich wache gegen halb sieben auf, viel zu früh fürs Frühstück, das zwischen acht und neun Uhr serviert wird. Weil der Lärm der Schnellstraße vor dem Fenster mich nicht mehr einschlafen lässt, stecke ich mir die Stöpsel in die Ohren. Mit dem Resultat, dass ich erst um drei Minuten nach 9 Uhr wieder wach werde. Da sind die Rollläden der Frühstückstheke im Speisesaal tatsächlich schon wieder heruntergelassen. Gnadenlos. Mist!

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Doch die Lage bessert sich. Die nette und fließend Deutsch sprechende Dame am Empfang hat nicht nur einen Stadtplan für mich, sondern auch noch ein Breakfast-Bag, eine Frühstückstüte zum Mitnehmen. Als ich damit gemütlich vor der Jugendherberge sitze und das süße Buttersandwich futtere, komme ich mit einer deutschen Touristin ins Gespräch, die dort ihren Rucksack packt. Sie ist auf dem Jakobsweg – und das mit bestimmt 60 Jahren, Respekt. Sie gibt mir den Tipp, den Nevión hoch bis Portugalete zu fahren. Dort stünde eine einzigartige historische Hängebrücke aus Stahl, ein Unesco-Weltkulturerbe. Manchmal ist es auch ganz gut, nicht nur nach dem Reiseführer zu gehen. Solche Gespräche sind übrigens der Grund, weshalb ich Jugendherbergen mag: Man trifft immer interessante Leute und erfährt eine Menge.

Nach dem Frühstück fahre ich erst einmal durch die Stadt. Bilbao hat zwar den Ruf weg, eine gesichtslose und eher hässliche Hafenstadt zu sein, es gibt aber doch viele reizvolle und interessante Ecken. Das Highlight ist natürlich das Guggenheim-Museum, aber das spare ich mir absichtlich für morgen auf – meinen Geburtstag.

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Am Ufer des Nevión, der durch die Stadt fließt.

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Das Theater Arriaga am Rand der Innenstadt. Hier gönne ich mir in einem Straßencafé noch einen Kaffee und ein Sandwich und schmökere in meinem Vis-a-vis-Reiseführer. Über die Hängebrücke von Portugalete steht allerdings wirklich kaum etwas drin.

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Ein paar Schritte weiter leuchtet die buntbemalte Prachtfassade des alten Hauptbahnhofs.

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Die Hängebrücke möchte ich unbedingt sehen. Auf dem Weg das Nordufer des Nevión hinauf erinnern Fabrikruinen daran, dass Bilbao in den vergangenen Jahren einen Wandel weg von einer Schwerindustriestadt in der Strukturkrise zu einer modernen Metropole genommen hat.

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Und da ist sie: Die Puente de Vizcaya, Verzeihung: die Bizkaiko Zubia. Das 1893 fertiggestellte Bauwerk ist die älteste Schwebefähre der Welt und noch voll in Betrieb.

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Für 30 Cent werden wir übergesetzt – zum ersten Mal geht Marit buchstäblich in die Luft.

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Dann entschwebe ich alleine gen Himmel. Zu Fuß selber über die 160 Meter lange Hochbrücke zu laufen ist erstaunlicherweise teurer, als bequem mit der Gondel auf Straßenlevel über den Fluß zu schweben. Fünf Euro kostet das Vergnügen, sich von einem Fahrstuhlführer auf einen der 45 Meter hohen Stahltürme fahren zu lassen.

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Aber es ist das Geld wert. Whow, was für ein Bauwerk…

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…man darf nur nicht nach unten gucken, wo gerade die Gondel vorbeirauscht.

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Kein Problem eigentlich. Den Fluss hochzugucken ist ja auch viel schöner…

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…oder hinunter, in Richtung Stadt. Währenddessen schwärmt über die Lautsprecher ein euphorischer Kommentator auf Englisch in einer Art Hörspiel von der Geschichte dieses „großartigen Bauwerks“. Untermalt von Pferdegewieher und Kanonendonner.

Und so sieht die Brücke in Aktion aus.

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Zurück in die Stadt. Während es langsam dunkel wird, bummele ich durch die Gassen der Casco Viejo, der Altstadt.

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Hübsch: Einige der Straßen sind nach alten Sportarten benannt, wie hier nach dem Pelota-Ballspiel.

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Typisch für die Häuser hier sind die vorgesetzten verglasten Balkone an jeder Fassade.

Als es Nacht geworden ist, kaufe ich mir noch ein improvisiertes Abendbrot (noch einmal bei Lidl, wie schon auf dem Hinweg in Frankreich – da weiß man wenigstens, was man hat) und fahre zurück in die Herberge, wo ich in dieser Nacht leider das Zimmer mit einem Mitbewohner teilen muss. Da erwartet mich allerdings eine unangenehme Überraschung. Eine Riesenladung französischer Teenager tobt durch die Flure. Angeblich sind es mehr als hundert. An Schlaf ist nicht zu denken, die Kids johlen, knallen Türen, verschieben Möbelstücke. Bis halb drei liege ich wach, trotz Ohrenstöpseln. Verdammte Blagen.

Baskenblog: San Sebastián (4). Von oben.

Sonntag, 28. September. Mein letzter Tag in der Stadt bricht an, abends möchte ich schon in Bilbao sein. Vorher aber will ich noch einmal auf den Monte Igueldo. Ich treffe mich mit Stefan, einem deutschen Studenten, den ich – natürlich – über Couchsurfing kennengelernt habe. Er ist gerade in die Stadt gezogen. Wir fahren zusammen mit der Funicula-Standseilbahn auf den Berg.

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Die Aussicht vom Palastturm ist, wenn möglich, noch grandioser als vom gegenüberliegenden Monte Urgull. Von hier aus sieht man auch besonders gut, warum die kleine Insel Santa Clara „Schildkröte“ genannt wird.

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Für unsere Augen etwas befremdlich ist der Vergnügungspark auf dem Berg. Er wirkt neben den Mauern des Burgturms etwas bizarr, hat aber offenbar eine lange Tradition.

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Ja, es sind Espressotassen da auf dem Karussel. Nein, ich weiß nicht, warum. Daneben stehen überdimensionale Pilze mit etwas vergrumpften Gesichtern.

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Die Funicula auf dem Rückweg.

Stefan empfiehlt mir noch ein Internetcafé in der Nähe. Trotz des Tourismus in der Stadt sind solche Angebote überaus dünn gesät – er hat bis jetzt nur drei oder vier entdeckt. Insgesamt scheint Spanien kein Internetland zu sein, man erledigt die Dinge offenbar lieber im direkten Kontakt. Wieviel hier nachts noch auf den Straßen los ist, habe ich ja am Vorabend gesehen. Selbst um 22 Uhr spielten noch Kinder auf den Plätzen. Es herrschte ein Trubel wie bei uns, wenn Stadtfest ist.

Ich unterhalte mich mit dem Menschen hinter der Theke des Internetcafés. Er ist Südamerikaner und mag Deutschland. Freiburg hat es ihm besondes angetan. In San Sebastián ist er nicht allzu glücklich, er kommt mit den Menschen nicht zurecht. Und die Mieten sind hoch, sehr hoch: Er zeigt mir Wohnungsanzeigen für Zwei- bis Dreizimmerwohnungen, die fast alle mehr als 1000 Euro im Monat kosten. Soviel zu meinem heimlichen Plan, mir bei Eintritt späteren Reichtums in der Gegend ein Ferienhäuschen zuzulegen. Außerdem stellen wir fest, dass wir am selben Tag Geburtstag haben: am 30. September nämlich, übermorgen.

Als ich mich verabschiedet habe und vor dem Café meine Freewind aufschließe, bekomme ich eine SMS aus Deutschland aufs Handy: Alemannia Aachen hat den FC Freiburg besiegt. Was mag mir das Schicksal damit sagen wollen?

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Eine letzte Fahrt über die Uferpromenade, um das Gepäck abzuholen. Donostiarraks sonnen sich am Strand – ganz schön freizügig. Dann ist es Zeit, mich von der Stadt zu verabschieden, wegen der ich mehr als 1300 Kilometer weit gefahren bin.

Bis Zarautz nehme ich die Autobahn, das spart Zeit und Nerven. Von da an fahre ich aber über die kleine Küstenstraße N 634.

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Eine gute Wahl. Ich hätte nicht gedacht, dass die Gegend hier so schön ist.

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Getaria. Auch hier gibt es eine Bucht mit Sandstrand, natürlich in etwas kleinerem Maßstab.

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Kutter, Klippe, Kirche.

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Eine gute Gelegenheit, vor landschaftlich schönem Hintergrund einmal die treue Begleiterin abzulichten, die mich ohne zu Mucken bis hierher getragen hat: meine Suzuki, äh, Seewind.

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Im Nachbarort Zumaia begrüßt mich Politik. Baskisch ist eine der geheimnisvollsten Sprachen der Welt, mit keiner anderen Mundart verwandt. Doch das Wort rechts auf der Kaimauer verstehe sogar ich: Selbstbestimmung.

Und ein paar Kilometer weiter, die Straße windet sich inzwischen als GI 638 weiter nach Ondarroa, wird der Baskenkonflikt plötzlich sehr lebendig. Ich gerade in eine Polizeisperre der Guardia Civil. Schwerbewaffnete Soldaten mit Sturmgewehren prüfen jedes Fahrzeug, bevor sie es weiterfahren lassen.

Kriegsspiele, denke ich. Falsch: Vor wenigen Tagen, am 21. September, ist vor der Polizeiwache in Ondarroa eine Autobombe explodiert. Sieben Menschen wurden verletzt. Ganz so friedlich, wie es aussieht, ist das Baskenland nicht.

Im Dunkeln, gegen 20 Uhr, erreiche ich Bilbao. Dort erlebe ich es zum ersten Mal, dass mich das Navi komplett im Stich lässt. Ich habe die Adresse der Jugendherberge als Ziel eingegeben. Mitten auf einer Autobahnabfahrt behauptet das Gerät, ich sei am Ziel. Mutterseelenallein stehe ich in einem menschenleeren Industriegebiet. Ich spreche kein Spanisch, die Spanier kein Englisch, es ist zum Verzweifeln. Und in der Herberge geht niemand mehr ans Telefon. Irgendwann wird die Rezeption schließen, dann habe ich ein mittleres Problem.

Fast eine Stunde lang gurke ich hilflos durch Vororte der nächtlichen Hafenstadt, bis mir jemand endlich den Weg zur Herberge zeigen kann. Sie ist höllisch schwer zu finden: Mitten in einer Baustelle, nur von einer Seite aus zu erreichen, zweigt eine schmale Straße ab, die einen Berg hinauf führt.

Gegen 21.10 Uhr betrete ich die Herberge und habe Riesenglück, dass noch jemand hinter der Theke sitzt. Kurze Zeit später ist nur noch ein Wachdienst da. Gottseidank habe ich ein Einzelzimmer.

Zwischendurch: Neues vom Straßenrand (4)

Wir unterbrechen das Baskenblog für eine aktuelle Meldung.

Sport! Sport ist ja das Nonplusultra überhaupt. Wer Sport treibt, tut nicht nur seinen Muskeln Gutes, sondern labt Körper wie Geist. Sport ist Balsam für die Seele, Sport fördert Durchblutung, reinigt die Gefäße, steigert das Wohlbefinden. Und kann auch gut sein für’s Portemonnaie, aber das weiß ich erst seit heute Morgen.

Wäre ich gestern nämlich noch nach der Arbeit zum Joggen gegangen, wie ich es mir vor dem Feierabend fest vorgenommen hatte, dann wäre ich heute Nachmittag noch um rund 200 Euro reicher. Weil ich noch ein paar Runden auf der Uni-Finnbahn drehen wollte, parkte ich mein treues Gefährt nach Dienstschluss schräg gegenüber der Wohnung, vor einem Altenheim einer Seniorenresidenz. Dort ist zwar Halteverbot, aber nur vormittags von 7 bis 14 Uhr. Dann ging ich kurz ins Haus, um mich umzuziehen.

Hätt ich nur, wär ich doch.

Aber irgendwie bin ich hängengeblieben, anderes war zu erledigen, dann war der Hunger doch zu groß – und da voller Bauch nicht gerne joggt, blieb es am Ende beim festen Vorsatz „morgen aber wirklich“.

Das dicke Ende kam heute früh. Vor dem Seniorendings ist nämlich eine Ladezone, und die wollte man am Vormittag bestimmungsgemäß nutzen. So kam es, dass ich zum ersten Mal in 15 Jahren, die sich das moorbraune Mobil in meinem Besitz befindet, vor einem leeren Parkplatz stand.

Abgeschleppt.

abgeschleppt

Ein netter Kollege brachte mich zum Gelände, wo die verhafteten Fahrzeuge aus Aachen in Sicherungsverwahrung hinter Gittern festgehalten werden. 129 Euro durfte ich beim freundlichen Abschleppunternehmen löhnen, und das Autochen war wieder mein. Die Stadt wird, so kündigte man es an, wohl nochmal 70 Euro von mir haben wollen. Viel Geld für einmal Nichtjoggen. Das Demütigendste an so einem Erlebnis ist, dass man sich über niemanden wirklich ärgern kann als über sich selbst.

Professionell sind die Jungs schon, das muss man zugeben (wenn sie die Karre auch wenigstens mal durch die Waschanlage hätten ziehen können für das Geld). Während ich den Braunen vom Hof bugsierte, kam der Schleppi schon mit dem nächsten Opfer am Haken: Honda Civic, rückwärts gezogen, mit den Hinterrädern auf einer Art Hubgabel. Beeindruckt hat mich, wie der Fahrer die Fuhre rückwärts, die ungelenkten Vorderräder voran, in eine Parklücke geschoben hat.

In New York war ich dagegen mal Zeuge, wie ein vollverspoilerter Mazda-Sportwagen abgeschleppt wurde. Da haben sie ganz stumpf zwei Haken unten an der Front befestigt, und als sie die Kiste angehoben haben, ging der Frontspoiler an den entsprechenden Stellen zu Bruch.

Das war also der zweite Akt meines Einbürgerungsverfahrens. Teil 1 war mit 15 Euro deutlich billiger.

Vorsatz für den Herbst: Mehr Sport treiben. Unbedingt. Schon aus finanziellem Interesse. Denn merke: Ein volles Konto ist für das seelische Wohlbefinden mindestens doppelt so gut wie für den Körper ein ganzer Tag auf dem Sportplatz.

Baskenblog: San Sebastián (3). Nachts.

Es wird langsam Abend, die Lichter gehen an. Während es in Deutschland jetzt langsam ruhig würde, fangen die Straßen hier erst richtig an, sich zu beleben. Selbst spät am Abend, gegen 22 Uhr, wird hier noch jede Menge los sein: Kinder spielen auf den Plätzen, alte und junge Menschen stehen auf den Straßen, man unterhält sich, lacht, plaudert, isst, trinkt, lebt, kurz: Es ist ein klein wenig anders als um dieselbe Uhrzeit in, sagen wir mal, Bielefeld.

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Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Mein Gastgeber will mich in die Welt der Pintxos einführen, wie hier die Tapas genannt werden. (Das allgegenwärtige baskische „tx“ wird „tsch“ gesprochen.)

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Vor dem Auditorio Kursaal wartet eine Menschenmenge. Es ist der letzte Tag des 56. Internationalen Filmfestivals. Später erfahre ich, dass unter anderem Antonio Banderas und Meryl Streep über den roten Teppich vor dem Eingang geschritten sein sollen. Ich warte zwar ebenfalls eine halbe Stunde lang vor dem Eingang, aber irgendwann wird es mir zu langweilig. Ich will endlich die berühmte einheimische Küche entdecken – schließlich hat Donostia-San Sebastián die höchste Dichte an Sterneköchen auf der Welt. Nirgendwo gibt es so viele Spitzenköche wie hier. Unzählige kleine private Kochclubs sorgen für erstklassiges kulinarisches Niveau.

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Das mit den Pintxos funktioniert so: Man trifft sich in der ersten Bar, zum Beispiel in der Bar Sport, trinkt dort einen Txakoli, einen leichten Weißwein, den der Ober in hohem Bogen ins Glas gießt, und nimmt sich ein, zwei Pintxos von den Tellern auf dem Tresen, ein Txistorra zum Beispiel, ein scharfes Paprikawürstchen (die länglichen auf dem nächsten Bild), oder ein paar Brocheta de Gambas mit Garnelen.

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Dann tappert man in die nächste Bar, zum Beispiel ins Munto, wo es als Spezialität Foie al la Plancha gibt, in der Pfanne gebratene gestopfte Gänseleber mit Traubensoße, oder Bolas del Mar, die aus der Tinte von Tintenfischen gemacht werden. Dazu trinkt man einen trockenen Rotwein – vielleicht einen Rioja.

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Zum Schluss geht es noch ins La Cepa, wo die Schweinehaxen von der Decke hängen und erstklassiger Jabugo serviert wird, hauchzarte Schinkenstreifen von Schweinen, die mit Korkeicheln gemästet wurden. Das Aroma ist unvergleichlich.

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Ein Teller Guindillas, Chilischoten, und Gabillas, frittierte Fleischbällchen, runden die Köstlichkeit ab.

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Wenn man dem dazu servierten roten Crianza weiter zugesprochen hat, die Pfefferschoten verlangen das, dürfte man jetzt schon ganz gut bedient sein. Zeit für den Nachhauseweg.

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San Sebastián bei Nacht ist wundervoll – etwa der Plaza de Constitución, wo auf den Balkonen der umliegenden Wohnungen noch die nummerierten Logen zu sehen sind, von denen aus früher die Stierkämpfe auf dem Platz beobachtet wurden.

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Oder die alte Kirche San Vicente Mártir. Sie überstand sogar den großen Stadtbrand vom 31. August 1813.

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Im Wasser des Urumea spiegeln sich das Hotel Cristina Maria und das Teatro Victoria Eugenia…

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…und während im Kursaal das Filmfestival seinem Höhepunkt entgegenstrebt, leuchten die Lichter der nächtlichen Stadt am Strand von La Zurriola.